Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.05.2013, Az. VII ZB 61/12

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5714

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 61/12

vom

16. Mai 2013

in dem selbständigen Beweisverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 144 Abs. 1 Satz 3, § 492 Abs. 1; [X.] Art. 13
a)
Ein Gericht kann einem am selbständigen Beweisverfahren nicht
beteiligten [X.] nicht aufgeben, eine Bauteilöffnung in seiner Wohnung zum Zwecke der [X.] zu dulden.
b)
Zur Wohnung in diesem Sinne gehören auch eine im Gemeinschaftseigentum ste-hende Außentreppe, ein Fahrradkeller und eine Tiefgarage.

[X.], Beschluss vom 16. Mai 2013 -
VII ZB 61/12 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-

Der VII.
Zivilsenat
des Bundesgerichtshofs hat am 16. Mai 2013 durch den [X.] Richter Prof.
Dr.
[X.] und [X.]
Eick, Halfmeier, Kosziol und Prof. Dr. Jurgeleit
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des 13.
Zivilsenats des [X.] vom 1.
Oktober
2012 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die [X.].

Gründe:
I.
Die Antragsteller sind Miteigentümer des [X.]. 32/35 in [X.] Das Objekt wurde durch die Antragsgegnerin zu 1 errichtet. Der Antragsgegner zu 2 war der planende und bauleitende Architekt.
Die Antragsteller betreiben gegen die Antragsgegner ein selbständiges Beweisverfahren. Gegenstand des Verfahrens ist die Feststellung von Mängeln der im Gemeinschaftseigentum stehenden Bausubstanz. Der vom Gericht be-auftragte Sachverständige teilte mit, für eine umfassende sachverständige Feststellung seien [X.] am Gemeinschaftseigentum notwendig.

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Mit Zwischenurteil vom 19.
Juli 2012 hat das [X.] "sämtlichen Eigentümern bzw. der Eigentümergemeinschaft [X.]. 32/35 in [X.]"
die Duldung
von fachmännisch durchgeführten
[X.] an der Außentreppe,
dem Flachdachanschluss einer Wohnung, im Eingangselement, der Decke des [X.] und der [X.] angeordnet. Die von einer am Beweisver-fahren nicht beteiligten Wohnungseigentümerin, der Rechtsbeschwerdegegne-rin zu 3, und der Wohnungseigentümergemeinschaft, der Rechtsbeschwerde-gegnerin zu 4, eingelegte Beschwerde gegen das Zwischenurteil hatte Erfolg. Das Beschwerdegericht hat auf die Beschwerde der Rechtsbeschwerdegegner das Zwischenurteil aufgehoben und den Antrag auf Duldung der Bauteilöffnung abgelehnt. Dagegen wenden sich die Antragsteller mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
1. Das Beschwerdegericht führt aus, die sofortige Beschwerde der weite-ren Beteiligten sei nach §§
144, 387 ZPO statthaft und begründet, da die Vo-raussetzungen des §
144 Abs.
1 Satz
3, Abs.
2 ZPO für ihre Verpflichtung zur Duldung von [X.] nicht gegeben seien. §
144 Abs.
1 Satz
3 ZPO nehme ausdrücklich die Wohnung von einer Duldung
sachverständiger Begut-achtung aus. Zur Wohnung in diesem Sinne gehörten Nebenräume wie Gara-gen und das Treppenhaus. Die [X.] verstoße auch gegen Art.
14 [X.]. Niemand und schon gar kein Dritter müsse Maßnahmen dulden, die sein Eigentum beschädigten.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
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-

a) Nach §
144 Abs.
1 Satz
3 ZPO kann die Duldung einer [X.] angeordnet werden, sofern nicht eine Wohnung betroffen ist. Mit dieser Regelung hat sich der Gesetzgeber an dem [X.] des Art.
13 [X.] orientiert (BT-Drucks. 14/4722, S.
79 zu Nr.
22; [X.], Urteil vom 17.
Juli
2009 -
V
ZR
95/08, [X.], 653; [X.] in [X.], ZPO, 22.
Aufl., §
144 Rn.
25; [X.], 4.
Aufl., §
144 Rn.
25; [X.] in [X.]/Schütze, ZPO, 4.
Aufl., §
144 Rn.
16; [X.], ZPO, 4.
Aufl., §
144 Rn.
5; Musielak/[X.], ZPO, 10.
Aufl., §
144 Rn.
10). Im Sinne von Art.
13 [X.] ist der [X.] umfassend zu verstehen. Schutzgut des Art.
13 [X.] ist die gesamte räumliche Sphäre, in der sich das Privatleben entfaltet. Wohnung ist danach der zu
Aufenthalts-
oder Arbeitszwe-cken bestimmte und benutzte Raum einschließlich der Nebenräume und des angrenzenden umschlossenen freien Geländes. Dazu gehören [X.], Speicher, Treppen, Garagen, nicht allgemein zugängliche Geschäfts-
und Büroräume und ähnliche Räume sowie umzäunte oder in anderer Weise der öffentlichen Zu-gänglichkeit entzogene Bereiche wie Gärten oder Vorgärten. Entscheidend ist, ob der jeweilige Raum oder die jeweilige Fläche für private Zwecke gewidmet und der Öffentlichkeit nicht frei zugänglich ist (vgl. [X.] 32, 54, 72; 89, 1, 12; 97, 228, 265; [X.],
Beschluss vom 14.
März
1997 -
1
BGs
65/97, NJW 1997, 2189; Papier in [X.]/[X.], [X.], 66. Ergänzungslieferung, Art.
13 Rn.
10, 11; [X.] in [X.] Kommentar zum Grundgesetz, 71.
Lieferung, Art.
13 Rn.
26; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 12.
Aufl., Art.
13 Rn.
4, 5). Träger des Grundrechts aus Art.
13 [X.] sind neben natürlichen Personen auch juristi-sche Personen und sonstige Personenvereinigungen
des Privatrechts ([X.]
42, 212, 219; 44, 353, 371; 76, 83, 88; [X.], Beschluss vom 14.
März
1997, aaO; Papier in [X.]/[X.], aaO, Art.
13 Rn.
17), und damit auch die Rechtsbeschwerdegegnerin zu 4
im Rahmen der Verwaltung des [X.] (§
10 Abs.
6 WEG).
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5
-

b) Auf dieser Grundlage ist das Gemeinschaftseigentum (§
1 Abs.
5 WEG) betreffend die Rechtsbeschwerdegegnerin zu 4
im Umfang der begehr-ten [X.] an der Außentreppe, dem Flachdachanschluss einer Wohnung, im Eingangselement, der Decke des [X.] und der Tiefga-ragendecke einer [X.] nach §
144 Abs.
1 Satz
3, Abs.
2 Satz
1 ZPO entzogen
(vgl. auch [X.],
[X.] im Bauprozess, Rn.
532;
Fuchs, [X.], 70; a.A.
offenbar Keldungs, Jahrbuch Baurecht 2009, S.
217, 222
f.). Es kommt nicht darauf an, ob der Sachverständige ausschließlich von außen [X.] vornehmen muss, da der Außenbereich ebenso wie der Innenbereich über Art.
13 [X.] geschützt wird. Soweit die Rechtsbeschwerde die Auffassung vertritt, aus der Rechtspre-chung des [X.] ([X.] 109, 279, 313) ergebe sich, Fahrradkeller, Tiefgaragen und Gemeinschaftsräume unterlägen nicht dem Schutzbereich des Art.
13 [X.], ist das unzutreffend.
Gegenstand dieser Ent-scheidung war ein Eingriff in den "absolut geschützten Kernbereich privater Le-bensgestaltung"
durch akustische Überwachungsmaßnahmen. In diesem Zu-sammenhang hat das [X.] die "Privatwohnung als letztes Refugium zur Wahrung der Menschenwürde"
angesehen ([X.] 109, 279, 314). Die Frage, ob Fahrradkeller, Tiefgaragen und Gemeinschaftsräume vom Schutzbereich von Art.
13 [X.] umfasst sind, stellte sich nicht.
3. Nach allem kann dahinstehen, ob und
inwieweit §
144 ZPO über §
492 Abs.
1 ZPO Anwendung findet (vgl. KG, Beschluss vom 10.
April 2013

9
W
94/12, juris) und
gegebenenfalls eine Grundlage für substantielle Eingriffe in das Eigentum Dritter bildet (vgl. Entwurf der Bundesregierung vom 24.
November 2000 zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S.
79 zu Nr.
22).

8
9

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6
-

Des Weiteren kann dahingestellt bleiben, ob ein solcher Beschluss ge-gen den Willen eines Wohnungseigentümers ergehen kann, ohne dass darüber die Wohnungseigentümergemeinschaft befunden hat.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
97 Abs.
1 ZPO.

[X.]

Eick

Halfmeier

Kosziol

Jurgeleit
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 03.08.2012 -
43 OH 3295/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 01.10.2012 -
13 W 1654/12 -

10
11

Meta

VII ZB 61/12

16.05.2013

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.05.2013, Az. VII ZB 61/12 (REWIS RS 2013, 5714)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5714

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VII ZB 61/12

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