Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.10.2011, Az. VIII R 49/09

8. Senat | REWIS RS 2011, 2455

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Gegenstand

Keine unmittelbare und ausschließliche Verwendung von Policendarlehen zur Finanzierung von Anschaffungskosten und Herstellungskosten bei Verwendung für eine Zinscap-Gebühr - Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen - Keine Aufteilung des Darlehens - Auslegung als Anfechtungsbegehren


Leitsatz

Bezahlt der Steuerpflichtige mit Mitteln aus einem durch eine Lebensversicherung gesicherten Policendarlehen eine Zinsbegrenzungsprämie (Zinscap-Gebühr), dient das Darlehen nicht unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung der Anschaffungskosten eines dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmten Wirtschaftsgutes i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG (Anschluss an BFH-Urteil vom 12. Oktober 2005 VIII R 19/04, BFH/NV 2006, 288) .

Tatbestand

1

I. Mit Bescheid vom 29. Juni 2005 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) gegenüber dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) die Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen gemäß § 29 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes in der am 31. Dezember 2004 geltenden Fassung (EStG) gesondert fest, nachdem die [X.] im August 2004 angezeigt hatte, dieser habe die Ansprüche aus einer Kapitallebensversicherung in Höhe von 120.000 € zur langfristigen Sicherung eines Darlehens von 180.000 € für die Finanzierung einer Praxisübernahme eingesetzt.

2

Das Darlehen hatte der Kläger nur in Höhe von 155.200 € in Anspruch genommen, und zwar für die Kaufpreiszahlung aus dem Praxiskauf in Höhe von 148.000 € und für die [X.] aufgrund einer Zinsbegrenzungsvereinbarung in Höhe von 7.200 €.

3

Die gegen den Bescheid nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das [X.] ([X.]) mit seinem in Entscheidungen der [X.]e 2010, 409 veröffentlichtem Urteil als unbegründet ab.

4

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung des Verfahrensrechts sowie des materiellen Rechts.

5

Das [X.] habe unter Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten nicht berücksichtigt, dass der Versicherungsanspruch aus der Lebensversicherung nur zu einem Teil für die Besicherung des streitigen Darlehens eingesetzt worden sei und die Abtretung der Ansprüche nur der Sicherung der Bank im Zusammenhang mit dem [X.] unter ausdrücklicher Ausnahme der Zins-, Disagio- oder sonstigen Nebenleistungsansprüche gedient und nicht das [X.] betroffen habe. Außerdem sei den [X.] zu entnehmen, dass nicht der gesamte Darlehensbetrag dem [X.] hätte gutgeschrieben werden sollen, sondern nur der jeweilige Betrag in Höhe der im Einzelnen nachgewiesenen Investitionen. Des Weiteren sei den [X.] zu entnehmen, dass auf dem [X.] nur ein vereinbarter Kreditrahmen, nicht aber ein Guthaben von 24.800 € verblieben sei.

6

Auf diesen Fehlern beruhe die angefochtene Entscheidung, weil das [X.] damit übersehen habe, dass nur ein Teil der Lebensversicherungsansprüche --unterhalb der Anschaffungskosten der [X.] zur Sicherung des streitigen Darlehens eingesetzt worden sei. Zu Unrecht habe das [X.] deshalb die Verwendung des Darlehens zur Finanzierung des [X.] "Praxis" über den eindeutigen Wortlaut des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG hinaus insgesamt als schädlich angesehen.

7

Schließlich habe das [X.] ausschließlich das Begehren auf Aufhebung des angefochtenen Feststellungsbescheids beschieden, aber keine Entscheidung über den daneben gestellten Antrag auf Feststellung der Steuerfreiheit der Zinsen aus den Sparanteilen der Lebensversicherung getroffen. Insoweit habe es das [X.] zu Unrecht unterlassen, den Kläger auf das Fehlen eines darauf bezogenen Vorverfahrens hinzuweisen. Da das [X.] ohne mündliche Verhandlung entschieden habe, sei es ihm, dem Kläger, unmöglich gewesen, hierzu noch vorzutragen.

8

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil sowie den angefochtenen Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben und das [X.] zu verpflichten, die Steuerfreiheit der Zinserträge aus seiner Kapitallebensversicherung bei der [X.] (Vertragsnummer ...) gesondert festzustellen.

9

Das [X.] beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und na[X.]h § 126 Abs. 2 der Finanzgeri[X.]htsordnung ([X.]O) zurü[X.]kzuweisen.

1. Zu Re[X.]ht hat das [X.] den Klageantrag als Anfe[X.]htungsbegehren gegen den angefo[X.]htenen Feststellungsbes[X.]heid ausgelegt und den daneben gestellten Antrag auf negative Feststellung der Steuerbarkeit der Zinsen aus den streitigen Sparanteilen ni[X.]ht gesondert bes[X.]hieden. Denn bei Erfolg des Begehrens auf Aufhebung des angefo[X.]htenen Bes[X.]heids über die Feststellung der Steuerbarkeit der streitigen Zinsen ist zuglei[X.]h mit Re[X.]htskraft gegenüber dem Kläger festgestellt, dass eine Steuerbarkeit der Zinsen ni[X.]ht gegeben ist.

2. Des Weiteren hat das [X.] zu Re[X.]ht die Re[X.]htmäßigkeit des angefo[X.]htenen Bes[X.]heids bejaht.

a) Na[X.]h § 179 Abs. 1 und § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung [X.]. § 9 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen na[X.]h § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung i.d.[X.] zur Änderung der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen na[X.]h § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung vom 16. Dezember 1994 ([X.] 1994, 3834, [X.], 3) stellt das für die Einkommensbesteuerung des Versi[X.]herungsnehmers zuständige Finanzamt die Steuerpfli[X.]ht der außerre[X.]hnungsmäßigen und re[X.]hnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) gesondert fest, wenn für die Beiträge zu Versi[X.]herungen auf den Erlebens- oder Todesfall die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug na[X.]h § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG ni[X.]ht erfüllt sind.

Ni[X.]ht steuerpfli[X.]htig sind diese Zinsen allerdings na[X.]h § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG, wenn sie aus Versi[X.]herungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Bu[X.]hst. b EStG herrühren, die mit (als Sonderausgaben abziehbaren) Beiträgen verre[X.]hnet oder im Versi[X.]herungsfall oder im Fall des [X.] des Vertrags na[X.]h Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsabs[X.]hluss ausgezahlt werden. Für diesen Fall sieht § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 3 EStG i.d.[X.] 1992 vom 25. Februar 1992 ([X.] 1992, 297, [X.], 146) --na[X.]hfolgend bis zum 31. Dezember 2004: § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 4 EStG-- die Steuerbefreiung vor, wenn die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug na[X.]h § 10 Abs. 2 Satz 2 Bu[X.]hst. a oder b EStG erfüllt sind oder soweit bei Versi[X.]herungsverträgen Zinsen in [X.] gutges[X.]hrieben werden, in denen Beiträge na[X.]h § 10 Abs. 2 Satz 2 Bu[X.]hst. [X.] EStG abgezogen werden können.

b) Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit der Zinsen aus den Sparanteilen der streitigen Versi[X.]herung liegen im Streitfall ni[X.]ht vor.

aa) Die im Streitfall abges[X.]hlossene Lebensversi[X.]herung des [X.] ist zwar unstreitig eine Versi[X.]herung i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Bu[X.]hst. b EStG. Das auf sie aufgenommene Poli[X.]endarlehen steht dem Abzug der Versi[X.]herungsprämien als Sonderausgaben aber entgegen, wenn die Ansprü[X.]he aus den Versi[X.]herungsverträgen ni[X.]ht --wie von § 10 Abs. 2 Satz 2 Bu[X.]hst. a EStG vorausgesetzt-- der Si[X.]herung von Darlehen dienen, die selbst "unmittelbar und auss[X.]hließli[X.]h der Finanzierung von Ans[X.]haffungs- oder Herstellungskosten eines (zur Einkünfteerzielung bestimmten) Wirts[X.]haftsgutes dienen" (vgl. Urteile des [X.] vom 23. November 2004 [X.], [X.] 2005, 694; vom 1. März 2005 [X.], [X.], 299, [X.] 2005, 597; vom 7. Juli 2005 IX R 20/04, [X.] 2006, 264).

bb) Diese Voraussetzung ist im Streitfall s[X.]hon deshalb ni[X.]ht erfüllt, weil mit dem Poli[X.]endarlehen Aufwendungen finanziert wurden, die ni[X.]ht zu den Ans[X.]haffungs- oder Herstellungskosten eines Wirts[X.]haftsguts gehören und ihrem Umfang na[X.]h über die Bagatellgrenze von 2.556 € na[X.]h § 10 Abs. 2 Satz 2 Bu[X.]hst. a EStG hinausgehen.

(1) Au[X.]h wenn die Dauer des Verbleibs der Darlehensvaluta auf einem verzinsli[X.]hen Girokonto des Steuerpfli[X.]htigen über die von der Verwaltung früher geforderte 30-Tage-Frist hinaus ni[X.]ht grundsätzli[X.]h gegen die Annahme einer unmittelbaren und auss[X.]hließli[X.]hen Verwendung zur Finanzierung von Ans[X.]haffungskosten spri[X.]ht (Senatsurteil vom 9. Februar 2010 [X.], [X.], 108, [X.] 2011, 257), steht im Streitfall fest, dass mit dem Darlehen au[X.]h Finanzierungskosten in Form der Zins[X.]ap-Gebühr finanziert worden sind.

(2) Wie der Senat bereits mit Urteil vom 12. Oktober 2005 [X.] ([X.] 2006, 288) ents[X.]hieden hat, gehören [X.] wie die hier in Höhe von 7.200 € vereinbarte Zins[X.]ap-Gebühr ni[X.]ht zu den Ans[X.]haffungs- oder Herstellungskosten i.S. des § 255 des Handelsgesetzbu[X.]hs (vgl. [X.]/Glanegger, EStG, 23. Aufl., § 6 Rz 140, Sti[X.]hwort "Finanzierungskosten"; [X.]/Heini[X.]ke, a.a.[X.], § 10 Rz 190; [X.] in [X.], 4. Aufl. 2002, § 255 Rz 10; Baumba[X.]h/[X.], HGB, 30. Aufl., § 255 Rz 3) und damit ni[X.]ht zu den Ans[X.]haffungs- und Herstellungskosten von Wirts[X.]haftsgütern des Anlagevermögens i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 2 Bu[X.]hst. a EStG (zum Sonderfall der Ans[X.]hlussfinanzierung von Ans[X.]haffungs- und Herstellungskosten dur[X.]h Neudarlehen mit Disagiovereinbarung s. Senatsurteil vom 19. Januar 2010 VIII R 40/06, [X.], 216, [X.] 2011, 254).

(3) Der Einwand des [X.], die Ansprü[X.]he aus dem Versi[X.]herungsvertrag seien nur im Umfang von 120.000 € und damit nur teilweise zur Si[X.]herung des betriebli[X.]hen Darlehens abgetreten worden und hätten in diesem Umfang ohne jede Eins[X.]hränkung der Finanzierung der Ans[X.]haffungskosten gedient, re[X.]htfertigt keine andere Beurteilung, weil § 10 Abs. 2 Satz 2 Bu[X.]hst. a EStG die uneinges[X.]hränkte unmittelbare und auss[X.]hließli[X.]he Verwendung des (Gesamt-)Darlehens zur Finanzierung von Ans[X.]haffungs- und Herstellungskosten voraussetzt.

[X.]) Im Übrigen ist na[X.]h der Re[X.]htspre[X.]hung grundsätzli[X.]h eine Aufteilung in einen steuers[X.]hädli[X.]hen und einen steueruns[X.]hädli[X.]hen Teil des Darlehens ausges[X.]hlossen (Senatsurteile vom 7. November 2006 [X.], [X.], 486, [X.] 2010, 18; vom 24. November 2009 [X.], [X.], 36, [X.] 2011, 251; Senatsbes[X.]hluss vom 23. April 2010 [X.], [X.] 2010, 1439; vgl. dazu au[X.]h S[X.]hreiben des [X.] vom 15. Juni 2000 IV C 4 -S 2221- 86/00, [X.], 1118).

Meta

VIII R 49/09

12.10.2011

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 18. Juni 2009, Az: 4 K 1646/07, Urteil

§ 10 Abs 2 S 2 Buchst a EStG 2002, § 20 Abs 1 Nr 6 EStG 2002, § 255 HGB, § 40 Abs 1 FGO, § 41 Abs 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.10.2011, Az. VIII R 49/09 (REWIS RS 2011, 2455)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2455

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