Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.03.2013, Az. IV B 81/11

4. Senat | REWIS RS 2013, 7012

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Gegenstand

Geänderter Gewinnfeststellungsbescheid während des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde


Leitsatz

1. NV: Der Gewinnfeststellungsbescheid kann als teilbarer Verwaltungsakt eine Vielzahl selbständig anfechtbarer Feststellungen enthalten.  

2. NV: In entsprechender Anwendung des § 127 FGO ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen, wenn im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ein geänderter Gewinnfeststellungsbescheid zu Lasten des Steuerpflichtigen ergeht, der entsprechend § 68 FGO Gegenstand des Verfahrens wird.  

3. Ein nachträglich geänderter Gewinnfeststellungsbescheid wird nach § 68 FGO nur hinsichtlich der bereits zulässig mit der Klage angefochtenen Besteuerungsgrundlage (partiell) Gegenstand des anhängigen Verfahrens.   

4. Das Rechtsschutzbedürfnis des FA entfällt, wenn es während des Beschwerdeverfahrens den streitgegenständlichen Gewinnfeststellungsbescheid entsprechend dem Klagebegehren des Klägers ändert.

Tatbestand

1

A. Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) beteiligte sich Ende 1996 als atypisch stiller Gesellschafter an einer [X.]. [X.] strengte der Kläger eine zivilrechtliche Klage an, mit der er die Feststellung der Unwirksamkeit der atypisch stillen Beteiligung begehrte. Mit [X.] vom 16. Januar 2006 stellte der [X.] ([X.]) die Unwirksamkeit der atypisch stillen Beteiligungsverträge fest und verurteilte die [X.] zur Rückzahlung der Einlage an den Kläger unter Berücksichtigung bereits erfolgter Auszahlungen und Steuervorteile (Schadensersatz).

2

Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --[X.]--) stellte mit Bescheid vom 15. Dezember 2006 für den Kläger als atypisch stiller Gesellschafter der [X.] laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 366,66 DM gesondert und einheitlich für das Streitjahr 2001 fest ([X.]). Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

3

In der Einspruchsentscheidung vom 18. September 2008 berücksichtigte das [X.] zusätzlich 33 [X.]; daneben stellte es für den Kläger erstmals einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 61.573 DM fest.

4

Auf die dagegen erhobene Klage hob das [X.] ([X.]) den [X.] für das Streitjahr auf. Es war der Ansicht, dass im Streitfall von Anfang an kein wirksames atypisch stilles Gesellschaftsverhältnis begründet worden sei und die in Folge der Rückabwicklung gezahlten Geldleistungen weder nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft als laufender Gewinn noch als Veräußerungs- oder Aufgabegewinn bei dem Kläger zu berücksichtigen seien. Die Revision ließ das [X.] nicht zu.

5

Das [X.] hat gegen das Urteil Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt und beantragt, die Revision zur Fortbildung des Rechts und wegen diverser Verfahrensfehler zuzulassen.

6

Während des Beschwerdeverfahrens erließ das [X.] am 13. Juli 2012 einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung geänderten [X.] für das Streitjahr. In diesem stellte es für den Kläger neben einem laufenden Gewinn in Höhe von 599,99 DM einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 0 DM fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.

Entscheidungsgründe

7

B. Die Beschwerde hat zum Teil Erfolg.

8

Sie ist hinsichtlich der Feststellung des laufenden Gewinns für den Kläger und der dieser Gewinnzurechnung zu Grunde liegenden Feststellung des Bestehens der Mitunternehmerstellung des [X.] mit der Maßgabe begründet, dass die Vorentscheidung in entsprechender Anwendung des § 127 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen ist (s. dazu I.). Im Übrigen ist die Beschwerde unzulässig, soweit sie die Feststellung des Veräußerungsgewinns des [X.] betrifft (s. dazu unter [X.]).

9

I. Das Urteil des [X.] ist in entsprechender Anwendung des § 127 [X.]O aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen, weil das [X.] im Verlauf des [X.] am 13. Juli 2012 einen geänderten [X.] erlassen hat, der hinsichtlich der Feststellung des laufenden Gewinns für den Kläger und der dieser Gewinnzurechnung zu Grunde liegenden Feststellung des Bestehens der Mitunternehmerstellung des [X.] gemäß § 68 [X.]O zum Verfahrensgegenstand geworden ist (vgl. Beschlüsse des [X.] --BFH-- vom 18. Dezember 2003 II B 31/00, [X.], 35, [X.], 237, unter [X.] der Gründe; vom 30. Januar 2009 IV B 90/07, juris, unter [X.] der Gründe). Die Aufhebung und Zurückverweisung käme nur dann nicht in Betracht, wenn eine geänderte Feststellung keine gegenüber den bisherigen Belastungen verbösernde Entscheidung enthält oder die geänderte Entscheidung nicht streitig ist ([X.] vom 16. Juni 2010 X B 91/09, [X.], 1844, unter 1. der Gründe).

1. § 68 [X.]O ist auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde entsprechend anwendbar (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.] in [X.], 35, [X.], 237, unter [X.] der Gründe; in [X.], 1844, m.w.N.). Es kommt insoweit nicht darauf an, ob gegen die durch die geänderte Feststellung bewirkte [X.] nur rechtliche Einwendungen möglich sind; diese Beurteilung kann im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht vorgenommen werden ([X.] in [X.], 35, [X.], 237, unter [X.] der Gründe).

2. Allerdings sind bei der Anwendung des § 68 [X.]O die Besonderheiten des gerichtlichen Rechtsschutzes gegen [X.]e zu beachten.

Ein [X.] kann eine Vielzahl selbständiger und damit auch selbständig anfechtbarer Feststellungen enthalten, die eigenständig in Bestandskraft erwachsen können. Solche selbständige Regelungen (Feststellungen) sind u.a. die Feststellung des Vorliegens einer Mitunternehmerschaft, die Höhe des laufenden Gewinns (oder Verlusts) sowie das Vorliegen und die Höhe eines Veräußerungsgewinns (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 19. Juli 2011 IV R 42/10, [X.], 226, [X.], 878, unter B.[X.]1.a der Gründe, m.w.N.; vom 23. Februar 2012 IV R 32/09, [X.], 1479, unter [X.]1.c aa der Gründe). Der [X.] ist deshalb ein teilbarer Verwaltungsakt. Damit wird ein nachträglich geänderter [X.] nach § 68 [X.]O nur hinsichtlich der bereits zulässig mit der Klage angefochtenen Besteuerungsgrundlagen (partiell) Gegenstand des anhängigen Verfahrens (so für das Klageverfahren: BFH-Urteil vom 9. Februar 2011 IV R 15/08, [X.], 290, [X.], 764).

3. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der geänderte [X.] vom 13. Juli 2012 hinsichtlich der Feststellung des laufenden Gewinns für den Kläger und der dieser Gewinnzurechnung zu Grunde liegenden Feststellung des Bestehens der Mitunternehmerstellung des [X.] gemäß § 68 [X.]O zum Verfahrensgegenstand geworden, da beide Feststellungen Gegenstand des Klage- bzw. des [X.] waren/sind. Da die geänderte Feststellung des laufenden Gewinns und damit einhergehend die inzidente Feststellung der Mitunternehmerstellung des [X.] [X.] des [X.] betreffen und der laufende Gewinn zum Nachteil des [X.] abgeändert worden ist, kann die Aufhebung der Vorentscheidung und die Zurückverweisung der Sache an das [X.] auch nicht ausnahmsweise unterbleiben.

4. Angesichts der Beschwerdebegründung des [X.] weist der Senat für den zweiten Rechtsgang --allerdings ohne Bindungswirkung-- auf folgende Gesichtspunkte hin:

a) Das [X.] hat, anders als das [X.] meint, den [X.] 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung nur insoweit ersatzlos aufgehoben, als dieser wegen der Mitunternehmerstellung sowie des laufenden Gewinns und des Veräußerungsgewinns von dem Kläger angefochten worden ist. Dass das [X.] über das Klagebegehren des [X.] hinausgehen wollte, ist nicht ersichtlich und kann auch nicht dem Tenor der Vorentscheidung entnommen werden.

b) Ausgehend von diesem Klagebegehren des [X.] leidet die Vorentscheidung allerdings unter einem Begründungsmangel. Denn in den Entscheidungsgründen finden sich lediglich Ausführungen dazu, ob der dem Kläger --durch das [X.] des [X.] zugesprochene Schadensersatz zu einem steuerpflichtigen Veräußerungs- oder Aufgabegewinn oder zu einem laufenden Gewinn aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes geführt habe. Keine Ausführungen sind demgegenüber dazu enthalten, ob der Kläger Mitunternehmer gewesen ist und ihm deshalb zu Recht Gewinne zugerechnet worden sind.

c) Das [X.] wird zudem zu prüfen haben, ob möglicherweise der Inhaber des Handelsgewerbes, hier die [X.], in seiner Eigenschaft als Empfangsbevollmächtigter (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 [X.]O) oder aus eigenem Recht (§ 48 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 [X.]O) notwendig oder einfach beizuladen ist. Auch wird das [X.] zu prüfen haben, ob weitere atypisch stille Gesellschafter (notwendig) zum Verfahren beizuladen sind. Eine solche Beiladung könnte u.a. dann erforderlich sein, wenn die Feststellung der fehlenden Mitunternehmerstellung des [X.] oder seine ihm zugerechneten Einkünfte Auswirkungen auf den Gewinn der anderen (vermeintlichen) atypisch stillen Gesellschafter haben könnten.

[X.] Im Übrigen ist die Beschwerde wegen der Feststellung des Veräußerungsgewinns unzulässig. Denn das Rechtsschutzbedürfnis des [X.] als Beschwerdeführer an der Durchführung eines Revisionsverfahrens ist durch den Erlass des geänderten Feststellungsbescheids vom 13. Juli 2012 im Hinblick auf diese selbständige Feststellung entfallen.

Durch die geänderte Feststellung des Veräußerungsgewinns auf 0 DM hat das [X.] dem Klagebegehren des [X.] in vollem Umfang entsprochen. Da der geänderte [X.] insoweit dem Tenor der Vorentscheidung entspricht, fehlt es dem [X.] an dem für ein zukünftiges Revisionsverfahren erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis und damit zugleich auch an einem Rechtsschutzbedürfnis für das vorliegende Beschwerdeverfahren.

I[X.] Von einer weiteren Begründung wird nach § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]O abgesehen.

IV. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens wird nach § 143 Abs. 2 [X.]O dem [X.] übertragen. Auch bei nur teilweiser Zurückverweisung der Sache muss dem [X.] die Entscheidung über die gesamten Kosten des Verfahrens übertragen werden (Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17. März 2010 IV R 25/08, [X.], 509, [X.] 2010, 622).

Meta

IV B 81/11

27.03.2013

Bundesfinanzhof 4. Senat

Beschluss

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 18. Mai 2011, Az: 3 K 438/08, Urteil

§ 68 Abs 1 FGO, § 127 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.03.2013, Az. IV B 81/11 (REWIS RS 2013, 7012)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7012

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