Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.05.2011, Az. 5 AZR 250/10

5. Senat | REWIS RS 2011, 6512

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Auslegung eines Haustarifvertrags - Absenkung der Entgelthöhe


Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 28. Januar 2010 - 7 [X.]/09 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den [X.] der tariflichen Vergütung.

2

Die Klägerin ist seit 1977 als Krankenschwester bei der [X.]eklagten bzw. früheren Trägern des Krankenhauses beschäftigt. Seit dem 1. Januar 2008 ist sie Mitglied der [X.] ([X.]).

3

Die [X.]eklagte schloss mit [X.] am 31. Januar 2006 mit Wirkung zum 1. März 2006 einen erstmals zum 31. Dezember 2010 kündbaren Haustarifvertrag (im Folgenden: [X.]). Dieser lautet auszugsweise:

        

„§ 1   

        

Geltungsbereich

        

(1)     

Dieser Tarifvertrag gilt für die Arbeits- bzw. [X.]erufsausbildungsverhältnisse der

                 

a)    

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - nachfolgend [X.]eschäftigte genannt -, die im [X.] tätig sind,

        

...     

                 
        

§ 2     

        

Anzuwendende Tarifverträge

        

(1)     

Folgende zwischen der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände ([X.]) und der [X.] - [X.] ([X.]) - [X.]undesvorstand - abgeschlossene Tarifverträge des öffentlichen Dienstes in der jeweils geltenden Fassung finden Anwendung auf die Arbeits- bzw. [X.]erufsausbildungsverhältnisse der von § 1 Abs. 1 erfassten Personen unter [X.]eachtung der in § 3 vereinbarten Maßgaben:

                 

a)    

Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) vom 13. September 2005,

                 

b)    

Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) - [X.]esonderer Teil Krankenhäuser - ([X.]T-K) vom 13. September 2005,

                 

c)    

Tarifvertrag zur Überleitung der [X.]eschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-[X.]) vom 13. September 2005,

                 

...     

        
        

(2)     

Wird in den im Absatz 1 genannten Tarifverträgen auf Vorschriften anderer Tarifverträge verwiesen, gelten diese, soweit in diesem Tarifvertrag keine abweichenden Regelungen vereinbart sind.

        

...     

        
        

§ 3     

        

[X.]esondere Regelungen

        

(1)     

Der Tarifvertrag nach § 2 Abs. 1 [X.]uchstabe a (TVöD) gilt mit folgenden Maßgaben:

                 

a)    

Die regelmäßige Arbeitszeit nach § 6 Abs. 1 [X.]uchstabe b beträgt 35 Stunden wöchentlich.

                 

...     

        
                 

c)    

Die [X.]eschäftigten erhalten abweichend von § 15 Abs. 2 Entgelt nach der Anlage 1 ‚Tabelle TVöD’ oder Anlage 2 ‚Kr-Anwendungstabelle’.

                 

...     

        
        

(2)     

Der Tarifvertrag nach § 2 Abs. 1 [X.]uchstabe b ([X.]T-K) gilt mit folgenden Maßgaben …

        

(3)     

Der Tarifvertrag nach § 2 Abs. 1 [X.]uchstabe c (TVÜ-[X.]) gilt mit folgenden Maßgaben:

                 

...     

        
        

(4)     

Für die [X.]eschäftigten gemäß § 1 Abs. 1 beträgt der [X.] für das Tabellenentgelt und den sonstigen Entgeltbestandteilen der unter § 2 Abs. 1 genannten Tarifverträge 94 v. H. der nach den jeweiligen Tarifvorschriften für [X.]eschäftigte im [X.]ereich der [X.] für die Regelungen des Tarifgebiets West Anwendung findenden [X.]eträge.

                 

Dieser [X.] erhöht sich zum 01. Juli 2006 auf 95,5 v. H. und zum 01. Juli 2007 auf 97 v. H.

        

...“   

4

Dem [X.] sind als Anlage drei „Tabellen [X.]“ angefügt. Die letzte Tabelle weist für die [X.] ab 1. Juli 2007 das Entgelt bei einer 35-Stunden-Woche nach einem „[X.] Tarifgebiet Ost 9 v.H.“ aus.

5

Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr stehe seit dem 1. Januar 2008 Vergütung nach einem [X.] von 100 % des [X.] zu. § 3 Abs. 4 [X.] habe deklaratorischen Charakter. Er wiederhole nur den [X.] bei Abschluss des [X.] und schließe weitere Anhebungen des [X.]es aufgrund der nach § 2 [X.] anzuwendenden Tarifverträge nicht aus.

6

Die Klägerin hat sinngemäß beantragt

        

festzustellen, dass die [X.]eklagte verpflichtet ist, sie ab dem 1. Januar 2008 nach der [X.] 9a Stufe 5 entsprechend der Anlage [X.] zu § 52 Abs. 1 TVöD-[X.]T-K auf der [X.]asis einer 35-Stunden-Woche zu vergüten und die anfallenden monatlichen [X.]ruttonachzahlungsbeträge ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen [X.]asiszinssatz zu verzinsen.

7

Die [X.]eklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, § 3 Abs. 4 [X.] sei eine konstitutive, die [X.]ezugnahmen in § 2 Abs. 1 und Abs. 2 [X.] einschränkende Regelung. Damit werde der [X.] für die restliche Laufzeit des [X.] in bewusster Abkopplung von der allgemeinen Tariflage abschließend auf 97 % des Tarifniveaus West festgeschrieben.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die [X.]erufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Feststellungsbegehren („hilfsweise“ erst für die [X.] ab dem 1. April 2008) weiter. Die [X.]eklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das [X.] hat die Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

I. Die Feststellungsklage ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend angenommen, dass § 3 Abs. 4 [X.] den [X.] für das Tabellenentgelt (und sonstige Entgeltbestandteile) für die restliche Laufzeit des [X.] ab dem 1. Juli 2007 auf 97 % der für das Tarifgebiet West geltenden Beträge festschreibt. Damit hat die Klägerin keinen tariflichen Anspruch auf Vergütung nach einem [X.] von 100 % des [X.] weder seit dem 1. Januar noch seit dem 1. April 2008.

1. Dieses Ergebnis kann bereits aus dem Wortlaut von § 3 Abs. 4 [X.] geschlossen werden, denn ein [X.] von 100 % ist darin nicht geregelt. Nach § 3 Abs. 4 [X.] betrug für die Beschäftigten iSd. § 1 Abs. 1 [X.] der [X.] für das Tabellenentgelt (und die sonstigen Entgeltbestandteile der unter § 2 Abs. 1 [X.] genannten Tarifverträge) zunächst 94 % der nach den jeweiligen Tarifvorschriften für Beschäftigte im Bereich der [X.], für die die Regelungen des Tarifgebiets West Anwendung finden, geltenden Beträge. Dieser [X.] erhöhte sich zum 1. Juli 2006 auf 95,5 % und zum 1. Juli 2007 auf 97 %. Weitere Steigerungen des [X.]es, wie sie ein tarifvertraglicher Anspruch vorausgesetzt hätte, sieht § 3 Abs. 4 [X.] nicht vor.

2. Aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang folgt, dass § 3 Abs. 4 [X.] den [X.] für die restliche Laufzeit des [X.] ab dem 1. Juli 2007 abweichend von der allgemeinen Tariflage auf 97 % der für das Tarifgebiet West geltenden Beträge festschreibt. Ansonsten wäre § 3 Abs. 4 [X.] systematisch falsch eingeordnet, überflüssig und unvollständig. Seine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Gestaltung erklärt sich (allein) daraus, dass er eine umfassende, [X.] unmittelbar (§ 2 Abs. 1 [X.]) und mittelbar (§ 2 Abs. 2 [X.]) in Bezug genommenen Tarifverträgen vorgehende Regelung enthält.

a) § 3 Abs. 4 [X.] beinhaltet eine konstitutive, von der allgemeinen Tariflage abweichende Regelung. Das folgt zum einen aus seiner Einordnung in den mit „Besondere Regelungen“ überschriebenen § 3 [X.]. Zum anderen ergibt sich dies aus § 2 Abs. 1 [X.]. Danach finden die dort in Bezug genommenen Tarifverträge nur „unter Beachtung der in § 3 vereinbarten Maßgaben“ Anwendung. Es wird auf § 3 [X.] in Gänze und nicht bloß auf dessen Absätze 1 bis 3 verwiesen. Damit muss auch § 3 Abs. 4 [X.] eine „Maßgabe“ enthalten. Dem entspricht es, dass sich auch sonst an keiner Stelle des [X.] eine reine Wiedergabe der allgemeinen Tariflage findet.

b) Die „Maßgabe“ bzw. von der allgemeinen Tariflage abweichende und damit - im Sinne der Überschrift - „besondere“ Regelung in § 3 Abs. 4 [X.] kann nur in einer Festschreibung des [X.]es für die restliche Laufzeit des [X.] ab dem 1. Juli 2007 auf 97 % der für das Tarifgebiet West geltenden Beträge liegen. Denn für die Zeit bis zum 1. Juli 2007 erschöpft sich § 3 Abs. 4 [X.] in einer - als solche überflüssigen und nahezu wortgleichen - Wiedergabe der über § 2 Abs. 1 Buchst. a [X.] ohnehin in Bezug genommenen Protokollnotiz Nr. 2 zu § 15 Abs. 1 [X.] in der bei Abschluss des [X.] geltenden Fassung. Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass die inhaltlich und formal (vgl. [X.] 27. Mai 2008 - 3 [X.] - Rn. 27 mwN) einer Tarifregelung entsprechende Protokollnotiz „vollwertiger“ Bestandteil des [X.] war. Sie lautete:

        

„Für Beschäftigte im Bereich der [X.], für die die Regelungen des Tarifgebiets Ost Anwendung finden, beträgt der [X.] für das Tabellenentgelt und die sonstigen Entgeltbestandteile in diesem Tarifvertrag sowie in den diesen Tarifvertrag ergänzenden Tarifverträgen und -regelungen 94 v.H. der nach den jeweiligen Tarifvorschriften für Beschäftigte im Bereich der [X.], für die die Regelungen des Tarifgebiets West Anwendung finden, geltenden Beträge. Dieser [X.] erhöht sich zum 1. Juli 2006 auf 95,5 v.H. und zum 1. Juli 2007 auf 97 v. H.“

Diese Steigerungen des [X.]es liegen auch den Faktoren in § 6 Abs. 1 Satz 4 TVÜ-[X.] aF für die Stufenzuordnung der Angestellten und in der Protokollerklärung zu § 7 Abs. 2 bis Abs. 4 TVÜ-[X.] aF für die Stufenzuordnung der Arbeiterinnen und Arbeiter zugrunde. Die dort geregelten Erhöhungen des Entgelts der individuellen Zwischenstufe am 1. Juli 2006 um den Faktor 1,01596 sowie am 1. Juli 2007 um den Faktor 1,01571 entsprechen den Anstiegen von 94 % auf 95,5 % bzw. von 95,5 % auf 97 %.

c) Gegen die Lesart der Revision spricht weiter, dass § 3 Abs. 4 [X.] als bloß beschreibende Regelung nicht lediglich unter der falschen Überschrift eingeordnet und überflüssig, sondern auch unvollständig wäre. Bei Abschluss des [X.] stand bereits fest, dass der [X.] nach den dort in Bezug genommenen Tarifverträgen noch während der Mindestlaufzeit des [X.] auf 100 % des [X.] anzuheben sein würde. § 2 Abs. 1 Buchst. c [X.] verweist auf den TVÜ-[X.]. § 29 TVÜ-[X.] aF stellte klar, dass § 3 Abs. 1 Satz 2 des Vergütungstarifvertrags Nr. 7 zum [X.] für den Bereich der [X.] ([X.]) vom 31. Januar 2003 (im Folgenden: [X.] Nr. 7) und § 3 Abs. 1 Satz 2 des Monatslohntarifvertrags Nr. 7 zum BMT-G-O vom 31. Januar 2003 (im Folgenden: [X.]) durch das Inkrafttreten des TVÜ-[X.] unberührt blieben. Tarifverträge, auf die im TVÜ-[X.] verwiesen wird, gelten über § 2 Abs. 2 [X.] auch für Arbeitnehmer der Beklagten, soweit im [X.] keine abweichende Regelung vereinbart ist.

§ 3 Abs. 1 Satz 2 [X.] Nr. 7 lautete:

        

„Die Anpassung des [X.]es wird für die Angestellten der Vergütungsgruppen X bis V b und [X.]. I bis [X.]. VIII bis zum 31. Dezember 2007 und für die übrigen Angestellten bis zum 31. Dezember 2009 abgeschlossen.“

§ 3 Abs. 1 Satz 2 [X.] lautete:

        

„Die Anpassung des [X.]es Ost wird für alle Arbeiter bis zum 31. Dezember 2007 abgeschlossen.“

Hätte § 3 Abs. 4 [X.] die schon bei Abschluss des [X.] geltende allgemeine Tariflage beschreiben sollen, hätte er auch die in diesen Bestimmungen niedergelegte, jedenfalls schuldrechtlich wirkende Regelung als „Fahrplan“ iSd. „[X.]“ wiedergeben müssen. In eben diesem beredten Schweigen liegt die - von der Revision vermisste - „abweichende Regelung“ iSv. § 2 Abs. 2 [X.]. Eines ausdrücklichen Ausschlusses weiterer Steigerungen des [X.]es während der Laufzeit des [X.] bedurfte es nicht. Es genügte, dass keine weitere Steigerung während der Laufzeit des [X.] vorgesehen ist.

d) Nach alledem beinhaltet § 3 Abs. 4 [X.] mit der Festschreibung des [X.]es auf 97 % zugleich eine „Maßgabe“ iSv. § 2 Abs. 1 [X.] für künftige „umsetzende“ Fassungen der dort in Bezug genommenen „Haupttarifverträge“ und eine „abweichende Regelung“ iSv. § 2 Abs. 2 [X.] von dem hiernach sonst als Verweisungstarifverträge Anwendung findenden § 3 Abs. 1 Satz 2 [X.]/[X.]. Diese Doppelfunktion erklärt, warum die Regelung am Ende des § 3 [X.] eingeordnet worden ist und - anders als die drei vorherigen Absätze - nicht ausdrücklich (nur) eine „Maßgabe“ für einen in der in § 2 Abs. 1 [X.] in Bezug genommenen Tarifverträge vorsieht.

II. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Heyn    

        

    Mandrossa    

                 

Meta

5 AZR 250/10

18.05.2011

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Halberstadt, 25. März 2009, Az: 2 Ca 537/08, Urteil

§ 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.05.2011, Az. 5 AZR 250/10 (REWIS RS 2011, 6512)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6512

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 AZR 179/18 (Bundesarbeitsgericht)

Auslegung des Haustarifvertrags - Weitergabe dynamischer Entgelterhöhungen gemäß den Entgelttabellen des TVöD - Klinikbetrieb


5 AZR 189/18 (Bundesarbeitsgericht)

Weitergabe dynamischer Entgelterhöhungen gemäß den Entgelttabellen des TVöD aufgrund Haustarifvertrags - betriebliche Übung


4 AZR 718/10 (Bundesarbeitsgericht)

Kein Anspruch auf Anpassung des Bemessungssatzes der Grundvergütung gemäß der Anpassungsklausel in § 3 Abs …


4 AZR 566/09 (Bundesarbeitsgericht)

Kein Anspruch auf Anpassung des Bemessungssatzes der Grundvergütung gemäß der Anpassungsklausel in § 3 Abs …


4 AZR 717/10 (Bundesarbeitsgericht)

Kein Anspruch auf Anpassung des Bemessungssatzes der Grundvergütung gemäß der Anpassungsklausel in § 3 Abs …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.