Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.01.2016, Az. 3 StR 490/15

3. Strafsenat | REWIS RS 2016, 17961

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2016:120116B3STR490.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 490/15
vom
12. Januar 2016
in der Strafsache
gegen

wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 12. Januar 2016
gemäß § 349 Abs. 4 [X.] einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Oberlan-desgerichts Düsseldorf vom 6.
März
2015
aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an einen anderen Strafsenat des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.]
hat den Angeklagten
wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheits-strafe von sechs Jahren verurteilt. Nach den von ihm getroffenen Feststellun-gen war der Angeklagte in der [X.] von Juni 2003 bis März 2010 als [X.] in verschiedenen Funktionen für die [X.] ([X.] [X.], [X.]) tätig. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sein Rechtsmittel hat mit der [X.] Erfolg, das erkennende Gericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, § 338 Nr. 1 [X.]. Auf die weitere Verfahrens-
und die Sachrüge kommt es daher nicht an.
1
-
3
-
1. Der Besetzungsrüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
a) Das Präsidium des [X.] entschied am 19. Dezember 2012 über die Geschäftsverteilung für das [X.]. Danach
waren der 5. und der 6. Strafsenat für erstinstanzliche St[X.]tsschutzstrafverfahren zuständig. Zum [X.]punkt seiner Entscheidung hatte das Präsidium Kenntnis davon, dass in dem Strafverfahren gegen K.

die Erhebung der Anklage unmittelbar be-vorstand; die Anklageschrift des [X.] ging sodann am 20.
Dezember 2012 bei dem [X.] ein. Nach dem [X.] für das [X.] war für die Verhandlung und Entscheidung die-ser Sache der 6. Strafsenat zuständig. Dessen Vorsitzende zeigte am 7. Januar 2013 gegenüber dem Präsidium die Überlastung des [X.]s an. Dieser [X.] seit dem 25. Juli 2012 in einem Verfahren, dessen Ende noch nicht absehbar sei. Darüber hinaus werde in einem weiteren Verfahren am 21. [X.] 2013 die Hauptverhandlung beginnen, deren Abschluss Ende April 2013 er-wartet werde. Schließlich stehe nach Aufhebung und Zurückverweisung durch den [X.] Mitte Dezember 2012 in einem dritten Verfahren die Hauptverhandlung an. Hierbei handele es sich um eine besonders dringliche Haftsache, da der Angeklagte sich bereits seit über sechs Jahren in Untersu-chungshaft befinde. Der [X.] sehe sich deshalb nicht in der Lage, in der [X.] gegen K.

mit der für Haftsachen gebotenen Beschleunigung das Zwi-schenverfahren durchzuführen und gegebenenfalls in einem "überschaubaren [X.]raum" die Hauptverhandlung anzuberaumen.
Daraufhin beschloss das Präsidium am 18.
Januar 2013 im Wege einer Einzelzuweisung, dass der 5. Strafsenat das Verfahren gegen K.

über-nimmt. Zu diesem [X.]punkt war bereits bekannt, dass demnächst auch gegen den hiesigen Angeklagten Anklage erhoben werden sollte. Die diesbezügliche 2
3
4
-
4
-
Anklageschrift des [X.] ging am 23. Januar 2013 bei dem [X.] ein. Nach dem Geschäftsverteilungsplan war für diese [X.] ebenfalls der 6. Strafsenat zuständig. Dessen Vorsitzende veranlasste am 24. Januar 2013 die Übersetzung und Zustellung der Anklageschrift. Am 15.
Februar 2013 ergänzte sie ihre Überlastungsanzeige in dem Verfahren ge-gen K.

und führte u.a. aus, das seit dem 25. Juli 2012 verhandelte [X.] könne "keinesfalls vor September 2013" abgeschlossen werden. Das vor-liegende Verfahren erwähnte sie nicht. Das Präsidium fasste daraufhin am 6.
März 2013 einen der [X.] vom 18. Januar 2013 gleich-lautenden Beschluss, den es ergänzend mit dem Vortrag der erweiterten Über-lastungsanzeige begründete.
Noch am selben Tage fertigte die Vorsitzende des [X.] nun-mehr eine Überlastungsanzeige in dem hiesigen Verfahren. Darin wies sie auf den [X.]punkt des Eingangs der Anklage hin und führte aus, es handele sich um eine Haftsache, bei der der Angeklagte sich seit dem 27. April 2012 in [X.] befinde. Im Übrigen legte sie -
den Ausführungen in ihren Überlastungsanzeigen in dem Verfahren gegen K.

entsprechend -
die Be-lastung des [X.] dar und erklärte, der [X.] sei gehindert, bereits das Zwischenverfahren in der Strafsache gegen den Angeklagten innerhalb des gesetzlich gebotenen [X.]raumes durchzuführen. Abschließend bat sie um ei-nen Präsidiumsbeschluss, durch den die Strafsache gegen den Angeklagten auf einen anderen Strafsenat übertragen werde. Das Präsidium beschloss [X.] am 26. März 2013, "aus Anlass der durch die Vorsitzende mit Schreiben vom 06.03.2013 angezeigten Überlastung des [X.]"
die Geschäfts-verteilung für das [X.] zu ändern, und bestimmte, dass der 5.
Strafsenat das konkret genannte Verfahren gegen den Angeklagten übernimmt. Weitere, 5
-
5
-
im vorliegenden Zusammenhang relevante Regelungen traf das Präsidium nicht.
Zu Beginn der Hauptverhandlung gegen K.

am 16. April 2013 be-anstandete der dortige Angeklagte die Besetzung, was der 5. Strafsenat am 17.
April 2013 zurückwies. In der hiesigen Sache erhob der Angeklagte in der am 5. Juni 2013 beginnenden Hauptverhandlung ebenfalls die Besetzungsrüge.
In dieser legte er den Verfahrensgang -
einschließlich der das Verfahren gegen K.

betreffenden wesentlichen Umstände -
unter Vorlage insbesondere der maßgeblichen Erklärungen der Vorsitzenden des [X.] und der ergan-genen Entscheidungen des Präsidiums dar und trug auch
zur Zuständigkeit der betreffenden [X.]e
vor. Er machte geltend, die Zuständigkeit des [X.] sei willkürlich begründet worden; dies folge aus dem Fehlen eines Ge-samtkonzepts zum Belastungsausgleich zwischen den Strafsenaten, der suk-zessiven und damit steuernden Niederlegung der für die Präsidiumsentschei-dung bedeutsamen Umstände und der vorgenommenen gezielten Einzelüber-tragung. Dem Einwand nicht beigefügt war lediglich der Geschäftsverteilungs-plan des [X.]; auch erklärte der Angeklagte nicht ausdrücklich, dass nach diesem der 5. und der 6. Strafsenat sich gegenseitig vertreten. Der Vorsitzende des [X.] bat daraufhin das Präsidium, die für die Überlei-tung des hiesigen Verfahrens maßgeblichen Gründe unter Berücksichtigung der erhobenen Einwände zu dokumentieren. Das Präsidium nahm hierzu [X.] mit Beschluss vom 11. Juni 2013 Stellung und erläuterte sein
Vorgehen unter Darstellung der Belastungssituation auch des [X.]. Am 12. Juni 2013 wies der 5. Strafsenat den [X.] zurück. Er machte Be[X.]ken gegen die Zulässigkeit des Einwands geltend und führte in der Sache aus, das Präsidium habe sich von dem Gedanken leiten lassen, dass die Ver-fahren möglichst von einem ebenfalls mit erstinstanzlichen Strafsachen betrau-6
-
6
-
ten Strafsenat übernommen werden sollten, um die Einrichtung eines Hilfs-senats zu vermeiden. Eine unzulässige Einzelzuweisung liege nicht vor. [X.] der Belastung des [X.] sei eine abstrakt-generelle, mehrere oder gar eine unbestimmte Zahl künftig eingehender Verfahren erfassende
Regelung nicht in Betracht gekommen.
Dem tritt die Revision im Wesentlichen mit der bereits in dem [X.] vorgebrachten Begründung entgegen. Mit den Beschlüssen vom 26. März und 11. Juni 2013 habe das Präsidium das Prinzip der Einzelzuwei-sungen und den Verzicht auf ein Gesamtkonzept zum Belastungsausgleich in-stitutionalisiert.
b) Der [X.] hat in dem Strafverfahren gegen K.

mit Beschluss vom 12. Mai 2015 (3 StR 569/14, NJW 2015, 2597) das erstinstanzliche Urteil auf eine der hiesigen Besetzungsrüge entsprechende Beanstandung aufgeho-ben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Oberlan-desgericht zurückverwiesen.
2. Die Besetzungsrüge dringt auch hier durch.
a) Die Beanstandung ist nicht nach § 338 Nr. 1 Buchst. [X.] präkludi-ert; denn der [X.] ist in der Hauptverhandlung den Vorgaben des § 222b Abs. 1 [X.] entsprechend, insbesondere in der von § 222b Abs. 1 Satz 2 [X.] vorgeschriebenen Form, geltend gemacht worden. Dem steht nicht entgegen, dass der Angeklagte seinem Einwand nicht den [X.] des [X.] beigefügt und nicht ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass die Mitglieder des 5. und [X.] sich gegenseitig vertreten.
7
8
9
10
-
7
-
[X.]) Das auf den [X.] in den erstinstanzlichen Verfahren vor den Landgerichten und [X.]en eröffnete Zwischenverfahren dient dazu, die Prüfung und Beanstandung der Gerichtsbesetzung auf den von § 222b Abs. 1 Satz 1 [X.] beschriebenen [X.]punkt vorzuverlegen, damit ein Fehler rechtzeitig aufgedeckt und gegebenenfalls geheilt wird. Damit wird auch dem Recht des Angeklagten, sich nur vor seinem gesetzlichen [X.] verant-worten zu müssen, besser Rechnung getragen, als wenn er darauf verwiesen würde, dieses Recht erst mit der Revision geltend zu machen ([X.], Urteil vom 9. April 2009 -
3 [X.], [X.]St 53, 268, 279). Mit den durch das [X.] 1979 eingeführten Rügepräklusionsvorschriften der §
338 Nr. 1, § 222b Abs. 1 [X.] wollte der Gesetzgeber erreichen, dass [X.] bereits in einem frühen Verfahrensstadium erkannt und geheilt werden, um zu vermeiden, dass ein möglicherweise mit großem justiziellem Aufwand zustande gekommenes Strafurteil allein wegen eines Besetzungsfeh-lers im Revisionsverfahren aufgehoben und in der Folge die gesamte [X.] -
mit erheblichen Mehrbelastungen sowohl für die Strafjustiz als auch für den Angeklagten -
wiederholt werden muss (BT-Drucks. 8/976 S. 24 ff.). Deshalb müssen zum einen alle Beanstandungen gleichzeitig geltend ge-macht werden, § 222b Abs. 1 Satz 3 [X.]. Zum anderen werden mit Blick auf den Normzweck und im Sinne der Intentionen des Gesetzgebers hohe [X.] an den Inhalt des [X.]s gestellt. Die [X.] entsprechen jedenfalls weitgehend den Rügevoraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] ([X.], Urteile vom 25. Oktober 2006 -
2 [X.], [X.], 536; vom 30. Juli 1998 -
5 StR 574/97, [X.]St 44, 161, 162; vgl. auch BT-Drucks. 8/976 S. 47).
11
-
8
-
bb) Diesem Maßstab genügen die Ausführungen des Angeklagten in dem in der Hauptverhandlung erhobenen Einwand. Es erscheint bereits frag-lich, ob die Vorlage des [X.] des Tatgerichts, die bei [X.] nach § 338 Nr. 1 [X.] in der Revisionsinstanz für zumindest regel-mäßig erforderlich gehalten wird ([X.], Beschluss vom 29. Juni 2006 -
4 StR
146/06, juris Rn. 5; KK-Gericke, [X.], 7. Aufl., § 344 Rn. 44), auch gegenüber dem erstinstanzlichen Spruchkörper notwendig ist. Dagegen spricht vor allem, dass ein Angeklagter annehmen darf, dass zumindest den Berufsrichtern der Inhalt des ihr eigenes Gericht betreffenden [X.] geläufig ist und sich dessen Vorlage somit in einer reinen [X.] erschöpfen würde (vgl. auch [X.], Urteil vom 30. Juli 1998 -
5 StR 574/97, [X.]St 44, 161, 163
zur Notwendigkeit der Vorlage von Urkunden, die sich in den Strafakten befin[X.]). Daneben versteht es sich jedenfalls nicht in jedem Falle von selbst, [X.] Bedeutung der vollständige Inhalt des [X.] für die Frage hat, ob die Zuweisung einer Sache durch einen Beschluss des Präsidi-ums
an einen bestimmten Spruchkörper den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Dies bedarf hier allerdings keiner näheren Betrachtung, denn der Angeklagte hat mit seinem Einwand alle den konkreten Fall betreffenden erheblichen Un-terlagen, insbesondere die Entscheidungen des Präsidiums und die Anzeigen der Vorsitzenden des [X.], vollständig vorgelegt. Diesen waren auch die für die Entscheidungen über den [X.] wesentlichen [X.] zu entnehmen, die für den 5. und 6. Strafsenat
des Ober-landesgerichts galten. Anhaltspunkte dafür, dass die dortigen Angaben nicht der Sach-
und Rechtslage entsprachen, bestehen nicht. Das Tatgericht war somit in der Lage, anhand der maßgeblichen Tatsachen zu beurteilen, ob ein Besetzungsmangel vorhanden ist. Damit konnte das Zwischenverfahren nach §
222[X.] seinen Sinn und Zweck in effektiver Weise erfüllen, bereits zu Beginn der Hauptverhandlung und nicht erst in der Revisionsinstanz zu klären, 12
-
9
-
ob das erkennende Gericht vorschriftsmäßig besetzt ist. Hierfür war schließlich der Umstand, dass sich die Mitglieder der beiden [X.]e gegenseitig vertraten, auch mit Blick auf die Rechtsprechung des [X.] ohne entscheidende Bedeutung.
b) [X.] ist begründet. Das erkennende Gericht war nicht vor-schriftsmäßig besetzt; denn das den Angeklagten betreffende Verfahren wurde nicht rechtmäßig auf den 5. Strafsenat übertragen. Dieser war somit nicht zur Verhandlung und Entscheidung berufen. Hierzu gilt Folgendes:
[X.]) Aus der Garantie des
gesetzlichen [X.]s in Art. 101 Abs. 1 Satz
2
GG folgt, dass Regelungen, die der Bestimmung des gesetzlichen Rich-ters dienen, im Voraus so eindeutig wie möglich festlegen müssen, welcher [X.] zur Entscheidung im Einzelfall berufen ist. Auch die die gesetzlichen Bestimmungen ergänzenden Regelungen in den Geschäftsverteilungsplänen der Gerichte müssen im Voraus generell-abstrakt die Zuständigkeit der Spruch-körper festschreiben, damit die einzelne Sache "blindlings" aufgrund allgemei-ner, vorab festgelegter Merkmale an den entscheidenden [X.] gelangt und so der Verdacht einer Manipulation der rechtsprechenden Gewalt ausgeschlos-sen wird. Das Gebot, den zur Entscheidung berufenen [X.] so eindeutig wie möglich im Voraus zu bestimmen, schließt eine Änderung des [X.] im laufenden Geschäftsjahr indes nicht aus. Gemäß § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG darf das Präsidium die nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift ge-troffenen Anordnungen im Laufe des Geschäftsjahres ändern, wenn dies etwa wegen Überlastung eines Spruchkörpers nötig wird. Eine nachträgliche Ände-rung der Geschäftsverteilung kann nicht nur zulässig, sondern verfassungs-rechtlich geboten sein, wenn nur auf diese Weise die Gewährung von Rechts-schutz innerhalb angemessener [X.], insbesondere eine beschleunigte Be-13

14
-
10
-
handlung von Strafsachen, erreicht werden kann. Das Beschleunigungsgebot lässt jedoch das Recht auf den gesetzlichen [X.] nicht vollständig [X.]. Vielmehr besteht Anspruch auf eine zügige Entscheidung durch diesen. Daher muss in derartigen Fällen das Recht des Angeklagten auf den gesetzli-chen [X.] mit dem rechtsst[X.]tlichen Gebot einer funktionstüchtigen [X.] und dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden.
Danach steht Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG einer Änderung des zuständi-gen Spruchkörpers auch für bereits anhängige Verfahren jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Neuregelung generell gilt, also etwa außer mehreren an-hängigen Verfahren auch eine unbestimmte Vielzahl künftig
eingehender [X.]n
erfasst, und nicht aus sachwidrigen Gründen geschieht. In [X.] kann sogar eine Änderung des [X.] zulässig sein, die ausschließlich bereits anhängige Verfahren überträgt, wenn nur so dem Be-schleunigungsgebot insbesondere in Haftsachen angemessen Rechnung ge-tragen werden kann. In diesen Fällen kann auf eine Erstreckung der Regelung auf künftig eingehende Verfahren ausnahmsweise dann verzichtet werden, wenn eine weiterreichende Umverteilung nur dazu dienen würde, die Abstrakt-heit der neuen Geschäftsverteilung zu dokumentieren.
Gleichgültig, ob ausschließlich anhängige Verfahren oder daneben auch zukünftig eingehende Verfahren umverteilt werden, muss jede Umverteilung während des laufenden Geschäftsjahres, die bereits anhängige Verfahren er-fasst, geeignet sein, die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wie-derherzustellen. Änderungen der Geschäftsverteilung, die hierzu nicht geeignet sind, können vor Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG keinen Bestand haben. [X.] folgt dieses Erfordernis aus § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG, da Änderungen 15
16
-
11
-
der Geschäftsverteilung, die nicht der Erhaltung oder Wiederherstellung der Effizienz eines Spruchkörpers dienen, nicht im Sinne dieser Vorschrift nötig
sind. Da eine Überleitung bereits anhängiger Verfahren, bei denen schon eine anderweitige Zuständigkeit konkretisiert und begründet war, in die Zuständigkeit eines anderen Spruchkörpers erhebliche Gefahren für das verfassungsrechtli-che Gebot des gesetzlichen [X.]s in sich birgt, bedarf es in solchen Fällen zudem einer umfassenden Dokumentation und Darlegung der Gründe, die eine derartige Umverteilung erfordern und rechtfertigen, um den Anschein einer will-kürlichen Zuständigkeitsverschiebung auszuschließen.
Ob ein Präsidiumsbeschluss den genannten Anforderungen entspricht, unterliegt der vollen Überprüfung durch das Revisionsgericht. Denn von Verfas-sungs wegen sind Regelungen der Zuständigkeit, anders als deren Anwen-dung, nicht lediglich am Maßstab der
Willkür, sondern auf jede Rechtswidrigkeit hin zu überprüfen (vgl. zu alldem [X.], Beschluss
vom 12. Mai 2015 -
3 StR 569/14, NJW 2015, 2597, 2598
f. m. zahlr. w. N.).
bb) Diesen Vorgaben wird der Präsidiumsbeschluss vom 26. März 2013 auch unter Berücksichtigung der "Ergänzungen"
vom 11. Juni 2013 nicht ge-recht.
Dabei kann es dahinstehen, ob Fälle denkbar sind, in denen eine spezi-elle Zuweisung eines einzigen bestimmten Verfahrens vor Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG überhaupt Bestand haben kann. Entscheidend ist hier vielmehr, dass das Vorgehen des Präsidiums, die nach dem Beschluss vom 19. Dezember 2012 eingehenden, nach der allgemeinen Geschäftsverteilung in die Zuständigkeit des [X.] fallenden Verfahren im Wege der "scheibchenweisen"
[X.] im laufenden Geschäftsjahr je nach konkreter, momentaner [X.] einem bestimmten [X.] zuzuweisen, vor dem Hintergrund 17
18
19
-
12
-
des Postulats des gesetzlichen [X.]s kein rechtlich tragfähiges Konzept zur Verteilung der anfallenden Geschäfte darstellt. Dies gilt auch mit Blick auf das nachvollziehbare Ziel des Präsidiums, auf diese Weise die erstinstanzlichen Strafsachen bei den beiden hierfür nach der allgemeinen Geschäftsverteilung zuständigen [X.]en zu belassen. Das Präsidium übertrug im vorliegenden Fall zum [X.] innerhalb kurzer [X.] bereits in den ersten Monaten des neuen Geschäftsjahres ein einzelnes Verfahren auf den 5. Strafsenat, ohne weitere Entlastungsmaßnahmen vorzunehmen. Dabei hatte die Vorsitzende des 6.
Strafsenats erstmals schon am 7. Januar 2013 und damit nur wenige Tage nach Beginn des neuen Geschäftsjahres angezeigt, ihr [X.] sei überlastet. Zum [X.]punkt der Übertragung des hiesigen Verfahrens am 26. März 2013 bestand die Erwartung, dass der 6. Strafsenat nicht vor September 2013 ein weiteres neu eingehendes Verfahren würde bearbeiten können. Wenn nicht bereits bei dem Beschluss über die Geschäftsverteilung für das [X.], so doch spätestens nach Eingang der Überlastungsmitteilungen der Vorsitzenden des [X.], war das Präsidium gehalten, eine der angezeigten Überlas-tung effektiv und dauerhaft entgegenwirkende nachhaltige Regelung zu treffen. Es sah dennoch -
erneut, wie schon bei der Übertragung des Verfahrens gegen K.

-
von einer Umverteilung über den konkreten Einzelfall hinaus ab, ohne dass erkennbar wird, weshalb die Übertragung allein des vorliegenden [X.]s auf einen anderen [X.] der Überlastung des [X.] für das [X.] wirksam entgegenzuwirken geeignet gewesen sein sollte. Eine derartige Handhabung, die zur Folge hat, dass auftretende Überlastungen
während des laufenden Geschäftsjahres auf Dauer mit der Zuweisung konkre-ter, einzelner bereits anhängiger Verfahren begegnet wird, ist nicht geeignet, die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen. Dem steht auch nicht entgegen, dass erfahrungsgemäß in St[X.]tsschutzstrafsachen weitaus weniger Verfahren bei Gericht eingehen als im Bereich der allgemeinen -
13
-
Strafsachen. Denn dieser Umstand schloss es nicht aus, dass bereits zeitnah nach dem Präsidiumsbeschluss ein weiteres -
und als Haftsache möglicher-weise eilbedürftiges Verfahren -
anhängig werden würde, das nach dem Grundkonzept der [X.] wiederum im Wege der -
dann drit-ten -
Einzelzuweisung einem anderen Strafsenat zugeteilt hätte werden [X.]. Entsprechendes gilt für jedes weitere bis September 2013 eingehende, in die Zuständigkeit des [X.] fallende Verfahren. Dies ist mit den [X.] an die Bestimmung des gesetzlichen [X.]s nicht in Einklang zu bringen.
[X.] Hubert Schäfer

Mayer Gericke

Meta

3 StR 490/15

12.01.2016

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.01.2016, Az. 3 StR 490/15 (REWIS RS 2016, 17961)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 17961

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 490/15 (Bundesgerichtshof)

Nachträgliche Änderung des Geschäftsverteilungsplans im laufenden Geschäftsjahr wegen Überlastung eines Strafsenats: "Scheibchenweise" Einzelzuweisung auf andere …


3 StR 516/15 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Revisionsgerichtliche Kontrolle der Änderung des Geschäftsverteilungsplans während des laufenden Geschäftsjahres; Anforderungen an die Dokumentation


2 Ws 716/19 (Oberlandesgericht Köln)


StB 13/22 (Bundesgerichtshof)

Gesetzlicher Richter: Voraussetzungen der Einrichtung eines Hilfssenats und Überleitung des Verfahrens an diesen


1 StR 622/17 (Bundesgerichtshof)

Besetzungsrüge in Strafsachen: Zulässigkeit der Zuweisung von bei einer Wirtschaftsstrafkammer bereits anhängigen Wirtschaftsstrafsachen an eine …


Referenzen
Wird zitiert von

1 StR 422/15

Zitiert

3 StR 490/15

3 StR 569/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.