Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2008, Az. 1 StR 354/08

1. Strafsenat | REWIS RS 2008, 710

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[X.] vom 20. November 2008 Nachschlagewerk: ja [X.]St: ja - nur 1. - Veröffentlichung: ja ______________________________ UStG § 6a [X.] 370 Abs. 1 Nr. 1 1. Die Lieferung von Gegenständen an einen Abnehmer im übrigen Gemeinschaftsgebiet stellt keine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung im Sinne des § 6a UStG dar, wenn der inländische [X.] in [X.] Zusammenwirken mit dem tatsächlichen [X.] die Lieferung an einen Zwischenhändler vortäuscht, um dem Abnehmer die Hinterziehung von Steuern zu ermöglichen. 2. Wird eine solche Lieferung durch den inländischen Unternehmer gleichwohl als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erklärt, macht der Unternehmer gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben [X.]. § 370 Abs. 1 Nr. 1 [X.] und verkürzt dadurch die auf die Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 1, § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG anfallende und von ihm geschuldete Umsatzsteuer. [X.], [X.]. vom 20. November 2008 - 1 [X.] - [X.] in der Strafsache gegen 1. - 2 - 2. wegen Steuerhinterziehung - 3 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 20. November 2008 be-schlossen: 1. Den Angeklagten wird auf ihre Anträge gegen die Versäumung der Frist zur Anbringung der in der [X.] vom 4. April 2008 unter [X.] 2. Teil III ([X.]) und [X.] 3. Teil I ([X.]) erhobenen Verfahrensrügen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Die Kosten der [X.] tragen die Angeklagten. 2. Die Revisionen der Angeklagten gegen das [X.]eil des [X.] vom 28. November 2007 werden als unbe-gründet verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Gründe: Das [X.] hat die Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 14 Fällen und wegen versuchter Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Ge-samtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten bzw. drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügen, sind aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] vom 3. September 2008, die auch 1 - 4 - durch die Erwiderungen der Beschwerdeführer (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) nicht entkräftet werden, unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörte-rung bedarf lediglich Folgendes: [X.] Nach den Feststellungen des [X.]s betrieben die beiden Ange-klagten seit Ende des Jahres 1983 als Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Unternehmen, das unter anderem auch den Handel mit Kraftfahrzeugen zum Gegenstand hatte. In diesem Geschäftsbereich erwarben die Angeklagten im Inland gegen Rechnung mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer hochwertige Personenkraftwagen, die sie sodann - seit 1996 in stetig steigendem Umfang - an ihre in [X.] gewerblich tätigen Kunden verkauften. Ihre Ausgangsrechnun-gen stellten sie in Absprache mit ihren Abnehmern auf [X.] Scheinkäufer aus, die ihrerseits die Fahrzeuge zum Schein an Zwischenhändler verkauften. In einem weiteren Scheingeschäft verkauften diese Zwischenhändler die [X.] dann an die tatsächlichen Abnehmer der Angeklagten und wiesen in den diesbezüglichen Ausgangsrechnungen die [X.] Umsatz-steuer offen aus. Den Angeklagten war bewusst, dass die [X.], die ihre Abnehmer veranlassten, vorgetäuscht wurden, um den tatsächlichen Er-werbern der Fahrzeuge in [X.] den Vorsteuerabzug zu ermöglichen, während die Aussteller der Scheinrechnungen zu keiner [X.] die bei ihnen anfallende Umsatzsteuer abführten. 2 In ihren eigenen Umsatzsteuerjahreserklärungen für 2003 und 2004 [X.] in den monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen von Januar 2005 bis Februar 2006 erklärten die Angeklagten die Umsätze aus den Geschäften mit ihren [X.]n Scheinkäufern als steuerfreie innergemeinschaftliche Liefe-rungen im Sinne von § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG. Darüber hinaus machten 3 - 5 - sie die ihnen bei Ankauf der Pkw in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend, obwohl teilweise die Voraussetzungen für den [X.] im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG nicht gegeben waren. Insgesamt hat das [X.] eine Hinterziehungssumme in Höhe von mehr als 3.640.000,-- [X.] errechnet, die aus den vollendeten Taten resultierte. Hierbei beläuft sich die im Zusammenhang mit den Fahrzeuglieferungen nach [X.] hinterzogene Umsatzsteuer auf 1.770.386,-- [X.]. Daneben versuchten die [X.] nach den Berechnungen des [X.]s, weitere Steuern in Höhe von 240.855,-- [X.] zu hinterziehen. I[X.] Auf der Grundlage dieser rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat das [X.] zu Recht bei den Lieferungen nach [X.] das Vorliegen von innergemeinschaftlichen Lieferungen im Sinne des § 6a UStG verneint, die nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG steuerfrei gewesen wären. Die Lieferung von Gegenständen an einen Abnehmer im übrigen Gemeinschaftsgebiet stellt keine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung im Sinne des § 6a UStG dar, wenn der inländische Unternehmer in [X.] Zusammenwirken mit dem Abneh-mer die Lieferung an einen Zwischenhändler vortäuscht, um dem Abnehmer die Hinterziehung von Steuern zu ermöglichen. Werden diese Lieferungen durch die inländischen Unternehmer gleichwohl als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erklärt, macht der Unternehmer gegenüber den Finanzbehörden un-richtige Angaben [X.]. § 370 Abs. 1 Nr. 1 [X.] und verkürzt dadurch die auf die Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 1, § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG an-fallende und von ihm geschuldete Umsatzsteuer. 4 - 6 - 1) Die Befreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen von Gegenständen fand zur Tatzeit ihre Grundlage in Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der [X.]/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisie-rung der Rechtsvorschriften der Mitgliedst[X.]ten über die Umsatzsteuern ([X.]. EG Nr. L 145 S. 1; im Folgenden: Sechste Richtlinie). Damit wird der [X.]übergangsregelung Rechnung getragen, nach der im Rahmen der Besteuerung des Handels zwischen den Mitgliedst[X.]ten die Steuereinnahmen dem Mitgliedst[X.]t zustehen sollen, in dem der Endverbrauch erfolgt (Grundsatz der steuerlichen Territorialität). Gleichzeitig wird bei einer im Ursprungsland steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung die Doppelbesteuerung und damit eine Verletzung des dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem innewoh-nenden Grundsatzes der steuerlichen Neutralität vermieden ([X.], [X.]. vom 27. September 2007 - Rechtssache [X.]/05 - [X.], [X.]. 21 f.). 5 2) Die Mitgliedst[X.]ten dürfen nach Art. 22 Abs. 8 der [X.] erlassen, um die genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehung zu verhindern. Für die Steuerbefreiung der Lieferung in einen anderen Mitgliedst[X.]t der [X.] ist nach § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG daher erforderlich, dass die materiellen Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 6a Abs. 1 und 2 UStG durch den inländischen Un-ternehmer nachgewiesen sind. Dabei muss die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet (§ 6a Abs. 1 Nr. 1 UStG) durch entsprechende Belege eindeutig und leicht [X.] sein (§ 17a Abs. 1 UStDV, sog. [X.]). Darüber hinaus hat der inländische Unternehmer die Voraussetzungen der Steuerbefreiung buchmäßig nachzuweisen (§ 17c Abs. 1 UStDV; sog. [X.]). Diese Nachweis-pflichten sind mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Sie sind indes [X.] keine materielle Voraussetzungen für die Befreiung von der Umsatzsteuer 6 - 7 - ([X.], 297, 299 im [X.] an die Vorabentscheidung des [X.], [X.]. vom 27. September 2007 - Rechtssache [X.]/05 - [X.]). Steht aufgrund der objektiven Beweislage fest, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen, ist die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der [X.] die erforderlichen Nachweise nicht entsprechend §§ 17a, 17c UStDV erbracht hat ([X.] [X.]O). Soweit in der bisherigen Rechtsprechung im [X.] an die damalige Rechtsprechung des [X.] ([X.]/NV 1997, 629 ff.) auch in steuerstrafrechtlicher Hinsicht von anderen Grundsätzen ausgegangen wurde ([X.] NJW 2005, 2241), gibt der Senat diese angesichts der neueren Rechtsprechung des [X.] und des [X.] auf. 3) Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen hat das [X.] gleichwohl zu Recht das Vorliegen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung verneint. 7 a) Die erklärten und als innergemeinschaftliche Lieferung bezeichneten Lieferungen an die vorgeblichen Zwischenhändler haben nicht stattgefunden. Hierbei handelte es sich um bloße [X.]. Bei diesen fehlt es daher bereits an einer Lieferung [X.]. § 6a Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 UStG. [X.] sind dabei Leistungen eines Unternehmers, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, in eigenem Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der [X.], § 3 Abs. 1 UStG). Eine solche tatsächliche Verfügungsmacht wurde den Scheinabnehmern indes weder verschafft noch sollte sie - wie die Angeklagten wussten - zu irgendeiner [X.] verschafft werden. 8 b) Stattdessen liegen Lieferungen an die tatsächlichen Erwerber der Fahrzeuge vor. Hierbei handelt es sich um Lieferungen [X.]. § 1 Abs. 1 UStG 9 - 8 - und somit um steuerbare Umsätze. Deren - allein in Betracht zu ziehende - Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG scheidet aus, da die Vorausset-zungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG nicht gegeben sind. [X.]) Für die Steuerbefreiung der Lieferung in einen anderen Mitgliedst[X.]t der [X.] ist nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG neben den weiteren Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG erforderlich, dass der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer im anderen Mitglied-st[X.]t den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt. Dabei ist allerdings grundsätzlich nicht Voraussetzung, dass der Gegenstand des Erwerbs tatsäch-lich besteuert wird ([X.] in Sölch/Ringleb UStG § 6a [X.]. 35). Den inlän-dischen Unternehmer treffen insoweit auch keine Nachweispflichten [X.]. § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG ([X.] [X.]O [X.]. 51). 10 [X.]) § 6a Abs. 1 UStG setzt aber die diesbezüglichen Vorgaben der [X.] in das nationale Recht um. Bei der Auslegung der Vorschrift sind daher die Vorgaben des einschlägigen Gemeinschaftsrechts zu beachten. 11 (1) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.]en, dem insoweit das Auslegungsmonopol zukommt (Art. 234 EGV), ist eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Gemein-schaftsrecht indes nicht erlaubt. Die Anwendung des Gemeinschaftsrechts kann nicht so weit gehen, dass missbräuchliche Praktiken von Wirtschaftsteilneh-mern gedeckt werden. Denjenigen Umsätzen, die nicht im Rahmen normaler Handelsgeschäfte, sondern nur zu dem Zweck getätigt werden, missbräuchlich in den Genuss von im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Vorteilen zu kommen, sind diese Vorteile zu versagen ([X.], [X.]. vom 21. Februar 2006 - Rechtssache [X.]/02 - [X.], [X.]. 69). Das demnach im Gemeinschafts-recht verankerte grundsätzliche Verbot missbräuchlicher Praktiken gilt dabei 12 - 9 - auch auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer. Die Bekämpfung von Steuerhinter-ziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen ist ein Ziel, das von der [X.] anerkannt und gefördert wird ([X.], [X.]. vom 21. Februar 2006 - Rechtssache [X.]/02 - [X.], [X.]. 70 f.). Eine miss-bräuchliche Praxis ist dabei dann gegeben, wenn die Umsätze trotz formaler Anwendung der Bedingungen der einschlägigen Bestimmungen der [X.] und des zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechts einen Steuervorteil zum Ergebnis haben, dessen Gewährung dem mit diesen [X.] verfolgten Ziel zuwiderliefe und wenn anhand objektiver Anhalts-punkte ersichtlich ist, dass mit den fraglichen Umsätzen im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird ([X.], [X.]. vom 21. Februar 2006 - Rechtssache [X.]/02 - [X.], [X.]. 74 f.). (2) Danach ist § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG gemeinschaftsrechtlich da-hingehend auszulegen, dass der Erwerb des Gegenstands einer Lieferung beim Abnehmer dann nicht den Vorschriften der Umsatzbesteuerung in einem ande-ren Mitgliedst[X.]t im Sinne der Vorschrift unterliegt, wenn die im [X.] vorgesehene [X.] der konkreten Lieferung nach dem ü-bereinstimmenden Willen von Unternehmer und Abnehmer durch Verschleie-rungsmaßnahmen und falsche Angaben gezielt umgangen werden soll, um dem Unternehmer oder dem Abnehmer einen ungerechtfertigten Steuervorteil zu verschaffen. Anderes gilt, wenn die Verschleierungsmaßnahme anderen Zwecken dient. 13 cc) Eine Vorlagepflicht an den [X.] nach Art. 234 Abs. 3 EGV besteht in diesem Zusammenhang nicht. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage liegt nicht vor. Die maßgeblichen gemein-schaftsrechtlichen Fragen waren bereits Gegenstand einer Auslegung durch 14 - 10 - den [X.], so dass eine gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] Gemeinschaften gegeben ist, durch die die betreffende Rechtsfrage gelöst ist (vgl. [X.], [X.]. vom 6. Oktober 1982 - Rechtssache [X.] - [X.] = NJW 1983, 1257, 1258). (1) Maßnahmen, die die Mitgliedst[X.]ten auf der Grundlage der [X.] erlassen haben, dürfen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.]en nicht so weit gehen, dass sie die Neutralität der Mehrwertsteuer in Frage stellen, die ein Grundprinzip des durch das ein-schlägige Gemeinschaftsrecht geschaffenen gemeinsamen [X.] ist ([X.], [X.]. vom 27. September 2007 - Rechtssache [X.]/05 - [X.], [X.]. 26 m.w.[X.]). Danach ist zu gewährleisten, dass lediglich der Erwerb des Endverbrauchers mit Umsatzsteuer belastet ist, während die Unternehmer einer Lieferkette einer solchen Belastung nicht ausgesetzt werden sollen. 15 (2) Vor diesem Hintergrund hat es der Gerichtshof der [X.]en bereits als nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ange-sehen, dass die Gewährung einer Mehrwertsteuerbefreiung allein von der Ein-haltung bestimmter formeller Anforderungen abhängig gemacht wird, ohne die materiellen Anforderungen zu berücksichtigen und insbesondere ohne in [X.] zu ziehen, ob diese erfüllt sind ([X.], [X.]. vom 27. September 2007 - Rechtssache [X.]/05 - [X.], [X.]. 29). 16 (3) Gleichzeitig hat der Gerichtshof der [X.]en schon festgestellt, dass das Recht auf Befreiung einer Lieferung von der [X.] entfällt, wenn feststeht, dass der betreffende Umsatz zur Erlangung eines ungerechtfertigten [X.] getätigt wurde und dadurch eine Ge-fährdung des Steueraufkommens besteht und diese nicht vollständig vom Steu-erpflichtigen beseitigt worden ist ([X.], [X.]. vom 27. September 2007 17 - 11 - - Rechtssache [X.]/05 - [X.], [X.]. 38 ff., [X.]. 42). Unter diesen Vorausset-zungen hindert das Gemeinschaftsrecht die Mitgliedst[X.]ten auch nicht daran, die Verschleierung oder das Vortäuschen einer innergemeinschaftlichen Liefe-rung nach nationalem Recht steuerstrafrechtlich zu ahnden ([X.], [X.]. vom 27. September 2007 - Rechtssache [X.]/05 - [X.], [X.]. 40 m.w.[X.]). (4) Zudem ist in der Rechtsprechung des [X.] bereits anerkannt, dass der Grundsatz der Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems es nicht verhindert, dass ein Mitgliedst[X.]t Mehrwertsteuer von einem [X.] nachfordern kann, wenn dieser zu Unrecht eine Rechnung unter Anwen-dung der Mehrwertsteuerbefreiung für eine Lieferung von Gegenständen aus-gestellt hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Mehrwertsteuer auf den späte-ren Verkauf der betreffenden Gegenstände an den Endverbraucher an den Fis-kus entrichtet wurde ([X.], [X.]. vom 3. März 2004 - Rechtssache [X.]/02 - Transport Service NV, [X.]. 31; siehe auch [X.], [X.]. vom 27. September 2007 - Rechtssache [X.]/04 - Teleos, [X.]. 66). 18 (5) Zuletzt gebieten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] Gemeinschaften auch die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit keine anderweitige Auslegung. Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit, der in besonderem Maße gilt, wenn es sich um eine Regelung handelt, die sich finanziell belastend auswirken kann, müssen die Betroffenen in der Lage sein, den Umfang der ihnen auferlegten steuerlichen Verpflichtungen genau zu erkennen, bevor sie ein Geschäft ab-schließen ([X.], [X.]. vom 27. September 2007 - Rechtssache [X.]/04 - Teleos, [X.]. 48). Demgegenüber besagt der Grundsatz der [X.], dass sich die Mitgliedst[X.]ten solcher Mittel bedienen müssen, die es zwar erlauben, das vom innerst[X.]tlichen Recht verfolgte Ziel wirksam zu erreichen, 19 - 12 - die jedoch andererseits die Ziele und Grundsätze des einschlägigen Gemein-schaftsrechts möglichst wenig beeinträchtigen ([X.], [X.]. vom 27. September 2007 - Rechtssache [X.]/04 - Teleos, [X.]. 52). Beide Grundsätze kann indes nur der gutgläubige Unternehmer für sich in Anspruch nehmen, der alle [X.] getroffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht zu einer Lieferkette gehören, die einen mit einem Mehrwertsteuerbetrug behafteten Umsatz einschließt ([X.], [X.]. vom 11. Mai 2006 - Rechtssache [X.]/04 - [X.], [X.]. 33) und der von dem begangenen Betrug weder Kenntnis hatte noch haben konnte ([X.], [X.]. vom 27. September 2007 - Rechtssache [X.]/04 - Teleos, [X.]. 50). Um solche gutgläubigen Unternehmer handelte es sich bei den hier in Rede stehenden Konstellationen indes gerade nicht. [X.]) Das danach auf Grundlage der ständigen Rechtsprechung des [X.] der [X.]en gemeinschaftsrechtlich gebotene Verständnis des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG, das in Fällen der vorliegenden Art zur Versagung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG führt, genügt auch den Anforderungen, die nach Art. 103 Abs. 2 GG an die Bestimmt-heit der die Blankettstrafnorm ausfüllenden Vorschriften zu stellen sind. [X.] und Anwendungsbereich des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG und somit auch Tragweite und Anwendungsbereich des Straftatbestandes des § 370 Abs. 1 Nr. 1 [X.] sind für den Normadressaten bereits aus dem Gesetz selbst zu er-kennen und können durch Auslegung ermittelt und konkretisiert werden (vgl. insoweit [X.] 105, 135, 153 m.w.[X.]). 20 ee) Da in den vorliegenden Fällen nach dem einvernehmlichen Willen der Angeklagten und ihrer Geschäftspartner durch Vorspiegelung der Scheinkäufer die [X.] bei den tatsächlichen Erwerbern in [X.] gerade [X.] - 13 - mieden werden sollte, um dem Abnehmer die Hinterziehung von Steuern zu ermöglichen, sind auch die Voraussetzungen erfüllt, die zum Wegfall der Steu-erbefreiung führen. (1) Auf der Grundlage formaler Anwendung der Bedingungen der ein-schlägigen Bestimmungen der [X.] und des zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechts hätte die Lieferung einen Steuervorteil, nämlich die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG, zur Folge. 22 (2) Dessen Gewährung würde dem Ziel, das mit diesen Bestimmungen verfolgt wird, zuwiderlaufen; das gemeinschaftsrechtliche Umsatzsteuersystem würde zu Gunsten einzelner Wettbewerber in ein Ungleichgewicht gebracht. Ziel der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung und der Neutralität des gemeinsamen Umsatzsteuersystems ist aber die Herstellung eines —gesun-den Wettbewerbsfi im innergemeinschaftlichen Handelsverkehr (vgl. den dritten Erwägungsgrund der [X.]). Demgegenüber verschaffen sich die Beteiligten eines Kettengeschäfts wie des vorliegenden unter Ausnutzung der formalen Vorgaben der einschlägigen Bestimmungen Wettbewerbsvorteile, die von dem gemeinsamen Umsatzsteuersystem nicht bezweckt werden. Der Un-ternehmer kann in der Regel den Gegenstand bereits zu einem höheren Preis verkaufen, als der Markt erbringen würde. Jedenfalls der tatsächliche Abneh-mer verschafft sich aber den Gegenstand zu einem günstigeren Preis, als er tatsächlich auf dem Markt zahlen müsste, da er die Vorsteuer, die er für den formellen Erwerb geltend macht, dem tatsächlich gezahlten [X.] kann. 23 (3) Auch die erforderlichen objektiven Anhaltspunkte, die ergeben, dass mit den fraglichen Umsätzen im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird, liegen vor. Die festgestellte konkrete Abwicklung der fraglichen [X.] - 14 - schäfte diente - wie die Angeklagten wussten - allein der Erlangung nicht ge-rechtfertigter Steuervorteile bei den Abnehmern der Angeklagten. Zu diesem Zweck sollte die vom Mehrwertsteuersystem bezweckte Besteuerung im [X.] gezielt umgangen werden. 4) Indem die Angeklagten kollusiv mit den Abnehmern in [X.] zusam-menwirkten, entfiel demnach die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG für die fraglichen Lieferungen. Durch die daher wahrheitswidrigen Erklärungen als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung in den [X.] und -voranmeldungen wurde somit die nach [X.] Recht von den Angeklagten auszuweisende und abzuführende Umsatzsteuer hinterzogen. Den Angeklagten wird demgemäß auch nicht die Beteiligung an einer Umsatz-steuerhinterziehung in [X.] vorgeworfen. 25 [X.]Wahl Hebenstreit [X.] [X.]

Meta

1 StR 354/08

20.11.2008

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2008, Az. 1 StR 354/08 (REWIS RS 2008, 710)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 710

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