Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.07.2010, Az. 6 AZR 480/09

6. Senat | REWIS RS 2010, 4534

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Gegenstand

Nicht vorbehaltene ordentliche Kündigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses - Klagefrist


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 22. Januar 2009 - 11 [X.] - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Rahmen einer Klage auf [X.] darüber, ob die Klagefrist des § 4 [X.] auch auf die nicht vorbehaltene ordentliche Kündigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses Anwendung findet.

2

Der Kläger war seit dem 2. November 2007 bei der [X.] beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war bis zum 30. April 2008 befristet. Eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit sah der Arbeitsvertrag nicht vor. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis gleichwohl mit der Frist des § 12 Nr. 1.1 des [X.] für das Baugewerbe([X.]) von sechs Werktagen durch Schreiben vom 19. März 2008 zum 29. März 2008. Kündigungsschutzklage erhob der Kläger nicht. Er bot lediglich seine Arbeitskraft bis zum 30. April 2008 an.

3

Nach außergerichtlicher schriftlicher Geltendmachung mit Schreiben vom 6. Mai bzw. 19. Mai 2008 begehrt der Kläger zuletzt mit seiner am 20. Juni 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage [X.] für die [X.] vom 30. März bis 30. April 2008 in rechnerisch unstreitiger Höhe. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, das Arbeitsverhältnis sei frühestens zum 30. April 2008 beendet worden. Die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist könne er auch außerhalb der Frist des § 4 [X.] geltend machen. Er wehre sich nicht gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses selbst, sondern nur gegen deren [X.]punkt. Dies sei vergleichbar mit der Klage auf Einhaltung der Kündigungsfrist. Darum seien die Grundsätze, die das [X.] dazu in der Entscheidung vom 15. Dezember 2005(- 2 [X.]) aufgestellt habe, auf die vorliegende Konstellation übertragbar.

4

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.300,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Juni 2008 zu zahlen.

5

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag darauf gestützt, dass dem Kläger für die [X.] nach dem 29. März 2008 kein Entgelt mehr zustehe, weil er die Kündigung nicht innerhalb der Frist des § 4 [X.] angegriffen habe.

6

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat durch Beschluss vom 25. Juni 2009 zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

7

I. Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis hat aufgrund der Fiktionswirkung des § 7 [X.] mit dem 29. März 2008 geendet, weil der Kläger nicht innerhalb der Frist des § 4 [X.] Klage gegen die Kündigung vom 19. März 2008 erhoben hat. Ihm stehen deshalb keine Entgeltansprüche für die Zeit seit dem 30. März 2008 zu. Die Vorinstanzen haben darum zu Recht die Klage abgewiesen.

8

1. Die Klagefrist des § 4 [X.] ist auch einzuhalten, wenn die ordentliche Kündigung gegen das Kündigungsverbot des § 15 Abs. 3 [X.] verstößt, weil der befristete Vertrag weder die Möglichkeit vorsieht, das Arbeitsverhältnis ordentlich zu kündigen noch die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags vereinbart ist, der ein solches Kündigungsrecht enthält(KR/Friedrich 9. Aufl. § 4 [X.] Rn. 15; [X.]/[X.] 10. Aufl. § 4 [X.] Rn. 4; [X.]/Kriebel [X.] Stand April 2010 § 4 Rn. 20; [X.]/[X.] NJW 2007, 2729, 2733; vgl. für den tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Ausschluss der ordentlichen Kündigung allgemein [X.] 8. November 2007 - 2 [X.] - Rn. 17, [X.]E 124, 367). Das folgt aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Der Gesetzgeber wollte im Interesse einer raschen Klärung der Frage, ob eine Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hat oder nicht, für die Geltendmachung aller Unwirksamkeitsgründe eine einheitliche Klagefrist von drei Wochen vorsehen. Dadurch sollte die Ungewissheit, wann das Recht zur Erhebung der Kündigungsschutzklage im Einzelfall verwirkt ist, beendet werden (vgl. BT-Drucks. 15/1204 S. 9 f.).

9

2. Entgegen der Auffassung des [X.] ist die Geltendmachung des [X.] des gekündigten Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der vereinbarten Befristung in den Fällen des § 15 Abs. 3 [X.] mit der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist, die der Arbeitnehmer auch außerhalb der Klagefrist des § 4 Satz 1 [X.] geltend machen kann, nicht vergleichbar.

a) Die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist kann auch außerhalb der 3-Wochenfrist des § 4 [X.] noch geltend gemacht werden. Der Arbeitnehmer, der lediglich die Einhaltung der Kündigungsfrist verlangt, stellt nicht in Frage, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung als solche aufgelöst wird. Er strebt nur die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem anderen Zeitpunkt als der Arbeitgeber an([X.] 15. Dezember 2005 - 2 [X.] - Rn. 15 ff., [X.]E 116, 336; bestätigt durch [X.] 6. Juli 2006 - 2 [X.] - Rn. 12 ff., AP [X.] 1969 § 4 Nr. 57).

b) Diese Erwägungen greifen bei einer Klage auf [X.], mit der die Unwirksamkeit einer Kündigung nach § 15 Abs. 3 [X.] geltend gemacht wird, nicht. In diesem Fall akzeptiert der Arbeitnehmer gerade nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die erklärte Kündigung. Er hält im Gegenteil die Kündigung unter Berufung auf § 15 Abs. 3 [X.] für unwirksam. Er nimmt lediglich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die vereinbarte Befristung als nachfolgenden Beendigungstatbestand zu einem späteren Zeitpunkt hin. Im Unterschied zur Geltendmachung einer zu kurzen Kündigungsfrist ist also nicht nur ein einziger Beendigungstatbestand gegeben, der das Arbeitsverhältnis auch nach dem Willen des Arbeitnehmers tatsächlich beenden soll, allerdings zu einem späteren Zeitpunkt als vom Arbeitgeber gewollt. Ist die Kündigung unwirksam, weil das Kündigungsverbot des § 15 Abs. 3 [X.] missachtet worden ist, und macht der Arbeitnehmer den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Befristung geltend, liegen vielmehr zwei unterschiedliche Beendigungstatbestände vor, wobei die Kündigung als erster Tatbestand das Arbeitsverhältnis nach dem Willen des Arbeitnehmers gerade nicht beenden kann und soll. Erst der Auslauf der Befristung soll als zweiter, nachgeschalteter Beendigungstatbestand zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen. Es geht also nicht bloß um die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist, sondern um den Ausschluss der ordentlichen Kündigung im befristeten Arbeitsverhältnis. Auf diesen Fall ist § 4 [X.] anwendbar(KR/Friedrich 9. Aufl. § 4 [X.] Rn. 15).

II. Auch der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis noch nicht dem Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes unterfiel, entband den Kläger nicht von der Verpflichtung, die Klagefrist des § 4 [X.] einzuhalten(Senat 9. Februar 2006 - 6 [X.] - Rn. 17 f., [X.]E 117, 68).

III. Das [X.] hat rechtlich zutreffend ausgeführt, dass der Ausspruch einer nach § 15 Abs. 3 [X.] ausgeschlossenen ordentlichen Kündigung mit einer mündlichen Kündigung nicht vergleichbar ist, dass auch eine etwaige Treuwidrigkeit der Kündigung in der Frist des § 4 [X.] hätte geltend gemacht werden müssen und die Kündigungserklärung nicht in eine Kündigung zum 30. April 2008 umgedeutet werden kann. Gegen diese Ausführungen erhebt die Revision keine Angriffe.

IV. Da wegen der Versäumung der Klagefrist des § 4 [X.] die Kündigung der Beklagten vom 19. März 2008 aufgrund der Fiktionswirkung des § 7 [X.] als wirksam gilt und das Arbeitsverhältnis zum 29. März 2008 als beendet anzusehen ist, fehlt es an dem für den begehrten Annahmeverzug erforderlichen Bestand eines Arbeitsverhältnisses für den streitgegenständlichen Vergütungszeitraum(vgl. APS/Ascheid/[X.] 3. Aufl. § 7 [X.] Rn. 10).

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    Sieberts    

        

    Spiekermann    

        

        

Meta

6 AZR 480/09

22.07.2010

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Mainz, 2. September 2008, Az: 3 Ca 1132/08, Urteil

§ 4 S 1 KSchG, § 15 Abs 3 TzBfG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.07.2010, Az. 6 AZR 480/09 (REWIS RS 2010, 4534)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4534

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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