Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.04.2019, Az. XI ZR 583/17

11. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 8651

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Widerruf eines Altvertrages über ein Verbraucherdarlehen: Übergang des Darlehensnehmers von positiver zu negativer Feststellungsklage


Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 15. September 2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Der [X.] zu I. und II. des vorbezeichneten Urteils wird zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des [X.] vom 15. Juli 2016 in der Fassung des Beschlusses vom 25. Juli 2016 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss zweier [X.] gerichteten Willenserklärungen der Kläger.

2

Nach persönlicher Beratung übersandte die [X.] den Klägern Anfang Juni 2008 den Antrag auf Abschluss zweier in einer Vertragsurkunde zusammengefasster Darlehensverträge über zum einen 110.000 € mit einem bis zum 31. Mai 2023 festen Nominalzinssatz von 4,95% p.a. und zum anderen über 43.000 € mit einem auf elf Jahre festen Nominalzinssatz von 4,75% p.a. Zur Sicherung der [X.]n diente unter anderem ein Grundpfandrecht. Die [X.] belehrte die Kläger über ihr Widerrufsrecht mit den Vertragsunterlagen wie folgt:

Abbildung

3

Die Kläger unterzeichneten ein Exemplar des von einem Vertreter der [X.]n bereits unterschriebenen [X.] und sandten es am 3. Juni 2008 an die [X.] zurück, bei der es am 4. Juni 2008 einging. Die Kläger erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Unter dem 13. Juli 2015 und dem 21. Dezember 2015 widerriefen sie ihre auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen.

4

Ihre Klage auf Feststellung, dass die Darlehensverträge "wirksam widerrufen worden" seien, so dass sie sich in [X.] umgewandelt hätten, und dass der [X.]n aus den [X.]n jeweils keine höheren als die von den Klägern bezeichneten Forderungen zustünden, auf Feststellung, dass die [X.] zum Ersatz des gegenwärtigen und künftigen Schadens verpflichtet sei, der den Klägern aus der Zurückweisung des Widerrufs entstehe, und auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten hat das [X.] abgewiesen. Auf die dagegen gerichtete Berufung der Kläger, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt haben, hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und dahin erkannt, es werde festgestellt, dass der [X.]n ab dem Zugang der jeweiligen Widerrufserklärung kein Anspruch mehr auf den [X.] und die vertragsgemäße Tilgung zustehe. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der [X.]n, mit der sie die vollständige Zurückweisung der Berufung der Kläger erstrebt.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision der [X.]n hat Erfolg.

I.

6

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:

7

Die Anträge der Kläger des Inhalts, sie schuldeten aus dem [X.] nicht mehr als einen bestimmten, von ihnen errechneten Betrag, seien so zu verstehen, die Kläger leugneten ihre Verpflichtung zur Zahlung des [X.]es und der vertragsgemäßen Tilgung. So verstanden seien diese Anträge zulässig. Sie seien auch begründet, weil die [X.] die Kläger unzureichend deutlich über die Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist unterrichtet habe.

II.

8

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

9

1. Das Berufungsgericht hat gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen, indem es den Klägern etwas anderes als beantragt zuerkannt hat. Gleichzeitig hat es das erstinstanzliche Urteil entgegen § 528 Satz 2 ZPO über die beantragte Änderung hinaus abgeändert ([X.], Urteil vom 8. April 2011 - [X.], [X.], 1613 Rn. 23).

a) Die Anträge der Kläger zielten auf die Feststellung, der [X.]n stünden aus den [X.]sen keine höheren als die von den Klägern zugestandenen Forderungen zu. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts können die Anträge nicht in dem Sinne einer Ansprüche der [X.]n nach § 488 Abs. 1 Satz 2 [X.] leugnenden Feststellungsklage ausgelegt werden.

Die Kläger haben die nach ihrer Auffassung aus den [X.]sen resultierenden wechselseitigen Ansprüche konkret beziffert und damit ihrem Begehren Ausdruck verliehen, es mögen für die [X.] bindend die nach ihrer Ansicht korrekten Abrechnungssalden festgestellt werden. Schon in der Klageschrift haben sie angegeben, sie hätten "ein rechtliches Interesse an einer gerichtlichen Feststellung über die durch den Widerruf eingetretene Reduzierung der Restschuld, damit das Darlehen mit Hilfe eines anderen Kreditinstitutes wirksam abgelöst und die Sicherheit an das neue Institut reibungslos übertragen werden" könne. Ihr Rechtsschutzziel entsprach damit nicht dem Verlangen festzustellen, dass sie der [X.]n ab dem Widerruf weder den [X.] noch eine vertragsgemäße Tilgung schuldeten. Entsprechend hat das Berufungsgericht selbst in seinen vor der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweisen von der "begehrten Feststellung eines [X.] zu Lasten der Kläger" gesprochen. Soweit die Kläger eine Verbindung zwischen ihren Anträgen und dem Wunsch nach Feststellung hergestellt haben, "dass sie keine Erfüllung des Darlehensvertrages mehr" schuldeten, bezog sich dies auf ihre vom Berufungsgericht für unzulässig erachteten Anträge positiv festzustellen, dass sich die Darlehensverträge in [X.]se umgewandelt hätten. Dass sich die Kläger die vom Berufungsgericht erstmals nach Protokollierung der Anträge in der mündlichen Berufungsverhandlung verlautbarte Auslegung ihrer Anträge im Sinne einer Leugnung von Ansprüchen aus § 488 Abs. 1 Satz 2 [X.] zu eigen gemacht hätten, ergibt sich weder aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung noch aus den Urteilsgründen.

Soweit der [X.] in dem mit Urteil vom 16. Mai 2017 ([X.], [X.], 1258 Rn. 12) entschiedenen Fall aufgrund eines abweichenden Prozessverhaltens des dortigen [X.] zu einem anderen Auslegungsergebnis gelangt ist, war dies der dortigen Prozessgeschichte geschuldet. Diesem [X.]surteil kann entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht entnommen werden, ein Ansprüche nach § 357 Abs. 1 Satz 1 [X.] in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung in Verbindung mit §§ 346 ff. [X.] über eine bestimmte Höhe hinaus leugnender Antrag sei regelmäßig als Antrag zu verstehen, der Kläger bestreite Forderungen aus § 488 Abs. 1 Satz 2 [X.] ab dem Widerruf.

b) Die auf die Feststellung eines geringeren Saldos aus dem [X.] gerichtete und die auf die Feststellung des Wegfalls von [X.] aus dem Darlehensvertrag zielende Klage betreffen unterschiedliche Streitgegenstände. Der Übergang zu Anträgen des Inhalts, der [X.]n kämen ab dem Widerruf keine Ansprüche aus § 488 Abs. 1 Satz 2 [X.] mehr zu, setzte spätestens in der Berufungsinstanz eine Klageänderung voraus (vgl. [X.]surteil vom 3. Juli 2018 - [X.], [X.], 1599 Rn. 17), die die Kläger nicht vorgenommen haben.

Der Verstoß gegen § 308 Abs. 1, § 528 Satz 2 ZPO ist auch nicht dadurch geheilt worden, dass die Kläger Zurückweisung der Revision beantragt und sich damit die Entscheidung des Berufungsgerichts zu eigen gemacht haben. Denn eine Klageänderung ist in der Revisionsinstanz nicht zulässig (vgl. [X.], Urteile vom 23. Juni 1988 - [X.], [X.]Z 105, 34, 36, vom 10. Juli 2012 - [X.], [X.], 1591 Rn. 37, insoweit nicht abgedruckt in [X.]Z 194, 26, und vom 17. März 2016 - [X.], [X.], 2091 Rn. 21).

2. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht auch in der Sache rechtsfehlerhaft entschieden, weil es verkannt hat, dass der Widerruf der Kläger nach Ablauf der Widerrufsfrist ins Leere ging. Entgegen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichts entsprach, wie der [X.] nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, die Widerrufsbelehrung der [X.]n dem intertemporal maßgeblichen Recht ([X.]surteile vom 27. Februar 2018 - [X.], juris Rn. 17 ff., - [X.], juris Rn. 14 ff. und - [X.], juris Rn. 15 ff.). Sie setzte damit die Widerrufsfrist in Gang, die bei Abgabe der Widerrufserklärungen abgelaufen war. Denn die [X.] erfüllte auch die Anforderungen des § 355 Abs. 2 Satz 3 [X.] in der bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung, wenn sie den Klägern ein Exemplar des [X.] überließ, das nach Unterschriftsleistung durch die Kläger - wenn auch nicht notwendig auf dem bei ihnen verbliebenen Exemplar - ihre Vertragserklärung dokumentierte ([X.]surteile vom 27. Februar 2018 - [X.], [X.], 729 Rn. 30, - [X.], juris Rn. 18, - [X.], aaO, Rn. 24, - [X.], aaO, Rn. 23 und - [X.], juris Rn. 19).

III.

Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der [X.]n entschieden hat. In diesem Umfang unterliegt es der Aufhebung (§ 562 ZPO). Zu einer Zurückverweisung der Sache hat der [X.] keinen Anlass (vgl. [X.], Urteile vom 23. Januar 1980 - [X.], [X.], 343, 344 und vom 29. November 1990 - [X.], [X.], 599, 600 f.). Er stellt klar, dass die aus den oben genannten Gründen sachlich unberechtigte Berufung der Kläger insgesamt zurückgewiesen ist.

Ellenberger     

        

Joeres     

        

Matthias

        

Menges     

        

Tolkmitt     

        

Meta

XI ZR 583/17

02.04.2019

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Koblenz, 15. September 2017, Az: 8 U 1003/16

§ 308 Abs 1 ZPO, § 528 S 2 ZPO, § 562 ZPO, § 346 BGB, §§ 346ff BGB, § 357 Abs 1 S 1 BGB vom 27.07.2011, § 347 Abs 1 S 1 BGB vom 02.12.2004, § 488 Abs 1 S 2 BGB vom 02.01.2002, § 495 BGB vom 23.07.2002

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.04.2019, Az. XI ZR 583/17 (REWIS RS 2019, 8651)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 8651

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XI ZR 586/15 (Bundesgerichtshof)

Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrages: Zulässigkeit einer negativen Feststellungsklage des Verbrauchers; mangelhafte Widerrufsbelehrung hinsichtlich der Voraussetzungen für …


XI ZR 446/16 (Bundesgerichtshof)

Rückgewähr der Leistungen nach Widerruf eines Altvertrages über ein Verbraucherdarlehen: Anspruch des Darlehensnehmers auf Auskunft …


XI ZR 572/16 (Bundesgerichtshof)

Anschlussberufung eines Darlehensnehmers eines Verbraucherdarlehensvertrags bei erfolgreicher Klage in erster Instanz auf Feststellung der Umwandlung …


XI ZR 370/17 (Bundesgerichtshof)

Verbraucherdarlehensvertrag im Altfall: Anforderungen an eine deutliche Belehrung über die Länge der Widerrufsfrist


XI ZR 449/16 (Bundesgerichtshof)

Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrags: Mehrere Darlehensnehmer als Mitgläubiger der aus dem Rückgewährschuldverhältnis resultierenden Ansprüche


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.