VG Ansbach, Urteil vom 06.08.2019, Az. AN 18 K 18.00706

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Gegenstand

Beihilfe zu Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung eines gesetzlich versicherten Angehörigen des Beamten


Tenor

1. Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 30. Januar 2017 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 15. März 2018 verpflichtet, dem Kläger eine weitere Beihilfe in Höhe von 116,96 EUR zu gewähren.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.

3. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt eine Beihilfe zu Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung seiner Tochter.

Der Kläger steht als Beamter im Dienst der Beklagten und ist dieser gegenüber beihilfeberechtigt. Die am … geborene Tochter ist familienversichert bei ihrer gesetzlich pflichtversicherten Mutter.

Mit Schreiben vom 4. Mai 2015 legte der Kläger der Beklagten einen seine Tochter betreffenden kieferorthopädischen Heil- und Kostenplan der Fachzahnärztin Dr. … vom 13. April 2015 vor und bat um Auskunft, welche Kosten in welcher Höhe beihilfefähig seien.

Die Beihilfestelle teilte dem Kläger daraufhin mit bestandkräftig gewordenem Bescheid vom 11. Mai 2015 im Wesentlichen mit, dass unter dem Vorbehalt des Gleichbleibens der Sach- und Rechtslage die Kosten der kieferorthopädischen Behandlung seiner Tochter nach Maßgabe der Bundesbeihilfeverordnung und des vorliegenden Behandlungsplans der behandelnden Fachzahnärztin … vom 13. April 2015 als grundsätzlich beihilfefähig anerkannt würden.

Mit Antrag vom 12. Januar 2017 beantragte der Kläger unter anderem Beihilfeleistungen hinsichtlich der mit Rechnung der behandelnden Fachzahnärztin für Kieferorthopädie Dr. … vom 6. Januar 2017 abgerechneten 146,20 EUR für die adhäsive Befestigung der Brackets, Ziffer 2197 der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ).

Mit Bescheid vom 30. Januar 2017 lehnte die Beklagte die beantragten Beihilfeleistungen ab und führte aus, dass die kieferorthopädischen Aufwendungen für die Tochter über die gesetzliche Krankenversicherung abzurechnen seien. Die in diesem Zusammenhang gestellten Rechnungen seien nicht beihilfefähig. In der Regel übernehme die gesetzliche Krankenkasse für Versicherte, die bei Beginn einer kieferorthopädischen Behandlung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, 100% der Kosten. Allerdings sei vorerst ein Eigenanteil von 20% vom Versicherten zu tragen. Dieser würde dem Kläger erstattet, sobald die Behandlung planmäßig abgeschlossen sei.

Daraufhin stellte der Kläger mit Schreiben vom 10. Februar 2015 klar, dass es sich bei der vorgelegten Rechnung um Leistungen handele, die von der gesetzlichen Krankenversicherung komplett nicht getragen worden seien und bat um Neubeurteilung.

Mit Schriftsatz vom 23. Februar 2017 erwiderte die Beklagte, dass es bei der Ablehnung bleibe und führte im Wesentlichen aus, dass gemäß § 6 Abs. 1 BBhV grundsätzlich nur notwendige und wirtschaftlich angemessene Aufwendungen beihilfefähig seien. Laut § 6 Abs. 3 BBhV seien grundsätzlich Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen wirtschaftlich angemessen, wenn sie den Gebührenrahmen der Gebührenordnung für Zahnärzte entsprächen. Als nicht wirtschaftlich angemessen würden Aufwendungen auf Grund einer Vereinbarung nach § 2 Abs. 3 GOZ oder nach den Sätzen 2 bis 4 der allgemeinen Bestimmungen des Abschnitts G der Anlage zur GOZ gelten. Die familienversicherte Tochter habe Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse in Anspruch genommen. Gemäß § 8 Abs. 4 BBvH seien erbrachte Sach- und Dienstleistungen nach § 2 Abs. 2 SGB V nicht beihilfefähig. Als Sach- und Dienstleistung gelte in diesem Zusammenhang auch die Kostenerstattung bei kieferorthopädischer Behandlung und bei Pflichtversicherten nach § 5 SGB V einschließlich der familienversicherten Personen nach § 10 SGB V auch die Kostenerstattung nach § 13 SGB V. Dies bedeute, dass pflichtversicherte Mitglieder einschließlich der familienversicherten Person einer gesetzlichen Krankenkasse grundsätzlich als solche auf die Sach- und Dienstleistungen dieser Kasse angewiesen seien. Im Ergebnis falle die kassenärztliche Versorgung einer Pflichtversicherten in ihrer Gesamtheit unter den Begriff der Sach- und Dienstleistungen und sei von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen. Aus der vorliegenden Rechnung vom 6. Januar 2017 sei erkennbar, dass keine Standardmaterialien verwendet worden seien, denn Abschnitt G Satz 1 der Anlage zur GOZ beinhalte Leistungen nach den Nummern 6100, 6120, 6140 und 6150 und damit auch die Materiallaborkosten für Standardmaterial wie z.B. unprogrammierte Edelbrackets, unprogrammierte Attachments und Edelstahlbänder (hier: Standardmaterialien, die auch von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen würden). Im vorliegenden Fall seien jedoch Materialien verwendet worden, die über das Maß der medizinisch notwendigen Versorgung hinausgingen, welche somit nicht beihilfefähig seien.

Mit Email vom 28. Februar 2017 erkannte der Kläger an, dass für die GOZ-Nummern 6100, 6110 und 6150 aus dem Abschnitt G wegen eines anderen Materials außer dem Standardmaterial die Zahnarztleistungen wegen Unwirtschaftlichkeit nicht beihilfefähig seien. Nicht unter Abschnitt G würden jedoch die Nummern 2197 und 2000 der Rechnung fallen. Diese Positionen seien unabhängig von dem verwendeten Material der Spange, sodass die Wirtschaftlichkeit nicht verneint werden dürfe. Im Übrigen seien Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung nicht grundsätzlich von der Beihilfe ausgeschlossen, sondern lediglich, wie die Beklagte richtig ausführe, nach § 8 Abs. 4 BBhV i.V.m. § 2 Abs. 2 SGB V für erbrachte Sach- und Dienstleistungen. Dies habe den Hintergrund, dass diese sonst doppelt abgerechnet werden könnten. Für diese erbrachten Sach- und Dienstleistungen habe der Kläger gemäß § 29 SGB V eine eigene Rechnung über die 20% selbstzutragenden Kosten erhalten. Darunter fielen aber nicht die Positionen 2197 und 2000 der privatärztlichen Rechnung, denen keine Sach- und Dienstleistungen entgegenstünden.

Mit Schreiben vom 2. März 2017, bei der Beklagten eingegangen am 8. März 2017, legte der Kläger Widerspruch gegen den Beihilfebescheid vom 30. Januar 2017 ein, welcher ihm an 10. Februar 2017 zugegangen sei. Die Einlegung des Widerspruchs erfolge vorsorglich, da der Kläger zu seiner Anfrage vom 28. Februar 2017 keine Antwort erhalten habe. Sobald ihm diese zuginge, würde er entscheiden, ob er den Widerspruch aufrechterhalte oder nicht.

Mit Schreiben vom 3. März 2017 übersandte die Beklagte ein Antwortschreiben zur Anfrage vom 28. Februar 2017 und verwies im Wesentlichen darauf, dass im Fall der familienversicherten Tochter die medizinisch notwendigen kieferorthopädischen Leistungen vollständig von der gesetzlichen Krankenkasse erstattet würden. Von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erstattete Leistungen seien nicht medizinisch notwendig. Darunter fielen auch die betreffenden Leistungen der GOZ-Ziffern 2197 und 2000. Nach der vorliegenden Rechnung seien die Empower-Brackets mit Hilfe adhäsiver Befestigung angebracht. Hierbei handele es sich um eine Leistung, die im Rahmen der kieferorthopädischen Behandlung erbracht würde. Mithin seien diese speziellen Leistungen von der Beihilfefähigkeit nicht erfasst, da sie ausschließlich der betreffenden Behandlung dienen (Einkleben der Empower-Brackets). Zwar zähle die familienversicherte Tochter als berücksichtigungsfähige Person und habe einen Anspruch auf Beihilfegewährung von zahnärztlichen Leistungen, die privatärztlich in Rechnung gestellt würden. Allerdings unterliege nicht jede Aufwendung der Beihilfefähigkeit.

Mit Email vom 14. März 2017 verwies der Kläger auf den vorgelegten Heil- und Kostenplan und das hierzu ergangene pauschale Antwortschreiben der Beklagten. Insbesondere sei ihm nicht mitgeteilt worden, welche GOZ-Nummern später nicht beihilfefähig seien.

Die Beklagte wiederholte mit Schreiben vom 29. März 2017 im Wesentlichen die Ausführungen im Schriftsatz vom 3. März 2017. Des Weiteren seien auch im Beihilferecht Aufwendungen für höherwertige und/oder ästhetisch vorteilhaftere kieferorthopädische Leistungen nicht zu berücksichtigen. Auf die GOZ, Abschnitt G (kieferorthopädische Leistungen) - allgemeine Bestimmungen, werde diesbezüglich verwiesen.

Der Kläger hielt daraufhin seinen Widerspruch aufrecht und führte mit Schreiben vom 7. Juli 2017 und Email vom 18. Juli 2017 im Wesentlichen aus, dass gemäß § 6 BBhV die GOZ-Ziffern 2000 und 2197 beihilfefähig seien und eine gegenteilige Rechtsnorm nicht vorhanden sei. Inwieweit diese Leistungen mit den Ziffern 6100 ff. der GOZ zusammenhingen, sei unklar.

Die Beklagte führte mit Schreiben vom 3. August 2017 im Wesentlichen aus, dass die Gebührennummer 2197 der GOZ neben der Gebührennummer 6100 abgerechnet werden könne. Sie sei jedoch nicht beihilfefähig, da sie über die medizinisch notwendige Versorgung hinausginge.

Der Kläger erwiderte mit Schreiben vom 16. August 2017 im Wesentlichen, dass die Leistungen nach GOZ-Ziffer 2197 betreffend die adhäsive Befestigung in GOZ-Ziffer 6100 enthalten sei, jedoch würde hier nur eine Befestigung mit Glasionomerzement abgerechnet, die sich in ihrer praktischen Anwendung wegen zu geringer Anwendung Adhäsionskraft als ungeeignet erwiesen. Deshalb sei sowohl durch Gerichtsentscheidungen als auch im Kommentar der Bundeszahnärztekammer bestätigt, dass eine Berechnung von GOZ-Ziffer 2197 neben GOZ-Ziffer 6100 zulässig sei. Eine Rechtsnorm, die GOZ-Ziffer 2197 ausschließe, nur weil GOZ-Ziffer 6100 ausgeschlossen sei, existiere nicht.

Mit Beihilfebescheid vom 6. Februar 2018 wurde dem Kläger eine Beihilfe in Höhe von 80,96 EUR bezüglich der GOZ Ziffer 2000 gewährt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. März 2018 wurde der Widerspruch des Klägers bezüglich der beantragten Beihilfeleistungen zur abgerechneten GOZ-Ziffer 2197 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, dass beihilfefähig grundsätzlich nur notwendig und wirtschaftlich angemessene Aufwendungen seien, § 6 Abs. 1 BBhV. Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 BBhV würden Aufwendungen aufgrund einer Vereinbarung nach den Sätzen 2 bis 4 der allgemeinen Bestimmungen des Abschnitts G der Anlage zu GOZ als wirtschaftlich nicht angemessen gelten. Demnach seien im Beihilferecht, wie im vorliegenden Fall, Mehrkosten (im Vergleich zu Aufwendungen, die medizinisch notwendig und der Höhe nach angemessen seien) für höherwertige und/oder ästhetisch vorteilhaftere kieferorthopädische Leistungen nicht zu berücksichtigen. In der Gebührenordnung der GOZ sei im Abschnitt (kieferorthopädische Leistungen) - allgemeine Bestimmungen - aufgeführt, dass die Leistungen nach den Nummern 6100, 6110 und 6115 bereits die Material- und Laborkosten für Standardmaterialien beinhalten würden. Zusätzlich berechnete Kosten könnten nicht als beihilfefähig anerkannt werden, § 6 Abs. 1 BBhV. Die Leistungsbeschreibung der GOZ-Ziffer 2197 enthalte die „adhäsive Befestigung (plastischer Aufbau, Stift, Inlay, Krone, Teilkrone, Venier etc.)“. Im Kommentar zur GOZ sei ausgeführt: „Die adhäsive Befestigung wird erreicht durch die physikalisch chemische Vorbereitung der Kontaktflächen und die Anwendung des Adhäsivsystems im Munde des Patienten. Die Nr. 2197 diene hierbei der Abgeltung des intraoral erforderlichen zahnärztlichen Mehraufwands gegenüber einer konventionellen Klebung.“ Die Eingliederung von Brackets werde mit der Leistung der GOZ-Ziffer 6100 realisiert. Diese Leistung umfasse das Positionieren, die Eingliederung der Brackets und die Überschussentfernung. Die konventionelle Art des Klebens von Brackets sei ein Bestandteil der GOZ-Ziffer 6100 (Standardmethode). Hierfür dürfe der behandelnde Kieferorthopäde keine gesonderte Gebühr berechnen. Die adhäsive Befestigung (GOZ-Ziffer 2197) sei eine bestimmte Befestigungstechnik, die einen Mehraufwand mit sich bringe. Sofern diese Klebetechnik angewandt werde, könne diese unstrittig auch in Rechnung gestellt werden. Dies sei von der Festsetzungsstelle auch nie in Frage gestellt worden. Da die Standardbefestigung der Brackets, wie oben erläutert, bereits von der GOZ-Nr. 6100 erfasst würde, stelle die adhäsive Befestigungsmethode jedoch eine Leistung dar, welche über das medizinisch Notwendige hinausgehe. Der Mehraufwand für die adhäsive Befestigung, welche mit der GOZ-Nr. 2197 abgerechnet werde, sei demnach gemäß § 6 BBhV von der Beihilfefähigkeit ausgenommen. Die vom Widerspruchsführer im Schreiben vom 16. August 2017 dargelegte Rechtsprechung, dass die GOZ-Nrn. 6100 und 2197 nebeneinander abrechenbar seien, sei aus oben genannten Gründen daher zur Begründung des Widerspruchs nicht geeignet. Die vorliegenden kieferorthopädischen Leistungen seien nur teilweise von der gesetzlichen Krankenkasse bei der Erstattung berücksichtigt. Dabei trage die gesetzliche Krankenkasse die Kosten der medizinisch notwendigen kieferorthopädischen Behandlung. Demnach handle es sich bei den Mehrkosten um Aufwendungen, die über das medizinisch notwendige Maß hinausgingen. Diese Aufwendungen seien von der Beihilfefähigkeit ausgenommen.

Daraufhin erhob der Kläger mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 12. April 2018 Klage bei dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach, per Fax eingegangen am 13. April 2018, und beantragte,

  • 1.Der Widerspruchsbescheid vom 15. März 2018 wird aufgehoben.

  • 2.Die Beklagte wird verurteilt, den Beihilfeantrag des Klägers vom 12. Januar 2017 hinsichtlich der Beihilfe für seine Tochter auch hinsichtlich der kieferorthopädischen Behandlung gemäß den GOZ-Ziffern 2000 und 2197 stattzugeben.

Mit Schreiben vom 14. Mai 2018 führte die Klägerseite zur Begründung der Klage im Wesentlichen aus, dass die GOZ-Ziffer 6100, die erstmals 2012 aufgenommen worden sei, ausschließlich die Eingliederung eines Brackets, nicht aber die Art der Befestigung beschreibe. Der zusätzliche Material- und Zeitaufwand der methodisch sicheren Adhäsivtechnik werde mit GOZ-Ziffer 2197 spezifisch für diese Fixationsmethode bewertet. Das sog. Zielleistungsprinzip gemäß § 4 Abs. 2 GOZ komme für die angewandte adhäsive Fixationsmethode nicht in Betracht, da die adhäsive Befestigung bei der Leistungsbeschreibung und Leistungsbewertung nicht berücksichtigt sei. In der Leistungsbewertung habe der Gesetzgeber für die adhäsive Befestigung mit GOZ-Ziffer 2190 bereits 130 Punkte festgesetzt und die GOZ-Ziffer 6100 mit 165 Punkten bewertet. Wäre die adhäsive Befestigung von der GOZ-Ziffer 6100 umfasst, hätte der Verordnungsgeber für die gesamten Vorbereitungsarbeiten, wie z.B. das Positionieren der Brackets, und die Kosten des Standardmaterials nur 35 Punkte festgesetzt. Dies sei jedoch wirtschaftlich nicht nachvollziehbar. In diesem Zusammenhang müsse insbesondere gesehen werden, dass die adhäsive Befestigung durch die physikalisch-chemische Vorbereitung der Kontaktflächen und die Anwendung des adhäsiven Systems im Mund des Patienten erreicht würde. Dabei diene die GOZ-Ziffer 2197 der Abgeltung des intraoral erforderlichen zahnärztlichen Mehraufwands gegenüber einer konventionellen Klebung. Demzufolge ist die zahn- und sitzungsgleiche Mehrfachberechnung der GOZ-Ziffer 2197 neben der GOZ-Ziffer 6100 dann möglich, wenn mehrere selbstständige zuordnungsfähige Leistungen erbracht worden seien, wie es hier der Fall sei.

Der Beklagte beantragte mit Schreiben vom 14. Mai 2018,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verwies die Beklagte im Wesentlichen auf die der Klageerwiderung beigefügte Stellungnahme des Verbandes der privaten Krankenversicherung e.V. (PKV-Verband) zur Nebeneinanderberechnung der GOZ-Nrn. 2197 und 6100 vom 16. März 2017, auf welche verwiesen wird, und zitierte Passagen dieser Stellungnahme. Die vom Kläger geführte Argumentation würde durch diese Stellungnahme widerlegt.

Die Klägerseite erwiderte mit Schreiben vom 6. Juli 2018 hierzu, dass die Stellungnahme des Verbands der privaten Krankenversicherung übersehe, dass sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 6. Juni 2018 (Az.: 14 BV.527) sehr sorgfältig mit der hier in Frage stehenden Problematik auseinandergesetzt habe. Aus dem Wortlaut der GOZ Ziffer-6100 (Eingliederung von Klebebrackets) könne keinesfalls entnommen werden, dass die GOZ-Ziffer 6100 auch die adhäsive Befestigung umfasse, zumal Kleben und adhäsive Befestigung keine Synonyme seien. Brackets könnten selbstverständlich auf unterschiedliche Weise befestigt werden. Der Mehraufwand der adhäsiven Befestigung sei in der GOZ-Ziffer 6100 nicht enthalten. Es mag zutreffen, dass der tatsächliche Aufwand einer Adhäsivfüllung im Vergleich zu einer adhäsiven Befestigung eines Brackets höher sei, dennoch falle auch die adhäsive Befestigung eines Brackets (aufgrund des Wortlauts etc.) unter die GOZ-Ziffer 2197. Auch aus dem Wortlaut der GOZ-Ziffern 2197 und 6100 könne nicht entnommen werden, dass sich die Anwendung dieser beiden Ziffern nebeneinander bei der adhäsiven Befestigung von Brackets ausschließen würden.

Die Beklagte führte mit weiterem Schreiben vom 22. August 2018 im Wesentlichen aus, dass klagegegenständlich die Beihilfefähigkeit der GOZ-Ziffer 2197 als eigenständige Leistung sei, wenn diese im Zusammenhang mit der GOZ-Ziffer 6100 erbracht worden sei. Durch verschiedene Zivilgerichte sei entgegen der Auffassung des PKV-Verbandes die Abrechenbarkeit der GOZ-Ziffern 6100 und 2197 nebeneinander bejaht worden. Die überwiegende Anzahl der Gerichte habe sich jedoch mit der Thematik in der Sache nicht auseinander gesetzt, sondern vielmehr die Argumente der bereits mit der Thematik befassten Gerichte übernommen. Neben den in der Klageerwiderung vom 14. Juni 2018 vorgebrachten Aspekten führte die Beklagte weiter aus, dass die Tochter des Klägers in der gesetzlichen Pflichtversicherung der Mutter familienversichert sei. Die gesamte kieferorthopädische Behandlung würde über die gesetzliche Krankenversicherung abgerechnet, lediglich die Leistungen, die über die medizinisch notwendige Versorgung hinausgingen, würden durch den behandelnden Kieferorthopäden separat privat liquidiert. Gesetzlich Versicherte hätten Anspruch auf eine zuzahlungsfreie Behandlung. Tatsächlich würden aber häufig private Zusatzleistungen angeboten, etwa kleinere oder zahnfarbene Brackets etc. Zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre jedoch die gesamte kieferorthopädische Behandlung im medizinisch notwendigen Umfang. Die vom Kläger angegriffene Leistung adhäsive Befestigung GOZ-Ziffer 2197 würde neben verschiedenen anderen Leistungen, zusätzlich zu den Leistungen, die vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst seien, in Rechnung gestellt. Ausweislich der klagegegenständlichen Rechnung vom 6. Januar 2017 sei durch die behandelnde Kieferorthopädin die GOZ-Ziffer 6100 liquidiert und die darauf entfallende BEMA-Gebühr 126 a separat ausgewiesen. Die BEMA-Nr. 126 a (Einheitlicher Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen - BEMA) umfasse die Leistung Eingliedern eines Brackets oder eines Attachments einschließlich Material und Laborkosten und beinhalte die Klebeflächenreinigung, das Konditionieren, die Trockenlegung, das Positionieren, das Kleben und die Überschussentfernung. Demzufolge sei das Kleben der Brackets Bestandteil der Leistung, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht worden sei. Es sei auch nicht denkbar, dass die Befestigung von Klebebrackets nicht vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst sein sollte, egal ob adhäsiv oder mit anderen Verfahren. Darüber hinausgehende Leistungen könnten nicht als beihilfefähig anerkannt werden, da sie über das medizinisch notwendige Maß hinausgingen.

Die Klägerseite erwiderte mit Schriftsatz vom 6. September 2018 hierzu im Wesentlichen, dass es sich bei der adhäsiven Befestigung gerade nicht um eine sogenannte Verlangensleistung handle, wie die Beklagte wohl andeute. In der streitgegenständlichen Rechnung vom 6. Januar 2017 sei unter dem 8. Dezember 2017 mit der GOZ-Nr. 6100 ein Betrag in Höhe von 426,18 EUR in Ansatz gebracht worden. Hiervon aber sei, wie sich aus der Fußnote 1 ergebe, eine BEMA Gebühr 126 a mit einem Betrag in Höhe von 308,20 EUR wegen Vorleistungen anderer Kostenträger in Abzug gebracht worden. Bei der weiteren Argumentation zur BEMA Gebühr 126 a verkenne die Beklagte aber, dass zwar diese Nummer auch das Kleben beinhalte, es sich aber bei der sog. adhäsiven Befestigung GOZ 2197 um eine bestimmte Befestigungstechnik (Klebetechnik) handle, die einen Mehraufwand mit sich bringe. Vor diesem Hintergrund zeige sich ebenfalls, dass eine Nebeneinanderberechnung der GOZ-Ziffern 2197 und 6100 korrekt sei.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegte Behördenakte und die Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, § 101 Abs. 2 VwGO.

Der Klageantrag im klägerischen Schriftsatz vom 12. April 2018 ist nach sachdienlicher Auslegung (§ 88 VwGO) so zu verstehen, dass lediglich hinsichtlich der GOZ-Ziffer 2197 eine weitere Beihilfeleistung beantragt ist, denn hinsichtlich der im Klageantrag noch genannten GOZ-Ziffer 2000 wurde die beantragte Beihilfeleistung bereits mit Bescheid vom 6. Februar 2018 gewährt. Außerdem wurde dem diesbezüglichen Widerspruch des Klägers im Widerspruchsbescheid vom 15. März 2018 ausdrücklich stattgegeben. Überdies bezieht sich der weitere Vortrag sowohl von Klägerseite als auch seitens der Beklagten ausschließlich auf GOZ-Ziffer 2197.

A. Die zulässige, insbesondere auch fristgerecht erhobene, Klage ist unbegründet.

Die Ablehnung der beantragten Beihilfeleistung mit Beihilfebescheid der Beklagten vom 30. Januar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er hat Anspruch auf Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 116,96 EUR für die in Rechnung gestellte GOZ-Ziffer 2197 in der Rechnung der Zahnärztin Dr. … vom 6. Januar 2017 (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Die Erstattungsfähigkeit geltend gemachter Aufwendungen richtet sich in beihilferechtlichen Streitigkeiten grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfe beantragt wird (vgl. BVerwG, U. v. 26.3.2015 - 5 C 9.14 - juris) und damit nach der BBhV in der Fassung vom 25. Oktober 2016 und der GOZ in der Fassung vom 5. Dezember 2011.

Der Kläger ist als Beamter der Beklagten beihilfeberechtigt, § 2 BBhV. Die am … geborene Tochter des Klägers ist mit einem Bemessungssatz von 80% berücksichtigungsfähig, § 4 Abs. 2 Satz 1, § 46 Abs. 2 Nr. 4 BBhV.

Beihilfefähig sind grundsätzlich nur notwendige und wirtschaftlich angemessene Aufwendungen, § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 3 BBhV, die auch nicht nach § 8 BBhV von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind. § 15 a BBhV normiert darüber hinaus hinsichtlich Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung, dass bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet sein darf, § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBhV, und dass die Festsetzungsstelle den Aufwendungen vor Beginn der Behandlung auf Grundlage eines vorgelegten Heil- und Kostenplanes zugestimmt haben muss, § 15a Abs. 1 Satz 2 BBhV.

I. Die Tochter des Klägers hatte bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet, § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBhV.

II. Ebenso reichte der Kläger mit Schreiben vom 4. Mai 2015 einen seine Tochter betreffenden kieferorthopädischen Heil- und Kostenplan der behandelnden Zahnärztin vom 13. April 2015 ein, woraufhin die Festsetzungsstelle dem Kläger mit Bescheid vom 11. Mai 2015 mitteilte, dass mit der kieferorthopädischen Behandlung seiner Tochter grundsätzlich Einverständnis bestehe.

III. Der Beihilfeanspruch ist insbesondere nicht aufgrund der Regelung des § 8 Abs. 4 Satz 1 und 2 BBhV ausgeschlossen. Danach sind erbrachte Sach- und Dienstleistungen nach § 2 Abs. 2 SGB V nicht beihilfefähig, wobei als Sach- und Dienstleistungen auch die Kostenerstattung bei kieferorthopädischer Behandlung und bei Pflichtversicherten nach § 5 SGB V einschließlich der familienversicherten Personen nach § 10 SGB V auch die Kostenerstattung nach § 13 SGB V gilt. Zwar ist die Tochter des Klägers mit ihrer pflichtversicherten Mutter in der gesetzlichen Krankenversicherung familienversichert. Die kieferorthopädische Behandlung wird hier auch primär über die gesetzliche Krankenversicherung abgerechnet. Bei gesetzlich Krankenversicherten leisten diese zu der kieferorthopädischen Behandlung einen Anteil von 20% der Kosten an den Vertragszahnarzt, § 29 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Bezüglich der restlichen 80% rechnet der Vertragszahnarzt die kieferorthopädische Leistung mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung ab, § 29 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Wenn die Behandlung in dem durch den Behandlungsplan bestimmten medizinisch erforderlichen Umfang abgeschlossen ist, zahlt die Kasse den von den Versicherten geleisteten Anteil von 20% an diese zurück, § 29 Abs. 3 Satz 2 SGB V. Diese 20% zunächst zu tragender Eigenanteil sind nicht Klagegegenstand. Es geht hier vielmehr um die Erstattung von Aufwendungen hinsichtlich der GOZ-Ziffer 2197 in der privatärztlichen Rechnung der behandelnden Zahnärztin vom 6. Januar 2017, zu welchen die gesetzliche Krankenversicherung gerade keine Leistungen gewährt hat.

Die von der Beklagten vorgetragene Argumentation, wonach der Beihilfeanspruch ausgeschlossen sei, weil die familienversicherte Tochter des Klägers Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse in Anspruch genommen habe, was bedeute, dass die kassenärztliche Versorgung einer Pflichtversicherten in ihrer Gesamtheit unter den Begriff der Sach- und Dienstleistungen falle und somit die Beihilfefähigkeit gemäß § 8 Abs. 4 BBhV ausgeschlossen sei, geht fehl.

Richtig ist, dass erbrachte Sach- und Dienstleistungen nicht beihilfefähig sind, denn nach § 8 Abs. 4 Satz 1und 2 BBhV soll die mehrfache Erstattung von Leistungen verhindert werden. Die in Rede stehende Aufwendung für die GOZ-Ziffer 2197 wird von diesen Ausschlusstatbeständen jedoch gerade nicht erfasst. Die Tochter des Klägers hat diesbezüglich gerade keine Sach- und Dienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB V erhalten. Dem Prinzip der Sach- und Dienstleistung entspricht es, dass der Versicherte die notwendige ärztliche bzw. zahnärztliche Leistung als Naturalleistung erhält, ohne unmittelbar eine Gegenleistung erbringen zu müssen (vgl. VG Karlsruhe, U.v. 19.12.2013 - 9 K 200/12 - juris Rn. 22 - mit weiteren Nachweisen). Im vorliegenden Fall hat der Kläger die mit GOZ-Ziffer 2197 abgerechnete Leistung (adhäsive Befestigung von Brackets) zu 100% selbst bezahlt. Diese Vorgehensweise entspricht der Kostenerstattung im Sinne von § 13 SGB V als Alternative zum Sach- und Dienstleistungsprinzip. Zwar wird die Kostenerstattung der Sach- und Dienstleistung gleichgestellt, § 8 Abs. 4 Satz 2 BBhV. Doch gilt auch hier, dass die Kostenerstattung erbracht worden sein muss, was vorliegend nicht gegeben ist. Somit entkräftet bereits der Wortlaut des § 8 Abs. 4 Satz 1 und 2 BBhV das Argument der Beklagten, mit der Wahl der Abrechnung über die gesetzliche Krankenkasse sei der Beihilfeanspruch für die kieferorthopädischen Leistungen in ihrer Gesamtheit ausgeschlossen. Auch das Subsidiaritätsprinzip der Beihilfe spricht gegen die von der Beklagten dargelegte Auffassung des generellen Ausschlusses. Das Subsidiaritätsprinzip der Beihilfe (vgl. hierzu: OVG NRW, B.v. 20.2.2015 - 1 A 1091/12 - juris Rn. 14) besagt, dass ein Beihilfeberechtigter, der aufgrund anderweitiger Vorschriften beanspruchen kann, dass ein krankheitsbedingter Bedarf durch Sach- und Dienstleistungen vollständig gedeckt wird, nicht wegen eines Verzichts auf diese Leistungen im System der Beihilfe besser gestellt werden soll. Eine solche Konstellation liegt hier aber nicht vor, denn der Kläger kann gerade von der gesetzlichen Krankenversicherung die in Rechnung gestellte GOZ-Ziffer 2197 nicht vergütet erhalten. Im Übrigen normiert § 8 Abs. 4 Satz 2 BBhV nur die Gleichstellung des Abrechnungsverfahrens der Kostenerstattung mit jenem der Sach- und Dienstleistung, d. h. wählt der Beihilfeberechtigte die Kostenerstattung, verauslagt er zunächst die Kosten seiner Behandlung und bekommt diese in der Regel in vollem Umfang von der gesetzlichen Krankenversicherung erstattet. Da in diesem Fall dem Beihilfeberechtigten keine Aufwendungen entstehen und dieser Sachverhalt mit dem Erhalt der Sach- und Dienstleistung vergleichbar ist, soll er auch keinen Beihilfeanspruch erwerben. Die Vorschrift enthält allerdings keine Regelung, wie bei bloß anteiliger oder fehlender Erstattung zu verfahren ist. Dann gilt die Anrechnungsregelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 BBhV. Eine anstelle einer Sachleistung gewährte Geldleistung wird als zustehende Leistung nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 Satz 1 BBhV angerechnet, Ziffer 8.4.1 Satz 3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Bundesbeihilfeverordnung (BBhVVwV).

Nach alledem sind die Beihilfeleistungen nicht aufgrund der gewählten Abrechnung über die gesetzliche Krankenkasse ausgeschlossen.

IV. Die streitgegenständlichen Aufwendungen sind auch notwendig. Die Notwendigkeit von Aufwendungen für Untersuchungen und Behandlungen setzt grundsätzlich voraus, dass diese nach einer wissenschaftlich anerkannten Methode vorgenommen werden. Als nicht notwendig gelten in der Regel Untersuchungen und Behandlungen, soweit sie in der Anlage 1 ausgeschlossen sind, § 6 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 BBhV. Ein solcher Ausschluss ist nicht gegeben.

Die adhäsive Befestigung von Brackets ist notwendig, denn diese Behandlung wurde nach einer wissenschaftlich anerkannten Methode vorgenommen. Selbst die Beklagte stellt mehrmals, unter anderem mit Hinweis auf die Stellungnahme des PKV-Verbandes zur Nebeneinanderberechnung der GOZ-Nrn. 2197 und 6100 vom 16. März 2017 heraus, dass die adhäsive Befestigung von Brackets medizinischer Standard sei. Danach sei die adhäsive Befestigung von Brackets alternativlos. Sie existiere als einzige angewandte Befestigungsmethode. Insbesondere Glasionomerzemente hätten sich in ihrer praktischen Anwendung wegen zu geringer Adhäsionskraft als ungeeignet erwiesen (vgl. S. 5 der Stellungnahme).

Auch die fehlende Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung führt nicht zur Verneinung der Notwendigkeit im Sinne der BBhV. Die Beklagte führt aus, dass gesetzlich Versicherte Anspruch auf zuzahlungsfreie Behandlung hätten. Folglich würde zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung die gesamte kieferorthopädische Behandlung im medizinisch notwendigem Umfang gehören mit der Konsequenz, dass in der Folge Mehraufwendungen, die entstünden, weil eine Versorgung gewählt werde, die über die zahnmedizinisch notwendige und wirtschaftlich angemessene Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehe, nicht als beihilfefähig anerkannt würden. Es sei nicht denkbar, dass die Befestigung von Klebebrackets nicht vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst wäre. Die Beklagte verkennt mit dieser Argumentation aber, dass die Systemunterschiede zwischen gesetzlicher Krankenversicherung und Beihilfe unterschiedliche Regelungen rechtfertigen, was ständiger Rechtsprechung entspricht (vgl. BVerwG, U.v. 15.12.2005 - 2 C 35/04, Rn. 33 ff. - juris). Die bestehende oder fehlende Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenkasse hat keine Auswirkungen auf die Beurteilung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen. Vielmehr ist die Frage der medizinischen Notwendigkeit nach den Vorgaben der BBhV zu beurteilen, was nach oben Gesagtem zur Bejahung der medizinischen Notwendigkeit führt.

V. Die Aufwendungen sind überdies wirtschaftlich angemessen, § 6 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, Abs. 3 BBhV. Die GOZ-Ziffer 2197 ist neben der GOZ-Ziffer 6100 bei der adhäsiven Befestigung von Brackets abrechenbar.

Während die Beklagte zunächst noch ausführt, dass die GOZ-Ziffer 2197 neben der GOZ-Ziffer 6100 abgerechnet werden dürfe, jedoch nicht beihilfefähig sei, da sie über die medizinisch notwendige Versorgung hinausgeht (z. B. Schreiben vom 3. August 2017 und Widerspruchsbescheid vom 15. März 2018), wendet sie sich später (z. B. Klageerwiderung vom 14. Mai 2018) gegen eine nebeneinander bestehende Abrechnungsmöglichkeit und zitiert insbesondere aus der bereits erwähnten Stellungnahme des PKV-Verbandes, in welcher sich der Verband insbesondere auch gegen die Argumentation des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes in seinem Urteil vom 6. Juni 2016 (vgl. BayVGH, U.v. 6.6.2016 - 14 BV 15.527 - juris) wendet.

Bei der Behandlung durch Ärzte beurteilt sich gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 BBhV die Angemessenheit der Honorarforderung ausschließlich nach dem Gebührenrahmen der maßgebenden ärztlichen Gebührenordnung, hier der GOZ. Die Beihilfevorschriften verzichten auf eine eigenständige Konkretisierung des Begriffs. Die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen knüpft somit an den Leistungsanspruch des Zahnarztes an und setzt grundsätzlich voraus, dass dieser seine Leistungen bei zutreffender Auslegung der Gebührenordnung in Rechnung gestellt hat (vgl. BVerwG, U.v. 30.5.1996 - 2 C 10.95 - juris). Ob der Zahnarzt seine Forderung zu Recht geltend macht, ist eine zivilrechtliche, der Beihilfegewährung vorgreifliche Rechtsfrage. Für die Frage der Angemessenheit der Aufwendungen ist die Auslegung des ärztlichen Gebührenrechts durch die Zivilgerichte maßgebend (stRspr., vgl. BVerwG, B.v. 5.1.2011 - 2 B 55.10 - juris). Bezüglich der hier in Rede stehenden Abrechnung der GOZ-Gebührenziffer 2197 in der Rechnung vom 6. Januar 2017 ist hinsichtlich der Verfahrensbeteiligten keine zivilrechtliche Entscheidung ergangen. Ebenso fehlt es an der grundsätzlichen Klärung der Rechtsfrage durch den Bundesgerichtshof. Die Beklagte hatte daher selbständig zu entscheiden, ob die Angemessenheit gegeben ist. Diese behördliche Entscheidung ist voll justiziabel (vgl. BayVGH, a.a.O. - juris Rn. 19 ff.)

Die wirtschaftliche Angemessenheit der Aufwendung liegt vor. Die Abrechnung der GOZ-Ziffer 2197 neben der GOZ-Ziffer 6100 entspricht dem Gebührenrahmen der GOZ. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ kann der Zahnarzt für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, eine Gebühr dann nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. § 4 Abs. 2 Satz 4 GOZ besagt, dass eine Leistung methodisch notwendiger Bestandteil einer anderen Leistung ist, wenn sie inhaltlich von der Leistungsbeschreibung der anderen Leistung (Zielleistung) umfasst und auch in deren Bewertung berücksichtigt ist. Weder der Wortlaut der GOZ-Ziffer 2197 noch der Wortlaut der GOZ-Ziffer 6100 ist in dieser Hinsicht eindeutig, so dass die maßgebenden Vorschriften auszulegen sind. Das Gericht kommt, auch unter Berücksichtigung der von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme des Verbandes der Privaten Krankenversicherung e.V. zur Nebeneinanderberechnung der GOZ-Nrn. 2197 und 6100 vom 16. März 2017, zu dem Ergebnis, dass die adhäsive Befestigung von Brackets von der nach GOZ-Ziffer 6100 erbrachten Leistung nicht umfasst und auch nicht in deren Bewertung berücksichtigt ist. Sie ist eine selbständige zahnärztliche Leistung und kann somit gesondert in Rechnung gestellt werden.

Nach ihrem Wortlaut beinhaltet die GOZ-Ziffer 6100 als Leistung die „Eingliederung eines Klebebrackets zur Aufnahme orthodontischer Hilfsmittel“. Zwar wird der Begriff „Klebebracket“ verwendet. Es sind dennoch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass mit „Eingliederung“ begriffsnotwendig auch das adhäsive Befestigen der Klebebrackets gemeint ist. Mit welcher Befestigungsmethode die Eingliederung erfolgt, bleibt letztlich offen. So stehen grundsätzlich mit dem Zementieren, Kleben und adhäsiven Befestigen mehrere Methoden zur Verfügung. Zwar ist die adhäsive Befestigung, wie bereits ausgeführt, heute das Standardverfahren zur Befestigung der Brackets, jedoch bleibt die Eingliederung mittels anderer Methoden möglich (vgl. BayVGH, a.a.O, Rn. 30 m.w.N.).

Auch der Wortlaut der GOZ-Ziffer 2197 ist nicht eindeutig und bedarf der Auslegung. Die erst zum 1. Januar 2012 eingeführte Gebührenziffer erfasst kein Behandlungsziel, sondern eine bestimmte Befestigungstechnik (das adhäsive Befestigen), welche einen Mehraufwand mit sich bringt (Abgeltung des intraoral erforderlichen Mehraufwandes gegenüber anderen Befestigungsmethoden). Beispielhaft wird aufgeführt, wann die adhäsive Befestigung zum Einsatz kommen kann („etc.“). Es handelt sich nicht um eine abschließende Aufzählung, so dass auch die adhäsive Befestigung von Brackets darunter subsumiert werden kann. Auch wenn das adhäsive Befestigen von Brackets Standard ist, so war es dies bereits bei Einführung der GOZ-Ziffer 2197, wie sich der Stellungnahme des PKV-Verbandes auf Seite 1 entnehmen lässt. Hätte der Verordnungsgeber gewollt, dass die GOZ-Ziffer 2197 bei der adhäsiven Befestigung von Brackets neben der GOZ-Ziffer 6100 nicht abgerechnet werden darf, hätte er dies so normiert.

Auch der Vergleich mit anderen Gebührenziffern der GOZ (z. B. GOZ-Ziffern 2060, 2080, 2100, 2120) zeigt, dass es Gebührenziffern gibt, wo der Verordnungsgeber ausdrücklich in der Leistungsbeschreibung die „Ausführung in Adhäsivtechnik“ aufgeführt hat und somit klar geregelt hat, dass diese zum Leistungsinhalt gehört und daher nicht nochmal über die GOZ-Ziffer 2197 abgerechnet werden darf. Dies wurde bei der GOZ-Ziffer 6100 aber gerade nicht so gehandhabt. Das ausdrückliche Erwähnen der Adhäsivtechnik in zahlreichen Ziffern der GOZ widerlegt schließlich auch das Argument der Beklagten, Kleben und adhäsive Befestigung seien Synonyme.

Letztlich spricht auch der Vergleich der in der GOZ vorgesehenen Punktzahlen (und damit der Vergütung) für eine Nebeneinanderberechnung der beiden Gebührenziffern 2197 und 6100. Während die GOZ-Ziffer 2197 mit 130 Punkten bewertet ist, ist die GOZ-Ziffer 6100 mit 165 Punkten bewertet. Würde man die adhäsive Befestigung als von der mit der GOZ-Ziffer 6100 abgerechneten Leistung umfasst sehen, blieben lediglich 35 Punkte für sämtliche sonstigen Leistungen wie z. B. Materialkosten, das Positionieren, die Überschussentfernung, was sich als nicht wirtschaftlich erweist. Wenn die Beklagte ausführt, dass nicht jede Einzelleistung in der GOZ betriebswirtschaftlich zutreffend kalkuliert sei, sondern dass diese im Gesamtkontext zu betrachten sei, überzeugt dieser Vortrag nicht. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die einschlägigen Gebührenziffern den Aufwand des Zahnarztes auch abgelten sollen. Mit der GOZ-Ziffer 2197 wird der höhere Aufwand der adhäsiven Befestigung abgegolten, welche erreicht wird durch die physikalisch-chemische Vorbereitung der Kontaktflächen und die Anwendung des Adhäsivsystems im Munde des Patienten.

Somit ist die GOZ-Ziffer 2197 neben der GOZ-Ziffer 6100 bei der adhäsiven Befestigung von Brackets abrechenbar (vgl. hierzu ausführlich: BayVGH, a.a.O., mit weiteren Nachweisen). Zum selben Ergebnis kommt auch das Oberverwaltungsgericht Münster (vgl. OVG Münster, U.v. 23.11.2018 - 1 A 1044/17 - juris) und wohl auch die überwiegende zivilrechtliche Rechtsprechung (vgl. BayVGH, U.v. 6.6.2016 - 14 BV 15.527 - juris Rn. 22 ff. mit weiteren Nachweisen). Der Verweis der Beklagten auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Bautzen vom 24. August 2018 führt nicht zu einer anderen Bewertung durch das Gericht, denn das Obervewaltungsgericht Bautzen hat in seiner Entscheidung, wonach das Verwaltungsgericht der Klage zu Unrecht stattgegeben habe, letztlich nur auf eine Regelung in der Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen zum Vollzug der Sächsischen Beihilfeverordnung (VwV-SächsBhVO) abgestellt, wonach die Leistung nach GOZ-Ziff. 2197 neben der Ziffer 6100 für eine adhäsive Befestigung von Brackets nicht beihilfefähig sei. Eine weitergehende Argumentation ist nicht erfolgt (vgl. OVG Bautzen, U.v. 24.8.2018 - 2 A 887/16 - juris Rn. 21). Das Oberverwaltungsgericht Münster hat dagegen in seinem Urteil vom 23. November 2018 (vgl. OVG Münster, U.v. 23.11.2018 - 1 A 1044/17 - juris Rn. 24 ff.) entschieden, dass ein Runderlass des Finanzministeriums (des Landes Nordrhein-Westfalen), wonach die Abrechnung der beiden Ziffern nebeneinander nicht möglich sei, einen Beihilfeanspruch nicht ausschließt. Letztlich gibt es bezüglich der BBhV keine vergleichbare Regelung, wonach die Leistung nach GOZ-Ziffer 2197 neben der GOZ-Ziffer 6100 für eine adhäsive Befestigung von Brackets nicht beihilfefähig sei, so dass hier nicht entschieden werden muss, ob ein solcher Ausschluss für die Gerichte bindend ist.

Eine fehlende wirtschaftliche Angemessenheit folgt auch nicht aus § 6 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 2 Abs. 3 GOZ, § 1 Abs. 2 Satz 2 GOZ. Demnach gelten Aufwendungen aufgrund einer Vereinbarung nach § 2 Abs. 3 GOZ als nicht wirtschaftlich angemessen. Es liegt jedoch keine Vereinbarung nach § 2 Abs. 3 GOZ, § 1 Abs. 2 Satz 2 GOZ vor, denn es handelt sich, wie bereits ausgeführt, hier gerade nicht um eine Verlangensleistung, d.h. eine Leistung, die über das Maß der medizinisch notwendigen zahnärztlichen Versorgung hinausgeht. Die adhäsive Befestigung ist vielmehr medizinischer Standard.

Auch § 6 Abs. 3 Satz 2 BBhV i.V.m. Satz 2 bis 4 der allgemeinen Bestimmungen des Abschnitts G der Anlage zur GOZ führt nicht zur fehlenden wirtschaftlichen Angemessenheit der Aufwendungen. Als nicht wirtschaftlich angemessen gelten demnach Aufwendungen aufgrund einer Vereinbarung nach Satz 2 bis 4 der allgemeinen Bestimmungen des Abschnitts G der Anlage zur GOZ. Gemäß Satz 1 des Abschnitts G der Anlage zur GOZ beinhalten die Leistungen nach den Nummern 6100 (…) auch die Material- und Laborkosten für Standardmaterialien wie zum Beispiel unprogrammierte Edelstahlbrackets, unprogrammierte Attachments und Edelstahlbänder. Werden darüber hinausgehende Materialien verwendet, können die Mehrkosten für diese Materialien gesondert berechnet werden, wenn dies vor der Verwendung mit dem Zahlungspflichtigen nach persönlicher Absprache schriftlich vereinbart wurde (Satz 2 des Abschnitts G der Anlage zur GOZ). Zwar wurden hinsichtlich der Tochter des Klägers wohl keine Standardmaterialien hinsichtlich der Brackets verwendet, doch umfasst der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von erhöhten Material- und Laborkosten für andere Materialien gerade keinen Ausschluss hinsichtlich von Mehraufwendungen für die adhäsive Befestigung der Brackets. Die Aufwendungen für die adhäsive Befestigung der Brackets fallen unabhängig von dem verwendeten Material der Spange an.

B. Nach alledem ist der Klage vollumfänglich stattzugeben. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Datenquelle d. amtl. Textes: Bayern.Recht

Meta

AN 18 K 18.00706

06.08.2019

VG Ansbach

Urteil

Sachgebiet: K

Zitier­vorschlag: VG Ansbach, Urteil vom 06.08.2019, Az. AN 18 K 18.00706 (REWIS RS 2019, 4723)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 4723

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