Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.03.2013, Az. 1 StR 647/12

1. Strafsenat | REWIS RS 2013, 7303

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
1
StR
647/12

vom
19. März
2013
in der Strafsache
gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 19.
März 2013, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl

als Vorsitzender

und die [X.] am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. [X.],
Prof. Dr. [X.],
[X.],

[X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Rechtsanwalt

als Vertreter der Nebenklägerin,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
1.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] ([X.]) vom 3.
Juli 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben:

a)
soweit der Angeklagte wegen gefährlicher Körperver-letzung (in Tateinheit) mit Freiheitsberaubung verur-teilt worden ist und

b)
im Gesamtstrafenausspruch.

2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zustän-dige [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
I.
Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-zung (in Tateinheit) mit Freiheitsberaubung sowie wegen Urkundenfälschung in zwei Fällen und wegen versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.
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-
Die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, ist auf die Anfechtung der Verurteilung wegen ge-fährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung beschränkt. Die Staatsanwaltschaft erstrebt hinsichtlich der Gewalthandlungen vom 28./29.
August 2011 jedenfalls die Verurteilung wegen eines versuchten [X.]. Die weitergehende Verurteilung (wegen Urkundenfälschung in zwei Fällen und wegen versuchter Nötigung) ist vom Rechtsmittelangriff ausge-nommen.
Die insoweit wirksam beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg, sodass es eines [X.] auf die Verfahrensrüge nicht bedarf.
II.
Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1.
Der Angeklagte unterhielt mit der Nebenklägerin (im Folgenden: [X.]) seit etwa 2008 eine
Beziehung. Aus dieser Beziehung ging der gemeinsame [X.] hervor. Nachdem es zwischen den Partnern immer öfter Streitigkeiten gab, trennte sich [X.] im Juli 2011 vom Angeklagten. Trotz der Trennung wohn-ten sie und der Angeklagte weiter zusammen in der gemeinsamen Wohnung und schliefen im [X.]. Der Angeklagte sowie [X.] beabsichtigten,
zur Absicherung ihres [X.] eine gemeinsame Lebensversicherung abzuschlie-ßen. Versicherungsnehmer sollten sie beide sein. Die [X.] vom Angeklagten übernommen werden.
Nachdem der Angeklagte erkannte, dass die Trennung von [X.] endgültig ist, beschloss er zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt,
[X.] zu töten. In diesem Zusammenhang wollte er die Versicherungsleistung aus der 2
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geplanten, noch abzuschließenden Lebensversicherung zu Unrecht selbst ver-einnahmen. Den Tod der [X.] wollte er so herbeiführen, dass sich der Gesche-hensablauf als häuslicher Unfall darstellt.
In Ausführung dieses Planes füllte er am 1.
Juli 2011 in seiner Wohnung einen Antrag auf Abschluss einer Lebensversicherung bei der C.-Versicherung aus. Als Versicherungsnehmer und als die zu versichernde Person trug er ent-gegen der Absprache mit [X.] in das Formular diese als alleinige Versicherungs-nehmerin ein, versah den Antrag mit deren nachgemachter Unterschrift und trug sich selbst als Begünstigter im Todesfall der [X.] ein. Im Antrag bezifferte er die Versicherungsleistung, die im Todesfall der [X.] an ihn selbst ausgezahlt werden sollte, mit 1.340.000

ging am 4.
Juli 2011 bei der
C.-Versicherung ein. Mit der nachgemachten Unterschrift wollte er die [X.] den tatsächlichen Antragsteller täuschen. [X.] wusste hiervon nichts.
Entgegen der Vorstellung des Angeklagten lehnte die [X.] eine Deckung in der beantragten Höhe ab, erklärte sich aber zum Vertragsschluss in Höhe von 500.000

e-rung durchgeführten Bedarfsberechnung bereit. Am 13.
August 2011 unter-schrieb der Angeklagte aufgrund eines neuen Tatentschlusses erneut in seiner Wohnung eine Erklärung über den Erhalt von Unterlagen sowie einen Zusatz-antrag zur Hinterbliebenenabsicherung, in dem der Versicherungsbeginn 1.
August 2011 und die Versicherungssumme mit 500.000

Die vorgenannten Urkunden versah
er wiederum mit der von ihm nach-gemachten Unterschrift der [X.], um die Versicherung erneut darüber zu täu-schen, dass diese die Antragsunterlagen -
wie nicht
-
erhalten und unterschrie-ben hätte,
und reichte sie bei der C.-Versicherung ein. Im Vertrauen auf die Echtheit der Urkunden bestätigte die C.-Versicherung das Zustandekommen
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des Versicherungsvertrages mit Versicherungspolice vom 16.
August 2011, die der Angeklagte tags darauf zugestellt bekam. Auch davon bekam [X.] nichts mit. Versichert war der Tod der [X.] unabhängig davon, ob es sich um einen natürli-chen oder um einen gewaltsamen Tod handelte. Dies wusste der Angeklagte.
Nachdem der Angeklagte die vertraglichen Voraussetzungen geschaffen und erfahren hatte, dass [X.] sich mit [X.] trifft, entschloss er sich schließlich am 28.
August 2011, seinen Tötungsplan in die Tat umzuset-zen.
Der Angeklagte wollte den Eindruck erwecken, [X.] sei beim Ausstieg aus der nassen Dusche auf dem Boden des Badezimmers ausgerutscht und mit dem Kopf auf einen harten Gegenstand aufgeschlagen, wobei sie sich tödliche Verletzungen zugezogen habe. Hierzu verstreute er am Abend vorher auf dem Boden Waschpulver und legte sich Geschirrtücher sowie Kabelbinder unter dem Kopfkissen zurecht, um damit [X.] zu fesseln. Den gemeinsamen [X.] verbrachte er zu seinen Eltern, damit dieser von der Tat nichts mitbekomme. Um sich selbst ein Alibi zu verschaffen, verbrachte er den Abend bei seinen Eltern und legte sich, nachdem sein Vater zu Bett ging, zum Schein auf die Couch, um den Eindruck zu erwecken, er werde die ganze Nacht bei seinen Eltern verbringen.
Tatsächlich begab er sich jedoch heimlich zurück in seine Wohnung, wo er im Bett liegend auf die Rückkehr von [X.] wartete. Diese kehrte etwa gegen 2.30
Uhr zurück und legte sich nur mit einer Unterhose bekleidet neben den Angeklagten in ihre Betthälfte. Zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeit-punkt zwischen 3.15
Uhr und 5.30
Uhr begann der Angeklagte,
die schlafende, wehrlose [X.] zu fesseln. Er drehte sie dazu auf den Bauch und fesselte ihr zu-erst mit einem stabilen Klebeband die Hände auf dem Rücken, wickelte ihr 10
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dann die bereits vorher dazu ebenfalls bereitgelegten Geschirrtücher um die Handgelenke und fixierte diese dann über den zur Polsterung und Striemen-vermeidung dienenden Tüchern mit den bereitliegenden Kabelbindern. [X.] wurde [X.] wach, worauf der Angeklagte ihr sogleich den Mund mit Klebe-band verklebte. Damit wollte der Angeklagte jeglichen Fluchtversuch der [X.] von vornherein verhindern.
Anschließend nahm er eine nicht näher identifizierte Pistole, hielt sie an ihren Mund und sagte, er würde sie wahnsinnig gerne erschießen. Tatsächlich beabsichtigte er dies nicht, sondern wollte sie einschüchtern und in Todesangst versetzen, was ihm auch gelang. Anschließend fesselte er [X.] mit dem Klebe-band noch an den Beinen, um sie ohne Gegenwehr in das Badezimmer ver-bringen zu können. Entsprechend seinem Plan verbrachte er die verängstigte und wehrlose [X.] gegen ihren Willen ins Badezimmer und bespritzte dort das schon am Abend zuvor auf dem Boden verstreute Waschpulver mit Wasser, um einen Schmierfilm zu erzeugen. Anschließend verbrachte er sie nochmals ins Schlafzimmer und gleich wieder zurück ins Bad. Er stellte [X.] nun unter die laufende Dusche, um sie nass zu machen.
Dann zog er sie aus der Dusche, fasste sie mit den Händen an den Kopf, zog diesen zuerst nach vorne und schleuderte die gefesselte [X.] dann mit [X.] nach hinten, um ihr durch den Sturz möglichst tödliche Kopfverlet-zungen zuzufügen. Die aufgrund der Fesselung völlig wehrlose [X.] stürzte und schlug mit der linken Schulter und dem Hinterkopf auf dem gefliesten Boden auf. Sie blieb zwar auf dem Rücken
liegen, war jedoch nicht schwer verletzt. Der Angeklagte war von diesem vergleichsweise harmlosen Verlauf überrascht, da er zumindest mit dem Eintreten der Bewusstlosigkeit der [X.] rechnete. Er entschloss sich nunmehr, [X.] dadurch zu töten, dass er ihr das Genick bricht. Er setzte sich dazu auf die Hüfte auf der am Boden liegenden [X.], nahm ihren Kopf 13
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in seine Hände und versuchte,
durch gewaltsames Überdrehen des Kopfes nach hinten dieser tödliche Genickverletzungen zuzufügen. Als dies aufgrund Muskelanspannung der [X.] misslang, fasste er mit einer Hand unter die rechte Schulter der [X.], zog sie nach oben und drückte mit der anderen Hand gleichzei-tig ihren Kopf nach unten. Da auch dies nicht zu tödlichen Verletzungen führte, kniete er sich nunmehr neben [X.], fasste mit einer Hand an ihren Hinterkopf und mit der anderen an ihr Kinn, um den Kopf kraftvoll drehen zu können. Er zog sodann gleichzeitig ihren Hinterkopf seitlich nach vorne und drückte
ihr Kinn nach hinten. Aber auch hierdurch gelang es ihm nicht, [X.] erhebliche bzw. tödli-che Verletzungen zuzufügen, weil diese ihren Körper mitdrehen konnte.
Er ließ nun von [X.] ab und fing an, diese zu beschimpfen. Er warf ihr vor, sie sei schuld am Scheitern der Beziehung und auch an dem was nunmehr passiere, weil sie egoistisch sei und nur an sich selbst denke. [X.] antwortete auf die Beschimpfungen und Vorhalte des Angeklagten trotz verklebtem Mund so gut sie konnte, worauf der Angeklagte ihr mehrfach mit der flachen Hand auf die Wange schlug, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass ihm ihre Antwort nicht gefiel.
Nunmehr entschloss er sich, die Gegenwehr der [X.] dadurch auszuschal-ten, dass er sie bis zur Ohnmacht knebelte, um ihren Kopf dann ohne [X.] auf den Boden schleudern zu können bzw. ihr durch gewaltsames [X.] des Kopfes tödliche Verletzungen zuzufügen. Hierzu drückte er [X.] ihren Mund und ihre Nase mit der Hand zu. Infolge dieser Behandlung löste sich das Klebeband von ihrem Mund und [X.] schrie so laut sie konnte um Hilfe. Dies geschah ca. um 6.00
Uhr früh. Nun drückte er ihr ein im Badezim-mer in unmittelbarer Reichweite befindliches Handtuch tief in den Mund-
und Rachenraum und hielt ihr gleichzeitig die Nase zu. Damit gelang es ihm, die Luftzufuhr der [X.] vollständig zu unterbinden, sodass [X.] nicht mehr atmen konn-15
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te, ihre Gegenwehr aufgab und dachte,
sie werde nun sterben. Erst als sie langsam kraftlos wurde und, wie er erkannte, kurz vor der Bewusstlosigkeit stand, ließ der Angeklagte wortlos von seinem Vorhaben ab und nahm den [X.] aus ihrem Mund, sodass sie schließlich wieder Luft bekam und sich er-holte.
Anschließend trug er die immer noch am Boden liegende, gefesselte halbnackte [X.] zurück in das Schlafzimmer und zwang sie, auf dem Bett liegen zu bleiben. Als er bemerkte, dass es ihr zwischenzeitlich gelungen war, der
Fesselung der Hände durch die Kabelbinder teilweise zu entkommen, drehte er sie gewaltsam in Bauchlage und legte ihr neue Kabelbinder an, die er so fest
zuzog, dass sie Schmerzen erlitt. Im weiteren Verlauf bot [X.] dem Angeklagten aus Angst um ihr Leben eine Übertragung des Sorgerechts für den [X.] an und versprach ihm, sie werde nicht zur Polizei gehen, wenn er sie frei lasse.
Schließlich nahm der Angeklagte [X.] gegen 8.30
Uhr die Fesselung ab und ließ sie gegen 9.15
Uhr aus der Wohnung. Der Angeklagte bedrohte sie kurz vor Verlassen der Wohnung noch, dass er sie umbringen werde, wenn sie den Vorfall der Polizei melde.
Dennoch erstattete [X.] nach einer Überlegungsphase und erst nach [X.] durch ihre Mutter am 29.
August 2011 abends Anzeige gegen den Angeklagten.
[X.] erlitt durch den
Erstickungsversuch Petechien im Auge, durch den Aufprall auf dem gefliesten Boden eine 4
cm große Beule am Hinterkopf, durch die Misshandlungen starke Schmerzen am Hals und durch die Fesselung an den Hand-
und Sprunggelenken Hautreizungen und Schmerzen. Dies hatte der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen.
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[X.] ist seit diesem Vorfall in psychiatrischer
Behandlung. Ob und in wel-chem Umfang psychische Dauerfolgen verbleiben, steht nicht fest. Sie hat nach wie vor schon bei alltäglichen Berührungen Angstzustände.
2.
Das [X.] hat im Rahmen der Beweiswürdigung (III.
6 =
UA S.
10-12) das Vorliegen eines fehlgeschlagenen Tötungsversuchs verneint und bei der rechtlichen Würdigung (IV.
1 =
UA S.
12) einen freiwilligen Rücktritt vom unbeendeten Versuch bejaht. Es hat bei dem Tatgeschehen vom 28./29.
August 2011 eine Zäsur nur im Hinblick auf die abschließende [X.] Nötigung angenommen und ist davon ausgegangen, dass das [X.] der Freiheitsberaubung "die übrigen Körperverletzungsdelikte" verklammere.

III.
Das angefochtene Urteil leidet an durchgreifenden materiell-rechtlichen Fehlern.
1.
Insbesondere ist den getroffenen Feststellungen nicht das Vorstel-lungsbild des [X.] nach Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Aus-führungshandlung,
der
sogenannte Rücktrittshorizont,
zu entnehmen. Bei [X.] einer Zäsur müssen zudem die Vorstellungen des Angeklagten jeweils nach der (vorläufig) letzten Ausführungshandlung dargetan werden.
Auf den Rücktrittshorizont des Angeklagten kann hier nicht aus dem Ur-teil in seiner Gesamtheit geschlossen werden, wenn auch im Rahmen der Be-weiswürdigung (III.
6 = UA S.
10-12) und der rechtlichen Würdigung (IV.
1 =
UA S.
12) rudimentär Rücktrittselemente angesprochen werden. Hier wird jeweils in erster Linie mitgeteilt, was nicht festgestellt werden konnte, ohne dass
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ergänzend heranzuziehende
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klare und eindeutige Feststellungen zum [X.] des Angeklagten nach den verschiedenen Tathandlungen getrof-fen wurden. Ohnehin konnte [X.] zum jeweiligen Vorstellungsbild des Angeklag-ten schon deshalb keine Angaben machen, weil er sich hierzu nicht geäußert hat. Die entsprechenden Feststellungen sind aber unerlässlich; denn auf den Rücktrittshorizont kommt es bei der Beurteilung, ob ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch vorliegt, entscheidend an.
Das ergibt sich aus Folgendem:
Die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendeten
Versuch be-stimmt sich nach dem Vorstellungsbild des [X.] nach dem
Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung, dem sogenannten Rücktrittshorizont. Bei einem Tötungsdelikt liegt demgemäß ein unbeendeter
Versuch vor, bei dem allein der Abbruch der begonnenen
Tathandlung zum strafbefreienden Rücktritt vom Versuch führt, wenn der Täter zu diesem Zeit-punkt noch nicht alles getan hat, was nach seiner Vorstellung zur Herbeifüh-rung des Todes erforderlich oder zumindest ausreichend ist.
Ein beendeter
Tötungsversuch, bei dem der
Täter
für einen strafbefrei-enden Rücktritt vom Versuch den Tod des Opfers durch eigene Rettungsbe-mühungen verhindern oder sich darum zumindest freiwillig und ernsthaft [X.] muss, ist hingegen anzunehmen, wenn er den Eintritt des Todes bereits für möglich hält oder sich keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns macht.
Eine Korrektur des [X.] ist in
engen Grenzen
möglich.
Der Versuch eines Tötungsdelikts ist daher nicht beendet, wenn der Täter zunächst irrtümlich den Eintritt des Todes für möglich hält, aber nach [X.] seines Irrtums von weiteren Ausführungshandlungen Abstand nimmt.
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12
-
Rechnet der Täter dagegen zunächst nicht mit einem tödlichen Ausgang, so
liegt eine umgekehrte Korrektur des [X.] vor, wenn er [X.] darauf erkennt, dass er sich insoweit geirrt hat.
In diesem Fall ist ein beendeter Versuch gegeben, wenn sich die Vorstel-lung des [X.] bei fortbestehender Handlungsmöglichkeit sogleich nach der letzten Tathandlung in engstem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dieser ändert (st. Rspr.
vgl. u.a. [X.], Urteil vom 1.
Dezember 2011 -
3
StR
337/11 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen; [X.], Urteil vom 2.
Februar 2012
-
3
StR
401/11; [X.], Urteil vom 8.
Mai 2012 -
5
StR
528/11).
Fehlgeschlagen
ist ein Versuch, wenn die Tat nach [X.] des [X.] vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen na-he liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Dabei kommt es auf die Sicht des [X.] nach Abschluss der letzten Ausfüh-rungshandlung an (Rücktrittshorizont). Wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Er-folgs eines erneuten Aussetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (st. Rspr. vgl. nur [X.], Urteil vom 25.
Oktober 2012
-
4
StR
346/12 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Liegt ein Fehlschlag vor, scheidet ein Rücktritt vom Versuch nach allen Varianten des §
24 Abs.
1 oder Abs.
2 StGB aus; umgekehrt kommt es nur dann, wenn ein Fehlschlag nicht gegeben ist, auf die Unterscheidung zwischen unbeendetem
und beendetem
Versuch an, die für die vom Täter zu erbringen-de Rücktrittsleistung in Fällen des §
24 Abs.
1 StGB stets, in solchen des §
24 Abs.
2 StGB mittelbar dann von Bedeutung ist, wenn sich die (gemeinsame) 30
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-
Verhinderungsleistung von [X.] in einem einverständlichen Un-terlassen des Weiterhandelns erschöpfen kann (vgl. nur [X.], Urteil vom 19.
Mai 2010 -
2
StR
278/09 mwN).
Allen Fällen ist gemeinsam, dass es auf das Vorstellungsbild des [X.] im entscheidungserheblichen Zeitpunkt ankommt. Diese
Vorstellung
ist [X.] auch für die Beurteilung der Freiwilligkeit eines Rücktritts von [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 15.
September 2005 -
4
StR
216/05 mwN).
Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entneh-men, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (vgl. u.a. [X.], Beschluss vom 13.
November 2012 -
3
StR
411/12; [X.], Beschluss vom 29.
September 2011 -
3
StR
298/11; [X.], Beschluss vom 11.
Februar 2003
-
4
StR
8/03).
Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, weil
es sich um ein [X.] und mehraktiges Tatgeschehen
handelt und auch die Prüfung der An-nahme
nur
einer Tat im Rechtssinne vorzunehmen ist. Denn würde man, was hier nicht fern liegt, eine oder mehrere
Zäsuren (hinsichtlich der abschließen-den versuchten Nötigung ist der Tatrichter selbst davon ausgegangen [UA S.
13]) annehmen, ist die Mitteilung des Vorstellungsbildes des Angeklagten nach der jeweils letzten Ausführungshandlung geboten.
Die Annahme des [X.],
das [X.] der
(einfachen) [X.] verklammere auch gefährliche Körperverletzungen
(die [X.] Fesselung kann ebenfalls eine gefährliche Körperverletzung gemäß §
224 Abs.
1 Nr.
2 StGB darstellen; vgl. u.a. [X.], Urteil vom 21.
Januar 2004
-
1
StR
364/03 mwN; [X.], StGB, 60.
Aufl.,
Rn.
9b zu §
224), begegnet 34
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14
-
rechtlichen Bedenken; denn das im Strafrahmen des §
224 StGB zum Aus-druck kommende Gewicht übersteigt das des [X.]s (§
239 StGB) erheb-lich (vgl. [X.]
aaO
Rn.
32 vor §
52).
Zu denken ist aber an eine natürliche Handlungseinheit. Eine solche und damit eine Tat im materiell-rechtlichen Sinne liegt bei einer Mehrheit gleicharti-ger strafrechtlich erheblicher Verhaltensweisen nach der Rechtsprechung nur dann vor, wenn die einzelne [X.] durch ein gemeinsames subjekti-ves Element verbunden sind und
zwischen ihnen ein derart unmittelbarer [X.] und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des [X.] objektiv auch für einen [X.] als [X.] erscheint.
Für die Beurteilung einzelner Versuchshandlungen als eine natürliche Handlungseinheit ist
deshalb
eine solche Gesamtbetrachtung vorzunehmen.
Dabei begründet der Wechsel eines Angriffsmittels nicht ohne Weiteres eine die Annahme einer Handlungseinheit
ausschließende Zäsur. Eine tatbestandli-che Handlungseinheit endet jedoch mit dem Fehlschlagen des Versuchs (vgl. u.a. [X.], Urteil vom 25.
November 2004 -
4
StR
326/04 mwN).
Auch für die Beurteilung, ob die einzelnen [X.] durch ein gemeinsames subjektives Element verbunden sind, ist die (jeweils rechtsfehler-freie) Feststellung der subjektiven Tatseite erforderlich.
An all diesem
fehlt es
hier.
Die Urteilsgründe lassen weiter nicht eindeutig erkennen, ob der Ange-klagte durchgehend davon ausging, den Tod der [X.]
(als außertatbestandliches Ziel) als Unfall darstellen zu können oder nur noch ihren gewaltsamen Tod er-strebte, obwohl dafür das Risiko für ihn größer wurde,
als Täter in Verdacht zu 38
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-
15
-
geraten und deshalb die Versicherungssumme nicht ausbezahlt zu erhalten.
Denn es ist naheliegend, dass bei einem offensichtlich gewaltsamen Tod der [X.] in der Wohnung des Angeklagten kurz nach Abschluss einer entsprechenden Lebensversicherung und bei einem möglichen Sorgerechtsstreit (UA
S.
7) der Tatverdacht auf den Angeklagten fallen würde.
Die Urteilsgründe lassen offen, ob der Angeklagte möglicherweise nur noch weiterhandelte, um seine vorausgehende Tat zu verdecken.
Das Fehlen entsprechender Feststellungen und Erörterungen lässt
eine abschließende Prüfung durch das Revisionsgericht nicht zu.
Die Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils im angefochtenen Umfang.
Die zugrundeliegenden Feststellungen waren ebenfalls aufzuheben, da der [X.] nicht ausschließen kann, dass auch insoweit neue Feststellungen getroffen werden können, die sich auf das Vorstellungsbild des Angeklagten im jeweiligen rechtserheblichen Zeitpunkt ausgewirkt haben.
2.
Der Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung hatte im Übrigen schon deshalb keinen Bestand, weil die [X.] übersehen hat, dass tateinheitlich begangen auch eine
Bedrohung (mit der Pistole; §
241 StGB) vorliegt. Ob diese
hinter einem ver-suchten Tötungsdelikt zurücktreten würde, kann hier
offenbleiben; sie würde 43
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-
16
-
aber nicht hinter der vom [X.] lediglich angenommenen gefährlichen Körperverletzung zurücktreten (vgl. zur Problematik u.a. [X.], Beschluss vom 13.
Februar 2002 -
2
StR
523/01; auch [X.], Beschluss vom 9.
Februar 2000
-
2
StR
639/99).
Wahl Rothfuß Jäger

[X.] [X.]

Meta

1 StR 647/12

19.03.2013

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.03.2013, Az. 1 StR 647/12 (REWIS RS 2013, 7303)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7303

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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