Bundessozialgericht, Urteil vom 14.12.2021, Az. B 14 AS 61/20 R

14. Senat | REWIS RS 2021, 348

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Eingliederungsleistungen - berufliche Weiterbildung - Weiterbildungskosten - Kinderbetreuungskosten - Kosten für die Verpflegung der Kinder in einer Kindertagesstätte während der beruflichen Weiterbildungsmaßnahme


Leitsatz

Weiterbildungskosten sind auch die in funktionalem Zusammenhang mit der Kinderbetreuung durch Dritte stehenden Kosten für die Verpflegung der Kinder.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des [X.] vom 18. Juni 2020 und des [X.] vom 15. August 2018 sowie der Bescheid vom 8. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Oktober 2015 geändert. Der Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid vom 26. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. August 2014 zu ändern und verurteilt, der Klägerin für ihr Kind L für die [X.] vom 18. Juni 2014 bis 31. Dezember 2014 monatlich 35 Euro und vom 1. Januar 2015 bis 31. Juli 2015 monatlich 40 Euro sowie für ihr Kind T für die [X.] vom 1. August 2014 bis 31. Dezember 2014 monatlich 35 Euro und vom 1. Januar 2015 bis 17. Juni 2016 monatlich 40 Euro zu zahlen.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens zu 1/3.

Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

[X.] ist die Übernahme von Kosten für die Verpflegung der Kinder der Klägerin in einer Kindertagesstätte während ihrer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme.

2

Die 1985 geborene Klägerin absolvierte nach Erhalt eines Bildungsgutscheins vom beklagten Jobcenter vom 18.6.2014 bis 17.6.2016 eine Weiterbildung zur Kauffrau im Gesundheitswesen ([X.]) in [X.]eilzeit (täglich 9 Uhr bis 14:15 Uhr). Sie ist die Mutter der im Juli 2009 geborenen [X.] und des im Mai 2011 geborenen [X.] Die Kinder besuchten bis zu ihrer Einschulung von Januar 2011 bis 31.7.2015 ([X.]) bzw September 2012 bis 31.7.2017 ([X.]) eine Kindertagesstätte. Nach Maßgabe des im streitbefangenen [X.]raums geltenden [X.] [X.]andesrechts ([X.]agesbetreuungskostenbeteiligungsgesetz - [X.]KBG) waren in den letzten drei Jahren vor Beginn der regelmäßigen Schulpflicht, mit Ausnahme der Beteiligung an den Kosten für in einem Angebot enthaltene Verpflegung, Kosten nicht zu erheben. Für beide Kinder zahlte die Klägerin auf Rechnung der Kindertagesstätte im streitbefangenen [X.]raum monatliche Verpflegungsbeiträge in Höhe von je 23 Euro, zudem 12 Euro monatlich (ab 1.1.2015 17 Euro monatlich) für die "restliche Vollverpflegung". Eine schriftliche oder eine ausdrückliche mündliche Vereinbarung bestand insoweit nicht.

3

Der Beklagte bewilligte [X.]eistungen für die [X.]eilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme nach § 16 [X.]B II iVm §§ 81, 83 bis 87 [X.]B III in Form von [X.]ehrgangs- und Fahrkosten, zudem für die [X.] vom 18.6. bis 31.7.2014 für [X.] Betreuungskosten in Höhe von 260 Euro (bestandskräftiger Bescheid vom 26.6.2014; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Die Übernahme der Kosten für [X.] über den 31.7.2014 hinaus und für [X.] bereits dem Grunde nach lehnte der Beklagte ab, weil nach Maßgabe der Regelungen im [X.]KBG der Besuch einer Kindertagesstätte in den letzten drei Jahren vor Beginn der regelmäßigen Schulpflicht mit Ausnahme des Mittagessens kostenfrei sei. Daher fielen für [X.] ab dem [X.] und für [X.] im gesamten [X.]raum keine Betreuungs- sondern nur Kosten für die im Angebot enthaltene Verpflegung an. Der Verpflegungsbedarf der Kinder sei Bestandteil des Regelbedarfs und könne nicht gesondert übernommen werden. Nach Maßgabe des [X.]KBG könne die Klägerin zudem einen Betreuungsplatz verlangen, der über die vom [X.]KBG erfassten Kosten hinaus keine weiteren Zahlungspflichten begründe.

4

Den Überprüfungsantrag der Klägerin lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 8.7.2015; Widerspruchsbescheid vom 8.10.2015). Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des [X.] vom 15.8.2018; Urteil des [X.][X.] vom 18.6.2020). Zur Begründung hat das [X.][X.] ua ausgeführt, bei den Verpflegungskosten handle es sich nicht um Kinderbetreuungskosten iS des § 16 Abs 1 [X.]B II iVm §§ 83 Abs 1 [X.], 87 [X.]B III. Dies ergebe sich bereits daraus, dass § 83 Abs 1 Nr 3 [X.]B III die Anerkennung von Verpflegungskosten als Weiterbildungskosten nur für den [X.] vorsehe und insoweit abschließend zu verstehen sei. Darüber hinaus handle es sich bei den Verpflegungskosten um solche des allgemeinen [X.]ebensunterhalts, der vom Regelbedarf erfasst werde. Zuletzt fehle es an einem unmittelbaren kausalen Zusammenhang zwischen den Verpflegungskosten und der Maßnahmeteilnahme. § 87 [X.]B III diene nicht der Sicherung des [X.]ebensunterhalts der Kinder, sondern der Entlastung der Eltern von ihrer Betreuungspflicht während der Maßnahme. Aufwendungen für das Essen seien nicht "für" die Betreuung angefallen. Daran ändere nichts, dass nach § 22 Abs 3 Satz 1 [X.]B VIII die [X.]sverpflegung in einer Kindertagesstätte unmittelbar zu deren gesetzlichem Auftrag zähle; denn die Kosten für das Essen selbst seien vom Regelbedarf abgedeckt.

5

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom [X.][X.] zugelassenen Revision und rügt eine Verletzung der § 16 Abs 1 [X.]B II iVm §§ 83 Abs 1 [X.], 87 [X.]B III. Die Kosten für die Verpflegung der Kinder seien wie die Betreuung selbst unmittelbar mit der [X.]eilnahme an der Fortbildungsmaßnahme verknüpft. Die angeführten Regelungen verfolgten das Ziel einer Stärkung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, was bedinge, dass während der [X.]eilnahme an der Maßnahme bestimmte Aufgaben der Eltern, zB die Sorge für ausreichende Nahrung, an die Betreuungseinrichtung delegiert werden könnten. Der Förderauftrag einer Kinderbetreuungseinrichtung umfasse auch die körperliche und [X.] Entwicklung der Kinder durch regelmäßige Mahlzeiten in [X.]. Bei dem im Gesetz als Kosten der Kinderbetreuung aufgeführten Betrag von 130 Euro handle es sich um eine Pauschale je Kind und Monat, die also auch dann zu zahlen sei, wenn die tatsächlichen Kosten darunter liegen würden.

6

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des [X.]andessozialgerichts Berlin vom 18. Juni 2020 und des [X.] vom 15. August 2018 aufzuheben, den Beklagten unter Änderung des Bescheids vom 8. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Oktober 2015 zu verpflichten, den Bescheid vom 26. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. August 2014 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Betreuungskosten für das Kind [X.] in Höhe von 130 Euro monatlich für den [X.]raum vom 18. Juni 2014 bis 31. Juli 2015 sowie für das Kind [X.] in Höhe von 130 Euro monatlich für den [X.]raum vom 1. August 2014 bis 17. Juni 2016 zu zahlen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist teilweise begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Die [X.]lägerin hat zwar Anspruch auf Übernahme der Verpflegungskosten für ihre [X.]inder als [X.]osten der [X.]inderbetreuung während der Weiterbildungsmaßnahme, aber lediglich in Höhe der tatsächlich angefallenen [X.]osten, die geringer sind als der geltend gemachte Betrag von monatlich 130 Euro.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.10.2015, mit dem es der [X.] im Überprüfungsverfahren abgelehnt hat, den Bescheid vom 26.6.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] zu ändern und weitere [X.]inderbetreuungskosten zu zahlen. Der Sachentscheidung des Senats entgegenstehende prozessuale Hindernisse bestehen nicht.

Der Antrag der [X.]lägerin ist beschränkt auf die [X.] vom 18.6.2014 bis 31.7.2015 bezogen auf [X.] und auf die [X.] vom [X.] bis 17.6.2016 bezogen auf [X.]; der Höhe nach hat die [X.]lägerin ihren Antrag nicht auf die tatsächlichen [X.]osten beschränkt, sondern macht die Zahlung einer Pauschale in Höhe von 130 Euro je [X.]ind und Monat geltend.

Zutreffend verfolgt die [X.]lägerin ihr Begehren im Wege der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und [X.]eistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 iVm § 56 SGG), gerichtet auf die Aufhebung des die Überprüfung der Übernahme von [X.]inderbetreuungskosten für die streitbefangenen [X.]räume ablehnenden Bescheids, auf Erteilung eines Änderungsbescheids sowie auf Zahlung höherer [X.]eistungen.

Rechtsgrundlage für den von der [X.]lägerin geltend gemachten Anspruch auf Übernahme von Verpflegungskosten als [X.]inderbetreuungskosten sind in sozialverwaltungsverfahrensrechtlicher Hinsicht § 40 Abs 1 [X.] iVm § 44 Abs 1 Satz 1 [X.] und materiell-rechtlich § 16 Abs 1 Satz 2 [X.] Alt [X.] iVm § 83 Abs 1 [X.] und § 87 [X.].

Auch nach Unanfechtbarkeit ist nach § 40 Abs 1 [X.] (idF der Bekanntmachung vom 13.5.2011, [X.]) iVm § 44 Abs 1 Satz 1 und [X.] ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb [X.]eistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Dies ist hier der Fall. Der [X.] hat zu Unrecht die Übernahme von [X.]osten für die Verpflegung der [X.]inder während des Besuchs der [X.]indertagesstätte als [X.]inderbetreuungskosten abgelehnt.

Nach § 16 Abs 1 Satz 2 [X.] Alt [X.] (idF des [X.] der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege vom [X.], [X.]) erbringt die [X.] [X.]eistungen nach § 35 [X.] und kann ua als [X.]eistung des Dritten [X.]apitels [X.] [X.]eistungen zur beruflichen Weiterbildung nach dem Vierten Abschnitt erbringen. Übt ein [X.]eistungsträger sein Ermessen dergestalt aus, dass er eine der [X.]eistungen nach § 16 Abs 1 Satz 2 [X.] erbringt, ist er nach § 16 Abs 2 Satz 1 [X.] hinsichtlich des [X.]eistungsumfangs und des Rechtsgrunds grundsätzlich an die Regelungen im [X.], hier also die des Vierten Abschnittes des Dritten [X.]apitels [X.], gebunden (vgl zur [X.]larstellungsfunktion der Regelung in Bezug auf die in Abs 1 enthaltene Rechtsgrundverweisung B[X.]-Drucks 15/2997 [X.]). Ein Ermessen steht dem [X.]eistungsträger also nur dann zu, wenn auch das [X.] ein solches vorsieht (BSG vom 6.4.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.], 80 = [X.]-4200 § 16 [X.], Rd[X.] mwN).

Nach § 81 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 83 Abs 1 [X.] [X.] (in der ab 1.4.2012 geltenden Fassung des [X.] der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, [X.]) sind Weiterbildungskosten ua die durch die Weiterbildung unmittelbar entstehenden [X.]osten für die Betreuung von [X.]indern. Diese können in Höhe von 130 Euro monatlich je [X.]ind übernommen werden (§ 87 [X.] ebenfalls idF des Gesetzes vom 20.12.2011).

Ein Entschließungsermessen hinsichtlich des "Ob" der [X.]ostenübernahme räumt § 87 [X.] trotz der verwendeten Formulierung "[X.]ann" nicht ein. Denn bereits § 83 [X.] bestimmt, welches dem Grunde nach übernahmefähige Weiterbildungskosten sind. Sind diese iS des § 83 [X.] unmittelbar durch die Weiterbildung entstanden (dazu gleich), verbleibt in § 87 [X.] schon aufgrund des systematischen Zusammenhangs mit § 83 [X.] kein Raum für eine weitere Ermessenentscheidung im Hinblick auf die Frage der Übernahme der [X.]inderbetreuungskosten dem Grunde nach (so auch [X.] in Brand, [X.], 9. Aufl 2021, § 87a RdNr 2a; [X.] in [X.]/[X.] [X.], [X.] § 83 Rd[X.]3, Stand Juni 2021; [X.] in Eicher/[X.] nF, § 83 Rd[X.]6, Stand Mai 2015; beim Bildungsgutschein nach § 77 [X.] aF ein Entschließungsermessen verneinend BSG vom [X.] [X.] 22/09 R - [X.]-4300 § 77 [X.] RdNr 10; ein Entschließungsermessen, zugleich unter Annahme einer regelmäßigen [X.] auf Null bejaht [X.] in [X.] ua, [X.], 3. Aufl 2021, § 87 RdNr 8).

Anders als das [X.] meint, sind auch die Verpflegungskosten der [X.]inder während des Besuchs der [X.]indertagesstätte wegen ihres funktionalen Zusammenhangs mit der [X.]inderbetreuung unmittelbar durch die Weiterbildung entstandene [X.]osten der [X.]inderbetreuung.

Unter Berücksichtigung der Gesetzeshistorie und nach Sinn und Zweck der Regelung entstehen unmittelbar durch die Weiterbildung [X.]inderbetreuungskosten bereits dann, wenn während der Weiterbildung die Beaufsichtigung der [X.]inder sichergestellt werden muss, eine [X.]eilnahme an der Maßnahme ohne die Betreuung der [X.]inder nicht möglich ist (so im Ergebnis auch [X.] in jurisP[X.]-[X.], 2. Aufl 2019, § 87 RdNr 17 mwN; [X.] in Eicher/[X.] nF, § 87 Rd[X.]0, Stand Oktober 2020). Der [X.]ausalzusammenhang in § 83 Abs 1 [X.] [X.] ist mithin nicht eng im Sinne einer "conditio sine qua non" zu verstehen (aA [X.] in [X.] ua, [X.], § 87 Rd[X.], Stand April 2021). Ob die [X.]inder bereits vor Aufnahme der Weiterbildung durch Dritte betreut worden sind, ist deshalb ohne Belang (so auch zu § 45 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz - [X.] - idF des Arbeitsförderungs-[X.]onsolidierungsgesetzes - AF[X.]G - vom 22.12.1981; BSG vom 16.9.1998 - B 11 [X.] 19/98 R - juris RdNr 17 f; aA noch zu § 45 [X.] aF BSG vom 12.5.1982 - 7 [X.] - juris).

Nur ein solches [X.]ausalverständnis vermag es, den mit der Qualifizierung von [X.]inderbetreuungskosten als Weiterbildungskosten verbundenen Beitrag zur programmatischen Umsetzung des in § 8 Abs 2 [X.] verankerten Gebots zur Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie hinreichend rechtssicher auszugestalten. Denn soll eine berufliche Weiterbildung nicht an fehlenden finanziellen Mitteln zur Sicherstellung der [X.]inderbetreuung scheitern (vgl nur [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 87 RdNr 22, Stand Juni 2021; [X.] in Eicher/[X.] nF, § 87 RdNr 1, 3, Stand Oktober 2020), kann es nicht darauf ankommen, ob Erziehungsberechtigte ihre [X.]inder vor Aufnahme der Weiterbildung bereits durch Dritte betreuen ließen. Ein engeres Verständnis würde eine [X.]ostenerstattung letztlich von Zufälligkeiten abhängig machen, weil der [X.]punkt des Beginns der [X.]inderbetreuung durch Dritte nicht allein vom Beginn der Maßnahme, sondern zB von der Verfügbarkeit eines Betreuungsplatzes, fixen Eintrittsterminen, Wartezeiten etc abhängt (vgl BSG vom 16.9.1998 - B 11 [X.] 19/98 R - juris RdNr 18; [X.] [X.]/Schmidt-De Caluwe/[X.], [X.], 7. Aufl 2021, § 87 Rd[X.]; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 87 Rd[X.]1, Stand Juni 2021; [X.] in jurisP[X.]-[X.], 2. Aufl 2019, § 87 RdNr 17; [X.] in [X.], [X.] nF, § 87 Rd[X.]0, Stand Oktober 2020).

Sind in diesem Sinne [X.]osten für die [X.]inderbetreuung unmittelbar entstanden, erfassen diese auch die Verpflegung der [X.]inder während ihres Aufenthalts dort (so auch die fachlichen Weisungen der [X.] zu § 87 [X.]). Ein normativer Ansatzpunkt, zwischen [X.]inderbetreuungskosten "im engeren Sinn", dh beschränkt auf die Dienstleistung Betreuung, und sonstigen [X.]osten wie der Verpflegung der [X.]inder zu differenzieren, findet sich weder in den §§ 83 ff [X.] noch in § 16 [X.]. Sie überzeugte auch in der Sache nicht, berücksichtigt man insbesondere die für den Betrieb einer Einrichtung entstehenden sonstigen [X.]osten und die komplexe Finanzierungsstruktur von [X.]indertageseinrichtungen (vgl insoweit nur §§ 22, 23 [X.]indertagesförderungsgesetz [X.] vom 23.6.2005). Denn bereits diese erlaubt keinen Schluss darauf, dass es sich bei anderen als Verpflegungskosten um "reine Betreuungskosten" handelt.

Eine derartige Aufspaltung der [X.]osten widerspräche aber vor allem dem funktionalen Zusammenhang zwischen der von der Betreuungseinrichtung zu erbringenden Betreuungs- und Erziehungsleistung und gemeinschaftlichem Essen während der Betreuungszeit. Das gemeinschaftliche Essen ist insoweit notwendiger Bestandteil der [X.]inderbetreuung und wird nicht nur aus Anlass der Betreuung gewährt. Die [X.]eilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung in einer [X.]indertagesbetreuungseinrichtung ist insoweit ein wichtiges Element der [X.] [X.]eilhabe von [X.]indern und verhindert Ausgrenzungsprozesse (B[X.]-Drucks 17/3404 [X.] zur Einführung des Mehrbedarfs für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung nach § 28 Abs 6 [X.]; zur sozialintegrativen Funktion des gemeinschaftlichen Mittagessens in einer Werkstatt für behinderte Menschen ebenso BSG vom 9.12.2008 - [X.]/9b [X.] - [X.], 126 = [X.]-3500 § 54 [X.], RdNr 18 mwN; zum gleichen Verständnis im Rahmen der Förderung in einer [X.]ageseinrichtung nach § 22 Abs 1 Satz 1 [X.] vgl nur OVG Bremen vom [X.] - 2 A 288/10 - juris Rd[X.]6). Deshalb rechtfertigt der Umstand, dass aufgrund landesrechtlicher Regelungen zur Finanzierung von [X.]inderbetreuungsangeboten den Eltern nur Verpflegungskosten in Rechnung gestellt werden, ein einengendes Verständnis der bundesrechtlichen Regelung des § 87 [X.] nicht. Sind also auch Verpflegungskosten [X.]inderbetreuungskosten, ist schon aus systematischen Gründen die weitere Prüfung ausgeschlossen, ob die Übernahme von Verpflegungskosten der Förderung der Weiterbildung oder lediglich der finanziellen Entlastung der [X.]eilnehmenden von [X.]osten für den allgemeinen [X.]ebensunterhalt dient. Denn die [X.]ausalitätsprüfung bezieht sich ausschließlich auf die Entstehung von [X.]osten für die [X.]inderbetreuung.

Dass in der von den [X.]indern der [X.]lägerin besuchten [X.]indertageseinrichtung außerdem [X.]osten für das Mittagessen und die sonstige Verpflegung getrennt ausgewiesen werden und nach den Feststellungen des [X.] (§ 163 SGG) eine schriftliche Vereinbarung bzw ausdrückliche mündliche Abrede zwischen der [X.]lägerin und der Einrichtung zumindest hinsichtlich der weiteren Verpflegung nicht besteht, ist nicht von Belang. Die [X.]lägerin hat nach den weiteren Feststellungen des [X.], wie schon vor der Aufnahme der Weiterbildung, die von der [X.]ageseinrichtung angebotene gemeinschaftliche Verpflegung in Anspruch genommen und dafür gezahlt. Damit ist zumindest eine wirksame mündliche Abrede über die Inanspruchnahme des Angebots getroffen worden. Anlass oder eine Verpflichtung, [X.]eile einer (auch mündlich wirksamen) vertraglichen Vereinbarung zu kündigen oder gar einen anderen [X.]inderbetreuungsplatz ohne Inanspruchnahme von Verpflegung zu suchen, wie der [X.] meint, bestand für die [X.]lägerin nicht.

Gegen das gefundene Verständnis spricht auch nicht, dass bei [X.] und ihren [X.]indern, die im [X.] stehen, Aufwendungen für Verpflegung vom Regelbedarf umfasst sind und die [X.]inder für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung nach § 28 Abs 6 [X.] [X.]eistungen zur Bildung und [X.]eilhabe beanspruchen könnten. Durch die in § 16 Abs 1 [X.] enthaltene Rechtsgrundverweisung auf die Vorschriften der §§ 81 ff [X.] folgt zwar einerseits der abschließende Charakter des insoweit in Bezug genommenen [X.]eistungskatalogs; zugleich ist der [X.]räger aber auch an die dortigen [X.]eistungsvoraussetzungen und den [X.]eistungsumfang gebunden. Soweit also das [X.] nichts Abweichendes regelt, ergeben sich die [X.]eistungsvoraussetzungen der einzelnen [X.]eistungen aus dem [X.] (BSG vom 12.12.2013 - [X.] [X.]/13 R - [X.]-4200 § 16 [X.]). Da weder § 16 [X.] noch § 83 Abs 1 [X.] [X.] oder § 87 [X.] die Erbringung von [X.]osten der [X.]inderbetreuung von der finanziellen [X.]eistungsfähigkeit des [X.]eilnehmenden abhängig machen (anders zB § 90 Abs 4 [X.]) oder Sonderregelungen für Bezieher existenzsichernder [X.]eistungen vorsehen, verbietet sich ein Verständnis, das die Auslegung des Begriffs der Betreuungskosten mit der Frage der Finanzierung des [X.]ebensunterhalts des [X.]eilnehmenden verbindet. Insoweit schafft § 83 Abs 1 [X.] [X.] einen von existenzsicherungsrechtlichen Bedarfszuordnungskriterien unabhängigen Anspruch von nach dem [X.] leistungsberechtigten Personen, die [X.]eistungen zur beruflichen Weiterbildung erhalten. Nicht zuletzt sind die in Bezug genommenen aktiven [X.]eistungen des [X.] vorrangig vor den passiven [X.]eistungen nach dem [X.], also auch gegenüber [X.]eistungen der Mittagsverpflegung nach § 28 Abs 6 [X.]. Die Regelung des § 83 Abs 1 [X.] [X.], wonach Weiterbildungskosten auch die durch die Weiterbildung unmittelbar entstehenden [X.]osten für auswärtige Unterbringung und Verpflegung sind, steht dem nicht entgegen. Denn sie betrifft nur die Verpflegung des [X.]eilnehmers selbst bei auswärtiger Unterbringung, trifft also zur Frage der Verpflegungskosten Dritter keine Aussage.

Der [X.]lägerin stehen allerdings nur Betreuungskosten in Höhe der tatsächlich entstandenen [X.]osten zu, die unterhalb der pauschalierten 130 Euro monatlich liegen. Die [X.] in § 87 [X.] ist als Obergrenze zu verstehen. Ein solches Normverständnis ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Regelung, der von "Übernahme" von [X.]osten der [X.]inderbetreuung und nicht einem Pauschalbetrag spricht und wird gestützt durch systematische Überlegungen. Zum einen entspricht dieses Verständnis der Normstruktur dem ebenfalls als [X.]ann-Vorschrift formulierten § 86 [X.], der als pauschale Höchstbetragsregelung ausgestaltet ist. Zu einem anderen Verständnis zwingt auch nicht ein Vergleich mit § 64 Abs 3 [X.]. Denn § 64 Abs 3 [X.] bestimmt normativ einen Bedarf für [X.]osten der [X.]inderbetreuung und kann schon deshalb nicht mit der [X.]ostenübernahmeregelung in § 87 [X.] gleichgesetzt werden. Mit dem Gesetz zur Anpassung der Berufsausbildungsbeihilfe und des Ausbildungsgeldes (vom [X.], [X.] 1025) erfolgte zwar eine Anpassung des in § 87 [X.] genannten Betrags an den der Berufsausbildungsbeihilfe in § 64 Abs 3 Satz 1 [X.] bzw das [X.] ([X.]). Zur Begründung wurde aber lediglich darauf verwiesen (Beschlussempfehlung und Bericht des [X.], B[X.]-Drucks 19/10691 [X.]), dass die Beträge, die für die Betreuung aufsichtsbedürftiger [X.]inder erstattet werden können, für die Auszubildenden in beruflicher Ausbildung und [X.]eilnehmende an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen in gleichem Umfang wie im [X.] jeweils zum [X.] und 1.8.2020 steigen sollen; die entsprechenden Änderungen in § 64 Abs 3 [X.] würden auch für die [X.]inderbetreuungskosten nach § 87 [X.] nachvollzogen, um einen Gleichlauf der Beträge für Auszubildende und für geförderte [X.]eilnehmende an beruflicher Weiterbildung nach dem [X.] (§ 87 [X.]) und [X.] (§ 16 Abs 1 [X.] iVm § 87 [X.]) zu erreichen. Da der Wortlaut des § 87 [X.] im Übrigen unverändert geblieben ist, ist ein über die gewollte Angleichung der Beträge hinausgehender Wille des Gesetzgebers nicht anzunehmen.

Der Umstand, dass mit dem [X.] am Arbeitsmarkt vom [X.] ([X.] 4607) der Wortlaut des § 87 [X.] geändert wurde und seitdem [X.]inderbetreuungskosten "in Höhe von 130 Euro" (zuvor: "in Höhe von bis zu 130 Euro") übernommen werden können, zwingt nicht zu einem anderen Normverständnis. Denn zur Begründung hat der Gesetzgeber lediglich darauf hingewiesen, dass aus Gründen der Vereinfachung künftig "regelmäßig" [X.]inderbetreuungskosten in Höhe von 130 Euro je [X.]ind übernommen werden sollen (B[X.]-Drucks 15/25, 30). Dies lässt trotz des insoweit geänderten Wortlauts Raum für ein Normverständnis im Sinne einer Obergrenze (so im Ergebnis auch [X.] in [X.] ua [X.], § 87 RdNr 10 f, Stand April 2021; 20; aA [X.] in Brand, [X.], 9. Aufl 2021, § 87 Rd[X.]; [X.] in [X.]/[X.] [X.], [X.] § 87 Rd[X.]4 f, Stand Juni 2021; [X.] in jurisP[X.]-[X.], § 87 RdNr 20, 2. Aufl 2019; [X.] in Eicher/[X.] nF, § 87 RdNr 28, Stand Oktober 2020).

Ob § 87 [X.] der [X.] Ermessen hinsichtlich der Höhe der [X.]ostenübernahme einräumt, kann vorliegend offen bleiben, denn selbst ein Auswahlermessen unterstellt, fehlte es an Gründen für eine andere Entscheidung als die, die tatsächlich entstandenen [X.]osten in voller Höhe zu übernehmen ([X.] auf Null).

Die tatsächlichen [X.]osten für die [X.]inderbetreuung beliefen sich für [X.] für die [X.] vom 18.6.2014 bis 31.12.2014 auf 35 Euro monatlich (23 Euro Mittagessen, 12 Euro sonstige Vollverpflegung) und vom 1.1.2015 bis 31.7.2015 auf monatlich 40 Euro (23 Euro Mittagessen und 17 Euro sonstige Vollverpflegung) sowie für [X.] für die [X.] vom [X.] bis 31.12.2014 ebenfalls auf 35 Euro bzw vom 1.1.2015 bis 17.6.2016 auf monatlich 40 Euro; in diesem Umfang sind die im Verfahren nach § 44 [X.] zur Überprüfung gestellten Bescheide des [X.]n zu ändern und [X.]eistungen zu zahlen. Im Übrigen war die Revision zurückzuweisen.

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und folgt dem Ergebnis des Verfahrens.

Meta

B 14 AS 61/20 R

14.12.2021

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Berlin, 15. August 2018, Az: S 99 AS 22900/15, Urteil

§ 16 Abs 1 S 2 Nr 4 Alt 1 SGB 2 vom 13.03.2013, § 81 Abs 1 S 1 SGB 3, § 83 Abs 1 Nr 4 SGB 3, § 87 SGB 3 vom 08.07.2019, § 87 SGB 3 vom 20.12.2011, § 85 SGB 3 vom 10.12.2001, § 64 Abs 3 SGB 3, § 8 Abs 2 SGB 3, § 3 Abs 5 TagEinrKostBetG BE 2010

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 14.12.2021, Az. B 14 AS 61/20 R (REWIS RS 2021, 348)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 348

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