Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.10.2010, Az. V ZR 220/09

V. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 2755

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/09 Verkündet am: 1. Oktober 2010 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] § 21 Abs. 7 a) Besondere Nutzungen im Sinne von § 21 Abs. 7 [X.] sind solche, die mit einer gesteigerten Inanspruchnahme des Gemeinschaftseigentums einhergehen und zumindest bei typisierender Betrachtung den Anfall besonderer Kosten wahr-scheinlich machen. b) Die Festsetzung einer maßvoll bemessenen Umzugskostenpauschale durch Mehrheitsbeschluss nach § 21 Abs. 7 [X.] entspricht nur dann den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung, wenn die Regelung nicht zu einer ungerecht-fertigten Ungleichbehandlung der Wohnungseigentümer führt. [X.], Urteil vom 1. Oktober 2010 - [X.]/09 - [X.] [X.]- 2 - Der [X.] hat am 1. Oktober 2010 durch [X.] [X.], [X.] Lemke und [X.], die Richterin [X.] und [X.] [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der [X.] des [X.] vom 12. Juni 2009 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 17. April 2008 wird zurückgewiesen. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren tragen die Beklagten. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Parteien bilden die im Rubrum näher bezeichnete [X.]. Der Kläger ist Eigentümer von fünf Eigentumswohnungen, die er als möblierte Ferienwohnungen an Touristen und Saisonarbeiter vermie-tet. [X.] kommen insgesamt etwa einhundert Mietverträge zustande. [X.] Vermietungen nimmt allenfalls ein weiteres Mitglied der Wohnungs-eigentümergemeinschaft vor. Bei den Beklagten handelt es sich um die übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft. 1 - 3 - In der Eigentümerversammlung vom 3. Dezember 2007 wurden [X.] Beschlüsse gefasst. Der zu [X.] ergangene Beschluss lautet aus-zugsweise: 2 "Die Gemeinschaft beschließt, dass jeder Wohnungseigentümer im Falle eines [X.] aufgrund befristeter Nutzungsüberlassung – für mögliche Beeinträchtigungen und eine besondere Abnutzung des Gemeinschaftseigentums eine Kostenpauschale in Höhe von 50 • an die Eigentümergemeinschaft zu zahlen hat. Unter den Begriff des [X.] fallen auch Feriengäste und "[X.]", die das Sondereigentum angemietet haben. Betrifft der [X.] meh-rere Personen, fällt die Kostenpauschale nur einmal an – Die einge-zahlten Beträge sind der Instandhaltungsrücklage zuzuführen –" Soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, hat das Amtsgericht auf die am 21. Dezember 2007 eingegangene und am 4. Februar 2008 ([X.]) begründete Klage den zitierten Beschluss für ungültig erklärt. Das [X.] hat die Klage insoweit abgewiesen. Mit der von diesem Gericht zugelasse-nen Revision möchte der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmit-tels. 3 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht ist der Auffassung, es könne offen gelassen wer-den, ob die gegen den Beschluss zu [X.] erhobene Anfechtungsklage inner-halb der Ausschlussfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 [X.] ausreichend begründet worden sei. Denn auch bei Zugrundelegung der nach Ablauf der Frist von dem Kläger erhobenen Einwände sei der angefochtene Beschluss nicht zu [X.]. Insbesondere habe die Mehrheit der Wohnungseigentümer eine den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechende Regelung getroffen. Bei kurzfristigen Vermietungen handele es sich um keine "reine 4 - 4 - Wohnnutzung", sondern um eine besondere Nutzung im Sinne von § 21 Abs. 7 [X.]. Daraus folge, dass es bei derartigen Vermietungen zu einer erhöhten - den "bloßen Mitgebrauch" im Sinne von § 13 Abs. 2 [X.] überschreitenden - Abnutzung des Gemeinschaftseigentums komme. Der Kostenpauschale sei auch kein Strafcharakter beizumessen. Die Pauschale werde ausnahmslos von jedem erhoben, der unter die beschlossene Regelung falle. I[X.] Die Revision ist begründet. 5 1. Das angefochtene Urteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand. Zwar ist die Einführung einer maßvollen Umzugs-kostenpauschale im Wege eines Mehrheitsbeschlusses durch die Regelung des § 21 Abs. 7 [X.] gedeckt. Die hier in Rede stehende Ausgestaltung ist jedoch mit den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung nicht zu vereinbaren. 6 a) Nach der genannten Vorschrift können die Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss unter anderem Regelungen hinsichtlich der Kosten für besondere Nutzungen des Gemeinschaftseigentums treffen. Eine solche Nutzung liegt hier vor. 7 Allerdings kommt es für das Vorliegen einer besonderen Nutzung im [X.] von § 21 Abs. 7 [X.] nicht entscheidend darauf an, ob eine den zulässigen Mitgebrauch nach § 13 Abs. 2 [X.] überschreitende und daher unzulässige Nutzung des Gemeinschaftseigentums vorliegt (so aber Müller, [X.] 2008, 278, 283 f.; vgl. auch [X.]/[X.], [X.], § 21 Rn. 376). Die Gesetzesmaterialien belegen mit aller Klarheit, dass den Wohnungseigentümern mit der Regelung des § 21 Abs. 7 [X.] gerade auch die Möglichkeit eröffnet werden sollte, eine Umzugkostenpauschale zu beschließen (vgl. BT-Drucks. 16/887 S. 27). Da Ein- und Auszüge aber unzweifelhaft in den [X.]bereich des nach § 13 Abs. 2 [X.] 8 - 5 - statthaften [X.] fallen - und dies im Lichte der Eigentumsgewährleis-tung des Art. 14 GG auch bei häufigen Umzügen gilt (vgl. [X.], Urteil vom 15. Januar 2010 - [X.], [X.], 285, 286 f.) -, erscheint der auf die Wertung des § 13 Abs. 2 [X.] abhebende Ansatz nicht überzeugend. Das gesetzgeberische Anliegen würde ohne Not verfehlt. Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, schon solche Nutzungen als besondere im Sinne von § 21 Abs. 7 [X.] aufzufassen, die mit einer gesteiger-ten Inanspruchnahme des Gemeinschaftseigentums einhergehen und zumin-dest bei typisierender Betrachtung den Anfall besonderer Kosten wahrscheinlich machen (vgl. [X.], [X.], 11. Aufl., § 21 Rn. 155; Jennißen/ [X.], [X.], 2. Aufl., § 21 Rn. 118; [X.]/[X.], [X.], 69. Aufl., § 21 [X.] Rn. 21). Das ist bei [X.]. Diese führen im Allgemeinen zu einer gesteigerten Inanspruchnahme insbesondere von Treppenhäusern und Aufzügen und machen in der Regel zusätzlichen Reinigungsaufwand erforder-lich. Selbst sorgfältig arbeitende Umzugskräfte können in der Regel kleinere, oft unbedeutende und erst in der Summierung die Unansehnlichkeit oder Repara-turbedürftigkeit deutlich machende Schäden kaum vermeiden. Da solche Ab-nutzungen, Schäden und Kosten schwer oder nur mit unangemessenem Auf-wand an Zeit und Kosten zu quantifizieren sind (vgl. auch Vandenhouten in [X.]/Kümmel/Vandenhouten, [X.], 9. Aufl., § 21 Rn. 129; Hügel, [X.] 2005, 204, 213), liegt eine pauschalierende Regelung, die nicht darauf abhebt, ob im Einzelfall Kosten verursacht werden, im wohlverstandenen Interesse aller Wohnungseigentümer. Auf der Grundlage dieser typisierenden und pauschalie-renden Betrachtung kommt es daher auch nicht darauf an, dass Feriengäste und Saisonarbeiter in eine möblierte Wohnung meist mit nur geringem Um-zugsgut ein- und ausziehen werden. 9 b) Allerdings entsprechen pauschalierende und typisierende Regelungen nur dann einer ordnungsgemäßen Verwaltung, wenn die Pauschale maßvoll 10 - 6 - bemessen ist und nicht zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung der Wohnungseigentümer führt. [X.]) Was die Höhe der Umzugskostenpauschale anbelangt, ist die [X.] der Angemessenheit nach den derzeitigen Verhältnissen zwar bei einem Be-trag von 50 • erreicht, aber noch nicht überschritten. 11 bb) Die angegriffene Regelung ist aber deshalb zu beanstanden, weil sie nur Umzüge im Zusammenhang befristet vereinbarter Nutzungsverhältnisse der Pauschale unterwirft und damit Umzüge aufgrund unbefristeter [X.] sowie vor allem auch Umzüge der jeweiligen Eigentümer selbst [X.]. Der insbesondere bei [X.] über das Gemein-schaftsverhältnis zum Tragen kommende Gleichbehandlungsgrundsatz lässt zwar Differenzierungen zu, dies aber nur, wenn für die Unterscheidung ein aus-reichender Sachgrund besteht (vgl. auch [X.], [X.]O, § 25 Rn. 184 mwN). Daran fehlt es hier. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass die von der Regelung ausgenommenen Umzüge zu signifikant geringeren Belas-tungen des Gemeinschaftseigentums führen. 12 2. Das Berufungsurteil ist auch nicht aus anderen Gründen richtig. [X.] ist die Anfechtungsklage rechtzeitig erhoben und innerhalb der mate-riellen Ausschlussfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 [X.] ausreichend begründet worden. Damit war das Klagevorbringen einer späteren Substantiierung zu-gänglich. 13 Bereits mit der Klage hat sich der Kläger vollen Umfangs gegen den zu [X.] ergangenen Beschluss gewandt. In der fristgerecht eingegangenen [X.] hat er hierzu geltend gemacht, der Kostenpauschale komme Strafcharakter zu, weil sich diese allein gegen die von ihm betriebene kurzfristi-ge Vermietung seiner Wohnungen richte. Davon abgesehen sei durch die [X.] möblierter Wohnungen keine besondere Abnutzung des [X.] zu befürchten. Damit hat der Kläger nicht nur den [X.] - tenen Beschluss benannt, sondern im [X.] vorgetragen, auf welche Umstände er die Anfechtung stützt. Das genügt. Denn die Funktion der Klagebegrün-dungsfrist besteht lediglich darin, den Wohnungseigentümern und dem zur Aus-führung von Beschlüssen berufenen Verwalter zumindest im Hinblick auf An-fechtungsgründe alsbald Klarheit darüber zu verschaffen, ob, in welchem Um-fang und auf Grund welcher tatsächlichen Grundlage gefasste Beschlüsse einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden (vgl. [X.], Urteil vom 16. Januar 2009 - [X.], [X.] 179, 230, 237; Urteil vom 27. März 2009 - [X.], [X.], 2132, 2133; vgl. auch [X.], Urteil vom 2. Oktober 2009 - [X.], [X.] 182, 307, 311). 3. Nach allem hat das Amtsgericht den angefochtenen Beschluss zu Recht für ungültig erklärt, so dass der Berufung der Beklagten der Erfolg [X.] bleibt. Die Zurückweisung des Rechtsmittels kann der [X.] selbst aus-sprechen, weil der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). 15 - 8 - II[X.] [X.] beruht auf §§ 91 und 97 Abs. 1 ZPO. 16 [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 17.04.2008 - 74 C 147/07 [X.] - [X.], Entscheidung vom 12.06.2009 - 85 S 45/08 [X.] -

Meta

V ZR 220/09

01.10.2010

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.10.2010, Az. V ZR 220/09 (REWIS RS 2010, 2755)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2755

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