Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.09.2011, Az. 26 W (pat) 543/10

26. Senat | REWIS RS 2011, 2866

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Stern Tours" – kein Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 003 472.6

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 28. September 2011 durch [X.] Fuchs-Wissemann, [X.] und die Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 des [X.] vom 8. Juni 2010 aufgehoben.

Gründe

I

1

Die Markenstelle für Klasse 39 des [X.] hat die Anmeldung der für die Dienstleistungen

2

"39 Beförderung von Passagieren; Beförderung von Personen; Beförderung von Reisenden; Buchung von Reisen; Reservierungsdienste (Reisen); Veranstaltung von Reisen und Ausflugsfahrten

3

41 Auskünfte über Freizeitaktivitäten; Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung; Organisation und Durchführung von kulturellen und sportlichen Veranstaltungen; Platzreservierungen für Unterhaltungsveranstaltungen; sportliche und kulturelle Aktivitäten

4

43 Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen; Vermietung von Ferienhäusern; Zimmerreservierung; Zimmerreservierung in Hotels; Zimmerreservierung in Pensionen; Zimmervermittlung (Hotel, Pensionen)"

5

bestimmten Wortmarke

6

Stern [X.]

7

mit Beschluss vom 8. Juni 2010 zurückgewiesen, weil der angemeldeten Marke für die in der Anmeldung aufgeführten Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]). Zur Begründung hat sie ausgeführt, die angemeldete Marke setze sich aus dem [X.] Begriff "Stern" und der den inländischen Verbrauchern bekannten [X.] Bezeichnung "[X.]" zusammen, die dem [X.] Wort "Touren" entspreche und auch "(Rund-)Reisen", "(Rund-)Fahrten", "Ausflüge" und "Wanderungen" bezeichne und in der Werbung umfangreich an Stelle dieser [X.] Begriffe verwendet werde. Der inländische Durchschnittsverbraucher werde die angemeldete Marke daher ohne Weiteres dahingehend verstehen, dass die in der Anmeldung aufgeführten Dienstleistungen eine spezielle Art von Touren zum Gegenstand hätten, nämlich [X.] bzw. -rundfahrten, und in ihr angesichts dieses beschreibenden [X.] keinen Hinweis auf die Herkunft der Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen sehen. Dass es sich bei dem Markenbestandteil "Stern" auch um einen Familiennamen handele, ändere nichts an dieser Beurteilung, da sich in Verbindung mit dem weiteren Markenwort "[X.]" der beschreibende Charakter der angemeldeten Marke aufdränge. Die Voreintragung von Marken wie "James Cook [X.]", "Thomas Cook [X.]" sowie "Cook´s [X.]" und die Tatsache, dass der Anmelder [X.] heiße und für ihn die Domain "sterntours" registriert sei, könnten die Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ebenfalls nicht herbeiführen. Die Frage, ob der Eintragung der angemeldeten Marke für die beanspruchten Dienstleistungen auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegensteht, hat die Markenstelle dahingestellt gelassen.

8

Dagegen wendet sich der Anmelder mit der Beschwerde. Er ist der Ansicht, bei der angemeldeten Marke handele es sich nicht um eine die beanspruchten Dienstleistungen beschreibende Angabe und ihr fehle auch nicht jegliche Unterscheidungskraft. Der von der Markenstelle als beschreibend dargestellte Begriff "Sterntour(en)" sei der [X.] Sprache fremd. Er finde sich weder in Wörterbüchern noch im [X.]. [X.] sei insoweit ausschließlich der Begriff "Sternfahrt(en)". Auch im [X.] gebe es keine "Stern [X.]". Die [X.] Übersetzung des [X.] Begriffs "Sternfahrt" laute auch nicht "[X.]", sondern "rally". Die Interessenten und Abnehmer von Reisedienstleistungen seien zudem daran gewöhnt, dass Reiseanbieter häufig ihren Namen in Verbindung mit Begriffen wie "Reisen" oder "[X.]" verwendeten. Eine solche Verbindung eines Namens mit Begriffen wie "Reisen", "Urlaub" oder "Touren" sei deshalb auch geeignet, die Dienstleistungen dieses Unternehmens von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

9

Der Anmelder beantragt sinngemäß,

den angefochtenen Beschluss der Markenstelle aufzuheben.

II

Die zulässige Beschwerde des Anmelders erweist sich als begründet. Bei der angemeldeten Marke handelt es sich nicht um eine Angabe, die zur Bezeichnung der in der Anmeldung aufgeführten Dienstleistungen dienen kann (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]) und ihr fehlt entgegen der Ansicht der Markenstelle auch nicht jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]).

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] dürfen Marken nicht eingetragen werden, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche zur Beschreibung der jeweils beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen können. Bereits die bloße Eignung einer Angabe oder eines Zeichens, zur Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen eingesetzt werden zu können, erfüllt den Tatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. Unerheblich ist, ob die fragliche Marke in ihrer beschreibenden Bedeutung bereits im Verkehr bekannt ist oder beschreibend verwendet wird. Vielmehr reicht es aus, dass sie zu diesem Zweck verwendet werden kann (st. Rspr., z. [X.] GRUR 2004, 146, Nr. 32 - [X.]; [X.] 2008, 160, Nr. 35 - [X.]). § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass beschreibende Zeichen und Angaben von jedermann frei verwendet werden können. Maßgeblich ist deshalb in erster Linie der objektiv beschreibende Charakter der betreffenden Zeichen und Angaben. Die subjektive Beurteilung der Marke kann allerdings Bedeutung für die Vorfrage haben, ob die fragliche Marke aus Sicht der beteiligten Verkehrskreise als beschreibende Bezeichnung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen verständlich ist und deshalb gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] im Verkehr zur Beschreibung dieser Waren und Dienstleistungen dienen kann. Die beteiligten Verkehrskreise müssen sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten und direkten beschreibenden Bezug zwischen der Marke und den beanspruchten Waren und Dienstleistungen herstellen können bzw. es muss vernünftigerweise zu erwarten sein, dass sie zukünftig eine solche Verbindung herstellen können ([X.] GRUR 2010, 534, Nr. 53 - [X.]). Letzteres ist bei der angemeldeten Marke nicht der Fall.

Bei der angemeldeten Marke handelt es sich nicht um eine in der [X.] oder der [X.] Sprache gebräuchliche beschreibende Angabe über bestimmte Eigenschaften von Reisen oder Touren. Gegenteiliges hat auch die Markenstelle nicht festgestellt. Der angemeldeten Marke fehlt in der konkret beanspruchten Form auch die Eignung, zukünftig als beschreibende Angabe für die in der Anmeldung aufgeführten Dienstleistungen dienen zu können, weil sie vom Verkehr in dieser Form nicht als beschreibende Angabe verstanden wird. Zwar gibt es, was auch der Anmelder nicht in Abrede stellt, im [X.] den Begriff "Sternfahrten", mit dem solche Fahrten bezeichnet werden, die von verschiedenen Ausgangspunkten in Richtung auf ein gemeinsames Ziel hin durchgeführt werden. Zutreffend ist auch die weitere Feststellung der Markenstelle, dass im [X.] an Stelle der Begriffe "Reise" und "Ausflug" vermehrt der ursprünglich aus dem [X.] bzw. [X.] stammende Begriff "Tour" verwendet wird. Bei einer mehrteiligen [X.] kommt es für die Schutzfähigkeit letztlich jedoch nicht entscheidend auf die einzelnen Markenteile, sondern auf die Schutzfähigkeit der Marke in ihrer Gesamtheit an. Deshalb darf aus dem beschreibenden Charakter der einzelnen Bestandteile nicht ohne Weiteres auch für die [X.] ein Schutzhindernis i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] hergeleitet werden (st. Rspr., z. [X.] GRUR 2004, 943, [X.]. 28 und 35 - SAT.2; [X.] 2011, 65, Nr. 10 - Buchstabe T mit Strich). Selbst die Verbindung von Markenbestandteilen, die für sich gesehen alle schutzunfähig sind, kann daher eintragungsfähig sein. Zwar geht der beschreibende Charakter mehrerer Wörter nicht ohne Weiteres bereits durch ihre Zusammenfügung verloren. Vielmehr bleibt im Allgemeinen die bloße Verbindung von beschreibenden Bestandteilen selbst beschreibend, sofern kein merklicher Unterschied zwischen der Kombination in ihrer Gesamtheit und der bloßen Summe der Bestandteile besteht (st. Rspr., z. [X.] GRUR 2004, 680, [X.]. 39 - 41 - [X.]; [X.] 2009, 949, Nr. 13 - [X.]). Eine diese Summenwirkung übersteigende und damit schutzbegründende Wirkung kann aber durch eine besondere sprachliche Ausgestaltung oder durch die Ungewöhnlichkeit der Kombination erzielt werden ([X.], 607, 608 f., - [X.] charme; GRUR-Prax 2010, 175 - derma fit).

Eine solche ungewöhnliche Kombination liegt bei der angemeldeten Marke vor. Diese verbindet den [X.] Begriff "Stern" nämlich nicht sprachgerecht mit dem im [X.] üblichen Plural des Begriffs "Tour", nämlich "Touren", zu dem neuen, aber sprachlich korrekten Gesamtwort "[X.]", sondern mit dem [X.] bzw. [X.] Wort "[X.]" zu der sprachlich ungewöhnlichen Bezeichnung "Stern [X.]". Für eine Entwicklung dahingehend, dass an Stelle des geläufigen Begriffs "Sternfahrten" oder neben diesen Begriff als weitere beschreibende Angabe die Bezeichnung "Stern [X.]" tritt, fehlt es an ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten. Insbesondere findet sich auch im [X.] kein Hinweis darauf, dass das Wort "Stern" oder andere [X.] Begriffe in Verbindung mit dem [X.] Wort "[X.]" zur Beschreibung der beanspruchten Dienstleistungen Verwendung finden. Es handelt sich bei der angemeldeten Marke auch nicht um eine insgesamt englischsprachige Bezeichnung, da eine "Sternfahrt", wie der Anmelder zutreffend ausführt, im [X.] nicht als "stern tour" oder "star tour", sondern als "rally" bezeichnet wird. Da die angemeldete Marke somit nicht sprachregelkonform gebildet und auch nicht erkennbar ist, dass sie gegenwärtig oder zukünftig als beschreibende Angabe für die beanspruchten Dienstleistungen dienen könnte , besteht kein Allgemeininteresse an ihrer Freihaltung zu Gunsten der Mitbewerber.

Der angemeldeten Marke fehlt für die in der Anmeldung aufgeführten Dienstleistungen auch nicht jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]).

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter unterscheidbar zu machen (vgl. [X.] GRUR 2006, 233, 235 Nr. 45 - Standbeutel; [X.] GRUR 2003, 604, 608, Nr. 62 - [X.]). Die Eintragung als Marke kommt nur in Betracht, wenn ein Zeichen diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (vgl. [X.] GRUR 2003, 55, 57 f., Nr. 51 - [X.]; BGH [X.] 2006, 395, 397, Nr. 18 - [X.] m. w. N.). Ist dies nicht der Fall, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das fragliche Zeichen mit seiner Eintragung in das Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. [X.] GRUR 2006, 608, 610, Nr. 59 - [X.]; [X.] a. a. O. Nr. 26 - SAT.2; [X.] a. a. O. Nr. 60 - [X.]). Um das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zu überwinden, reicht nach ständiger Rechtsprechung des [X.] jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft aus (vgl. z. B. BGH a. a. O., Nr. 28 - [X.]).

Auch für die Beurteilung der Unterscheidungskraft von aus sachbezogenen Begriffen gebildeten neuen Wörtern und [X.] gilt, dass es für die Schutzfähigkeit der [X.] nicht ausschlaggebend ist, ob die einzelnen Wortelemente unterscheidungskräftig sind. Entscheidend ist ausschließlich, ob der damit entstandenen Gesamtaussage die Eignung zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung zukommt ([X.] a. a. O., Nr. 37 - [X.]; a. a. O., Nr. 42 - [X.]).

Hiervon ausgehend kann der angemeldeten Wortmarke für die in der Anmeldung aufgeführten Dienstleistungen auch das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Die angemeldete Marke ist, wie bereits zu § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] ausgeführt wurde, in der Verbindung der einzelnen Wortelemente sprachlich ungewöhnlich. Hinsichtlich der Gründe hierfür wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Angesichts dieser sprachlichen Ungewöhnlichkeit und der Tatsache, dass es sich bei dem Markenbestandteil "Stern" zugleich um einen im Inland nicht ungewöhnlichen Familiennamen handelt, sowie der weiteren Tatsache, dass der Begriff "[X.]" auf dem Gebiet des Angebots und der Veranstaltung von Reisen und anderen Touren der eigentlichen Firmenbezeichnung häufig nachgestellt wird, ist zu erwarten, dass die angesprochenen Verkehrskreise die angemeldete Marke "Stern [X.]" ohne nähere analysierende Betrachtung sowohl bei visueller als auch bei akustischer Wahrnehmung nicht als ein Angebot von Sternfahrten, sondern als ein Angebot von Touren durch ein Unternehmen mit dem Namen "Stern" verstehen und seinem Bestandteil "Stern" deshalb einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Dienstleistungen entnehmen werden. Bei dieser Sachlage war der Beschwerde des Anmelders stattzugeben und der mit der Beschwerde angegriffene Beschluss antragsgemäß aufzuheben.

Meta

26 W (pat) 543/10

28.09.2011

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.09.2011, Az. 26 W (pat) 543/10 (REWIS RS 2011, 2866)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2866

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