Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.02.2013, Az. 1 StR 553/12

1. Strafsenat | REWIS RS 2013, 8421

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 553/12

vom
5. Februar
2013
in der Strafsache
gegen

wegen
Vergewaltigung u.a.

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 5. Februar
2013
beschlos-sen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 11. Juni 2012 mit den Feststellungen aufge-hoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
I.

Der Angeklagte wurde wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Freiheits-beraubung unter Einbeziehung früher verhängter Strafen zu einer nachträgli-chen Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Seine Revision hat mit einer Verfahrensrüge, mit der sie die nicht rechts-fehlerfreie Ablehnung eines Beweisantrages geltend macht, Erfolg (§ 349 Abs.
4 StPO).

1. Folgendes ist festgestellt:
Der Angeklagte arbeitete im Nachtclub seiner geschiedenen Frau in [X.].

. In einer nicht mehr genau feststellbaren Nacht im April oder Mai 2009 hielten sich dort die Tochter des Angeklagten und deren damals 17 Jahre 1
2
3
4
-
3
-
alte Freundin

[X.]

auf; es war vorgesehen, dass diese in B.

in der [X.]ohnung der geschiedenen Frau des Angeklagten schlafen sollte. Die bei-den jungen Frauen gingen nach ihrem Aufenthalt im Nachtclub zunächst mit zwei jungen Männern in die [X.]ohnung eines dieser jungen Männer im [X.] [X.] und tranken dort Kaffee. Danach rief die Tochter den [X.] an, er solle

[X.]

und sie mit dem Pkw abholen. Nach einem Zwischenaufenthalt im Nachtclub
brachte er die
beiden
zum Haus seiner geschiedenen Frau und ordnete dort an, seine Tochter solle aussteigen, mit der Freundin habe er noch zu reden. Anschließend verriegelte er die [X.], dass sie dies alles nicht wolle, brachte er sie
wieder
in den Nachtclub. Dabei vermittelte er ihr den Eindruck, sie könne nicht weglaufen. Er verschloss die Tür des Nachtclubs, in dem niemand mehr war und führte sie in [X.] mit ei-nem Bett. Aus Furcht entkleidete sie sich und legte sich aufs Bett, er legte sich über sie. Als sie sich herauswinden wollte, hielt er sie fest, sie ließ dann den Geschlechtsverkehr über sich ergehen. Danach brachte er sie wieder in die [X.]ohnung seiner geschiedenen Frau.

2. Die Feststellungen beruhen im [X.]esentlichen auf
den Angaben von

[X.]

, die die [X.] nach sachverständiger Beratung als glaubwürdig angesehen hat.
Der Angeklagte hat die Tat bestritten, die Beschuldigung sei eine Erfin-dung von

[X.]

. Eine Autofahrt von [X.] bzw. der französi-schen Grenze
nach B.

habe es nie gegeben. Er habe lediglich einmal die beiden auf ihren
[X.]unsch vom Nachtclub zur Grenze
gefahren. Vielleicht ginge die Anzeige darauf zurück, dass er seiner Tochter den Kontakt mit

[X.]

verboten habe, weil er erfahren habe, dass deren Bruder Rauschgift konsumiere.
5
6
-
4
-

3. Nicht unerhebliche Teile der Beweisaufnahme bezogen sich auf [X.], die die Glaubwürdigkeit von

[X.]

hätten möglicherweise in Frage stellen können.
Ohne dass hier die Urteilsgründe in allen Einzelheiten nachzuzeichnen wären, ging es dabei etwa um Folgendes:

[X.]

hat die Tat erst mit zeitlicher Verzögerung bei der [X.] angezeigt. Ihre Freundin

M.

hat sie zur Polizei begleitet. Diese hat (u.a.) darüber ausgesagt, was ihr

[X.]

von der Tat erzählt [X.]. Im Unterschied zu ihren der Verurteilung zu Grunde gelegten Angaben [X.] sie, so die Zeugin M.

, erzählt, sie sei vom Angeklagten in dessen Pkw vor der Einfahrt ihres (

[X.]

s) [X.]ohnhauses vergewaltigt worden.

Diese Schilderung, so legt die [X.] näher dar, sei unzutreffend,

[X.]

habe

M.

nicht alles, "sondern nur den Beginn" und die Tatsache der Vergewaltigung erzählt. Sie habe auch gesagt, dass der An-geklagte sie "heimgefahren" habe. Damit habe sie gemeint, er habe sie zur [X.]ohnung ihrer Freundin in B.

gebracht.

M.

habe sich daraus jedoch "zusammengereimt", dass die Tat im Pkw vor dem [X.]ohnhaus von

[X.]

stattgefunden habe.

Gegenüber ihrem Bruder, der faktisch den Vater ersetzt habe, hat

[X.]

nach dessen Aussage angegeben, der Angeklagte habe sie bei sich (dem Angeklagten) zu Hause vergewaltigt.

Dies, so die [X.], erkläre

.

. Daher habe sie dem Bruder 7
8
9
10
11
12
-
5
-

tanden habe.

II.

Vor dem Hintergrund der nach alledem ersichtlich nicht einfachen Be-weislage erweist sich folgender Beweisantrag als nicht rechtsfehlerfrei behan-delt:

In das [X.]issen einer Zeugin, einer langjährigen Freundin von

[X.]

war gestellt, dass diese im [X.] 2009, also mehrere [X.]ochen nach der (terminlich nicht genau feststehenden) Tat auf einem Spielplatz in [X.].

ihr gegenüber behauptet habe, ihr Bruder habe sie vergewaltigt. Neige die Zeugin, so ist zur Begründung des Antrags näher ausgeführt, dazu, andere sexueller Übergriffe zu bezichtigen, könne dies die Beurteilung ihrer Aussage b-

Die [X.] hat den Antrag wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt und zur Begründung ausgeführt:

ist aber nicht ersichtlich, welche Schlüsse aus dieser Hilfstatsache für die Be-wertung der Aussage der Zeugin [X.]

gezogen werden könnten, zumal die Kammer eine weitere Glaubwürdigkeitsbegutachtung nicht beabsichtigt, weil

Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
13
14
15
16
17
-
6
-

1. Ohne dass dies näherer Ausführung bedürfte, ist die [X.] zu-treffend davon ausgegangen, dass der Beweisantrag auf eine Hilfstatsache gerichtet war.
Zutreffend ist auch der Ansatz, dass eine Hilfstatsache in tatsächlicher Hinsicht -
um anderes geht es hier nicht -
(auch) dann bedeutungslos ist, wenn nicht erkennbar ist, warum die Beweisbehauptung (Zeugin [X.]

behauptet, von ihrem Bruder vergewaltigt worden zu sein) den behaupteten Schluss auf den Beweiswert einer anderen Aussage dieser Zeugin (der Angeklagte habe sie vergewaltigt) zulässt, wenn also letztlich ein Zusammenhang zwischen der Beweisbehauptung einerseits und dem [X.] andererseits fehlt (vgl. zusammenfassend [X.] in LR-StPO,
26. Aufl., § 244 Rn. 220 [X.]. 1134 mwN).

2. Allgemein-abstrakte Grundsätze darüber, in welcher Beziehung die [X.] zu dem Verfahrensgegenstand stehen muss, wenn sie für sei-ne Beurteilung Bedeutung haben soll, lassen sich kaum aufstellen. Auch [X.], die dem angeklagten Vorwurf zeitlich nachfolgen,
und an denen der Ange-klagte nicht beteiligt war, können im Einzelfall auf die Beurteilung des konkreten Falles wichtige Schlüsse zulassen und dadurch Bedeutung erhalten.

Im [X.] kommt es darauf an, ob im konkreten Fall nach allgemeiner
-
oder jedenfalls richterlicher -
Erfahrung der aufgezeigte Zusammenhang er-kennbar ohne weiteres sicher zu verneinen ist (vgl. [X.]/[X.], [X.] im Strafprozess,
5. Aufl., S. 587 f).

3. Gründe, aus denen sich eine solche Bedeutungslosigkeit ergibt, teilt die [X.] nicht mit. In einem Beschluss, durch den ein Beweisantrag als 18
19
20
21
22
-
7
-
aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos abgelehnt wird (§ 244 Abs. 6 StPO), sind die hierfür maßgeblichen Erwägungen aber zumindest in ihrem [X.] konk-ret darzulegen, um dem Antragsteller zu ermöglichen, sein weiteres Prozess-verhalten entsprechend einzurichten (st. Rspr., vgl. zusammenfassend [X.] in [X.], 6. Aufl.,
§ 244 Rn. 145 mwN). Dementsprechend hat der [X.], dem im Übrigen eine eigene Beweiswürdigung verwehrt ist, nicht darüber zu befinden, ob und gegebenenfalls wie hier die Annahme einer solchen Bedeu-tungslosigkeit zu begründen wäre.

4. Der [X.] hat erwogen, ob hier -
ausnahmsweise -
eine nähere Be-gründung für die Zurückweisung eines Beweisantrags wegen Bedeutungslosig-keit entbehrlich sein könnte. Dies ist dann der Fall, wenn die hierfür maßgebli-chen Gründe evident auf der Hand liegen (st. Rspr., vgl. zusammenfassend [X.] aaO Rn. 147 mwN).

Dies ist hier nicht der Fall:

[X.]

hat sowohl gegenüber

M.

als auch gegen-über ihrem Bruder Angaben gemacht, die nach der Bewertung der [X.]
bei beiden Zeugen Fehlvorstellungen ausgelöst haben. Es ist unter diesen Um-ständen nicht völlig selbstverständlich, dass von vorneherein keinerlei [X.] daraus gezogen werden könnten, wenn sie in zeitlicher Nähe zu der Anzeige der verfahrensgegenständlichen Vergewaltigung behauptet hat, auch noch von einer anderen Personen vergewaltigt worden zu sein.

5. Es mag dahinstehen, ob der nicht näher erläuterte Hinweis der [X.], eine erneute Begutachtung sei nicht beabsichtigt, daneben auch zum 23
24
25
26
-
8
-
Ausdruck bringen soll, dass jedenfalls nach den konkreten Umständen des [X.] selbst bei Gelingen des Beweises ein Schluss auf die Glaubhaftigkeit der Aussage von

[X.]

nicht gezogen würde, selbst wenn ein solcher Schluss (doch) möglich sein sollte. Auch dann fehlte aber in gleicher [X.]eise die notwendige konkrete Begründung.

6. Auch sonst ist dieser Hinweis nicht ganz klar.

Es versteht sich von selbst, dass alle vor dem Urteil angefallenen [X.] zu berücksichtigen und zu bewerten sind. Ist der [X.] nach [X.] Auffassung hierzu selbst nicht in der Lage,
sondern bedarf er hierzu sach-verständiger Beratung, muss er sie -
erforderlichenfalls ergänzend -
einholen. Jedenfalls könnte
auf eine Beweiserhebung zu einer Frage, die möglicherweise für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der
zentralen
Aussage eines
Zeugen bedeutsam sein kann, nicht deshalb verzichtet werden, weil dessen Begutach-tung bereits erfolgt ist.

III.

Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung, ohne dass es auf das weitere [X.] noch ankäme.

Der [X.] bemerkt jedoch, dass gegebenenfalls die nicht
völlig klare nachträgliche Gesamtstrafenbildung zu verdeutlichen wäre. Einbezogen ist
hier jeweils die Strafe aus Verurteilungen vom 5. Mai 2010 und 14. März 2011. Die [X.] sind nicht mitgeteilt. Durch ein Urteil vom 8. Juni 2011 wurde aus der dort verhängten Strafe und den genannten Strafen eine nachträgliche Gesamt-27
28
29
30
-
9
-
strafe gebildet. Diese hat die [X.] ohne weitere Ausführungen
aufgelöst. Die Strafe für die am
8. Juni 2011 abgeurteilte Tat -
es ist weder ihre Höhe noch die Tatzeit mitgeteilt -
ist hier nicht einbezogen.
[X.][X.]ahl Jäger

Frau RinBGH Cirener ist

urlaubsabwesend und deshalb

an der Unterschrift gehindert.

[X.]

Meta

1 StR 553/12

05.02.2013

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.02.2013, Az. 1 StR 553/12 (REWIS RS 2013, 8421)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8421

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 553/12 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Notwendige Begründung der Ablehnung eines Beweisantrages wegen Bedeutungslosigkeit


5 StR 143/13 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Urteilsgründe widersprechen der Ablehnung eines Beweisantrages


1 StR 457/12 (Bundesgerichtshof)

Mord: Wegfall der Arglosigkeit bei Rechnenmüssen mit einem körperlichen Angriff


4 StR 484/18 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Anforderungen an die Ablehnung eines Beweisantrages auf Zeugenvernehmung bezüglich einer Indiz- oder Hilfstatsache wegen …


5 StR 143/13 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.