Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.01.2012, Az. 2 StR 482/11

2. Strafsenat | REWIS RS 2012, 10227

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
2 StR
482/11

vom
11. Januar 2012
in der Strafsache
gegen

wegen schwerer räuberischer Erpressung

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 11. Januar 2012, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Dr. Ernemann

als Vorsitzender,

[X.] am [X.]
Prof. [X.],
[X.],
Prof. Dr. [X.],
Prof. Dr. [X.],

[X.]

und
[X.] am [X.]

-
in der Verhandlung-

[X.] am [X.]

-
bei der Verkündung -

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.]s Koblenz vom 24. Juni 2011 mit den Fest-stellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.]s zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das [X.] hat den Angeklagten vom Vorwurf der schweren räube-rischen Erpressung freigesprochen. Die hiergegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.
1. Die Staatsanwaltschaft hat dem Angeklagten mit Anklageschrift vom 21. April 2011 Folgendes zur Last gelegt:

Der Angeklagte habe sich am 19.
März 2011 gegen 11.00 Uhr zu dem Lebensmittelgeschäft W.

in G.

/W.

begeben. Er sei nicht mas-1
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kiert gewesen, habe sich aber eine Kapuze übergezogen. In seiner Hand habe er eine schwarze Pistole gehalten. Diese habe er auf die Zeugin Wi.

gerichtet und von ihr mit den Worten "Überfall und Geld her und Kasse auf"
Bargeld in der Stückelung von 10, 20 und 50 Euro verlangt. Die Zeugin habe ihm 1.220 Euro in bar ausgehändigt und das Geld in einen von ihm bereit ge-haltenen schwarzen Stoffbeutel gefüllt.

2. Die [X.] hat festgestellt:

Der Angeklagte fuhr am 19. März 2011 etwa um 11.00 Uhr mit einem von ihm angemieteten PKW [X.] mit ortsfremdem Kennzeichen auf der Hauptstraße durch G.

in Richtung des Nachbarortes. Unmittelbar nachdem er eine Unterführung der [X.] passiert hatte, bog er nach links in einen Feldweg ab. In engem zeitlichem Zusammenhang mit dieser Fahrt des Ange-klagten -
kurz vor 11.00 Uhr -
geschah in G.

auf der Hauptstraße die ihm zur Last gelegte Tat.

Die Verkäuferin des [X.], die Zeugin Wi.

,
konnte den Angeklagten bei einer Wahllichtbildvorlage zwar nicht identifizieren, meinte jedoch, nach dem Gesicht und der Mundpartie komme der Angeklagte "am ehesten"
als Täter in Betracht. Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten am 29. März 2011 wurden eine Gaspistole, die abwechselnd mit Gas-
und Knallpatronen geladen war, ein dunkles Kapuzenshirt, eine dunkle Stofftasche sowie weiße Turnschuhe sichergestellt. Die Gegenstände [X.] deutlich der
Beschreibung, die die Zeugin Wi.

von der Kleidung des [X.], seiner Pistole und der zum Abtransport der Beute verwendeten Stofftasche gegeben hatte.
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3. Das [X.] hat sich von der [X.]chaft des Angeklagten nicht zu überzeugen vermocht. Zwar seien die verschiedenen Einlassungen des Ange-klagten, er sei zur Tatzeit nicht in G.

gewesen und habe sich bereits auf dem Heimweg nach [X.] befunden, durch die Angaben der Zeugin S.

widerlegt. Auch belasteten ihn die in seiner Wohnung aufgefundenen Gegen-stände erheblich. Dennoch verblieben durchgreifende Zweifel an seiner Täter-schaft. Die von der Zeugin Wi.

abgegebene Täterbeschreibung treffe in wesentlichen Punkten nicht auf den Angeklagten zu. Darüber hinaus habe der Zeuge K.

ausgesagt, er habe zur Tatzeit vor dem Lebensmittelgeschäft einen dunklen Kombi der Marke [X.] gesehen, der ihm deshalb aufgefallen sei, weil an dem Fahrzeugheck sowohl das amtliche Kennzeichen als auch die Kennzeichenhalterung gefehlt habe. Diese Beobachtung deute darauf hin, dass ein anderer Täter das durch Entfernen des Kennzeichens präparierte Fahrzeug für den Überfall auf den Lebensmittelmarkt als Fluchtfahrzeug benutzt habe.

II.

1. Der Senat ist mit Vorsitzendem [X.] am [X.] Dr.
Ernemann sowie den [X.]n am [X.] Prof. [X.], Dr.
Appl, Prof. Dr. [X.] und Prof. Dr. [X.] vorschriftsmäßig besetzt. Das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen [X.] (Art. 101 Abs.
1
Satz
2 GG) ist gewahrt.

Das Präsidium des [X.] hat in Wahrnehmung der ihm nach § 21e Abs.
1 Satz 1 [X.] obliegenden Aufgabe (siehe Meyer-Goßner 7
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6
-
54.
Aufl. § 21f [X.] Rn. 3) dem Vorsitzenden [X.] am [X.] Dr.
Ernemann -
zusätzlich zum Vorsitz im 4. Strafsenat
-
den Vorsitz im 2.
Strafsenat zugewiesen und bestimmt, dass im Kollisionsfall die Tätigkeit im 2.
Strafsenat vorgeht. Es hat bei dieser Regelung in willkürfreier Auslegung des §
21 Abs.
2 Satz 1 [X.] und unter Berücksichtigung der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. [X.], 154; BSG NJW 2007, 2717; BVerwG NJW 1986, 1366) angenommen, dass nach Ausscheiden der früheren Vorsitzenden des 2. Strafsenats aus dem Dienst am 31. Januar 2010 und anschließender Vakanz im Vorsitz jedenfalls mit Beginn des [X.] keine vorübergehende Verhinderung des Vorsitzenden im Sinne dieser Vorschrift mehr gegeben ist, die eine weitere Vertretung im Vorsitz des [X.] zuließe. [X.] am [X.] Dr.
Ernemann nimmt die ihm zugewiesene Aufgabe als Vorsitzender des 2.
Strafsenates des [X.] in dem vom Gesetz vorausgesetzten und in der Sache gebotenen Umfang wahr. Nach dem Geschäftsverteilungsplan des 2.
Strafsenats steht er allen Spruchgruppen als Vorsitzender vor.

Dass [X.] am [X.] Prof. [X.], [X.], Prof.
Dr. [X.] und Prof. Dr. [X.] im vorliegenden Fall zur Entscheidung be-rufen sind, ergibt sich aus der senatsinternen Geschäftsverteilung vom 28.
Dezember 2011, welche die Sache der [X.] in dieser personel-len Besetzung zuweist.

2. Der Freispruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.

a) Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an [X.] [X.]chaft nicht zu überwinden vermag, so ist das durch das Revisionsge-richt in der Regel hinzunehmen. Ein Urteil kann indes keinen Bestand haben, 10
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wenn die Beweiswürdigung Rechtsfehler aufweist. Das ist etwa der Fall, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen
nicht berücksichtigt oder nahe liegende Schlussfolgerungen nicht erörtert
werden, wenn sie wider-sprüchlich oder unklar ist, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anfor-derungen gestellt werden (st. Rspr.; [X.], 2792; NStZ 2010, 407; NStZ-RR 2010, 182). Der Tatrichter ist gehalten, die Gründe für den Freispruch so vollständig und genau zu erörtern, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, an Hand der Urteilsgründe zu prüfen, ob der Freispruch auf [X.] Erwägungen beruht. Insbesondere muss er sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen [X.] auseinandersetzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen ([X.], 2792; Meyer-Goßner
StPO, 54. Aufl., §
267 Rn.
33 mwN).

b) Daran gemessen begegnet die Beweiswürdigung des [X.]s durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Das angefochtene Urteil ist lückenhaft, soweit es sich mit den in der Wohnung des Angeklagten sichergestellten Gegenständen befasst. Die Urteils-gründe teilen hierzu lediglich mit, dass Pistole, Bekleidung und Stofftasche sowie der zum Abtransport des Geldes verwendeten
Stofftasche entsprachen. Zwar belaste das den Angeklagten erheblich, es sei aber auch zu bedenken, dass es sich -
mit Ausnahme der Gaspistole
-
um weit verbreitete Gegenstände handele, die zudem keine individuellen Merkmale aufwiesen.

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Diese Ausführungen reichen nicht aus, um dem Revisionsgericht die Überprüfung zu ermöglichen, ob der Freispruch auf [X.] Erwä-gungen zum Beweiswert der in der Wohnung des Angeklagten sichergestellten Gegenstände beruht. Insbesondere lassen sie nicht erkennen, ob das [X.] dabei alle für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkte in seine Überlegungen einbezogen hat.
Die [X.] versäumt es, die in der [X.] sichergestellten Gegenstände näher zu beschreiben. Außerdem teilt sie nicht mit, welche konkreten Angaben die Zeugen Wi.

und M.

zu den Gegenständen gemacht haben, die bei der Tat verwendet wurden. Insoweit vermag der Senat nicht zu überprüfen, ob und inwieweit eine Übereinstimmung
besteht, insbesondere wie das [X.] zu der Wertung gelangt, die sicher-gestellten Gegenstände entsprächen "deutlich"
der Beschreibung des [X.]. Dabei
bleibt -
worauf der Generalbundesanwalt
zutreffend hinweist
-
offen, ob die Gegenstände der Beschreibung der Zeugin Wi.

aufgrund charakteristischer Merkmale so ähneln, dass ein anderer Schluss als Identität fernliegend wäre.

Darüber hinaus fehlen Ausführungen in den Urteilsgründen zum Fundort von Gaspistole, Kapuzenshirt und Stofftasche
in der Wohnung des Angeklag-ten. Auch aus der Auffindesituation der Gegenstände hätten sich aber möglich-
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erweise Schlüsse dahingehend ziehen lassen, ob sie bei dem [X.] wurden. [X.] sie etwa zusammen verwahrt, konnte dies auch [X.] von der Frage, ob und inwieweit sie als Einzelstücke individuelle Besonder-heiten aufwiesen, in hohem Maße dafür sprechen, dass sie wenige Tage zuvor auch gemeinsam benutzt wurden.

Ernemann

Fischer

Appl

[X.]

[X.]

Meta

2 StR 482/11

11.01.2012

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.01.2012, Az. 2 StR 482/11 (REWIS RS 2012, 10227)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10227

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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