Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.04.2017, Az. 2 StR 592/16

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 11810

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Gegenstand

Strafurteil wegen Betäubungsmitteldelikten: Anforderungen an die Darlegung der Beweiswürdigung; Erfahrungssatz über die Rauschgiftmenge


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 10. Oktober 2016, soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a) im Fall II.1. der Urteilsgründe,

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe,

c) im Ausspruch über den Verfall des Wertersatzes.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und Wertersatzverfall in Höhe von 15.000 € angeordnet. Darüber hinaus hat es die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von einem Jahr keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

2

Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus dem [X.] ersichtlichen Teilerfolg und führt zur Aufhebung im Fall [X.] der Urteilsgründe. Dies entzieht dem Ausspruch über die Gesamtstrafe sowie der Anordnung des [X.] die Grundlage. Im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel des Angeklagten als unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

3

Der [X.] hat in seiner Zuschrift ausgeführt:

"Die Verurteilung des Angeklagten im Fall 1 der Urteilsgründe kann [...] keinen Bestand haben. Die Beweiswürdigung zu dieser Tat [...] begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar ist die Beweiswürdigung Sache des Tatgerichts, dem es allein obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind und der Tatrichter von ihrer Richtigkeit [...] überzeugt ist. Die zur richterlichen Überzeugung erforderliche persönliche Gewissheit des Richters setzt allerdings objektive Grundlagen voraus, die aus rationalen Gründen den Schluss erlauben, dass das festgestellte Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Deshalb müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und sich nicht als bloße Vermutung erweist (st. Rspr., vgl. etwa [X.], Urteil vom 24. November 1992 - 5 StR 456/92, [X.], 510; [X.], Beschluss vom 12. Dezember 2001 - 5 [X.], [X.], 235; [X.], Beschluss vom 22. August 2013 - 1 [X.], [X.], 387).

An diesen Grundsätzen gemessen ist die Annahme des [X.]s, der Angeklagte habe in der von ihm angemieteten Garage [X.] hergestellt und hierzu [X.] verwendet, dessen Reste sich in dem in der Garage sichergestellten Kanister mit einem Fassungsvermögen von 5 Litern befanden, rechtlich nicht zu beanstanden. Soweit es indes weitergehend davon ausgegangen ist, dass der Kanister vollständig mit [X.] gefüllt gewesen sei, hält diese Würdigung rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die [X.] begründet ihre diesbezügliche Überzeugung allein mit der Erwägung, die Hauptverhandlung habe keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass dies nicht der Fall gewesen sein könnte [...]. Diese Überlegung erweist sich schon deshalb als nicht tragfähig, weil ein Erfahrungssatz, wonach eine Rauschgiftmenge dem Fassungsvermögen des zu ihrer Aufbewahrung benutzten Behältnisses entspricht, nicht besteht. Hinzu kommt, dass nach dem sonstigen Ergebnis der Beweisaufnahme - entgegen den Ausführungen des [X.]s - Umstände vorliegen, die dafür sprechen konnten, dass der Angeklagte im Fall 1 über weniger als 5 l [X.] verfügte. Dies gilt insbesondere insoweit, als die Zeugin [X.]die - spätere - Einfuhr von 880,03 g [X.] im Fall 4 in einem überwachten Telefonat mit dem Angeklagten als [X.]' bezeichnete [...]. Die Beweisbedeutung dieser Äußerung konnte das [X.] in der vorliegenden Beweissituation nicht mit dem Hinweis verneinen, sie lasse 'nicht zwingend' darauf schließen, dass die [X.]menge im Fall 1 geringer als angenommen war [...], zumal auch die Mengen von 80 g [X.] im Fall 2 [...] und 599,6 g Amphetaminsulfatzubereitung in Fall 3 [...] erheblich unterhalb den von der Kammer im Fall 1 zu Grunde gelegten Mengen von 5 l [X.] bzw. 12 kg daraus hergestellter [X.] liegen. Die nicht tragfähige begründete Würdigung zur Betäubungsmittelmenge entzieht dem Schuldspruch zu dieser Tat insgesamt die Grundlage."

4

Diesen Ausführungen tritt der Senat bei. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.

Appl     

       

Eschelbach     

       

Zeng   

       

Bartel     

       

Grube     

       

Meta

2 StR 592/16

27.04.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Aachen, 10. Oktober 2016, Az: 67 KLs 15/16

§ 261 StPO, § 267 StPO, § 29 BtMG, §§ 29ff BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.04.2017, Az. 2 StR 592/16 (REWIS RS 2017, 11810)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11810

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Referenzen
Wird zitiert von

2 StR 592/16

Zitiert

1 StR 378/13

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