Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.03.2011, Az. 4 StR 97/11

4. Strafsenat | REWIS RS 2011, 8091

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] vom 30. März 2011 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. - 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 30. März 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 [X.] beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 25. Oktober 2010 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen schuldig ist, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von [X.]. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen [X.] in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefoh-lenen in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Er beanstandet das Verfahren und rügt die Verletzung sachlichen Rechts. 1 Das Rechtsmittel führt nur zu einer geringfügigen Änderung des Schuld-spruchs; im Übrigen bleibt es ohne Erfolg. 2 - 3 - 1. Die Verfahrensrüge greift aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] vom 23. Februar 2011 nicht durch. 3 2. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge führt zu der aus der [X.] ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs. 4 a) Im Fall II. 6 der Urteilsgründe wird die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von [X.] im Sinne des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB von den Feststellungen nicht getragen. 5 Die im vorliegenden Fall allein in Betracht kommenden Tatbestandsvari-anten des Anvertrautseins der unter 16 Jahre alten Person zur Erziehung oder zur Betreuung setzen ein Obhutsverhältnis voraus, kraft dessen einer Person das Recht und die Pflicht obliegt, die Lebensführung des Minderjährigen und damit dessen geistig-sittliche Entwicklung zu überwachen und zu leiten. Ob ein solches Obhutsverhältnis besteht und welchen Umfang es hat, ist nach den tat-sächlichen Verhältnissen des Einzelfalles zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 5. November 1985 - 1 [X.], [X.]St 33, 340, 344 f.; Urteil vom 20. September 1988 - 1 [X.], [X.]R StGB § 174 Abs. 1 Obhutsverhält-nis 1). Von längerer Dauer braucht das Verhältnis nicht zu sein ([X.], Urteil vom 3. April 1962 - 5 StR 74/62, [X.]St 17, 191, 192 f.). Im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal "Erziehung" kommt es darauf an, dass die jeweilige [X.] gegenüber den Jugendlichen tatsächlich ausübt (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 27. Juni 2000 - 1 StR 221/00, [X.], 353; [X.], Beschluss vom 27. Februar 1992 - 4 StR 75/92, [X.]R StGB § 174 Abs. 1 Obhutsverhältnis 2). Dies wird bei nur gelegentlicher Kinderbetreuung in der Regel nicht gegeben sein (SSW-StGB/[X.], StGB, § 174 Rn. 7 m.w.N.). 6 - 4 - Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen bestand zwischen dem Angeklagten einerseits und der Nebenklägerin, ihrer Mutter und deren [X.] andererseits zum Tatzeitpunkt keine häusliche Gemeinschaft. Das enge Verhältnis der Nebenklägerin zum Angeklagten, die diesen als Vater betrachtete und auch so bezeichnete, ergab sich lediglich aus dem Umstand, dass der Angeklagte in der Vergangenheit mehrere Jahre lang mit deren Großmutter liiert war. Die Mutter der Geschädigten vereinbarte mit dem Ange-klagten, zu dem sie weiterhin großes Vertrauen hatte, dass er am [X.] in ihrer Wohnung ab und an nach dem Rechten sehen sollte, da sie sich mit ihrem Lebensgefährten auf einer Geburtstagsfeier befand. Auf der Grundlage dieser Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Angeklagten mit der einmaligen Übertragung der Aufsichtspflicht über die Nebenklägerin (und deren Brüder) zugleich die Verantwortung für das geistlich-sittliche Wohl und eine Einflussnahme auf die Persönlichkeitsbildung des Kindes übertragen werden sollte; ein Obhutsverhältnis im Sinne des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB liegt daher fern. 7 b) Der Senat ändert dementsprechend den Schuldspruch im Fall II. 6 der Urteilsgründe. Dass ein neuer Tatrichter ergänzende Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB treffen könnte, ist nach Lage der Dinge ausgeschlossen. 8 3. Der Wegfall der tateinheitlichen Verurteilung nach § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB lässt den Strafausspruch unberührt. Der Senat schließt aus, dass der [X.] auf Grund des geänderten Schuldspruchs eine geringere Strafe verhängt haben würde, zumal er im Fall II. 6 der Urteilsgründe den Umstand, dass der Angeklagte zwei Straftatbestände verwirklicht hat, bei der Strafzumessung nicht berücksichtigt hat. 9 - 5 - 4. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen [X.] zu tragen, da sich die Schuldspruchänderung hier nicht als Teilerfolg der Revision erweist (§ 473 Abs. 1 [X.]; vgl. dazu [X.], [X.], 53. Aufl., § 473 Rn. 25). 10 Ernemann [X.] Roggenbuck [X.]Bender

Meta

4 StR 97/11

30.03.2011

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.03.2011, Az. 4 StR 97/11 (REWIS RS 2011, 8091)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8091

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 StR 55/23 (Bundesgerichtshof)


3 StR 12/11 (Bundesgerichtshof)

Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen: Voraussetzungen eines Obhuts- und Verantwortungsverhältnisses


5 StR 112/17 (Bundesgerichtshof)

Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen: Anforderungen an einen Missbrauch der Abhängigkeit


5 StR 112/17 (Bundesgerichtshof)


3 StR 12/11 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.