Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.07.2012, Az. 2 StR 60/12

2. Strafsenat | REWIS RS 2012, 4802

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2
StR 60/12
vom
11. Juli 2012
in der Strafsache
gegen

wegen
gefährlicher Körperverletzung
u.a.

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Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers
am 11.
Juli 2012
gemäß §
349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 29.
Juli 2011 mit den zugehörigen [X.] aufgehoben,
a) in den Fällen [X.], [X.] und [X.] der Urteilsgründe,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurückver-wiesen.
3. Die weiter gehende Revision
des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen gefährlicher Körperverletzung in sieben Fällen, vorsätzlicher Körperver-letzung in zwölf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit [X.], und wegen Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Außerdem hat es der Nebenklägerin unter Absehen von einer weiter gehenden Entscheidung über die Adhäsionsklage ein Schmerzensgeld in Höhe en. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf eine [X.]
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fahrensrüge sowie die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang aufgrund der Sachrüge Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von §
349 Abs. 2 StPO.

I.
Nach den Feststellungen schlug und trat der Angeklagte die Nebenkläge-rin am Morgen eines Tages im Zeitraum zwischen dem 30.
August und Anfang September 2008 aus nichtigem Anlass. Sie flüchtete ins Badezimmer und
kau-erte sich am Boden zusammen. Der Angeklagte setzte ihr nach und trat ihr mehrfach gegen den Kopf, so dass diese gegen die Badewanne stieß. Dadurch wurde es der Nebenklägerin schwindelig und sie erlitt eine blutende Verletzung am Ohr. Es folgten weitere
Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht der [X.] (Fall [X.] der Urteilsgründe). Am 5.
Oktober 2008 prügelte der An-geklagte im Schlafzimmer auf die Nebenklägerin ein und trat sie. Dadurch [X.] sie mehrfach mit dem Kopf gegen die Metallverstrebung des Bettes und ge-gen die Wände des Schlafzimmers gestoßen. Außerdem riss der Angeklagte ihr Haare aus (Fall [X.]). An einem Tag Ende Januar 2009 fesselte der Ange-klagte die Nebenklägerin an einen Stuhl, indem er ihre Hände mit einem Tuch hinter der Lehne des Stuhls sowie ihre Beine zusammenband. Außerdem kne-belte er sie. Er drohte ihr an, ihr den Finger zu brechen, mit dem sie seine Tele-fonanrufe weggedrückt habe. Die Nebenklägerin geriet dadurch in Panik, zitter-te und weinte. Der Angeklagte ließ die Nebenklägerin einige Minuten gefesselt, ohne seine Drohung umzusetzen; dann band er sie los (Fall [X.]).

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II.
Die Handlungen in den Fällen [X.] und [X.] hat das [X.] ohne nähere Erläuterung als gefährliche Körperverletzung, die Handlung im Fall
[X.] als vorsätzliche Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung bewertet. Dies begegnet rechtlichen Bedenken.
1. Es ist nicht nachzuvollziehen, welchen Qualifikationstatbestand des §
224 Abs.
1 StGB das [X.] in den Fällen [X.] und [X.] heranziehen wollte, weil das [X.] keine ausdrückliche Subsumtion vorgenommen hat. Das Wertungsergebnis liegt auch nicht ohne weiteres auf der Hand.
§
224 Abs.
1 Nr.
2 StGB greift nach der Rechtsprechung des [X.] nicht ein, wenn der Täter das Opfer gegen einen unbeweglichen Ge-genstand bewegt (vgl. BGHSt 22, 235, 236; [X.], 75).
Danach kommt als Qualifikationsgrund in den genannten Fällen nur die Begehung der Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden [X.] gemäß §
224 Abs.
1 Nr. 5 StGB in Betracht. Tritte oder heftige Schläge gegen den Kopf des Opfers können eine das Leben gefährdende Behandlung darstellen (vgl. Senat, Beschluss vom 6.
Juni 2007 -
2 StR 105/07). Dies gilt aber nur dann, wenn sie nach
der Art der Ausführung der Verletzungshandlun-gen im Einzelfall zu lebensgefährlichen Verletzungen führen können. Ob das hier der Fall war, wird aus den Urteilsfeststellungen nicht abschließend deutlich.
Erforderlich ist zudem ein Vorsatz des [X.] zur Herbeiführung einer derartigen potenziellen Lebensgefahr (vgl. BGHSt 19, 352 f.). Dazu hat das [X.] keine Feststellungen getroffen.
2. Im Fall [X.] hat das [X.] den Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung (§
223 Abs.
1 StGB) durch die Fesselung der Nebenklägerin 3
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nicht näher erläutert. Eine körperliche Misshandlung im Sinne von §
223 Abs.
1 StGB ist eine üble, unangemessene Behandlung, die zu einer nicht unerhebli-chen Beeinträchtigung des körperlichen Wohlempfindens oder der körperlichen Unversehrtheit führt. Das körperliche Wohlempfinden kann nicht allein durch psychische Reaktionen beeinträchtigt werden (vgl. [X.], 123, 124), so dass das Hervorrufen von Angst nicht als Taterfolg im Sinne des §
223 Abs.
1 StGB ausreicht. Bedrohungs-
oder Einschüchterungshandlungen dürfen sich hinsichtlich der Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens nicht nur auf das seelische Gleichgewicht auswirken, sondern sie müssen auch die kör-perliche Verfassung des Opfers betreffen (vgl. BGH NStZ
1986, 166). Ob dies hier
der Fall war, bleibt nach den getroffenen Feststellungen zumindest unklar. Zudem muss der [X.] vom Vorsatz des [X.] umfasst sein. Dazu verhalten sich die Urteilsfeststellungen nicht. Eine Erläuterung der rechtli-chen Bewertung fehlt.
Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Freiheitsberaubung, die für sich genommen rechtsfehlerfrei festgestellt und beurteilt wurde, kann danach ebenfalls keinen Bestand haben.
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3. Mit der Aufhebung des Schuldspruchs und des Ausspruchs über die Einzelstrafen in den Fällen [X.], [X.] und [X.] mitsamt der [X.] entfällt zugleich die Gesamtstrafe.

[X.]Fischer Appl

Krehl Eschelbach
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Meta

2 StR 60/12

11.07.2012

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.07.2012, Az. 2 StR 60/12 (REWIS RS 2012, 4802)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4802

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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