Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.02.2005, Az. 3 StR 500/04

3. Strafsenat | REWIS RS 2005, 5139

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 500/04

vom 8. Februar 2005 in der Strafsache gegen

wegen Vergewaltigung u. a.

- 2 -Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 8. Februar 2005 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 9. September 2004 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tatein-heit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten wendet sich mit Einzelbeanstandungen allein gegen den Rechtsfolgenausspruch. Das Rechtsmittel hat Erfolg. 1. Die Höhe der verhängten, für eine Tat dieser Art bemerkenswert ho-hen Freiheitsstrafe ist nicht tragfähig begründet. Je mehr sich die im Einzelfall verhängte Strafe dem unteren oder oberen Rand des zur Verfügung stehenden tatrichterlichen Spielraums nähert, um so höher sind die Anforderungen, die an eine umfassende Abwägung und eine erschöpfende Würdigung der maßgebli-chen straferschwerenden und strafmildernden Umstände zu stellen sind (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 15, Beurteilungsrahmen 7). Dem werden die Urteilsgründe nicht gerecht.
Das [X.] hat dem Angeklagten "ganz erheblich" das heutige Er-scheinungsbild der Nebenklägerin als Tatfolge angelastet. Dabei hat es die Frau, die seit der Tat eine "permanente innere Unruhe verspürt" und während der Hauptverhandlung an Armen und Beinen stark gezittert hat, als "körperli- - 3 -ches Wrack" bezeichnet, ohne zu erörtern, ob hierfür auch andere Ursachen in Betracht kommen könnten. Hierzu bestand angesichts der festgestellten Tat-vorgeschichte aber Anlaß. Danach hatte die Nebenklägerin am [X.] am Leineufer mit einer Freundin Kokain konsumiert und war sodann - "wie sie dies immer tat, wenn sie 'Koks' zu sich genommen hatte" ([X.]) - umhergelaufen. Dabei hatte sie den Angeklagten angesprochen und sich von diesem eine Ziga-rette geben lassen.

Auch die Wirkungen, die von der Strafe für das zukünftige Leben des [X.] zu erwarten sind, hätten erörtert werden müssen, nachdem der zur Tatzeit 21 Jahre alte Angeklagte vor der Tat erkennbar noch keinen Strafvollzug erfah-ren hat.

Gleiches gilt für die alkoholische Beeinflussung des Angeklagten bei der Tat, derentwegen die Strafkammer eine erhebliche Einschränkung der [X.] nicht ausschließen konnte. Daß das [X.] eine Strafrah-menverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB abgelehnt hat, nachdem der An-geklagte bereits zuvor Straftaten - darunter auch eine Bedrohung, eine Nöti-gung und eine gefährliche Körperverletzung - unter [X.] begangen hatte, machte eine Erörterung bei der konkreten Strafzumessung hier nicht ent-behrlich.

2. Die Beurteilung des Alkoholkonsums des Angeklagten sowie seines Trunkenheitsgrades zur Tatzeit im angefochtenen Urteil gibt darüber hinaus Anlaß zu folgender Bemerkung:

Der Tatrichter muß die Einlassung des Angeklagten zu seinem Alkohol-genuß vor der Tat, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine unmittelba-ren Beweise gibt, nicht ohne weiteres als unwiderlegt hinnehmen. Vielmehr hat er sich im Rahmen freier Beweiswürdigung (§ 261 StPO) und ohne Bindung an [X.] aufgrund der im konkreten Fall gegebenen Erkenntnismöglichkei-ten eine Überzeugung davon zu verschaffen, ob der Angeklagte in solchem Umfang Alkohol zu sich genommen hat, daß eine erhebliche Verminderung oder Aufhebung seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit in Betracht kommt. - 4 -Dabei ist es ihm unbenommen, [X.] des Angeklagten als un-glaubhaft einzustufen, wenn er dafür durch die Beweisaufnahme gewonnene Gründe hat, welche seine Auffassung argumentativ tragen (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGHR StGB § 20 Blutalkoholkonzentration 12 sowie § 21 [X.] und 22).

Wird die Tatzeitalkoholisierung aufgrund von [X.] be-stimmt, so ist, wenn es um die Frage der Schuldfähigkeit geht, als Abbauwert der (dem Täter günstigste) minimale Rückrechnungswert von stündlich 0,1 › zugrunde zu legen (vgl. [X.]/[X.], StGB 52. Aufl. § 20 Rdn. 14 m. w. N.). Ein Sicherheitszuschlag kommt nicht in Betracht.

Nach den bisherigen Feststellungen hatte der Angeklagte vor der Tat fünfeinhalb Liter Bier zu sich genommen. Er hatte sich zudem den Hooligans eines Fußballvereins sowie der rechten Szene der [X.] nur deshalb ange-schlossen, weil er dort "exzessiv Alkohol trinken und sich prügeln konnte". An-gesichts dieser Umstände wäre zu erörtern gewesen, ob bei dem Angeklagten ein Hang besteht, alkoholische Getränke im Übermaß zu sich zu nehmen, und ob er deshalb gefährlich ist (§ 64 StGB).

[X.] Prof. Dr. Tolksdorf ist urlaubsbedingt ortsabwesend und deshalb an der Unterschriftsleistung gehindert. [X.] [X.]

Pfister

Becker

[X.]

Meta

3 StR 500/04

08.02.2005

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.02.2005, Az. 3 StR 500/04 (REWIS RS 2005, 5139)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 5139

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 435/02 (Bundesgerichtshof)


202 StRR 111/20 (BayObLG München)

Absehen von grundsätzlich gebotener BAK-Bestimmung zur Beurteilung der Schuldfähigkeit wegen vager Tatsachengrundlage


202 StRR 111/20 (BayObLG München)

Absehen von grundsätzlich gebotener BAK-Bestimmung zur Beurteilung der Schuldfähigkeit wegen vager Tatsachengrundlage


2 StR 530/13 (Bundesgerichtshof)


3 StR 338/04 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.