Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.01.2012, Az. XII ZB 489/11

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 10000

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 489/11

vom

18. Januar 2012

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§
1629, 1796, 1909; FamFG §§
7, 9, 158
Zur Vertretung des minderjährigen Kindes im Kindschaftsverfahren (im [X.] an [X.]sbeschluss vom 7.
September 2011 -
XII
[X.]
12/11
-
FamRZ 2011, 1788).

BGH, Beschluss vom 18. Januar 2012 -
XII [X.] 489/11 -
OLG Oldenburg

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18.
Januar 2012
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Hahne
und die Richter Dose, Dr.
Klinkhammer, Dr.
Günter und Dr. Nedden-Boeger
beschlossen:
1.
Der Mutter wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand gewährt.
2.
Auf die Rechtsbeschwerde der Mutter wird der Beschluss des 11.
Zivilsenats -
3.
[X.] für Familiensachen
-
des Oberlandes-gerichts Oldenburg vom 8.
Februar 2011 aufgehoben.
Auf die Beschwerde der Mutter wird der Beschluss des Amtsge-richts -
Familiengericht
-
Osnabrück vom 30.
November 2010 aufgehoben.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Wert: 3.000

Gründe:
I.
Das Verfahren betrifft die Bestellung eines Ergänzungspflegers für das im September 2008 geborene [X.] der Beteiligten zu
1 (Mutter) und 2 ([X.]). Die elterliche Sorge steht der Mutter zu, weil
die Eltern bei der Geburt des 1
-
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-
Kindes nicht miteinander verheiratet waren. In einem weiteren -
inzwischen ab-geschlossenen
-
Verfahren hat der Vater die Beteiligung an der elterlichen Sor-ge
erstrebt. In jenem Verfahren hat das Familiengericht für das Kind einen Ver-fahrensbeistand
bestellt.
Im vorliegenden Verfahren hat das Familiengericht zur Vertretung des Kindes in jenem Verfahren eine [X.] angeordnet und die Be-teiligte zu
3
zur [X.] bestellt. Die dagegen gerichtete Be-schwerde der Mutter hat das [X.] zurückgewiesen. Dagegen rich-tet sich die vom [X.] zugelassene Rechtsbeschwerde der Mutter, mit welcher sie die Aufhebung der [X.] erstrebt.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach §
70 Abs.
1 FamFG statthaft und auch sonst zulässig. Die Mutter ist nach §
59 FamFG beschwerdebefugt, weil die Anordnung der [X.] einen Eingriff in das ihr zustehende [X.] darstellt ([X.]sbeschluss vom 7.
September 2011 -
XII
[X.]
12/11
-
FamRZ 2011, 1788 Rn.
4; vgl. [X.]/[X.]] §
1629 Rn.
304 mwN).
2. Nach der Auffassung des [X.]s
ist das minderjährige Kind Verfahrensbeteiligter. Da es nicht verfahrensfähig sei, bedürfe es eines gesetzlichen Vertreters. Die Mutter stehe in einem erheblichen Interessenge-gensatz, sodass ihr die Vertretungsbefugnis nach §§
1629 Abs.
2 Satz
3, 1796 BGB zu entziehen sei. Abweichend von der Intention des Gesetzgebers könne daher in der Mehrzahl der gerichtlichen Kindschaftsverfahren nicht auf die Be-2
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4
-
stellung eines Ergänzungspflegers verzichtet werden. Die Bestellung eines [X.] reiche nicht aus, weil dieser nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes sei. Der Eingriff in die grundgesetzlich geschützte elterliche Sorge sei als nur vorübergehend hinzunehmen, um dem rechtlichen Gehör des Kindes als Rechtssubjekt effektive Geltung zu
verschaffen.
3. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Wie der [X.] nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschie-den hat, führt das Vorliegen eines erheblichen [X.]es zwischen Kind und Eltern nicht notwendigerweise zur Entziehung der elterlichen Vertre-tungsbefugnis. Da es sich bei der Entziehung der Vertretungsbefugnis um einen Eingriff in das Elternrecht handelt, ist vielmehr der Grundsatz der [X.] zu beachten. Daher hat das Gericht vor Entziehung der Vertretungsbe-fugnis in jedem Fall zu prüfen, ob dem [X.] nicht auf andere Weise Rechnung getragen werden kann. Wenn mildere Maßnahmen möglich sind, um dem Interessenkonflikt wirksam zu begegnen, ist die Entziehung der Vertretungsbefugnis übermäßig und daher rechtswidrig ([X.]sbeschluss vom 7.
September 2011 -
XII
[X.]
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-
FamRZ 2011, 1788 Rn.
18 mN).
Die Wahrnehmung der Kindesinteressen ist hingegen in einem auf die Person bezogenen Kindschaftsverfahren die originäre Aufgabe des [X.]. Dass in Fällen des wesentlichen [X.]es von Eltern und Kind stets eine Entziehung der Vertretungsbefugnis angezeigt wäre, kann nicht als Wille des Gesetzgebers unterstellt werden, schon weil er sich damit zu seiner abgewogenen eigenen Entscheidung zur Reichweite der Inte-ressenvertretung des Kindes im Verhältnis zum Elternrecht und zur Vermeidung von [X.] in Widerspruch gesetzt hätte ([X.]sbeschluss vom 7.
September 2011 -
XII
[X.]
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FamRZ 2011, 1788 Rn.
20, 25). Dass 6
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der Verfahrensbeistand nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes ist, begründet nicht die Notwendigkeit, die elterliche Vertretungsbefugnis zu entziehen. [X.] die der Regelung in §
158 Abs.
4 Satz
6 FamFG zugrunde liegenden Erwä-gungen zeigen, dass es nach den Vorstellungen des Gesetzgebers mit der [X.] als Interessenvertreter des Kindes selbst bei Interessenkonflikten regelmäßig auch bewenden soll
([X.]sbeschluss vom 7.
September 2011 -
XII
[X.]
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-
FamRZ
2011, 1788 Rn.
22).

§
1796 BGB ist demnach im Zusammenhang mit Kindschaftsverfahren dahin zu verstehen, dass eine Entziehung der elterlichen Vertretungsbefugnis dann nicht angeordnet werden darf, wenn durch die Bestellung eines [X.] bereits auf andere Weise für eine wirksame Interessenvertretung des Kindes Sorge getragen werden kann. Das ist in Verfahren, welche die Per-son des Kindes betreffen, der Fall. Die Bestellung eines [X.] ist dabei nicht auf Verfahren, die die Personensorge betreffen, beschränkt, son-dern erfasst alle Verfahren, die sich nicht ausschließlich auf Vermögensangele-genheiten beziehen ([X.]sbeschluss vom 7.
September 2011 -
XII
[X.]
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-
FamRZ
2011, 1788 Rn.
29).
b) Nach den vorstehenden Maßstäben war im vorliegenden Fall die Be-stellung eines [X.] zulässig und ausreichend. Die Bestellung eines Ergänzungspflegers ist demnach wie die damit verbundene Entziehung

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-
6
-
der Vertretungsbefugnis nicht geboten und daher unzulässig. Der [X.] kann in der Sache abschließend entscheiden, weil es weiterer Feststellungen nicht [X.]. Demnach ist der Beschluss des Amtsgerichts -
ersatzlos
-
aufzuheben.

Hahne

Dose

Klinkhammer

Günter

Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 30.11.2010 -
72 F 191/10 SO -

OLG Oldenburg, Entscheidung vom 08.02.2011 -
11 UF 195/10 -

Meta

XII ZB 489/11

18.01.2012

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.01.2012, Az. XII ZB 489/11 (REWIS RS 2012, 10000)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10000

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