Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.09.2013, Az. IV ZR 17/13

4. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 2931

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Gegenstand

Lebensversicherung: Berechnung des Rückkaufswerts und Verrechnung der Abschlusskosten für Altverträge im Falle der Unwirksamkeit entsprechender Versicherungsbedingungen


Leitsatz

1. Dem Versicherungsnehmer, der bis Ende 2007 einen Vertrag über eine Lebensversicherung geschlossen hat, steht im Falle der Kündigung bei Unwirksamkeit der in den allgemeinen Bedingungen enthaltenen Klauseln über die Berechnung des Rückkaufswertes und die Verrechnung der Abschlusskosten (hierzu Senatsurteil vom 25. Juli 2012, IV ZR 201/10, BGHZ 194, 208) im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ein Mindestbetrag zu, der die Hälfte des mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten Deckungskapitals nicht unterschreiten darf (Fortführung Senatsurteil vom 12. Oktober 2005, IV ZR 162/03, BGHZ 164, 297).

2. § 169 Abs. 3 Satz 1 VVG findet auf solche Verträge weder über § 306 Abs. 2 BGB noch über die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung Anwendung.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des [X.] vom 21. Dezember 2012 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - soweit für das Revisionsverfahren vor Belang - um die Höhe des dem Kläger zustehenden [X.] nach Kündigung eines Lebensversicherungsvertrages. Der Kläger unterhielt bei der Beklagten eine Kapitallebensversicherung mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 2004. Diese kündigte er mit Schreiben vom 21. Januar 2009. Die Beklagte zahlte ihm zum Abrechnungsstichtag 1. Februar 2009 nach Abzug eines Beitragsrückstands von 691,10 € einen Rückkaufswert von 561,94 € aus. Am 25. Oktober 2010 erklärte der Kläger den Widerspruch gemäß § 5a [X.] a.F.

2

Mit seiner Klage hat der Kläger zunächst die Rückzahlung aller von ihm geleisteten Beiträge zuzüglich 7% Anlagezinsen abzüglich des bereits geleisteten [X.], hilfsweise die Zahlung eines [X.], begehrt. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte Auskunft dahin erteilt, dass am 1. Februar 2009 die Hälfte des ungezillmerten [X.] 2.340,80 € betragen habe. Unter Berücksichtigung des Prämienrückstands sowie des bereits geleisteten [X.] hat die Beklagte einen verbleibenden Betrag von 1.057,10 € errechnet, den sie nebst Zinsen an den Kläger ausgezahlt hat. Insoweit haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das Berufungsgericht hat die weitergehenden Zahlungsansprüche des Klägers abgewiesen.

3

Mit seiner Revision verfolgt der Kläger einen Anspruch auf Zahlung eines nach § 169 Abs. 3 Satz 1 [X.] berechneten [X.]. Er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit darin der zuletzt in der Berufung geltend gemachte Hilfsantrag auf Zahlung in dem Umfang seines nunmehr geltend gemachten Feststellungsantrags abgewiesen worden ist. Insoweit beantragt der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte ihm einen Mindestrückkaufswert in Höhe des nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation zum Schluss der am 1. Februar 2009 laufenden Versicherungsperiode berechneten [X.] der Versicherung unter gleichmäßiger Verteilung der angesetzten Abschluss- und Vertriebskosten auf die ersten fünf Vertragsjahre abzüglich der in zweiter Instanz geleisteten 1.057,10 €, des vorab gezahlten [X.] (586,68 €) und des Prämienrückstands (691,10 €) schuldet.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision ist unbegründet.

5

I. Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Belang - ausgeführt, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Zahlung der Hälfte des mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten [X.] zu. Diese Zahlung habe die Beklagte geleistet. Ein darüber hinausgehender Anspruch bestehe nicht. Allerdings sei die Regelung in § 15 der Versicherungsbedingungen bezüglich der Verrechnung der Abschlusskosten im Wege des sogenannten [X.] wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 1 Satz 1 BGB materiell unwirksam. Folge dieser Unwirksamkeit sei, dass dem Versicherungsnehmer nach Kündigung des Vertrages ein vertraglicher Anspruch auf den [X.] zustehe, welcher der Hälfte des ungezillmerten [X.] entspreche. Insoweit sei die Rechtsprechung des [X.] aus dem [X.] auch dann entsprechend anzuwenden, wenn die Klauseln nicht intransparent, sondern materiell unwirksam seien. Die im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung zu berücksichtigende bei[X.]eitige Interessenlage sei bei der materiellen Unwirksamkeit von Klauseln zur Verrechnung von Abschlusskosten im Wege des [X.] keine andere als bei einer bloßen Intransparenz dieser Regelungen. Auch eine Anwendung von § 169 Abs. 3 [X.] n.F. im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung komme nicht in Betracht. Dagegen spreche die Regelung in Art. 4 Abs. 2 EG[X.], wonach § 169 [X.] auf Altverträge nicht anzuwenden sei. Es sei nicht gerechtfertigt, nunmehr die ergänzende Vertragsauslegung in anderer Weise als bislang vorzunehmen. In keinem Fall treffe die Auffassung des [X.] zu, dass eine Verrechnung von Abschlusskosten überhaupt nicht erfolgen dürfe.

6

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

7

1. Der vom Kläger nunmehr verfolgte Feststellungsantrag ist zulässig. Es handelt sich nicht um eine unzulässige Klagänderung, sondern um eine auch im Revisionsverfahren zulässige Antragsänderung. Diese kommt für die Fälle in Betracht, in denen die Änderung nur eine Beschränkung oder Modifikation des früheren Antrags darstellt und sich auf einen Sachverhalt stützt, der vom Tatrichter bereits gewürdigt ist ([X.], Urteile vom 28. September 1989 - [X.], [X.], 1873 unter 1; vom 23. September 2004 - [X.], NJW-RR 2005, 494 unter VI).

8

So liegt es hier. Der Kläger verfolgt an[X.] als in den Vorinstanzen nicht mehr einen Anspruch auf vollständige Rückzahlung der geleisteten Prämien oder auf ungekürzte Auszahlung des ungezillmerten [X.], sondern begehrt die Zahlung eines [X.] auf der Grundlage von § 169 Abs. 3 Satz 1 [X.] n.F. Hiernach ist der Rückkaufswert das nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode berechnete Deckungskapital der Versicherung, bei einer Kündigung des Versicherungsverhältnisses jedoch mindestens der Betrag des [X.], das sich bei gleichmäßiger Verteilung der angesetzten Abschluss- und Vertriebskosten auf die ersten fünf Vertragsjahre ergibt. Der Kläger kennt zwar die Höhe des ungezillmerten [X.]; dieses beträgt ausweislich der Auskunft der Beklagten 4.681,60 €. Die anzurechnenden Abschluss- und Vertriebskosten sind ihm aber unbekannt. Wenn der Kläger auf dieser Grundlage von seinem weitergehenden Zahlungsanspruch abrückt und eine Berechnung des [X.] unter Anwendung von § 169 Abs. 3 Satz 1 [X.] n.F. begehrt, so handelt es sich lediglich um eine zulässige Modifikation des früheren Antrags. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist das Feststellungsinteresse des [X.] gemäß § 256 ZPO gegeben.

9

2. In der Sache ist die Revision allerdings unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der Rückkaufswert des von ihm gekündigten [X.] unter Anwendung der Grundsätze des § 169 Abs. 3 Satz 1 [X.] n.F. berechnet wird.

a) Ausgangspunkt für die Beurteilung ist die neuere Rechtsprechung des [X.]s zur Unwirksamkeit von Klauseln, die vorsehen, dass die Abschlusskosten im Wege des sogenannten [X.] mit den ersten Beiträgen des Versicherungsnehmers verrechnet werden (Urteil vom 25. Juli 2012 - [X.], [X.]Z 194, 208). Derartige Klauseln stellen eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar und sind daher gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (aaO Rn. 15 ff.). Der [X.] hatte in diesem Urteil und in den [X.] vom 17. Oktober 2012 ([X.], [X.], 213), vom 14. November 2012 ([X.], juris) und vom 19. Dezember 2012 ([X.], [X.], 565) nicht zu entscheiden, welche Rechtsfolgen sich aus der materiellen Unwirksamkeit dieser Klauseln für die Berechnung des [X.] bei vorzeitiger Kündigung ergeben.

Für die vorangegangene Tarifgeneration der [X.] bis 2001 hat der [X.] ebenfalls eine Unwirksamkeit der Klauseln betreffend die Vereinbarung des [X.] angenommen, allerdings nicht wegen materieller Unwirksamkeit, sondern wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ([X.]surteile vom 9. Mai 2001 - [X.]/00, [X.]Z 147, 354, 361 ff.; [X.], [X.]Z 147, 373, 377 ff.). Er hat sodann mit Urteil vom 12. Oktober 2005 entschieden, die sich aus der Unwirksamkeit der Regelungen über die Verrechnung von Abschlusskosten ergebende Regelungslücke wegen Intransparenz sei in der Weise zu schließen, dass es grundsätzlich bei der Verrechnung der geleisteten einmaligen Abschlusskosten nach dem Zillmerverfahren bleibt. Für den Fall der vorzeitigen Beendigung der Beitragszahlung ist jedenfalls die versprochene Leistung geschuldet; der vereinbarte Betrag der beitragsfreien Versicherungssumme und des [X.] darf aber einen Mindestbetrag nicht unterschreiten. Dieser Mindestbetrag wird bestimmt durch die Hälfte des mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten [X.] ([X.], [X.]Z 164, 297, 318).

b) Für die hier zu beurteilende sogenannte zweite Klauselgeneration der Jahre 2001 bis 2007 kann die durch die Unwirksamkeit der Bedingungen aus materiellen Gründen entstandene [X.] nicht durch unmittelbare Anwendung des § 169 Abs. 3 Satz 1 [X.] geschlossen werden. Im Gesetzgebungsverfahren war zwar zunächst vorgesehen, dass die Regelung auch für Altverträge gelten sollte, die bei In[X.]treten des neuen [X.] (im Folgenden: [X.] bestanden (BT-Drucks. 16/3945 S. 119). Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat der Gesetzgeber dieses Vorhaben allerdings aufgegeben und in Art. 4 Abs. 2 EG[X.] bestimmt, dass auf Altverträge anstatt des § 169 [X.], auch soweit auf ihn verwiesen wird, § 176 [X.] in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung weiter anzuwenden ist. Ausweislich der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses soll es für Altverträge bei der Anwendung des bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Rechts in seiner Ausprägung durch die Rechtsprechung verbleiben (BT-Drucks. 16/5862 S. 100 f.; zur Entstehungsgeschichte [X.], r+s 2010, 177, 180 f.; [X.], [X.], 325, 326).

c) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, § 169 Abs. 3 Satz 1 [X.] n.F. sei gleichwohl über § 306 Abs. 2 BGB anzuwenden. Hiernach richtet sich der Inhalt des Vertrages, soweit Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, nach den gesetzlichen Vorschriften. Aus diesem Grund ist nach Ansicht des [X.] § 169 Abs. 3 Satz 1 [X.] anzuwenden und nicht auf die Rechtsprechung des [X.]s zur ergänzenden Vertragsauslegung zuzugreifen.

Diese Auffassung trifft nicht zu. § 306 Abs. 2 BGB schließt nach ständiger Rechtsprechung des [X.] eine ergänzende Vertragsauslegung nicht aus, weil es sich bei den Bestimmungen der §§ 157, 133 BGB, in denen die ergänzende Vertragsauslegung ihre Grundlage hat, um gesetzliche Vorschriften i.S. des § 306 Abs. 2 BGB handelt. Jedoch muss auch bei einer ergänzenden Vertragsauslegung die Entscheidung des Gesetzgebers beachtet werden, den Vertrag grundsätzlich mit dem sich aus den Normen des dispositiven Gesetzesrechts, welche der ergänzenden Vertragsauslegung vorgehen, ergebenden Inhalt aufrecht zu erhalten. Diese kommt daher nur in Betracht, wenn sich die mit dem Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehende Lücke nicht durch [X.] Gesetzesrecht füllen lässt und dies zu einem Ergebnis führt, das den bei[X.]eitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge einseitig zugunsten des Kunden verschiebt ([X.], [X.]surteil vom 22. Januar 1992 - [X.], [X.]Z 117, 92, 98 f.; Versäumnisurteil vom 16. Juni 2009 - [X.], [X.]Z 181, 278 Rn. 38; Teilurteil vom 29. April 2008 - [X.], [X.]Z 176, 244 Rn. 32; Urteil vom 4. Juli 2002 - [X.], [X.]Z 151, 229, 234).

Die Anwendung des § 169 Abs. 3 Satz 1 [X.] über die allgemeine Bestimmung des § 306 Abs. 2 BGB scheidet auf dieser Grundlage aus. § 169 Abs. 3 Satz 1 [X.] galt im [X.]punkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages 2004 noch nicht. Nach der ausdrücklichen Regelung des Art. 4 Abs. 2 EG[X.] und dem unmissverständlichen Willen des Gesetzgebers soll die Vorschrift gerade nicht rückwirkend zur Anwendung kommen, sondern es soll bei der Anwendung des bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Rechts "in seiner Ausprägung durch die Rechtsprechung" bleiben (BT-Drucks. 16/5862 S. 100 f.). Nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers sollte damit für Altverträge auch die Rechtsprechung des [X.]s gemäß Urteil vom 12. Oktober 2005 maßgeblich bleiben, mit der der [X.] die durch die Unwirksamkeit der Klauseln über die Verrechnung der Abschlusskosten entstandene [X.] durch eine ergänzende Vertragsauslegung des Inhalts geschlossen hat, dass der Versicherungsnehmer die versprochene Leistung erhält, mindestens jedoch einen Betrag in Höhe der Hälfte des mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten [X.] ([X.], [X.]Z 164, 297, 318). Dieser gesetzgeberische Wille darf nicht dadurch umgangen werden, dass über § 306 Abs. 2 BGB die Regelung des § 169 Abs. 3 Satz 1 [X.] doch zur Anwendung kommt.

Soweit die Revision darauf verweist, es sei im Rahmen des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB anerkannt, dass auf die Grundlagen der gesetzlichen Regelung abzustellen sei, die zur [X.] der gerichtlichen Entscheidung bestehen, rechtfertigt dies hier schon deshalb kein anderes Ergebnis, weil Art. 4 Abs. 2 EG[X.] eine Anwendung des § 169 Abs. 3 [X.] auf Altverträge gerade ausschließt. Diesen Willen des Gesetzgebers hat der [X.] auch bei der Anwendung des § 306 Abs. 2 BGB zu respektieren.

d) Im Rahmen der somit vorzunehmenden ergänzenden Vertragsauslegung wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, für die bei[X.]eitige Interessenabwägung sei auf die Wertung des § 169 Abs. 3 Satz 1 [X.] zurückzugreifen (so etwa Armbrüster, NJW 2012, 3001, 3002 f.; [X.]. [X.], 1434; [X.], [X.], 447 f.; [X.]. [X.] 9/2012 [X.]. 2; ferner Reiff, [X.], 785, 790 f. im Rahmen der [X.] gemäß § 164 [X.]). Zur Begründung wird im Wesentlichen darauf abgestellt, dass der [X.] in seinem Urteil vom 12. Oktober 2005 selbst verschiedene Möglichkeiten der Berechnung der Mindestleistung erörtert hat. Dort hat der [X.] auch die Verteilung der Abschlusskosten auf einen längeren [X.]raum wie bei der "[X.]" in seine Überlegungen einbezogen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 [X.] mit einer Verteilung der Abschlusskosten auf fünf Jahre). Er hat sich jedoch dem seinerzeitigen Vorschlag der Reformkommission angeschlossen, wonach der Versicherer im Falle der vorzeitigen Beendigung der Beitragszahlung grundsätzlich die versprochene Leistung schuldet, der vereinbarte Betrag der beitragsfreien Versicherungssumme und des [X.] aber einen Mindestbetrag nicht unterschreiten darf, der durch die Hälfte des mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten [X.] bestimmt wird ([X.], [X.]Z 164, 297, 318, 322 f.). Dieser Vorschlag der Reformkommission ist dann allerdings nicht Gesetz geworden, sondern der Gesetzgeber hat sich in § 169 Abs. 3 Satz 1 [X.] ausdrücklich an dem [X.] orientiert. In der Gesetzesbegründung heißt es unter anderem (vgl. BT-Drucks. 16/3945 S. 102):

"Die Neuregelung knüpft an das sog. [X.] nach dem durch Art. 7 des Gesetzes vom 5. Juli 2004 … geänderten [X.] vom 26. Juni 2001 … an; sie ist verständlicher als der Vorschlag der [X.]-Kommission, der auf das "ungezillmerte Deckungskapital" abstellt. Der Gesetzentwurf hat sich deswegen am geltenden Recht orientiert und nicht - wie der [X.] in dem oben zitierten Urteil vom 12. Oktober 2005 - am Vorschlag der [X.]-Kommission, auch wenn beide Vorschläge zu mehr Rechtsklarheit und Rechtssicherheit führen. Für den Versicherungsnehmer ergeben sich im Übrigen auf der Grundlage der Regelung des Gesetzentwurfes leicht höhere Auszahlungsbeträge als auf der Grundlage des Modells der [X.]-Kommission."

Wenn, so eine im Schrifttum vertretene Auffassung, sich im Zuge der [X.]-Reform eine vom Gesetzgeber als noch besser angesehene Lösung durchgesetzt habe, bei der zudem die Erkenntnisse der Entscheidung des [X.] von 2006 hätten einfließen können ([X.], 489), so erscheine es möglich, die ergänzende Vertragsauslegung an dieser aktuelleren Regelung zu orientieren. Dies habe auch den Vorteil, dass alle ab 2001 geschlossenen Versicherungsverträge [X.]elben Regelung unterlägen.

Diese Auffassung vermag nicht zu überzeugen. Sie führt im Ergebnis über das Mittel der ergänzenden Vertragsauslegung dazu, dass entgegen Art. 4 Abs. 2 EG[X.] und dem eindeutigen gesetzgeberischen Willen § 169 Abs. 3 Satz 1 [X.] doch Rückwirkung zukäme. Dies ist nicht allein damit zu rechtfertigen, dass der Vorschlag der Reformkommission, der der Entscheidung des [X.]s vom 12. Oktober 2005 zugrunde lag, letztlich nicht Gesetz wurde, sondern der Gesetzgeber sich an der Regelung über das [X.] orientiert hat. Diese spätere Entwicklung hat auf die Maßgeblichkeit und Gültigkeit der Interessenabwägung, wie sie der [X.] seinerzeit vorgenommen hat, keinen Einfluss. Insbesondere kann dieser Umstand nicht dazu führen, dass rückwirkend für die [X.] vor 2008 Wertungen aus einer gesetzgeberischen Regelung übernommen werden, die [X.] ihres ausdrücklichen Anwendungsbefehls erst ab 1. Januar 2008 gelten soll, während es im Übrigen bei der Anwendung des bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Rechts in seiner Ausprägung durch die Rechtsprechung bleiben sollte.

e) Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, besteht im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung keine Rechtfertigung dafür, bei der Berechnung des [X.] Unterschiede zwischen solchen Verträgen zu machen, bei denen die Rechtsprechung die Klauseln über die Abschlusskostenverrechnung wegen Intransparenz für unwirksam erklärt hat, und solchen, bei denen eine materielle Unwirksamkeit der Klauseln wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers angenommen worden ist. Die für die ergänzende Vertragsauslegung maßgebliche Interessenlage der Parteien ist unabhängig davon, ob die Klauseln wegen Intransparenz, materieller Unwirksamkeit oder aus anderen Gründen nicht zur Anwendung kommen können (so zu Recht OLG Karlsruhe [X.], 440, 443). Gründe für eine differenzierende Lösung bestehen insoweit nicht. Insbesondere ist nicht ersichtlich, warum Versicherungsnehmer der Klauselgeneration 2001 bis 2007 bei der vorgeschlagenen Anwendung von § 169 Abs. 3 Satz 1 [X.] besser stehen sollen als Versicherungsnehmer der Klauselgeneration 1994 bis 2001, bei denen der [X.] die Hälfte des ungezillmerten [X.] zugrunde gelegt hat. Vielmehr sind alle bis Ende 2007 geschlossenen Verträge, für die einheitlich noch das bisherige Recht gilt, nach denselben Grundsätzen zu behandeln, und erst für Verträge ab 2008 kommt es zur Anwendung des neuen [X.]. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist zu vermeiden, dass die Ersetzung einer intransparenten Klausel (Hälfte des ungezillmerten [X.]) einen anderen Inhalt hat als die Ersetzung einer transparenten, aber materiell unwirksamen Klausel (Orientierung an § 169 Abs. 3 Satz 1 [X.]), nur weil die Rechtsprechung erst nach Erlass des neuen [X.] Gelegenheit hatte, zur Ersetzung von materiell unwirksamen Rückkaufswertklauseln Stellung zu nehmen ([X.] in [X.]/Langheid, [X.] 3. Aufl. § 169 Rn. 60).

f) Schließlich hat auch das [X.] in seinem Beschluss vom 15. Februar 2006 dem Gesetzgeber lediglich aufgegeben, bis zum 31. Dezember 2007 eine mit den grundrechtlichen Vorgaben vereinbare Regelung des Rechts der Lebensversicherung zu treffen. Im Übrigen hat es ausdrücklich darauf hingewiesen, für die geltende Rechtslage habe sich eine Änderung dadurch ergeben, dass der [X.] im Wege der richterlichen ergänzenden Vertragsauslegung Grenzen der Verrechnung der Abschlusskosten bei vorzeitiger Vertragsauflösung festgelegt habe ([X.], 489 Rn. 74f.). Es sei nicht Aufgabe des [X.] zu prüfen, ob auch eine andere Lösung möglich wäre. Letztlich habe der Gesetzgeber zu entscheiden, welche Lösung er wählen möchte. Die ergänzende Vertragsauslegung wi[X.]preche allerdings verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht (aaO Rn. 76). Der Gesetzgeber hat sich sodann dafür entschieden, § 169 Abs. 3 Satz 1 [X.] erst auf Versicherungsverträge anzuwenden, die ab dem 1. Januar 2008 geschlossen werden. Für die [X.] davor verbleibt es deshalb einheitlich bei der vom [X.] entwickelten und vom [X.] gebilligten Rechtsprechung zur Abrechnung auf der Grundlage der Hälfte des ungezillmerten [X.] als Mindestbetrag, ohne dass es darauf ankommt, wann die Verträge geschlossen wurden und aus welchem Grund die Klausel über die Abschlusskostenverrechnung unwirksam ist.

[X.]                          [X.]                                    Dr. Karczewski

               [X.] Brockmöller

Meta

IV ZR 17/13

11.09.2013

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 21. Dezember 2012, Az: I-20 U 133/12, Urteil

§ 169 Abs 3 S 1 VVG, § 133 BGB, § 157 BGB, § 306 Abs 2 BGB, § 307 Abs 1 S 1 BGB, § 307 Abs 2 Nr 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.09.2013, Az. IV ZR 17/13 (REWIS RS 2013, 2931)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2931

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