Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.02.2012, Az. VII ZB 59/09

7. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8880

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Gegenstand

Kontenpfändung: Pflicht zur Herausgabe sämtlicher Kontoauszüge; Erinnerung bei Verletzung des Geheimhaltungsrechts


Leitsatz

1. Hat der Gläubiger Ansprüche des Schuldners gegen ein Kreditinstitut gepfändet, die sowohl auf Auszahlung der positiven Salden gerichtet sind als auch auf Auszahlung des dem Schuldner eingeräumten Kredits, muss in den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auf Antrag des Gläubigers die Pflicht zur Herausgabe sämtlicher Kontoauszüge aufgenommen werden.

2. Eine Anordnung des Vollstreckungsgerichts im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss dahingehend, dass dem Schuldner gestattet wird, Schwärzungen in den Kontoauszügen vorzunehmen, kommt nicht in Betracht. Etwaige Verletzungen seiner Rechte auf Geheimhaltung oder informationelle Selbstbestimmung durch Preisgabe der in den Kontoauszügen enthaltenen Informationen muss der Schuldner im Wege der Erinnerung geltend machen (Fortführung von BGH, Beschluss vom 9. Februar 2012, VII ZB 49/10, BGHZ 192, 314).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubiger wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des [X.] vom 20. Mai 2009 aufgehoben, soweit dem Schuldner dort gestattet wird, sämtliche Angaben in den von ihm herauszugebenden Kontoauszügen zu den einzelnen Buchungsvorgängen - mit Ausnahme der sich zu seinen Gunsten bzw. Ungunsten ergebenden Tagessalden - zu schwärzen.

Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die Gläubiger zu 2/3 und der Schuldner zu 1/3.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht hat wegen einer titulierten Forderung der Gläubiger über 2.121,48 € zuzüglich Kosten in Höhe von 57,96 € einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen, mit dem alle Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin aus den dort geführten Konten, Kontokorrentverhältnissen, Sparverträgen, Kreditverträgen, [X.] und Depots gepfändet und den Gläubigern zur gesamten Hand zur Einziehung überwiesen wurden. Die darüber hinaus beantragte Pfändung angeblicher Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin auf Erteilung von [X.] und [X.] über die bei ihr geführten Konten hat das Amtsgericht abgelehnt. Den Antrag der Gläubiger, den Schuldner zur Herausgabe der aktuellen Kontoauszüge für die bei der Drittschuldnerin unterhaltenen Spar-, Giro- und sonstigen Konten ab dem Zeitpunkt der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zu verpflichten, hat es zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubiger hat das Beschwerdegericht das Amtsgericht angewiesen, den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zu ergänzen und die Herausgabe von [X.] in Kopie durch den Schuldner mit der Maßgabe anzuordnen, dass es dem Schuldner gestattet sei, sämtliche Angaben zu den einzelnen Buchungsvorgängen - mit Ausnahme des sich zu seinen Gunsten bzw. Ungunsten ergebenden Tagessaldos - zu schwärzen. Hinsichtlich der mit der sofortigen Beschwerde darüber hinaus weiter verfolgten Pfändung angeblicher Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin auf Erteilung von [X.] und [X.] hat es das Rechtsmittel zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Gläubiger ihr Vollstreckungsbegehren in dem Umfang weiter, in dem das Beschwerdegericht zu ihrem Nachteil entschieden hat.

II.

2

Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2, § 575 ZPO insgesamt statthafte und zulässige Rechtsbeschwerde ist nur teilweise begründet.

3

1. Das Beschwerdegericht hat den Schuldner grundsätzlich für verpflichtet erachtet, Ablichtungen der Kontoauszüge über die von ihm bei der Drittschuldnerin unterhaltenen Spar-, Giro- und sonstigen Konten für den Zeitraum ab Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses herauszugeben. Allerdings sei das berechtigte Interesse des Gläubigers an der Erlangung der Kontoauszüge mit Rücksicht auf das Grundrecht des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung sowie im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit inhaltlich auf diejenigen Informationen beschränkt, welche er zur außergerichtlichen oder gerichtlichen Geltendmachung der gepfändeten Forderung benötige. Deshalb sei es dem Schuldner zu gestatten, die in den [X.] enthaltenen Angaben zu den einzelnen Buchungsvorgängen, die keine Beziehung zu dem gepfändeten Anspruch auf Auszahlung eines positiven Saldos hätten, zu schwärzen.

4

Soweit die Gläubiger die Pfändung angeblicher Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin auf Erteilung von [X.] und [X.] begehrten, sei ihre sofortige Beschwerde unbegründet. Dieser selbständige, vom Bestehen des gepfändeten Anspruchs auf Auszahlung eines positiven Guthabens unabhängige Anspruch sei nach der Rechtsprechung des [X.] nicht pfändbar. Von der Pfändung des Anspruchs auf Auszahlung des Guthabens als Nebenanspruch umfasst sei lediglich ein - ebenfalls aus § 666 BGB herzuleitender - unselbständiger Auskunftsanspruch des Schuldners.

5

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nur zum Teil stand.

6

a) Gemäß § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist der Schuldner verpflichtet, dem Gläubiger die zur Einziehung der gepfändeten Forderung nötige Auskunft zu erteilen und ihm die über die Forderung vorhandenen Urkunden herauszugeben. Die Herausgabepflicht betrifft Urkunden, die den Gläubiger als zur Empfangnahme der Leistung legitimieren, sowie solche, die den Bestand der Forderung beweisen oder sonst der Ermittlung oder dem Nachweis ihrer Höhe, Fälligkeit oder Einredefreiheit dienen. Zu Recht und in Übereinstimmung mit der im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung allerdings noch nicht bekannten Rechtsprechung des [X.]s geht das Beschwerdegericht davon aus, dass danach auch Kontoauszüge herauszugeben sind, soweit sie dem Gläubiger die Einziehung der Forderung in dem dargestellten Sinn erleichtern. Sind, wie hier, Ansprüche gepfändet, die sowohl auf Auszahlung der positiven Salden gerichtet sind als auch auf Auszahlung eines dem Schuldner eingeräumten Kredits oder Darlehens, sind die gesamten Kontoauszüge geeignet, die einredefreie Forderung des Gläubigers gegen das Kreditinstitut zu belegen und insoweit die Durchsetzung der Forderung zu erleichtern (zum Ganzen: [X.], Beschluss vom 9. Februar 2012 - [X.], m.w.N., zur Veröffentlichung in [X.]Z vorgesehen).

7

Eine Einschränkung der Herausgabeanordnung dahingehend, es dem Schuldner zu gestatten, die in den [X.] enthaltenen Angaben zu den einzelnen Buchungsvorgängen zu schwärzen, ist entgegen der Auffassung des [X.] nicht gerechtfertigt.

8

aa) Eine solche Beschränkung der Herausgabeanordnung ergibt sich nicht aus dem Recht des Schuldners zur Geheimhaltung oder seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Der [X.] hat bereits darauf hingewiesen, dass der Schuldner zur Wahrung dieser Rechte mit der Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) gegen die Herausgabeanordnung vorgehen und gegebenenfalls entsprechend § 765a Abs. 2 ZPO einen Aufschub der Herausgabe an den Gerichtsvollzieher von bis zu einer Woche erreichen kann ([X.], Beschluss vom 9. Februar 2012 - [X.]). Da er hier, wie regelmäßig, vor Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht gehört worden ist und auch im weiteren Verfahren keinen Vortrag gehalten hat, aus dem sich Hinweise auf ein Geheimhaltungsinteresse oder eine Beschränkung der Herausgabepflicht wegen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ergeben, besteht kein Anlass, den Gläubigern die in den [X.] über dort ausgewiesene positive Salden hinaus enthaltenen Informationen dadurch vorzuenthalten, dass dem Schuldner entsprechende Schwärzungen gestattet werden.

9

bb) Die Herausgabeanordnung ist nicht wegen des Verbots einer unzulässigen Ausforschungspfändung einzuschränken. Die vom Schuldner vorzulegenden Kontoauszüge können zwar mehr Informationen enthalten, als der Gläubiger für die Zwangsvollstreckung benötigt. Das hat der Schuldner auf der Grundlage der weit auszulegenden Vorschrift des § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO aber grundsätzlich hinzunehmen. Eine gewisse Ausforschung ist auch sonst dem Zwangsvollstreckungsverfahren nicht fremd ([X.], Beschluss vom 9. Februar 2012 - [X.] m.w.N.).

b) Ohne Erfolg wenden sich die Gläubiger gegen die Zurückweisung ihres Antrages auf Pfändung des angeblichen Anspruchs des Schuldners auf Erteilung von [X.] und [X.]. Sie selbst gehen davon aus, dass es sich dabei nicht um einen als Nebenanspruch ohnehin mitgepfändeten, nach §§ 412, 401 BGB auf den Gläubiger übergehenden Auskunftsanspruch (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 18. Juli 2003 - [X.], NJW-RR 2003, 1555), sondern um einen selbständigen Anspruch aus dem [X.] handelt. Dieser Anspruch kann nach der Rechtsprechung des [X.] nicht gepfändet werden ([X.], Urteil vom 8. November 2005 - [X.], [X.]Z 165, 53, 60). Die Ausführungen der Rechtsbeschwerde geben keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Kniffka                                                 Kuffer                                        [X.]

                           Halfmeier                                           [X.]

Meta

VII ZB 59/09

23.02.2012

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Ingolstadt, 20. Mai 2009, Az: 12 T 680/09

§ 766 ZPO, § 836 Abs 3 S 1 ZPO, § 857 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.02.2012, Az. VII ZB 59/09 (REWIS RS 2012, 8880)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8880

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

VII ZB 44/11

VII ZB 59/09

Zitiert

VII ZB 49/10

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