Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.11.2022, Az. 20 F 19/22

Fachsenat für Entscheidungen nach § 99 Abs 2 VwGO | REWIS RS 2022, 8597

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Gegenstand

Erfolgloser Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts


Tenor

Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.

Gründe

I

1

Die Antragstellerin führt seit dem 13. Oktober 2020 beim [X.] unter dem Aktenzeichen [X.] (vormals: [X.]) ein Normenkontrollverfahren gegen die Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2-Umgangsverordnung vom 26. Juni 2020 (GVBl. II Nr. 54) und die Vierte Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2-Umgangsverordnung vom 8. Oktober 2020 (GVBl. II Nr. 94).

2

Der Antragsgegner hat dem Oberverwaltungsgericht die zu diesen Verordnungen mit richterlichen Verfügungen erbetenen Normsetzungsvorgänge zum Teil übermittelt, eine vollständige Übersendung jedoch unter Vorlage einer Sperrerklärung vom 27. Januar 2021 verweigert, weil eine Offenlegung der ausgesonderten Dokumente dem Wohl des [X.] Nachteile bereiten würde.

3

Die Antragstellerin hat mehrfach beim 5. Senat des [X.] beantragt, das Verfahren auszusetzen und die Sache an den [X.] des [X.] abzugeben, sowie festzustellen, dass die Sperrerklärung rechtswidrig sei. Der Berichterstatter des [X.] hat darauf hingewiesen, dass der Abgabe an den [X.] die Frage der Entscheidungserheblichkeit vorgelagert sei, über die der 5. Senat zu entscheiden habe.

4

Am 11. August 2022 hat sie beim [X.] des [X.] (95. Senat) beantragt, vom 5. Senat die Akten der Sache [X.] beizuziehen und das dort am 9. März 2022 beantragte Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO durchzuführen. Der Vorsitzende des [X.]s des [X.] hat die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass die Zuständigkeit des [X.]s erst eröffnet sei, wenn das Gericht der Hauptsache die Sache gemäß § 99 Abs. 2 Satz 4 VwGO abgebe. Der [X.] könne einen im Hauptsacheverfahren gestellten Antrag nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht von Amts wegen an sich ziehen. Das Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO sei auch kein Mittel, das Gericht der Hauptsache zu einer bestimmten Sachaufklärung zu zwingen.

5

Die Antragstellerin hat daraufhin beim [X.] beantragt, "gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 Satz 1 VwGO für das Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO zu dem bei dem 5. Senat des [X.] Berlin-Brandenburg unter dem Aktenzeichen [X.] anhängigen Ausgangsverfahren den 95. Senat des [X.] Berlin-Brandenburg als das instanziell zuständige Gericht zu bestimmen."

6

Der Antragsgegner hält den Antrag für unbegründet.

II

7

Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts bleibt ohne Erfolg. Nach § 53 Abs. 3 VwGO kann das [X.] das zuständige Gericht innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit nur unter den in § 53 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 VwGO genannten Voraussetzungen bestimmen. Diese liegen nicht vor.

8

Insbesondere ist entgegen der Annahme der Antragstellerin der in § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO geregelte Fall nicht gegeben, dass verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

9

Zwar ist § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO entsprechend anwendbar, wenn mehrere Spruchkörper desselben Gerichts um ihre Zuständigkeit streiten und die Entscheidung des Kompetenzkonflikts nicht von der Auslegung des [X.] abhängt, sondern auf der Grundlage einer gesetzlichen Zuständigkeitsregelung zu treffen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Juli 2022 - [X.] 3.22 - juris Rn. 16 zu § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO; [X.], in: [X.]/[X.], VwGO, 28. Aufl. 2022, § 53 Rn. 1).

Dies setzt aber voraus, dass das Prozessrecht selbst keine oder keine widerspruchsfreie Zuweisung enthält (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Februar 2006 - 1 AV 1.06 - [X.] 310 § 53 VwGO Nr. 30 Rn. 4). Für die vorliegende Fallkonstellation enthält das Prozessrecht in § 99 VwGO indes eine widerspruchsfreie Zuweisung der gerichtlichen Zuständigkeit.

Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind Behörden zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Unter den Voraussetzungen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde dies verweigern. In diesem Fall stellt gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO auf Antrag eines Beteiligten das Oberverwaltungsgericht (bzw. in den hier nicht einschlägigen Fällen des § 99 Abs. 2 Satz 2 VwGO das [X.]) durch Beschluss fest, ob die Verweigerung rechtmäßig ist. Der Antrag ist gemäß § 99 Abs. 2 Satz 3 VwGO bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten gemäß § 99 Abs. 2 Satz 4 VwGO an den nach § 189 VwGO zuständigen Spruchkörper ab.

Danach ist vorliegend für die Beschlussfassung gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO der [X.] des [X.] zuständig, wenn das Gericht der Hauptsache ihm die anhängige Sache vorgelegt hat (vgl. [X.], Beschluss vom 1. August 2007 - 20 F 10.06 - juris Rn. 3; [X.], Beschluss vom 15. Februar 2021 - 15 P 1/16 - juris Rn. 10). Beruft sich die Behörde auf die [X.] der Akten, muss das Gericht der Hauptsache zunächst darüber entscheiden, ob es die zurückgehaltenen Unterlagen tatsächlich benötigt, um den entscheidungserheblichen Sachverhalt umfassend aufzuklären. Denn für den Zwischenstreit über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung muss klargestellt sein, was er zum Gegenstand haben soll. Dazu bedarf es gemäß § 98 VwGO i. V. m. § 358 ZPO grundsätzlich eines Beweisbeschlusses des Gerichts der Hauptsache (vgl. [X.], Beschluss vom 31. August 2009 - 20 F 10.08 - [X.] 310 § 99 VwGO Nr. 55 Rn. 3 m. w. N.).

Ungeachtet dieser bereits widerspruchsfreien Zuweisung der gerichtlichen Zuständigkeit haben sich der 5. Senat und der [X.] des [X.] Berlin-Brandenburg nicht jeweils rechtskräftig für unzuständig erklärt.

Der zuständige Berichterstatter des [X.] und der Vorsitzende des [X.]s des [X.] haben übereinstimmend und zutreffend darauf hingewiesen, dass der Abgabe des Antrags und der Hauptsacheakten an den zuständigen [X.] des [X.] noch die Frage der Entscheidungserheblichkeit vorgelagert sei, über die das Gericht der Hauptsache entscheide. Nach § 99 Abs. 2 Satz 4 VwGO besteht kein Zweifel, dass bis zu dieser Abgabe der 5. Senat des [X.] zuständig ist und danach der [X.].

Letztlich versucht die Antragstellerin, im Gewande eines Antrags auf Zuständigkeitsbestimmung eine beschleunigte Bearbeitung ihres Antrags nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu erwirken. Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 53 VwGO ist nicht das dafür gesetzlich vorgesehene Mittel. Wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen [X.] abgeschlossen wird, sieht § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 [X.] die Möglichkeit einer Verzögerungsrüge vor.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Das Verfahren nach § 53 VwGO ist gerichtskostenfrei und stellt hinsichtlich der Anwaltskosten dieselbe Angelegenheit dar wie das Verfahren, für das der Gerichtsstand bestimmt werden soll (§ 16 Nr. 3a RVG). Die Kosten des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Gerichts sind damit Teil der Kosten des zugrunde liegenden Hauptsacheverfahrens (vgl. [X.], Beschluss vom 11. August 2022 - 20 F 9.22 - juris Rn. 2 f.).

Meta

20 F 19/22

24.11.2022

Bundesverwaltungsgericht Fachsenat für Entscheidungen nach § 99 Abs 2 VwGO

Beschluss

Sachgebiet: F

§ 189 VwGO, § 53 Abs 1 Nr 5 VwGO, § 98 VwGO, § 99 VwGO, § 358 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.11.2022, Az. 20 F 19/22 (REWIS RS 2022, 8597)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8597

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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