Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.09.2003, Az. 4 StR 139/03

4. Strafsenat | REWIS RS 2003, 1700

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[X.] DES VOLKESUrteil4 StR 139/03vom11. September 2003in der Strafsachegegenwegen Vergewaltigung u.a.- 2 -Der 4. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom11. September 2003, an der teilgenommen haben:Vorsitzende [X.]in am [X.]. [X.],[X.] am [X.],[X.],[X.],[X.]in am [X.]als beisitzende [X.],Staatsanwalt als Vertreter der [X.],Rechtsanwalt als Verteidiger,Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil [X.] vom 19. November 2002 mit [X.], einschließlich derjenigen zu den Trink-mengen des Angeklagten, aufgehobena) im Ausspruch über die wegen Vergewaltigung [X.] mit vorsätzlicher Körperverletzung ver-hängten Einzelstrafe,b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.2. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Ent-scheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, aneine andere [X.] des [X.] Die weiter gehende Revision wird verworfen.Von Rechts wegenGründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tatein-heit mit vorsätzlicher Körperverletzung und wegen fahrlässiger Gefährdung [X.] in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zueiner Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt. [X.] es gegen ihn eine isolierte Sperre nach § 69 a StGB angeordnet. Gegen- 4 -dieses Urteil wendet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verlet-zung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sach-rüge teilweise Erfolg.1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigunghat in Bezug auf die Verurteilung wegen fahrlässiger Gefährdung des [X.] in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erge-ben. Auch der Schuldspruch wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tatein-heit mit Vergewaltigung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Der [X.] insoweit - angesichts des Teilaufhebungsantrags des [X.] - nur die zu § 244 Abs. 2 StPO erhobene Verfahrensrüge, mit der [X.] die Verletzung der Aufklärungspflicht durch Ablehnung [X.] der Zeugen [X.], [X.] und [X.]sowie [X.] geltend macht.a) Die Verteidigung hat in der Hauptverhandlung die Vernehmung dervorgenannten Zeugen —zum Verhalten des Angeklagten am 07.04.2002fi (nachder Tat) und —zum Verhältnis der Eheleute [X.]fi (bei der Geschädigten [X.] es sich um die Ehefrau des Angeklagten) beantragt. Zur Begründung hatsie im wesentlichen ausgeführt, der Angeklagte habe dem Zeugen [X.] S. noch am Tattag, den übrigen Zeugen —kurz danachfi von dem [X.] April 2002 berichtet. Alle vier Zeugen seien —dem Angeklagten seit [X.] Engste verbundenfi und könnten auch genaue Angaben über das [X.] des Angeklagten zu seiner Ehefrau und über ein —mögliches Motiv für [X.] durch diese machen.- 5 [X.] hat den Antrag durch Beschluß mit der [X.], mangels bestimmt behaupteter [X.] liege nur ein Be-weisermittlungsantrag vor. Die Vernehmung der angebotenen Zeugen drängesich im übrigen bei verständiger Würdigung der Sachlage weder auf noch [X.] nahe.Der Beschwerdeführer sieht hierin einen Verstoß gegen § 244 Abs. 2StPO. Die beantragte Beweiserhebung habe sich dem Gericht aufdrängenmüssen, da [X.] wie die Revision durch die Wiedergabe von Ausschnitten auspolizeilichen Vernehmungsprotokollen zu belegen versucht [X.] bei den [X.], denen die Geschädigte ihrerseits von dem Tatgeschehen berichtethabe, Widersprüchlichkeiten aufgetreten seien. Die Einvernahme der benann-ten Zeugen hätte demgegenüber ergeben, daß der Angeklagte diesen den[X.] wie bei seiner polizeilichen Vernehmung und in der [X.] geschildert habe.b) Der Rüge bleibt der Erfolg versagt.aa) Es erscheint bereits zweifelhaft, ob sie den Voraussetzungen des§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt, da die polizeilichen Vernehmungsprotokolle,aufgrund derer der [X.] sich die beantragte Beweiserhebung nachAuffassung der Revision hätte aufdrängen müssen, in der Begründungsschriftnicht vollständig, sondern nur in Ausschnitten wiedergegeben werden. [X.] Bestimmung sind nämlich die die Rüge begründenden Tatsachen sogenau und vollständig anzugeben, daß das Revisionsgericht allein auf ihrerGrundlage prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt,wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (st. Rspr., vgl. BGHR [X.] 6 -§ 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 7, 8 m.w.N.). Dies erfordert bei einer Auf-klärungsrüge auch die Darlegung der Umstände und Vorgänge, die für die Be-urteilung der Frage, ob sich dem Gericht die vermißte Beweiserhebung auf-drängen mußte, bedeutsam sein konnten (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2Aufklärungsrüge 3, 6 m.w.N.). Wird - wie hier - der [X.] aus [X.] früherer, im Ermittlungsverfahren erfolgter Zeugenvernehmungen her-geleitet, so bedarf es daher regelmäßig deren (vollständiger) inhaltlicher Wie-dergabe (vgl. auch BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 6).bb) Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Das [X.] hat den ge-stellten Antrag zu Recht als Beweisermittlungsantrag gewertet, da ihm [X.] nicht entnommen werden kann. Es war [X.] entge-gen der Auffassung des [X.] - auch nicht aufgrund der [X.] § 244 Abs. 2 StPO obliegenden Aufklärungspflicht gehalten, die bean-tragten Beweiserhebungen vorzunehmen. Der bloße Umstand, daß der [X.] bestreitende Angeklagte nach der Tat Dritten den —Vorfallfi ge-schildert hat, mußte hier das Gericht nicht bereits zu deren Vernehmung drän-gen. Denn auch wenn man unterstellt, daß der Angeklagte diesen gegenübervon einer Vergewaltigung nichts berichtet oder eine solche in Abrede gestellthat, hätte das [X.] nach Sachlage dem keinen höheren Beweiswertzumessen müssen, als seinem diesbezüglichen Bestreiten im Ermittlungsver-fahren und in der Hauptverhandlung selbst. Soweit die benannten Zeugen [X.] über ein —mögliches Motiv für eine [X.] hätten tätigensollen, mußte sich mangels jeglicher konkreter Tatsachenangabe dem [X.] eine entsprechende Beweiserhebung schon deshalb nicht aufdrängen, daes sich bei der Motivation zu einem Handeln oder Unterlassen um einen Vor-gang im Inneren eines anderen Menschen handelt, der grundsätzlich nicht- 7 -tauglicher Gegenstand des [X.] (vgl. hierzu [X.] 46. Aufl. vor § 48 Rdnr. 2). Schließlich war die beantragte [X.] auch nicht aus Gründen der —Waffengleichheitfi geboten. Soweit das[X.] Zeugen vernommen hat, denen die Geschädigte von der Tat be-richtet hat, geschah dies ersichtlich zur Beurteilung der - vom [X.]rechtsfehlerfrei bejahten - Glaubwürdigkeit der Zeugin. Dies führt jedoch nichtbereits im Sinne eines Automatismus dazu, daß aus Gründen der Amtsaufklä-rung nunmehr auch all die Personen zu vernehmen sind, denen der Angeklagteseinerseits den [X.] geschildert hat.2. Keinen Bestand kann hingegen das Urteil im Ausspruch über die we-gen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung verhängteEinzelstrafe (Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten) haben, weil [X.], mit denen das [X.] eine alkoholbedingte erheblich ver-minderte Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) des [X.] hat, rechtlichen Bedenken begegnen.a) Das [X.] ist den [X.] des Angeklagten ge-folgt und hat hieraus eine maximale Blutalkoholkonzentration von 3,23 › [X.] errechnet. Es hat trotz dieses hohen Wertes eine erheblich ver-minderte Schuldfähigkeit des Angeklagten verneint und in diesem Zusammen-hang auf einzelne Tatumstände verwiesen, welche es [X.] ohne dies näher aus-zuführen [X.] ersichtlich als Anzeichen für eine uneingeschränkte Schuldfähigkeitgewertet hat. Im Anschluß hat es sich ohne weitere Begründung der [X.] angeschlossen. Dieser habe lediglich eine —alko-holbedingte Enthemmung aufgrund der Beziehungskonstellation und [X.] 8 -nungssituationfi bejaht, die jedoch nicht den Grad der erheblichen [X.] Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit erreicht habe.b) Dies hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand.aa) Schließt sich der Tatrichter dem angehörten Sachverständigen an,muß er sich in eigener Verantwortung mit dem Gutachteninhalt auseinander-setzen und dessen wesentlichen Grundlagen auf eine für das Revisionsgerichtnachprüfbare Weise in den Urteilsgründen mitteilen (vgl. [X.]/[X.]. § 20 Rdnr. 65 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). [X.] das angefochtene Urteil, das sich zu Einzelheiten des [X.] nicht verhält, nicht gerecht.bb) Darüber hinaus vermögen die vom [X.] angeführten Tatum-stände nicht den Ausschluß einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit [X.] zu rechtfertigen. Zwar kann die Indizwirkung einer hohen [X.] (vgl. BGHSt 43, 66) durch Umstände entkräftet wer-den, die darauf hinweisen, daß das Steuerungsvermögen des [X.] trotz dererheblichen Alkoholisierung voll erhalten geblieben ist (sog. psychodiagnosti-sche Beurteilungskriterien; vgl. hierzu etwa BGHR StGB § 21 [X.] und 36). Dem Umstand, daß der Angeklagte —zielgerichtet [X.] in mehreren Etappen über eine Inbesitznahme der [X.] hin zu einer Erniedrigungfi ([X.]) gehandelt hat, kommt aber eine ent-sprechende Aussagekraft nicht ohne weiteres zu. Auch das Nachtatverhaltendes Angeklagten, das teilweise eher von Ernüchterung und Reue getragen ge-wesen sein kann, gestattet keine diesbezüglichen sicheren [X.]) Die aufgezeigten Mängel führen zur Aufhebung der betroffenen [X.], da nicht ausgeschlossen werden kann, daß das [X.] bei An-nahme einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit von der Möglichkeit [X.] nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht beziehungs-weise - auch angesichts des Vorverhaltens der Geschädigten - den Strafrah-men des § 177 Abs. 1 StGB zugrundegelegt und auf eine niedrigere Einzel-strafe erkannt hätte. Dies entzieht dem Ausspruch über die Gesamtstrafe [X.]. Einer Aufhebung des Schuldspruches bedarf es insoweit nicht, dader Senat eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten (§ 20 StGB) zur Tatzeit si-cher ausschließen kann. Er hebt jedoch auch die Feststellungen zu den Trink-mengen auf, um dem neuen Tatrichter eine umfassende Prüfung der Voraus-setzungen des § 21 StGB zu ermöglichen. Insoweit wird für die neue [X.] zu berücksichtigen sein, daß [X.] des [X.] nicht ungeprüft zugrunde gelegtwerden müssen (vgl. hierzu im einzelnen [X.]/[X.] 20 Rdnr. 15m.N.).[X.] Maatz [X.] Ernemann Sost-Scheible

Meta

4 StR 139/03

11.09.2003

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.09.2003, Az. 4 StR 139/03 (REWIS RS 2003, 1700)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 1700

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