Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.09.2014, Az. XI ZR 77/13

11. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2925

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Gegenstand

Internationales Privatrecht: Kreditrückzahlungsklage einer liechtensteinischen Bank gegen einen deutschen Kreditnehmer; Wirksamkeit einer Rechtswahlvereinbarung; Anwendung der Regeln des internationalen Verbraucherschutzes auf ein Darlehen zur Finanzierung einer Kapitallebensversicherung mit Einmal-Prämienzahlung


Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 13. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 30. Januar 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine in [X.] ansässige Bank, nimmt den Beklagten auf Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch, mit dem dieser eine Kapitalanlage finanziert hat. Der Beklagte beansprucht von der Klägerin im Wege der Widerklage Zahlung von 62.706,06 €, die er für den Erwerb dieser Kapitalanlage aus Eigenkapital und für Provision aufgewendet bzw. durch die Verwertung einer Sicherheit verloren hat.

2

Der Beklagte nahm mit Vertrag vom 22./29. März 2006, den er an seinem Wohnsitz in [X.] unterzeichnete, bei der Klägerin einen Kontokorrentrahmenkredit bis zu 120.000 € auf. In der Vertragsurkunde heißt es u.a.:

"3. Kreditzweck:

Aufbau Altersvorsorge

12. Anwendbares Recht und Gerichtsstand:

Alle Rechtsbeziehungen des Kunden mit der Bank unterstehen dem liechtensteinischen Recht. ..."

3

Der Beklagte finanzierte mit dem Darlehen den Erwerb einer Kapitallebensversicherung mit einer Einmalprämie von 150.000 € bei der [X.] mit Sitz in [X.] (nachfolgend: [X.]       ). Das vom Beklagten hierfür aufgewandte Eigenkapital betrug 50.000 €. In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für diese Lebensversicherung der [X.]      heißt es in § 5 Abs. 3:

"Wie Ihre Beiträge, abgestimmt auf Ihre Risikobereitschaft, angelegt werden, bestimmen Sie aufgrund der vor Versicherungsbeginn festgelegten Anlagestrategie."

4

Der Beklagte unterzeichnete am 1. Februar 2006 ein mit "Anlagestrategie" überschriebenes Formular, in dem es u.a. heißt:

"Die Verwaltung des Vermögens basiert auf folgender Anlagestrategie

Anlageziel: Vermögenszuwachs
Aufteilung Erstanlage:    in Prozent
S.      Garantie   oder ff.         100 %

Ich erkläre [X.] ausdrücklich damit einverstanden, dass folgender Vermögensverwalter für die Verwaltung des [X.] eine Vollmacht erhält:

[X.]

…"

5

Darüber hinaus unterzeichnete der Beklagte am 22. März 2006 ein mit "Verwaltungsvollmacht an Dritte" überschriebenes Formular der Klägerin, mit dem er als Vollmachtgeber die [X.] mit Sitz in der [X.] (nachfolgend: S.  ) als Bevollmächtigte ernannte, ihn gegenüber der Klägerin zu vertreten. Mit weiterer Erklärung vom 22. März 2006 verpfändete er seine Ansprüche aus dem mit der [X.]        geschlossenen Lebensversicherungsvertrag sicherungshalber an die Klägerin. Die gesamte Kapitalanlage war dem Beklagten von seinem Anlageberater M.  empfohlen worden.

6

Die Klägerin verlangte von dem Beklagten am 16. Januar 2009 die Schließung einer Deckungslücke von 28.699 €, die durch eine Wertminderung der verpfändeten Lebensversicherung entstanden war. Daraufhin trat der Beklagte Ansprüche aus einer weiteren Kapitallebensversicherung an die Klägerin ab. Am 26. Januar 2010 forderte die Klägerin den Beklagten "letztmalig" auf, eine noch bestehende Unterdeckung von 19.330 € zurückzuführen. Da diese Aufforderung erfolglos blieb, stellte die Klägerin, wie von ihr angekündigt, das Darlehen fällig.

7

Mit ihrer Klage beansprucht die Klägerin nach Verwertung der sicherungshalber verpfändeten und zusätzlich abgetretenen Ansprüche aus den Lebensversicherungen noch 22.990,87 €. Der Beklagte begehrt mit der Widerklage die Rückzahlung des von ihm aufgewandten Eigenkapitals von 50.000 €, des aus der Verwertung der weiteren Lebensversicherung erzielten Erlöses von 11.706,06 € und der an die S.     gezahlten [X.] von 1.000 €.

8

Der Beklagte hält [X.] Verbraucherschutzrecht für anwendbar und meint, dass er danach berechtigt sei, seine auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung zu widerrufen. Zudem habe die Klägerin wegen Verletzung von Aufklärungspflichten über die Risiken des Anlagemodells Schadenersatz zu leisten.

9

Das [X.] hat der Klage antragsgemäß stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat demgegenüber die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage hin verurteilt, an den Beklagten 62.706,06 € nebst Zinsen zu bezahlen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge zu Klage und Widerklage weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

Die [X.] (§§ 355, 495 Abs. 1 [X.] in der bis zum 10. Juni 2010 gültigen Fassung, und § 358 [X.] in der bis zum 29. Juli 2010 gültigen Fassung, nachfolgend jeweils aF) seien nach [X.]. 29 EG[X.] in der bis zum 16. Dezember 2009 gültigen Fassung (nachfolgend: aF) anwendbar. Der streitgegenständliche Kreditvertrag sei als Vertrag zur Finanzierung einer Dienstleistung anzusehen. Der Lebensversicherungsvertrag könne nur im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag und der Beteiligung an dem "[X.] Fonds" gesehen werden, da es sich um ein "geschlossenes Anlagekonzept" gehandelt habe. Die [X.]         sei mit versicherungstypischen Risiken - der Leistung einer bestimmten garantierten Versicherungssumme bei Eintritt des Versicherungsfalles - nicht belastet worden. Der von ihr im Fall des Todes des Versicherungsnehmers zu leistende Betrag bemesse sich vielmehr nach dem zu diesem Zeitpunkt aktuellen Wert des Deckungsstocks. Die [X.]        habe an einem wichtigen Teilaspekt der Vermögensverwaltung - der Regulierung der aus der Vermögensverwaltung anfallenden Kosten - direkt mitgewirkt, damit "gewissermaßen eigenhändig" eine wesentliche Dienstleistung im Rahmen der Vermögensverwaltung erbracht und sei den Kunden gegenüber faktisch wie eine Vermögensverwalterin aufgetreten.

Das "Anlagekonzept" sei darauf angelegt gewesen, dass die eingezahlten Beträge in einen der [X.] Fonds investiert würden. Tatsächlich habe der Versicherungsnehmer in Bezug auf den in den Deckungsstock einzubringenden Vermögenswert keine Wahlfreiheit gehabt.

Im Prospekt des Fonds werde eine "klassische Vermögensverwaltung" beschrieben, wonach die Kundengelder im Deckungsstock "nach dem Grundsatz der Risikostreuung in unterschiedliche alternative Investmentstrategien über mehrere Hedge Fonds Manager und [X.] investiert" würden. Unter Berücksichtigung der "miteingekauften" Vermögensverwaltung durch die [X.]liege auch keine Dienstleistung von nur untergeordneter Natur vor, da die Kapitalanlage möglichst gewinnbringend habe investiert werden sollen.

Der vom Beklagten mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2010 erklärte Widerruf seiner auf Abschluss des Kreditvertrages gerichteten Willenserklärung sei gemäß §§ 495 Abs. 1, 355 [X.] wirksam. Eine Widerrufsfrist habe gemäß § 355 Abs. 3 [X.] aF in Ermangelung einer Widerrufsbelehrung nicht bestanden. Da es sich bei dem Darlehen und dem "Kapitalanlagevertrag" um verbundene Verträge im Sinne von § 358 Abs. 3 [X.] aF gehandelt habe, müsse der Beklagte der Klägerin weder die Darlehensvaluta noch die entstandenen Zinsen oder Kosten erstatten. Die Klägerin sei verpflichtet, dem Beklagten die von ihm eingebrachten 50.000 €, die geleistete Vermittlungsprovision von 1.000 € sowie den Erlös aus der Verwertung der weiteren als Sicherheit gestellten Lebensversicherung zu erstatten.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

Die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte hat der Senat geprüft und bejaht. Sie ergibt sich für die Klage aus [X.]. 2 Abs. 1 EuGVVO und für die Widerklage jedenfalls aus § 39 ZPO in entsprechender Anwendung.

Die Ansicht des Berufungsgerichts, die dem [X.] dienenden §§ 495 Abs. 1, 355, 358 [X.] seien gemäß [X.]. 29 Abs. 1 EG[X.] auf den streitgegenständlichen Kreditvertrag anwendbar, ist rechtsfehlerhaft. Dem Beklagten steht nach diesen Vorschriften kein Widerrufsrecht zu.

1. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob der von den Parteien geschlossene Kreditvertrag dem in Ziffer 12 der Vertragsurkunde gewählten Recht des [X.] unterliegt. Das Zustandekommen und die Wirksamkeit der Einigung der Parteien über das anzuwendende Recht beurteilen sich vorliegend gemäß [X.]. 27 Abs. 4 in Verbindung mit [X.]. 31 Abs. 1 EG[X.] nach dem Recht des [X.]. Da das Berufungsgericht dieses Recht nicht ermittelt hat, ist revisionsrechtlich zugunsten der Klägerin davon auszugehen, dass die zwischen den Parteien getroffene Rechtswahlvereinbarung nach liechtensteinischem Recht wirksam ist.

2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die gemäß [X.]. 27 EG[X.] eröffnete Rechtswahl vorliegend nicht nach [X.]. 29 Abs. 1 EG[X.] eingeschränkt, da dessen Tatbestandsvoraussetzungen nicht vorliegen.

a) Das streitgegenständliche Darlehen stellt - anders als das Berufungsgericht meint - keinen Vertrag zur Finanzierung einer Dienstleistung im Sinne des [X.]. 29 Abs. 1 EG[X.] dar.

Ein Kredit- oder Darlehensvertrag ist als Finanzierungsvertrag im Sinne des [X.]. 29 EG[X.] einzustufen, wenn zwischen ihm und einem Vertrag über die Lieferung beweglicher Sachen oder über die Erbringung von Dienstleistungen eine Zweckbindung besteht, er mithin der Finanzierung eines solchen Liefer- oder Dienstleistungsvertrages dient ([X.]/[X.], [X.], Bearb. 2002, [X.]. 29 EG[X.] Rn. 55; MünchKomm[X.]/[X.]y, 4. Aufl., [X.]. 29 EG[X.] Rn. 21; Soergel/von [X.], [X.], 12. Aufl., [X.]. 29 EG[X.] Rn. 11). Dabei ist der Begriff der "Erbringung von Dienstleistungen" in [X.]. 29 Abs. 1 EG[X.] nach dessen Schutzzweck weit auszulegen. Er umfasst tätigkeits-bezogene Leistungen aufgrund von Dienst-, Werk-, Werklieferungs- und Geschäftsbesorgungsverträgen (Senatsurteile vom 26. Oktober 1993 - [X.], [X.], 380, 385 und vom 13. Dezember 2005 - [X.], [X.], 248, 253; [X.], Urteil vom 19. März 1997 - [X.], [X.]Z 135, 124, 130 f.). Maßgebend ist, dass die geschuldete tätigkeitsbezogene Leistung für den Vertrag prägende Bedeutung hat (vgl. [X.], Urteil vom 19. März 1997 - [X.], [X.]Z 135, 124, 131; [X.]/[X.], aaO, [X.]. 29 EG[X.] Rn. 61). Handelt es sich hingegen bei der geschuldeten tätigkeitsbezogenen Leistung um eine untergeordnete Nebenleistung, liegt kein Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne des [X.]. 29 Abs. 1 EG[X.] vor (vgl. Senatsurteil vom 13. Dezember 2005 - [X.], [X.], 248, 253; [X.], Urteil vom 19. März 1997 - [X.], [X.]Z 135, 124, 131; [X.], [X.], 255, 259; MünchKomm[X.]/[X.]y, aaO, [X.]. 29 EG[X.] Rn. 20).

aa) Gemessen daran stuft das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft Verwaltungsleistungen der [X.]            bzw. der [X.] als wesentliche Dienstleistungen im Rahmen des zwischen ihr und dem Beklagten geschlossenen Vertrages ein.

(1) Das Darlehen diente ausweislich der vertraglich vereinbarten Zweckbestimmung dem Aufbau der Altersvorsorge. Gegenüber der [X.]          gab der Beklagte als Anlageziel "Vermögenszuwachs" an. Zur Erreichung dieses Ziels investierte der Beklagte nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts den Darlehensbetrag sowie das eingesetzte Eigenkapital in die Beteiligung an einem "[X.]    Garantie Fonds". Das bei der Klägerin aufgenommene Darlehen diente somit der Finanzierung des Erwerbs dieser Kapitalanlage.

(2) Dem steht nicht entgegen, dass - nach Auffassung des Berufungsgerichts - der Beklagte im Zusammenhang mit seiner Investition - mittelbar - auch für die Verwaltung anfallende Kosten zu tragen hatte.

Solche Gebühren betreffen untergeordnete Nebenleistungen (vgl. [X.], [X.], 255, 257; [X.], Beschluss vom 15. November 2012 - [X.], [X.], n.v.), die typischer Weise mit einer Beteiligung an einem Investmentfonds verbunden sind. Diese Leistungen besitzen schon angesichts des Verhältnisses der hierfür üblicherweise vereinbarten Entlohnung von zwischen 0,3 und 2,0% des [X.] (vgl. [X.], [X.], 3. Aufl., Rn. 136) zur Investitionssumme für den [X.] keine prägende Bedeutung.

Darüber hinaus ist die gemäß [X.]. 29 EG[X.] erforderliche Zweckbindung zwischen dem streitgegenständlichen Darlehen und Verwaltungsleistungen der [X.]         nicht gegeben. Die laufenden Verwaltungskosten sollten nach dem Vertragszweck, einen Vermögenszuwachs zu erzielen, nicht aus dem streitgegenständlichen Darlehen finanziert werden, sondern aus den mit der Investition erwirtschafteten Erträgen. Zu einem Vermögenszuwachs beim Beklagten konnte die Investition erwartungsgemäß nämlich nur dann führen, wenn die mit ihr erzielten Erträge mindestens die [X.] sowie die laufenden Verwaltungskosten decken. Besondere Verwaltungskosten sollten - wie das Berufungsgericht unangegriffen festgestellt hat - ohnehin vom Versicherungsnehmer später an die [X.]         nachgeschossen werden.

bb) Zu Unrecht macht die Revisionserwiderung geltend, [X.]. 29 Abs. 1 EG[X.] sei auf den streitgegenständlichen Kreditvertrag anzuwenden, weil dieser der Finanzierung eines Kapitallebensversicherungsvertrages und damit einer Dienstleistung gedient habe.

Zwar trifft es zu, dass die Gewährung von Versicherungsschutz als Dienstleistung anzusehen ist (vgl. [X.], NJW 1987, 572, 573; MünchKomm[X.]/[X.]y, 4. Aufl., [X.]. 29 EG[X.] Rn. 18; Soergel/von [X.], [X.], 12. Aufl., [X.]. 29 EG[X.] Rn. 7; [X.], Internationales Versicherungsvertragsrecht, 1997, [X.]. 15 [X.] Rn. 5) und Versicherungsverträge dementsprechend als Dienstleistungsverträge im Sinne des [X.]. 29 Abs. 1 EG[X.] eingestuft werden können (vgl. Armbrüster in [X.]/[X.], [X.], 28. Aufl., Vor [X.]. 7 [X.] Rn. 23). Soweit Versicherungsverträge aber gemäß [X.]. 37 Satz 1 Nr. 4 EG[X.] nicht den Regelungen der [X.]. 27 bis 36 EG[X.], sondern den [X.]. 7 bis 15 [X.] in der bis zum 16. Dezember 2009 geltenden Fassung (nachfolgend: aF) unterworfen sind, beansprucht [X.]. 29 Abs. 1 EG[X.] keine Geltung (vgl. [X.]/[X.], [X.], Bearb. 2002, [X.]. 29 EG[X.] Rn. 30 und 53; Münch-Komm[X.]/[X.]y, aaO, [X.]. 29 EG[X.] Rn. 18; [X.], Internationales Versicherungsvertragsrecht, 1997, [X.]. [X.]. 7 [X.] Rn. 17).

So liegen die Dinge hier. Der Versicherungsschutz, der dem in [X.] wohnhaften Beklagten für den Fall seines Todes gewährt wurde, deckte nach [X.]. 37 Satz 1 Nr. 4 EG[X.] in Verbindung mit [X.]. 7 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a [X.] aF ein in der [X.] belegenes Risiko. [X.] jedoch schon der Lebensversicherungsvertrag nicht in den Anwendungsbereich des [X.]. 29 EG[X.], gilt dies - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - erst recht nicht für den hier streitgegenständlichen Darlehensvertrag, mit dem der Beklagte diesen Lebensversicherungsvertrag finanziert hat.

cc) Anders als die Revisionserwiderung annimmt, rechtfertigt vorliegend auch nicht die Verweisung in [X.]. 15 [X.] aF auf die [X.]. 27 bis 36 EG[X.] eine Anwendung des [X.]. 29 Abs. 1 EG[X.] zugunsten des Beklagten. Denn [X.]. 15 [X.] aF findet auf Kreditverträge keine Anwendung. Der sachliche Anwendungsbereich der [X.]. 8 bis 15 [X.] aF wird durch [X.]. 7 Abs. 1 [X.] aF bestimmt ([X.], Internationales Versicherungsvertragsrecht, 1997, [X.]. 7 [X.] Rn. 1; Bruck/[X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., Einf. Int. VersR Rn. 23 f.). Danach knüpfen diese Vorschriften an die in [X.]. 7 Abs. 1 [X.] aF genannten Versicherungsverträge an, sodass sich die [X.]. 8 ff. [X.] aF und damit auch [X.]. 15 [X.] aF nicht auf Kreditverträge beziehen. Von der Rückverweisung nach [X.]. 15 [X.] aF auf die allgemeinen vertragsrechtlichen Kollisionsregeln der [X.]. 27 bis 36 EG[X.] wird daher der hier in Streit stehende Kreditvertrag nicht erfasst.

b) Entgegen der weiter von der Revisionserwiderung vertretenen Auffassung ist der streitgegenständliche Kreditvertrag auch für sich genommen nicht als Dienstleistungsvertrag im Sinne des [X.]. 29 Abs. 1 EG[X.] anzusehen. [X.] fallen nämlich nicht allgemein unter [X.]. 29 Abs. 1 EG[X.] ([X.]/[X.], [X.], Bearb. 2002, [X.]. 29 EG[X.] Rn. 56 mwN; MünchKomm[X.]/[X.]y, 4. Aufl., [X.]. 29 EG[X.] Rn. 22 mwN; Soergel/von [X.], [X.], 12. Aufl., [X.]. 29 EG[X.] Rn. 11). Nach Systematik und Wortlaut erfasst [X.]. 29 Abs. 1 EG[X.] Kreditverträge nur dann, wenn sie der Finanzierung einer Dienstleistung oder der Lieferung einer beweglichen Sache dienen (vgl. zutreffend [X.], [X.], 255, 259; [X.]/[X.], aaO, [X.]. 29 EG[X.] Rn. 54).

Dem steht nicht entgegen, dass der Senat in anderem Zusammenhang die Vergabe von Bankkrediten als "Erbringung von Dienstleistungen" eingeordnet hat (vgl. Senatsurteil vom 28. Februar 2012 - [X.], [X.], 747 Rn. 21). Ob die Gewährung eines Darlehens eine Dienstleistung im Sinne des im dort entschiedenen Fall auszulegenden [X.]. 5 Nr. 1 Buchst. b 2. Spiegelstrich EuGVVO ist, war nach dem [X.] autonom auszulegenden Wortlaut dieser Norm zu entscheiden (vgl. Senatsurteil vom 28. Februar 2012 - [X.], [X.], 747 Rn. 16), der nicht mit dem des [X.]. 29 Abs. 1 EG[X.] übereinstimmt. Da in [X.]. 29 Abs. 1 EG[X.] ausdrücklich nur bestimmte Finanzierungsverträge genannt werden, kann bei dessen Auslegung insoweit nicht Rechtsprechung übernommen werden, die zu Regelungen ergangen ist, die diese Präzisierung nicht enthalten.

III.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Nach den in der Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen kommt weder eine entsprechende Anwendung des [X.]. 29 Abs. 1 EG[X.] in Betracht (vgl. [X.], Urteile vom 13. Dezember 2005 - [X.], [X.], 248, 254 f. und vom 19. März 1997 - [X.], [X.]Z 135, 124, 133 ff.) noch eine Anwendung der [X.] Vorschriften über den Widerruf von Verbraucherkrediten nach [X.]. 34 EG[X.] (vgl. [X.], Urteile vom 13. Dezember 2005 - [X.], [X.], 248, 255 ff. und vom 19. März 1997 - [X.], [X.]Z 135, 124, 135 f.).

IV.

1. Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 ZPO).

Der Senat ist zwar befugt, das maßgebliche ausländische Recht selbst festzustellen, da das Berufungsgericht entsprechende Feststellungen nicht getroffen hat ([X.], Urteile vom 21. Februar 1962 - [X.], [X.]Z 36, 348, 356, vom 29. Februar 1968 - [X.], [X.]Z 49, 384, 387 und vom 27. Mai 1993 - [X.], [X.]Z 122, 373, 378; [X.]/[X.], 4. Aufl., § 563 Rn. 27; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 563 Rn. 31). Er macht vorliegend aber von der ihm nach § 563 Abs. 4 ZPO gegebenen Möglichkeit Gebrauch, das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da eingehende Ermittlungen des liechtensteinischen Rechts (vgl. [X.], Urteil vom 30. April 1992 - [X.], [X.]Z 118, 151, 168) und ggf. eine weitere Aufklärung des Sachverhalts erforderlich sind.

2. Das Berufungsgericht wird unter Beachtung der nach § 293 ZPO bestehenden Anforderungen (vgl. [X.], Urteil vom 30. April 1992 - [X.], [X.]Z 118, 151, 163 f.) gemäß [X.]. 27 Abs. 4 EG[X.] in Verbindung mit [X.]. 31 Abs. 1 EG[X.] zu klären haben, ob sich die Parteien in Ziffer 12 des streitgegenständlichen Kreditvertrages nach dem Recht des [X.] wirksam auf die Anwendung von liechtensteinischem Recht geeinigt haben. Soweit das Berufungsgericht danach die Anwendbarkeit von liechtensteinischem Recht auf den Kreditvertrag bejahen sollte, wird weiter zu ermitteln sein, ob dem Beklagten nach liechtensteinischem Recht ein Widerrufsrecht oder ein vergleichbares Recht zusteht, sich von dem Kreditvertrag zu lösen. [X.] sind die Rechtsfolgen einer solchen Rechtsausübung nach liechtensteinischem Recht zu klären. Soweit nicht schon die Rechtsfolgen eines Widerrufs den [X.] entfallen lassen und sich die mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüche nicht aus einer etwaigen Rückabwicklung des Kreditverhältnisses nach liechtensteinischem Recht rechtfertigen, wird sich das Berufungsgericht damit zu befassen haben, ob dem Beklagten gegen die Klägerin Schadenersatzansprüche nach liechtensteinischem Recht zustehen.

Im Rahmen des nach § 293 ZPO bei der Ermittlung des ausländischen Rechts auszuübenden Ermessens wird zu bedenken sein, dass zur Verfahrensbeschleunigung gemäß § 411a ZPO ein bereits erstelltes Sachverständigengutachten ohne Zustimmung beider Parteien dann verwertet werden kann, wenn es in einem Gerichtsverfahren oder von der Staatsanwaltschaft eingeholt worden ist.

[X.]                            Ellenberger                            Maihold

                     Matthias                               Derstadt

Meta

XI ZR 77/13

16.09.2014

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 30. Januar 2013, Az: 13 U 99/11

Art 27 BGBEG vom 21.09.1994, Art 29 BGBEG vom 21.09.1994, § 355 BGB vom 02.12.2004, § 358 BGB vom 23.07.2002, § 495 Abs 1 BGB vom 23.07.2002

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.09.2014, Az. XI ZR 77/13 (REWIS RS 2014, 2925)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2925

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