Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.01.2012, Az. VIII ZB 95/11

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 10077

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 95/11

vom

17. Januar
2012

in dem Rechtsstreit

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Der VIII. Zivilsenat des [X.] hat am 17. Januar 2012
durch den Vorsitzenden [X.], die Richterin Dr.
Hessel und die Richter Dr.
Achilles, Dr.
Schneider und Dr.
Bünger

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des [X.]
wird der Beschluss der Zivilkammer 65 des [X.] vom 30. August 2011 aufgehoben.
Dem [X.] wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ge-gen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung ge-gen das Urteil des [X.] vom 17. Februar 2011 gewährt.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kos-ten des Rechtsbeschwerdeverfahrens
und über den Antrag des [X.] auf Vollstreckungsschutz, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.
Wert des Beschwerd

Gründe:
I.
Die Klägerin
begehrt
Zahlung von Miete und Räumung einer Mietwoh-nung. Im Verfahren vor dem Amtsgericht hat der Beklagte mit [X.] vom 8.
Februar 2011 darauf hingewiesen, dass der ihm übermittelten Abschrift des gegnerischen [X.]es vom
20. Januar 2011 ein darin als Anlage [X.]
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tes Schreiben der Klägerin vom 3. September 2009 nicht beigefügt gewesen sei; zu einer nachträglichen
Übersendung der Anlage kam es nicht.
Das der Klage stattgebende, dem [X.] am 25. Februar 2011 zugestellte Urteil des Amtsgerichts nimmt in den Entscheidungsgründen auf das Schreiben der Klä-gerin vom 3. September 2009 Bezug.
Die zunächst am 26. April 2011 (Dienstag nach [X.]) ablaufende Be-gründungsfrist ist
antragsgemäß um einen Monat verlängert worden
und endete deshalb am 26. Mai
2011.
Eine am 23. Mai 2011 begehrte Akteneinsicht konnte dem
Prozessbevollmächtigten
des [X.] nicht gewährt werden, weil die Akten noch
nicht beim Berufungsgericht eingegangen waren. Mit Schreiben vom 25. Mai 2011, das noch am selben Tag per Fax eingegangen ist, hat der Prozessbevollmächtigte unter Hinweis darauf, dass die Prozessakten auch beim Amtsgericht nicht greifbar seien, die nochmalige Verlängerung der Beru-fungsbegründungsfrist
beantragt. Das Berufungsgericht hat dies
mangels Zu-stimmung des Gegners
abgelehnt. Die Akten, die sich wegen einer Richterbeur-teilung in der [X.] befunden hatten, sind dem [X.] des [X.] erst am 28. Juni 2011 zur Verfügung gestellt
worden. Die Berufungsbegründung nebst Wiedereinsetzungsantrag ist am 1. Juli 2011 beim Berufungsgericht eingegangen.

Das Berufungsgericht
hat den Antrag auf Wiedereinsetzung abgelehnt und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechts-beschwerde des [X.].

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II.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-führt, die
Berufung sei als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet worden sei. [X.] könne dem [X.] nicht gewährt werden, weil die Fristversäumung auf einem ihm nach § 85 Abs. 2
BGB zuzurechnenden
Verschulden seines
Pro-zessbevollmächtigten
beruhe. Es sei mit anwaltlicher Sorgfalt nicht zu vereinba-ren, erst wenige Tage vor Ablauf der verlängerten Berufungsbegründungsfrist die Bearbeitung der Rechtsmittelbegründung in Angriff zu nehmen und Akten-einsicht zu beantragen. Anwaltlicher
Sorgfalt hätte es entsprochen, sich [X.] um die Erfüllung der Anforderungen des § 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO innerhalb der bereits verlängerten Berufungsbegründungsfrist zu bemühen.

III.
Die gemäß §
522 Abs.
1 Satz
4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nach §
574 Abs.
2 Nr.
2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig. Sie ist
auch begründet. Das Berufungsgericht hat dem [X.] zu Unrecht Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zu Begründung der Berufung versagt, weil es die an den Prozessbevollmächtigten des [X.] zu stellenden Sorgfaltsanforderungen bezüglich
der Akteneinsicht überspannt
hat; damit ist auch der Verwerfung des Rechtsmittels
die Grundlage entzogen.
1. Der Beklagte war ohne sein Verschulden an der rechtzeitigen Begrün-dung der Berufung gehindert. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt ein dem [X.] gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden seines
Prozessbevollmächtigten nicht darin, dass dieser
Akteneinsicht
erst am 4
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23. Mai 2011 und somit wenige Tage vor dem Ende der am 26. Mai 2011 ablau-fenden (verlängerten) Rechtsmittelbegründungsfrist beantragt und mit der An-fertigung der Berufungsbegründung nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt begonnen hat.

Allerdings hat der Prozessbevollmächtigte einer [X.] durch geeignete
Maßnahmen sicherzustellen, dass ein fristgebundener [X.] rechtzeitig hergestellt wird und fristgerecht beim zuständigen Gericht eingeht ([X.], Be-schlüsse
vom 13. Februar 2007 -
VIII
ZB 40/06, [X.], 2559
Rn. 7;
vom 2.
Dezember 1996 -
II
ZB 19/96, NJW-RR 1997, 562 unter II;
st. Rspr.). Hierzu gehört selbstverständlich auch, dass er mit der Bearbeitung einer Rechtsmittel-begründung so rechtzeitig beginnt, dass sie innerhalb der Frist fertiggestellt und dem Gericht übermittelt werden kann. Hiergegen hat der Prozessbevollmächtig-te des
[X.] aber nicht
verstoßen. Grundsätzlich dürfen Fristen bis zum
letzten Tag ausgeschöpft werden ([X.],
NJW 1991, 2076
mwN). [X.] dafür, dass der bis zum Fristablauf verbleibende Zeitraum von drei Ta-gen nach dem gewöhnlichen Verlauf nicht zur Erstellung und Übermittlung der Berufungsbegründung ausgereicht hätte, sind nicht erkennbar.
Insbesondere durfte der Prozessbevollmächtigte angesichts des Zeitablaufs seit Rechtsmittel-einlegung davon ausgehen, dass
sich
die Prozessakten beim Berufungsgericht befanden
und ihm kurzfristig zur Verfügung gestellt werden konnten. Wie der weitere Ablauf zeigt, war die rechtzeitige Einsichtnahme nur deshalb nicht mög-lich, weil
die Akten weder beim Berufungsgericht noch beim [X.] waren; dies kann dem Prozessbevollmächtigten des [X.] nicht ange-lastet werden.

Anders als das Berufungsgericht offenbar meint, war der [X.] des [X.] auch nicht gehalten, sich ungeachtet der nicht ge-währten Akteneinsicht
um die Erstellung einer fristgerechten Rechtsmittelbe-7
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gründung zu bemühen. Denn dem Prozessbevollmächtigten des [X.] la-gen nicht sämtliche der angefochtenen
Entscheidung zugrunde liegenden [X.] vor,
so dass eine sachgerechte Bearbeitung der Rechtsmittelbegrün-dung ohne Akteneinsicht schon aus diesem Grund nicht möglich war.
2. Der Beklagte hat
innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO Wiederein-setzung beantragt und
die versäumte Berufungsbegründung nachgeholt.
Das Hindernis ist mit der am 28. Juni 2011 gewährten Akteneinsicht weggefallen; die Berufungsbegründung und der Wiedereinsetzungsantrag sind am 1. Juli 2011 und somit
rechtzeitig beim Berufungsgericht eingegangen.
3. Über den -
mit [X.] vom 17. November 2011 wiederholten -
An-trag des [X.] auf Vollstreckungsschutz hat das Berufungsgericht zu [X.], bei dem der Rechtsstreit nach der Beendigung des [X.] durch diesen Beschluss wieder anhängig ist.
[X.]
Dr. Hessel
Dr. Achilles

Dr. Schneider
Dr. Bünger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 17.02.2011 -
214 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 30.08.2011 -
65 [X.]/11 -

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Meta

VIII ZB 95/11

17.01.2012

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.01.2012, Az. VIII ZB 95/11 (REWIS RS 2012, 10077)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10077

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