Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.11.2015, Az. V R 68/14

5. Senat | REWIS RS 2015, 2571

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Gegenstand

Einfuhrumsatzsteuer und Vorsteuerabzug


Leitsatz

Der Betreiber eines Zolllagers ist nicht zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer berechtigt .

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 9. Oktober 2014  4 K 67/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb in den Jahren 1997 und 1998 ein Zolllager Typ D, in dem sie Waren einer Schwestergesellschaft sowie Waren zweier anderer GmbHs einlagerte.

2

Das zuständige Hauptzollamt ([X.]) stellte Fehlmengen fest und setzte aufgrund einer Bestandsaufnahme vom 9. November 1998 durch die Bescheide vom 16. März 1999 und vom 19. März 2001 [X.] ([X.]St) fest, die das [X.] mit Bescheid vom 10. September 2002 herabsetzte. Grundlage für das Entstehen der [X.]St war ein Entziehen von [X.] aus der zollamtlichen Überwachung. Die Klägerin entrichtete die [X.]St in Teilbeträgen in den Streitjahren 2002 bis 2008 und nahm im Umfang dieser Zahlungen den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vor. Den Vorsteuerabzug beanstandete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--), da der Klägerin nicht die nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) für den Vorsteuerabzug aus [X.] erforderliche Verfügungsmacht zugestanden habe, und erließ am 12. März 2010 geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre. Einspruch und Klage beim Finanzgericht ([X.]) hatten keinen Erfolg.

3

Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2015, 258 veröffentlichten Urteil des [X.] ist der Betreiber eines Zolllagers im Hinblick auf die ihm gegenüber gemäß Art. 203 Zollkodex i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG festgesetzte [X.]St nicht zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG berechtigt, wenn er keine Verfügungsbefugnis an den eingeführten Waren hatte. Das Erfordernis einer Verfügungsmacht ergebe sich sowohl aus der nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG erforderlichen Einfuhr für das Unternehmen wie auch aus dem unionsrechtlichen Kriterium der Verwendung eingeführter Gegenstände für Zwecke der besteuerten Umsätze. Abweichendes ergebe sich weder aus den Bestimmungen der [X.] vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/[X.] (Richtlinie 77/388/[X.]) noch aus denen der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL).

4

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass sie zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Es komme auf eine Einfuhr für das Unternehmen und für Zwecke besteuerter Umsätze an. Die Inanspruchnahme des [X.] aufgrund zollrechtlicher Verfehlungen erfolge für Zwecke seines Unternehmens. Der direkte Zusammenhang zum Unternehmen der Klägerin ergebe sich daraus, dass nur Unternehmer zum Betrieb eines Zolllagers berechtigt seien. Es handele sich daher um Kosten ihrer allgemeinen Unternehmenstätigkeit. Der Unternehmer dürfe durch die Umsatzsteuer nicht belastet werden. Dies ergebe sich zumindest aus dem Unionsrecht.

5

Der Senat hat mit Beschluss vom 16. Juni 2015 das Ruhen des Verfahrens gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) i.V.m. § 251 Satz 1 der Zivilprozessordnung bis zu einer Entscheidung durch den [X.] ([X.]) in der Rechtssache [X.]/14 [X.] angeordnet. Mit Urteil vom 25. Juni 2015 [X.]/14 ([X.]:[X.]) hat der [X.] in dieser Rechtssache entschieden, dass Art. 168 Buchst. e MwStSystRL

6

"einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die den Abzug der vom Beförderer der betreffenden Waren, der nicht deren Einführer oder Eigentümer ist, sondern sie lediglich befördert und die Zollabfertigung ihres Versands im Rahmen seiner mehrwertsteuerpflichtigen Beförderungstätigkeit vorgenommen hat, geschuldeten [X.] ausschließt".

7

Nach Auffassung der Klägerin besteht der für den Vorsteuerabzug erforderliche direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen der [X.] und ihren steuerpflichtigen [X.] aus der Einlagerung von Waren in ihr Zolllager. Dies ergebe sich aus ihrer Gewinn- und Verlustrechnung. Ohne ihre Tätigkeit als Zolllagerinhaber wäre sie nicht Schuldner der [X.] geworden. Maßgeblich sei ihre betriebswirtschaftliche Kostenrechnung und ihr kalkulatorisches Risiko. Zwar habe das [X.] festgestellt, dass sie nicht zivilrechtlicher Eigentümer der eingelagerten Gegenstände gewesen sei. Sie habe aber zumindest an den Waren der [X.] wirtschaftliches Eigentum gehabt. Sie sei ermächtigt gewesen, über diese Waren zu verfügen.

8

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des [X.] und die Umsatzsteuerbescheide für 2002 bis 2008 vom 12. März 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Mai 2013 aufzuheben.

9

Das [X.] beantragt sinngemäß,

die Revision zurückzuweisen.

Die Einfuhr für das Unternehmen erfordere Verfügungsmacht an dem eingeführten Gegenstand. Hieran fehle es, da der Lagerhalter die eingeführten Gegenstände nicht erwerbe. Aus dem [X.]-Urteil [X.] ([X.]:[X.]) ergebe sich, dass die Klägerin nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sei.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O). Zu Recht ist das [X.] davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht zum Vorsteuerabzug aus der ihr gegenüber festgesetzten [X.] berechtigt ist.

1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG konnte der Unternehmer "die entrichtete [X.] für Gegenstände, die für sein Unternehmen in das Inland eingeführt worden sind", als Vorsteuer abziehen. Seit 2004 bestand das Abzugsrecht des Unternehmers für "die entrichtete [X.] für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 eingeführt worden sind".

§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG beruht unionsrechtlich zunächst auf Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/[X.] und ab 2007 auf Art. 168 Buchst. e MwStSystRL. Durch den Übergang von der Richtlinie 77/388/[X.] zur MwStSystRL ist es nicht zu inhaltlichen Änderungen gekommen. [X.] besteht danach das Abzugsrecht des Steuerpflichtigen (Unternehmers), für "die Mehrwertsteuer, die für die Einfuhr von Gegenständen in diesem Mitgliedstaat geschuldet wird oder entrichtet worden ist", soweit "die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden".

2. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] setzt der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG voraus, dass dem Unternehmer die Verfügungsmacht an dem eingeführten Gegenstand zusteht. Daran fehlt es z.B., wenn ein ausländischer Unternehmer einem inländischen Unternehmer einen Gegenstand zur Nutzung überlässt, ohne ihm die Verfügungsmacht an dem Gegenstand zu verschaffen (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 16. März 1993 V R 65/89, [X.]E 170, 481, [X.] 1993, 473). Hieran hat sich durch die in 2004 in [X.] getretene Neuregelung nichts geändert. Sowohl nach alter als auch nach neuer Rechtslage kommt es auf eine Einfuhr für das Unternehmen des [X.] an.

3. Der Senat hält an seiner ständigen Rechtsprechung --unter Aufgabe der im Urteil vom 23. September 2004 V R 58/03 ([X.]/NV 2005, 825) geäußerten [X.] auch unter Berücksichtigung der sich aus dem Unionsrecht ergebenden Vorgaben fest.

a) Zum Unionsrecht hat der [X.] im Urteil [X.] ([X.]:C:2015:421) entschieden, dass Art. 168 Buchst. e MwStSystRL einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die den Abzug der vom Beförderer (der betreffenden Waren, der nicht deren Einführer oder Eigentümer ist, sondern sie lediglich befördert und die Zollabfertigung ihres Versands im Rahmen seiner mehrwertsteuerpflichtigen Beförderungstätigkeit vorgenommen hat) geschuldeten [X.] ausschließt.

Zur Begründung weist der [X.] in Rz 49 f. seines Urteils [X.] ([X.]:C:2015:421) darauf hin, dass nach dem Wortlaut von Art. 168 Buchst. e MwStSystRL ein Recht auf Vorsteuerabzug nur besteht, soweit die eingeführten Gegenstände für die Zwecke der besteuerten Umsätze des Steuerpflichtigen verwendet werden. Nach ständiger [X.]-Rechtsprechung zum Recht auf Abzug der für den Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen entrichteten Mehrwertsteuer sei diese Voraussetzung nur erfüllt, wenn die Kosten der [X.] Eingang in den Preis der Ausgangsumsätze oder in den Preis der Gegenstände oder Dienstleistungen fänden, die der Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten liefere oder erbringe. Daher bestehe kein Abzugsrecht nach Art. 168 Buchst. e MwStSystRL, wenn der Wert der beförderten Waren nicht zu den Kosten gehöre, die in die von einem Beförderer, dessen Tätigkeit sich auf die entgeltliche Beförderung dieser Waren beschränke, in Rechnung gestellten Preise einflössen.

Dementsprechend verneint der [X.] das Abzugsrecht des [X.], der [X.] in einem zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren befördert, wobei er die sich aus diesem Verfahren ergebenden Verpflichtungen verletzt und deshalb in Bezug auf die von ihm beförderte Ware für Zoll und [X.] in Anspruch genommen wird.

b) Die [X.]-Rechtsprechung gibt keinen Anlass, auf das [X.] der Verfügungsmacht zu verzichten. Es ist lediglich unter Berücksichtigung des [X.]-Urteils [X.] ([X.]:C:2015:421) dahingehend zu präzisieren, dass die für den Vorsteuerabzug aus [X.] gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG maßgebliche Einfuhr für das Unternehmen des [X.] dann vorliegt, wenn die [X.] Eingang in den Preis der Ausgangsumsätze oder in den Preis der Gegenstände oder Dienstleistungen findet, die der Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten liefert bzw. erbringt.

4. Im Streitfall gehört die [X.] nicht zu den Kostenelementen der unternehmerischen Tätigkeit der Klägerin als Betreiberin eines Zolllagers. Für sie gilt dasselbe wie für den Beförderer eingeführter Gegenstände, für den der [X.] im Urteil [X.] ([X.]:C:2015:421) den Vorsteuerabzug aus der [X.] verneint. Wie sich aus Rz 18 und 48 dieses [X.]-Urteils ergibt, genügt es für eine Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus [X.] als "Einführer" nicht, dass die [X.] festgesetzt wird. Die Festsetzung der [X.] gegenüber der Klägerin macht diese daher nicht zum Einführer.

Gegenteiliges ergibt sich unter Berücksichtigung des [X.]-Urteils [X.] ([X.]:C:2015:421) auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Weiterbelastung von Kosten durch den Beförderer oder Lagerhalter an den jeweiligen Auftraggeber.

5. Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch. Allein das Entstehen der [X.] reicht für einen Vorsteuerabzug nach dem [X.]-Urteil [X.] ([X.]:C:2015:421) gerade nicht aus. Soweit die Klägerin nunmehr geltend macht, dass ihr die nach der bisherigen [X.]-Rechtsprechung maßgebliche Verfügungsmacht zugestanden habe, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der im Revisionsverfahren nicht zu berücksichtigen ist ([X.]-Urteil vom 22. August 2013 V R 30/12, [X.]E 243, 35, [X.] 2014, 133, unter II.2.c bb).

Das [X.] hat die Klage somit zu Recht abgewiesen.

6. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

V R 68/14

11.11.2015

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 9. Oktober 2014, Az: 4 K 67/13, Urteil

§ 15 Abs 1 S 1 Nr 2 UStG 1999, § 15 Abs 1 S 1 Nr 2 UStG 2005, Art 17 Abs 2 Buchst b EWGRL 388/77, Art 168 Buchst e EGRL 112/2006, § 21 Abs 2 UStG 1999, § 21 Abs 2 UStG 2005, Art 203 EWGV 2913/92, Art 203 ZK, UStG VZ 2005, UStG VZ 2006, UStG VZ 2007, UStG VZ 2008

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.11.2015, Az. V R 68/14 (REWIS RS 2015, 2571)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2571

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