Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.02.2012, Az. IV R 31/09

4. Senat | REWIS RS 2012, 8844

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Gegenstand

(Teilanfechtung eines Gewinnfeststellungsbescheides; Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG für nachträgliche Einkünfte)


Leitsatz

1. NV: Ein während des finanzgerichtlichen Verfahrens geänderter Gewinnfeststellungsbescheid wird nach § 68 FGO nur hinsichtlich der bereits zulässig mit der Klage angefochtenen Besteuerungsgrundlagen (partiell) Gegenstand des anhängigen Verfahrens. Gegen die übrigen im Änderungsbescheid korrigierten Besteuerungsgrundlagen kann der Steuerpflichtige Einspruch einlegen.    

2. NV: Nachträgliche Einkünfte nach einer Betriebsaufgabe sind nicht mehr durch Betriebsvermögensvergleich, sondern in sinngemäßer Anwendung des § 4 Abs. 3 EStG unter Berücksichtigung des Zu- und Abflussprinzips gem. § 11 EStG zu ermitteln.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) --eine GbR-- betrieb auf einem eigenen Grundstück ein Tagungshotel und führte gegen Entgelt verschiedene Aus- und Fortbildungsveranstaltungen durch. Auf Grund wirtschaftlicher Schwierigkeiten stellte die Klägerin den Tagungsbetrieb 1995 ein und verpachtete das gesamte Objekt zunächst an die [X.] Ab [X.] 1998 stand das Objekt leer. Am 21. Oktober 1999 wurde das gesamte Grundstück für 1,4 Mio. DM versteigert.

2

Die Klägerin ermittelte für 1999 (Streitjahr) durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einen laufenden Verlust von 325.090,94 DM und in einer "[X.]" zum 31. Dezember 1999 einen Veräußerungsverlust von 497.901,43 DM.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) veranlagte die Klägerin weitgehend erklärungsgemäß. Auf Grund weiterer aktenkundiger Aufwendungen berücksichtigte es in dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr vom 26. Oktober 2001 bei den laufenden Einkünften aus Gewerbebetrieb einen Verlust in Höhe von 330.412,94 DM und daneben einen Veräußerungsverlust in Höhe von 497.482,34 DM. Der Bescheid erging gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung ([X.]) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

4

Da die Verbindlichkeiten durch den [X.] nur zum Teil befriedigt werden konnten, kam es in der Folgezeit zu Verhandlungen der Klägerin mit den Gläubigern, die schließlich zu einem Teilerlass der Restverbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 1.776.279 DM führten.

5

Nach Kenntnisnahme von diesem Umstand vertrat das [X.] die Auffassung, dass der Erlass der Verbindlichkeiten durch die Gläubiger rückwirkend zu einem Veräußerungsgewinn geführt habe.

6

Mit Änderungsbescheid vom 15. März 2004 stellte das [X.] die Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1999 nunmehr in Höhe von 869.166,32 DM fest, die sich --insoweit unverändert-- aus einem laufenden Verlust in Höhe von 330.412,94 DM und einem Veräußerungsgewinn in Höhe von 1.199.579,26 DM zusammensetzten. Gleichzeitig wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.

7

Gegen den Änderungsbescheid erhob die Klägerin mit Zustimmung des [X.] Sprungklage, die unter dem Aktenzeichen 6 K 1864/04 beim [X.] ([X.]) anhängig war. Mit dieser Klage begehrte sie die Änderung des Feststellungsbescheides dahin, dass ein Veräußerungsgewinn nicht zu berücksichtigen sei und hilfsweise, dass der Veräußerungsgewinn im Wege einer Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163 Satz 1 [X.] nur in Höhe von 159.549,46 DM festgestellt werde. Zur Begründung des [X.] machte die Klägerin insbesondere geltend, dass ein Veräußerungsgewinn (nunmehr als [X.]) bereits im Veranlagungszeitraum 1998 und nicht im Streitjahr zu erfassen sei.

8

Das [X.] schloss sich während des Klageverfahrens 6 K 1864/04 der Ansicht der Klägerin an, dass der Betrieb bereits in 1998 aufgegeben worden und deshalb der [X.] in 1998 zu berücksichtigen sei. Im Hinblick auf die bisher im Streitjahr berücksichtigten laufenden Einkünfte vertrat es allerdings die Auffassung, dass diese ebenfalls einer neuen rechtlichen Beurteilung zu unterziehen seien. Sie seien nunmehr als nachträgliche Einkünfte zu berücksichtigen, sofern die Klägerin den Abfluss der geltend gemachten Aufwendungen nachweise.

9

Vor Abschluss des Klageverfahrens 6 K 1864/04 erließ das [X.] am 4. April 2005 einen weiteren geänderten Feststellungsbescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr (im Weiteren Änderungsbescheid) und stellte darin den Veräußerungsgewinn, gestützt auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a [X.], sowie die laufenden Einkünfte, gestützt auf § 174 [X.], jeweils mit 0 DM fest. In den Erläuterungen zum Bescheid ist u.a. der Hinweis enthalten, dass die laufenden Einkünfte mit 0 DM geschätzt worden seien, weil die Klägerin den tatsächlichen Abfluss der Betriebsausgaben in 1999 nicht durch Belege nachgewiesen habe.

Die Klägerin ging davon aus, dass sich durch die Herabsetzung des Veräußerungsgewinns auf 0 DM ihr Klagebegehren in dem Verfahren 6 K 1864/04 erledigt habe, da die Klage nur gegen die Feststellung des Veräußerungsgewinns gerichtet gewesen sei. Der Feststellungsbescheid im Übrigen, also insbesondere die Feststellung der laufenden Einkünfte, sei deshalb in Bestandskraft erwachsen. Der Änderungsbescheid vom 4. April 2005 sei hinsichtlich der laufenden Einkünfte auch nicht gemäß § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden.

Da das [X.] einer Erledigung des Verfahren 6 K 1864/04 widersprach, beantragte die Klägerin in diesem Verfahren, die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festzustellen, hilfsweise, die laufenden Einkünfte wie erklärt in Höhe eines Verlustes von 330.412,94 DM festzustellen und weiter hilfsweise, das [X.] zu verpflichten, einen negativen Feststellungsbescheid für 1999 zu erlassen.

Das [X.] hat die Klage 6 K 1864/04 in vollem Umfang abgewiesen. Über die dagegen unter dem Aktenzeichen IV R 32/09 anhängige Revision hat der erkennende Senat mit Urteil vom 23. Februar 2012 ebenfalls entschieden.

 

Entsprechend ihrer in dem Klageverfahren 6 K 1864/04 vertretenen Rechtsansicht legte die Klägerin am 15. April 2005 Einspruch gegen den Änderungsbescheid ein, soweit darin die laufenden Einkünfte unter Abänderung des Feststellungsbescheides vom 15. März 2004 mit 0 DM festgestellt worden sind.

Das [X.] verwarf diesen Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 11. Mai 2006 als unzulässig.

Die dagegen gerichtete Klage, mit der die Klägerin begehrte, den Änderungsbescheid vom 4. April 2005 in Gestalt der [X.] insoweit zu ändern, als laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit einem Verlust von 330.412,94 DM berücksichtigt werden und hilfsweise, einen negativen Feststellungsbescheid für 1999 zu erlassen, hatte keinen Erfolg. Das [X.] ging davon aus, dass der Einspruch gegen den Änderungsbescheid gemäß § 68 Satz 2 [X.]O unzulässig gewesen und deshalb auch die dagegen erhobene Klage ohne weitere Sachprüfung als unbegründet abzuweisen sei.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Der Einspruch gegen den Änderungsbescheid vom 4. April 2005, der sich nur gegen den Ansatz des laufenden Gewinns gerichtet habe, sei nicht gemäß § 68 Satz 2 [X.]O unzulässig, da sie, die Klägerin, in dem Verfahren 6 K 1864/04 nur die Feststellung des Veräußerungsgewinns angefochten habe. Für eine Änderung des Feststellungsbescheides vom 15. März 2004 hinsichtlich des laufenden Gewinns fehle es an einer verfahrensrechtlichen Grundlage. Die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 [X.] lägen im Streitfall hinsichtlich des laufenden Gewinns nicht vor. Ungeachtet dessen wäre der Klage aber auch deshalb stattzugeben, weil sie, die Klägerin, unter Ausübung des ihr zustehenden Wahlrechts den Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG habe ermitteln dürfen. Dieses Wahlrecht habe der Klägerin auch dann zugestanden, wenn im Streitfall nachträgliche Einkünfte nach Beendigung der gewerblichen Tätigkeit anzunehmen wären.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung und den Änderungsbescheid vom 4. April 2005, soweit er die laufenden Einkünfte aus [X.] betrifft, sowie die Einspruchsentscheidung vom 11. Mai 2006 aufzuheben.

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das [X.] habe den Einspruch zu Recht als unzulässig angesehen, weil die geänderte Feststellung des laufenden Gewinns Gegen-stand des anhängigen Klageverfahrens 6 K 1864/04 geworden sei. Die Feststellung des laufenden Gewinns und des [X.]s hätten nur gemeinsam angefochten werden können. Zu Recht habe das [X.] den Klageantrag in dem Verfahren 6 K 1864/04 entsprechend ausgelegt. Die Frage, ob die Betriebsaufgabe im Streitjahr oder in einem früheren Jahr stattgefunden habe, sei untrennbar damit verbunden, ob überhaupt noch gemeinschaftlich gewerbliche Einkünfte erzielt worden seien und damit die Voraussetzungen für ein Feststellungsverfahren gegeben seien.

Der Änderungsbescheid sei auch materiell rechtmäßig. Nach Betriebsaufgabe oder Veräußerung sei eine Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG nicht mehr möglich. Denn ab diesem Zeitpunkt sei kein Betriebsvermögen mehr vorhanden.

Entscheidungsgründe

II. 1. Der [X.] geht auf Grund der Feststellungen des [X.] in dem Verfahren 6 K 1864/04 davon aus, dass die Klägerin gegenwärtig noch nicht vollbeendet ist. Demzufolge war die Klägerin gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 [X.]O klagebefugt. Die Klage gegen den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen kann daher im Streitfall nur von den gemeinschaftlich zur Vertretung berechtigten Gesellschaftern namens der Klägerin erhoben werden (vgl. dazu Urteil des [X.] --BFH-- vom 29. Juni 2004 IX R 39/03, [X.], 1371). Es ist nicht ersichtlich, dass die Gesellschafter daneben auch persönlich gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 4 oder 5 [X.]O klagebefugt sind. Der [X.] hat das Rubrum daher entsprechend geändert.

2. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O). Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da das [X.] die Klage gegen den Änderungsbescheid vom 4. April 2005 und die Einspruchsentscheidung vom 11. Mai 2006 zu Unrecht ohne weitere Sachprüfung als unbegründet abgewiesen hat. Der von der Klägerin gegen den Änderungsbescheid vom 4. April 2005 eingelegte Einspruch, soweit er die Feststellung der laufenden Einkünfte betrifft, war nicht nach § 68 Satz 2 [X.]O unzulässig.

a) Gemäß § 68 Satz 2 [X.]O ist ein Einspruch gegen einen neuen Verwaltungsakt insoweit ausgeschlossen, als dieser gemäß § 68 Satz 1 [X.]O einen angefochtenen Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ändert und deshalb Gegenstand des laufenden Klageverfahrens wird. Nach § 68 Satz 1 [X.]O wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Die Vorschrift setzt voraus, dass beide Bescheide dieselbe Steuersache betreffen. Der Anwendungsbereich des § 68 [X.]O ist nicht eröffnet, wenn ein teilbarer Verwaltungsakt nur teilweise angefochten wird und sich der Änderungsbescheid nur auf den nicht angefochtenen Teil bezieht (BFH-Urteile vom 9. Februar 2011 IV R 15/08, [X.], 290, [X.], 764, und vom 14. April 2011 IV R 36/08, [X.], 1361). Auch der [X.] ist wegen der in ihm enthaltenen selbständigen Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen ein teilbarer Verwaltungsakt (vgl. BFH-Urteil vom 4. November 2003 VIII R 38/01, [X.], 1372). Ein nachträglich geänderter [X.] wird daher nach § 68 [X.]O nur hinsichtlich der in zulässiger Weise mit der Klage angefochtenen Besteuerungsgrundlagen (partiell) Gegenstand des anhängigen Verfahrens (BFH-Urteil in [X.], 290, [X.], 764). Wird eine in einem nachträglichen Änderungsbescheid geänderte Besteuerungsgrundlage nicht nach § 68 [X.]O Gegenstand des Verfahrens, kann der Steuerpflichtige innerhalb der einmonatigen Einspruchsfrist bei der Finanzbehörde Einspruch einlegen (BFH-Urteil in [X.], 290, [X.], 764).

b) Wie der [X.] in dem Revisionsverfahren IV R 32/09 mit Urteil vom 23. Februar 2012 entschieden hat, hat die Klägerin den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1999 vom 15. März 2004 in dem vor dem [X.] Köln unter dem Aktenzeichen 6 K 1864/04 anhängigen Klageverfahren nur hinsichtlich des Veräußerungsgewinns angefochten. Zur Begründung nimmt der [X.] auf die Ausführungen in dem [X.] vom 23. Februar 2012 Bezug. Der Änderungsbescheid vom 4. April 2005, mit dem sowohl die Feststellung des Veräußerungsgewinns als auch die des laufenden Gewinns geändert worden sind, ist daher gemäß § 68 Satz 1 [X.]O nur bezüglich der Feststellungen des Veräußerungsgewinns zum Gegenstand des Verfahrens 6 K 1864/04 geworden (vgl. BFH-Urteil in [X.], 290, [X.], 764). Da die in dem Änderungsbescheid vom 4. April 2005 festgestellten laufenden Einkünfte nicht nach § 68 [X.]O Gegenstand des Verfahrens 6 K 1864/04 geworden sind, konnte die Klägerin, wie geschehen, innerhalb der einmonatigen Einspruchsfrist bei dem [X.] Einspruch einlegen.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das [X.] hat ausgehend von seiner Rechtsansicht keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Voraussetzungen für den Erlass des Änderungsbescheides vorlagen, soweit darin die laufenden Einkünfte mit 0 DM festgestellt worden sind. Der [X.] kann deshalb nicht in der Sache selbst entscheiden. Er verweist die Sache daher an das [X.] zurück.

Hinsichtlich der weiteren Sachbehandlung weist der [X.] ohne Bindungswirkung auf Folgendes hin:

a) Das [X.] wird zunächst zu klären haben, ob der Änderungsbescheid vom 4. April 2005, soweit er die hier alleine streitige Feststellung der laufenden Einkünfte 1999 betrifft, auf eine die Bestandskraft durchbrechende Änderungsnorm gestützt werden konnte. In Betracht kommen insoweit insbesondere die Regelungen des § 174 Abs. 4 [X.] und des § 173 [X.]. Das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 173 [X.] wäre insbesondere dann im Einzelnen zu prüfen, wenn die Tatsachen, die das [X.] veranlasst haben, die Betriebsaufgabe in 1998 anzunehmen, diesem erst nachträglich --etwa im [X.] bekannt geworden sind.

Im Hinblick auf die Regelung des § 174 Abs. 4 [X.] ist anzumerken, dass eine Änderung oder Aufhebung eines Steuerbescheides zugunsten des Steuerpflichtigen wegen der irrigen Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts nur dann zum Anlass für die Aufhebung oder die Änderung eines weiteren Steuerbescheides genommen werden kann, wenn der zuerst geänderte Bescheid in seiner ursprünglichen Fassung objektiv rechtswidrig war (BFH-Urteil vom 4. März 2009 I R 1/08, [X.], 312, [X.], 407). Insoweit bedarf es der Feststellung, ob der Veräußerungs- bzw. [X.] zutreffend in 1998 statt wie in dem Feststellungsbescheid vom 15. März 2004 in 1999 zu erfassen war. Ist der Betrieb, wie von der Klägerin vorgetragen und vom [X.] den beiden [X.] vom 4. April 2005 für 1998 und 1999 zu Grunde gelegt, in 1998 aufgegeben worden, kommt es jedenfalls für die Ermittlung der laufenden Einkünfte im Streitjahr nicht darauf an, ob ein etwaiger Gewinn aus der Veräußerung der Grundstücke nach allgemeinen Gewinnrealisierungsgrundsätzen als begünstigter Aufgabegewinn im Streitjahr zu erfassen gewesen wäre. Denn für die Frage, ab welchem Zeitpunkt nachträgliche Einkünfte i.S. des § 24 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 15 EStG vorliegen, kommt es auf den Zeitpunkt der Erstellung der [X.] an. Diese ist aber auf den Zeitpunkt der Beendigung der betrieblichen Tätigkeit und nicht auf den Zeitpunkt der jeweiligen Aufgabehandlung, hier den Zeitpunkt der Grundstücksveräußerung, aufzustellen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 19. Mai 2005 IV R 17/02, [X.], 384, [X.] 2005, 637).

b) Im Hinblick auf die materielle Rechtmäßigkeit des angefochtenen Änderungsbescheides weist der [X.] auf Folgendes hin:

Zu Recht ist das [X.] davon ausgegangen, dass die laufenden Einkünfte des Streitjahres in entsprechender Anwendung des § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln sind (dazu unter aa). Davon ausgehend wäre es unter Berücksichtigung des gegenwärtigen Erkenntnisstandes nicht zu beanstanden, wenn das [X.] die laufenden Einkünfte der Klägerin mit 0 DM schätzt (dazu unter bb).

aa) Soweit nach einer Betriebsaufgabe noch steuerrelevante Ereignisse eintreten, können diese zu nachträglichen Einkünften gemäß § 24 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 15 EStG führen. Dies betrifft auch nachträgliche Verluste aus der ehemaligen gewerblichen Tätigkeit der Klägerin. Die nachträglichen Einkünfte sind indes nicht mehr nach den Grundsätzen des [X.]s (§ 4 Abs. 1, § 5 EStG), sondern in sinngemäßer Anwendung des § 4 Abs. 3 EStG unter Berücksichtigung des Zu- und Abflussprinzips gemäß § 11 EStG zu ermitteln (BFH-Urteile vom 22. Februar 1978 I R 137/74, [X.], 42, [X.] 1978, 430; vom 21. Dezember 1993 VIII R 315/84, [X.] 1994, 626, und vom 2. Dezember 1997 VIII R 42/96, [X.], 1, [X.] 2008, 177; offengelassen in den [X.] vom 24. Oktober 1979 VIII R 49/77, [X.], 334 , [X.] 1980, 186, und vom 6. März 1997 IV R 47/95, [X.], 78, [X.] 1997, 509).

Der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG liegt eine Bewertung von Bilanzpositionen unter Bildung stiller Reserven zu Grunde. Die in den [X.] einzubeziehenden Wirtschaftsgüter werden letztmalig im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung bzw. Betriebsaufgabe in der Schlussbilanz erfasst. Soweit in den zu diesem Zeitpunkt noch vorhandenen Wirtschaftsgütern stille Reserven enthalten sind, erhöhen diese den [X.] bzw. Veräußerungsgewinn. Aktive Wirtschaftsgüter gelten, soweit sie nicht veräußert werden, als in das Privatvermögen überführt. Ein Betriebsvermögensvergleich im Sinne einer Gegenüberstellung des Aktiv- und des [X.] ist deshalb ab dem Zeitpunkt einer Betriebsveräußerung oder einer Betriebsaufgabe nicht mehr möglich. Auch sind bei einem Betriebsvermögensvergleich die Bewertungsvorschriften des EStG anzuwenden. Der danach ggf. anzusetzende Teilwert gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG beruht aber z.B. auf der Annahme, dass der Betrieb unverändert fortgeführt wird (vgl. [X.] vom 11. Februar 1999 XI S 14/98, [X.] 1999, 926). Dieser Würdigung steht auch die Rechtsprechung nicht entgegen, wonach die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich als Grundform nach § 4 Abs. 1 EStG immer dann einschlägig ist, wenn der Steuerpflichtige keine (wirksame) Wahl für die eine oder andere Gewinnermittlungsart getroffen hat (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 57/07, [X.], 513, [X.] 2009, 659). Denn dabei wird vorausgesetzt, dass ein Betriebsvermögensvergleich noch durchgeführt werden kann. Dies ist vorliegend aber für das Streitjahr zu verneinen.

Ebenso wenig kann aus dem Umstand, dass die nach der Betriebsaufgabe noch fortbestehenden Verbindlichkeiten dem negativen Betriebsvermögen der Klägerin zuzuordnen sind, ein Argument für die Notwendigkeit der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich abgeleitet werden. Denn Änderungen im Bestand der Verbindlichkeit sind, soweit sie auf Tilgungsleistungen beruhen, steuerlich irrelevant. Soweit sie durch den Erlass der Verbindlichkeit bedingt sind, haben sie nur (rückwirkend) Einfluss auf die Höhe des [X.]. Die Erfassung der für die fortbestehenden Verbindlichkeiten aufgewandten Schuldzinsen erfordert deshalb keinen "partiellen" Bestandsvergleich.

Kommt eine Gewinnermittlung nach Betriebsvermögensvergleich nicht in Betracht, ist der Gewinn zwingend entsprechend den Grundsätzen des § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln. Zwar scheidet eine unmittelbare Anwendung aus, weil die Vorschrift voraussetzt, dass eine Buchführungspflicht nicht besteht und der Steuerpflichtige auch nicht freiwillig Bücher führt und Abschlüsse macht. Der Grundgedanke der Vorschrift muss aber auch dann zur Anwendung kommen, wenn es sich um betriebliche Einkünfte handelt, diese aber nicht nach den Grundsätzen des [X.] ermittelt werden dürfen und es demgemäß unerheblich ist, ob der Steuerpflichtige etwa freiwillig Bücher führt (BFH-Urteil in [X.], 42, [X.] 1978, 430). Soweit der erkennende [X.] in der Entscheidung in [X.], 78 [X.] 1997, 509 für die Ermittlung nachträglicher gewerblicher Einkünfte lediglich ein Wahlrecht zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG erwogen hat, hält er daran nicht mehr fest.

bb) Es ist nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das [X.] in Ausübung seiner eigenen Schätzungsbefugnis gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1  2. Halbsatz [X.]O in Anlehnung an die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch das [X.] gemäß §§ 162, 181 [X.] die laufenden Einkünfte mit 0 DM festgestellt hat. Die nachträglichen Einkünfte der Klägerin sind wie dargelegt unter Berücksichtigung des Zu- und Abflussprinzips gemäß § 11 EStG zu ermitteln. Die Klägerin hat den tatsächlichen Abfluss der Betriebsausgaben weder dem [X.] noch dem [X.] nachgewiesen. Sollte der Klägerin ein entsprechender Nachweis im 2. Rechtsgang nicht gelingen, hätte der [X.] keinen Anlass, das gefundene Schätzungsergebnis in Frage zu stellen.

Meta

IV R 31/09

23.02.2012

Bundesfinanzhof 4. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 24. April 2008, Az: 6 K 2496/06, Urteil

§ 68 S 1 FGO, § 68 S 2 FGO, § 96 Abs 1 FGO, § 162 AO, § 181 AO, § 4 Abs 1 EStG 1997, § 4 Abs 3 EStG 1997, § 5 EStG 1997, § 24 Nr 2 EStG 1997, § 2 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 1997, § 11 EStG 1997, § 15 EStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.02.2012, Az. IV R 31/09 (REWIS RS 2012, 8844)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8844

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