Bundesfinanzhof, Urteil vom 28.11.2019, Az. III R 11/18

3. Senat | REWIS RS 2019, 1039

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Höchstbetragsberechnung und Günstigerprüfung bei der Einzelveranlagung von Ehegatten


Leitsatz

Beantragen Ehegatten die Einzelveranlagung und den hälftigen Abzug von Sonderausgaben nach § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG, so sind die von beiden Ehegatten getragenen Vorsorgeaufwendungen zusammenzurechnen und hälftig zu verteilen. Erst danach ist getrennt für jeden Ehegatten die Höchstbetragsberechnung und Günstigerprüfung nach § 10 Abs. 4a EStG durchzuführen.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 29.11.2017 - 2 K 1032/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob bei einem Antrag nach § 26a Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die Sonderausgaben vor oder nach Durchführung der Höchstbetragsberechnung hälftig aufzuteilen sind.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist verheiratet. Für das [X.] (Streitjahr) beantragte sie die Einzelveranlagung nach § 26a EStG. Übereinstimmend mit ihrem Ehemann beantragte sie außerdem, die Sonderausgaben gemäß § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG hälftig aufzuteilen.

3

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) führte die Veranlagung mit Bescheid vom 13.07.2015 durch. Hierbei wurde der Höchstbetrag der Vorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 4a EStG nach der für die Klägerin günstigeren Regelung des § 10 Abs. 3 in der für das Kalenderjahr 2004 geltenden Fassung des EStG zuzüglich des [X.] nach Satz 3 durchgeführt (Günstigerprüfung mit Erhöhungsbetrag). Hierzu ermittelte das [X.], Grundhöchstbetrag, hälftigen Höchstbetrag und Erhöhungsbetrag, indem es bei beiden Ehegatten zunächst die Vorsorgeaufwendungen ansetzte, welche die Klägerin und ihr Ehemann jeweils getragen hatten. Anschließend verteilte es die beiden Ergebnisse jeweils hälftig auf die Ehegatten. [X.] wurde bei der Klägerin letztlich die Hälfte aus dem Ergebnis ihrer Höchstbetragsberechnung zuzüglich der Hälfte der Höchstbetragsberechnung ihres Ehemannes (2.981 €).

4

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit dem Einspruch. Sie trug vor, dass die Aufwendungen vor der Günstigerprüfung den jeweiligen Ehegatten hälftig zuzurechnen seien und erst im [X.] die Günstigerprüfung zu erfolgen habe. Mit dergestalt auf beide Ehegatten hälftig aufgeteilten Sonderausgaben legte sie eine Berechnung vor, in der sie auf einen abziehbaren Betrag von 4.557 € kam. Der Rechtsbehelf hatte keinen Erfolg.

5

Das Finanzgericht ([X.]) gab der anschließenden Klage statt. Es war der Ansicht, dass Wortlaut, historische und systematische Auslegung sowie Sinn und Zweck der Regelung, insbesondere die vom Gesetzgeber bezweckte Steuervereinfachung, dafür sprächen, die Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und die Steuerermäßigung nach § 35a EStG hälftig auf die Ehegatten aufzuteilen und die Höchstbetragsberechnungen und [X.] erst in einem zweiten Rechenschritt individuell bei jedem der Ehegatten vorzunehmen.

6

Hiergegen richtet sich die Revision des [X.], das die Verletzung des § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG rügt. Es ist der Ansicht, dass bereits der Begriff der Sonderausgaben in § 26a Abs. 2 Satz 1 EStG das Ergebnis des mit "Sonderausgaben" überschriebenen Teils II Ziffer 5 des EStG meint. Hiermit sei auch die Höchstbetragsberechnung aus § 10 Abs. 3 und 4 EStG umfasst. Dieses Ergebnis sei auf die Ehegatten aufzuteilen. Weiter heiße es in § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG "abziehen", da nur die [X.] abgezogen werden könnten, nicht aber die Sonderausgaben selbst. Zudem sei eine Aufteilung der [X.] systematisch richtig, da nur so dem Prinzip der Individualbesteuerung Rechnung getragen werde. Entgegen der Ansicht des [X.] spreche auch der Gedanke der Vereinfachung für eine Aufteilung der [X.]. Bei Berücksichtigung nur der Sonderausgaben, die der Steuerpflichtige wirtschaftlich getragen habe, sei eine Einzelveranlagung möglich, ohne zusätzlich die Steuererklärung des Ehegatten auswerten und die [X.] aufteilen zu müssen.

7

Das [X.] beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie verteidigt die Vorentscheidung und meint, aus dem Sinn und Zweck der Regelung ergebe sich, dass die Aufwendungen selbst aufzuteilen seien, da nur so das Besteuerungsverfahren einfacher, transparenter und nachvollziehbarer für den Steuerpflichtigen werde. Eine gegenteilige Auslegung sei weder dem Wortlaut noch der Gesetzeshistorie zu entnehmen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und wird daher zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass die Vorsorgeaufwendungen hälftig auf die Ehegatten aufzuteilen und die Höchstbetragsberechnungen und [X.] erst in einem zweiten Rechenschritt individuell bei jedem der Ehegatten vorzunehmen sind.

1. Gemäß § 26a Abs. 2 Satz 1 EStG werden Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und die Steuerermäßigung nach § 35a EStG demjenigen Ehegatten zugerechnet, der die Aufwendungen wirtschaftlich getragen hat. Abweichend davon werden sie nach Satz 2 auf übereinstimmenden Antrag der Ehegatten jeweils zur Hälfte abgezogen.

2. Nach Auffassung des Senats sind die Vorsorgeaufwendungen beider Ehegatten vor der Günstigerprüfung den jeweiligen Ehegatten hälftig zuzurechnen, erst im [X.] ist die Günstigerprüfung bei jedem Ehegatten getrennt durchzuführen.

a) Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, denn das Wort "sie" in Satz 2 bezieht sich auf die in Satz 1 genannten Aufwendungen und nicht auf die "Sonderausgaben…" oder [X.] (so auch ausdrücklich Bericht des Finanzausschusses in BTDrucks 17/6146, S. 14). Dem steht nicht entgegen, dass Satz 2 --anders als Satz 1-- vom "Abziehen" statt vom "[X.]" spricht, da beide Worte im Kontext des § 26a EStG synonym verwendet werden.

b) Bestätigt wird dies auch durch die ebenfalls in § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG in Bezug genommenen außergewöhnlichen Belastungen und die Steuerermäßigung nach § 35a EStG. Denn auch hier ist eine Aufteilung der Aufwendungen vorzunehmen.

aa) Im Bereich der außergewöhnlichen Belastungen ergibt sich dies aus § 33 Abs. 1 EStG. Denn § 33 Abs. 1 EStG definiert die außergewöhnliche Belastung als Aufwendungen, die noch nicht durch die zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG gemindert sind. Wenn § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG den hälftigen Abzug von außergewöhnlichen Belastungen regelt, so muss das heißen, dass die Aufwendungen, die ein Ehegatte getragen hat, beim anderen zur Hälfte anzusetzen sind. Erst nach der Aufteilung wird unter Berücksichtigung der zumutbaren Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) der abziehbare Betrag ermittelt.

bb) Entsprechendes gilt für die Steuerermäßigungen nach § 35a EStG. Hier kann nicht die Steuerermäßigung zur Hälfte abgezogen werden, abziehbar sind vielmehr Aufwendungen, die zur Steuerermäßigung führen; sie sind im [X.] hälftig auf die Ehegatten aufzuteilen.

c) Zu Unrecht meint das [X.], dass nur die Verteilung der [X.] der vom Gesetzgeber gewollten Steuervereinfachung gerecht würde. Vielmehr erübrigt sich durch die hälftige Aufteilung der Aufwendungen die Prüfung, wer von beiden Ehegatten die jeweilige Belastung wirtschaftlich getragen hat.

d) Dem gefundenen Ergebnis steht auch nicht das Prinzip der Individualbesteuerung entgegen, wie das [X.] meint, denn § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG stellt eine Ausnahme von diesem Grundsatz dar (Tormöhlen in Korn, § 26a EStG Rz 7.2; [X.] in [X.]/[X.]/ [X.], § 26a EStG Rz 52; [X.], in: [X.][X.], EStG, § 26a Rz A17).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1, § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

III R 11/18

28.11.2019

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 29. November 2017, Az: 2 K 1032/16, Urteil

§ 26a Abs 2 S 2 EStG 2009, § 10 Abs 4a EStG 2009, EStG VZ 2013

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 28.11.2019, Az. III R 11/18 (REWIS RS 2019, 1039)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 1039

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

III R 2/17 (Bundesfinanzhof)

Abzug des hälftigen Behinderten-Pauschbetrags bei der Einzelveranlagung von Ehegatten


III R 1/11 (Bundesfinanzhof)

Zuordnung des übertragenen Pauschbetrages für behinderte Menschen bei getrennter Veranlagung


6 K 106/16 (Finanzgericht Hamburg)


X R 5/17 (Bundesfinanzhof)

Krankenversicherungsbeiträge nur für eine Basisabsicherung abziehbar


X R 35/12 (Bundesfinanzhof)

Berücksichtigung von Beiträgen für eine "Rürup-Rente" eines Alleingesellschafter-Geschäftsführers mit Anwartschaft auf betriebliche Altersvorsorge in Form …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.