Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.09.2011, Az. XII ZB 12/11

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 3562

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 12/11

vom

7. September 2011

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
[X.] §§ 1629, 1796, 1909; FamFG §§ 7, 9, 158
a)
Das minderjährige Kind ist im Verfahren zur Übertragung der elterlichen Sor-ge vom
Familiengericht
hinzuzuziehen und somit formeller Verfahrensbetei-ligter ("Muss-Beteiligter"). Ist das Kind nicht selbst verfahrensfähig und [X.] es im Verfahren daher der gesetzlichen Vertretung, so ist diese grund-sätzlich von den sorgeberechtigten Eltern ungeachtet ihrer eigenen Verfah-rensbeteiligung wahrzunehmen.
b)
Auch im Fall eines erheblichen [X.]es zwischen Eltern und Kind darf den Eltern die Vertretungsbefugnis im Zusammenhang mit einem [X.] dann nicht entzogen werden,
wenn bereits durch die Bestellung eines [X.] für eine wirksame Interessenvertre-tung des Kindes Sorge getragen werden kann. Dass der Verfahrensbeistand nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes ist, steht dem nicht entgegen.
[X.], Beschluss vom 7. September 2011 -
XII ZB 12/11 -
[X.]

[X.]
([X.])

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 7.
September 2011
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Hahne
und [X.], Dr.
Klinkhammer, Dr.
Günter und Dr.
Nedden-Boeger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Mutter wird der Beschluss des 14.
Zivilsenats -
5.
[X.] für Familiensachen
-
des Oberlandesge-richts Oldenburg vom 28.
Oktober
2010 abgeändert.
Auf die Beschwerde der Mutter wird der Beschluss des [X.] -
Familiengericht
-
Leer vom 1.
Juni 2010 aufgehoben.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Wert: 900

Gründe:
I.
Das Verfahren betrifft die Bestellung eines [X.] für das im Mai 2006 geborene [X.] der Beteiligten zu
1
(Mutter) und
2
(Vater). Die nicht miteinander verheirateten Eltern sind aufgrund von Sorgeerklärungen ge-meinsam Inhaber der elterlichen Sorge.
Die Eltern trennten sich Anfang 2007. Im
Mai 2008 wechselte das Kind mit Zustimmung der Mutter in den Haushalt des [X.]. Die Mutter erstrebt in einem weiteren Verfahren (im Folgenden: [X.]) den Wechsel des Kindes in ihre Obhut und beantragt die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich.
Auf eine [X.]
-
3
-
chende Bitte der im [X.] zuständigen Richterin hat die Rechts-pflegerin des Familiengerichts eine [X.] für das Kindschafts-verfahren angeordnet und das [X.] zum Ergänzungspfleger bestellt.
Die dagegen gerichtete Beschwerde der Mutter hat das Oberlandesge-richt zurückgewiesen. Mit ihrer -
vom [X.] zugelassenen
-
Rechtsbeschwerde verfolgt die Mutter die Aufhebung der Ergänzungspfleg-
schaft weiter.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach §
70 Abs.
1 FamFG statthaft und auch sonst zulässig. Die Mutter ist nach §
59 FamFG beschwerdebefugt, weil die Anordnung der [X.] einen Eingriff in das ihr zustehende [X.] darstellt
(vgl. [X.]/[X.]] §
1629 Rn.
304 mwN).
2. Nach der Auffassung des [X.]s, dessen Entscheidung unter anderem in [X.], 342 veröffentlicht ist, muss das minderjährige Kind aufgrund seiner sich aus §
7 Abs.
2
Nr.
1 FamFG
ergebenden formellen Betei-ligtenstellung nach §
9 Abs.
2 FamFG im Verfahren gesetzlich vertreten wer-den. Dass das Kind zu beteiligen sei, ergebe sich aus seiner Rechtsbetroffen-heit und der daraus folgenden festen Rechtsposition als Verfahrenssubjekt. Damit seien zunächst die Eltern bzw. ein allein sorgeberechtigter Elternteil zur gesetzlichen Vertretung berufen. Bestehe allerdings zwischen den Eltern oder im [X.] ein erheblicher [X.], könne die [X.] nach §§
1629 Abs.
2 Satz
3, 1796 [X.] zu entziehen sein. 2
3
4
5
-
4
-
Von einem derartigen [X.] sei bereits dann auszugehen, wenn die konkrete Gefahr bestehe, der gesetzliche Vertreter werde im Konfliktfall das Kindeswohl nicht mit der gebotenen Zielstrebigkeit verfolgen. Das [X.] habe festzustellen, welche Maßnahmen der Vertretungsbefugte in der be-treffenden Angelegenheit plane. [X.] Eltern im [X.] um das Sorgerecht, offenbare dieser Streit nicht immer und ausnahmslos einen erhebli-chen [X.]. Wenn aber um den Aufenthalt
des Kindes gestritten werde und die Wohnorte der Eltern weit voneinander entfernt seien, könnten sich die für das Wohl des Kindes bedeutsamen Umstände vom Interesse eines Elternteils, zukünftig gemeinsam mit dem Kind in einem völlig neuen Umfeld einen eigenständigen Lebensmittelpunkt zu begründen, erheblich unterschei-den. Soweit die Eltern das Kind im [X.] gleichwohl gesetzlich vertreten würden, bestehe die konkrete Gefahr eines erheblichen Interessenge-gensatzes. Dieser könne nur durch die Entziehung der gesetzlichen Vertre-tungsbefugnis und die Bestellung eines [X.] vermieden werden.
Soweit die Auffassung vertreten werde, dass in [X.] zur Wahrnehmung der Kindesinteressen generell die Bestellung eines [X.] ausreiche, bleibe unberücksichtigt, dass dieser als gesetzlicher Ver-treter des Kindes ausgeschlossen sei. Wenn auch der Gesetzgeber nach dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs die Bestellung eines [X.] als ausreichend gesehen habe, vermöge dieses [X.] die Notwendigkeit der gesetzlichen Vertretung des mit Inkrafttreten des FamFG formell am Verfahren beteiligten Kindes nicht zu ersetzen. Der vorüber-gehende und nur auf die Dauer des [X.]s beschränkte Eingriff in die grundgesetzlich geschützte elterliche Sorge sei hinzunehmen, weil nur dadurch einem
anderen
verfassungsrechtlich geschützten
Rechtsgut, nämlich der
Gewährung von formellen Beteiligungsrechten des Kindes
in der Ausfor-mung des rechtlichen Gehörs,
effektiv Geltung verschafft werden könne.
Dem 6
-
5
-
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei durch eine pflichtgemäße Prüfung des erheblichen [X.]es zwischen Eltern und Kind Rechnung zu tragen.

3. Dies hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Zutreffend ist der rechtliche Ausgangspunkt des [X.]s, dass das betroffene Kind im Unterschied zu der bis August 2009 bestehenden Rechtslage am [X.] immer formell beteiligt ist (missverständ-lich
[X.]/[X.]/Wagner FamFG 12.
Aufl. §
158 Rn.
19) und
es,
weil
es nicht verfahrensfähig
ist, zur Wahrung seiner (Verfahrens-)Rechte eines gesetz-lichen Vertreters
bedarf. Nach §
7 Abs.
2
Nr.
1 FamFG sind vom [X.] diejenigen als Beteiligte hinzuzuziehen, deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird. Das ist bei dem vom Sorgeverfahren betroffenen Kind der Fall, weil das Verfahren zu einer Änderung des zwischen Eltern und Kind bestehenden Sorgeverhältnisses führen kann
(aA bezüglich der [X.] FamRZ 2011, 1081).
Gemäß §
9 Abs.
1 FamFG sind die nach bürgerlichem Recht beschränkt [X.] nur ausnahmsweise verfahrensfähig, wenn sie als geschäftsfähig anerkannt sind (Nr.
2) oder soweit sie das 14.
Lebensjahr vollendet haben und sie in einem Verfahren, das ihre Person betrifft, ein ihnen nach bürgerlichem Recht [X.] Recht geltend machen
(Nr.
3). Ist das Kind in diesem Sinne nicht verfahrensfähig, so handeln für dieses gemäß §
9 Abs.
2 FamFG
die nach [X.] Recht dazu befugten Personen, mithin im Regelfall seine sorgebe-rechtigten Eltern in gemeinschaftlicher Vertretung (§
1629 Abs.
1
Satz
1, 2 [X.]).
Gemäß §
1629 Abs.
2 Satz
3
1.
Halbs. [X.] kann das Familiengericht dem Vater und
der Mutter nach §
1796 [X.]
-
wie einem Vormund
-
die Vertre-7
8
9
-
6
-
tung entziehen. Nach §
1796 Abs.
1 [X.] kann das Familiengericht dem [X.] die Vertretung für einzelne Angelegenheiten oder für einen bestimmten Kreis von Angelegenheiten entziehen. Die Entziehung soll nach §
1796 Abs.
2 [X.] nur erfolgen, wenn das Interesse des Mündels zu dem Interesse des [X.]s in erheblichem Gegensatz steht.
a)
Nach der Auffassung des [X.]s ist ein solcher Interes-sengegensatz gegeben, weil um den Aufenthalt
des Kindes gestritten werde,
die Wohnorte der Eltern weit voneinander entfernt seien und sich die für das Wohl des Kindes bedeutsamen Umstände vom Interesse eines Elternteils, zu-künftig gemeinsam mit dem Kind in einem völlig neuen Umfeld einen eigen-ständigen Lebensmittelpunkt zu begründen, erheblich unterscheiden könnten.
Das ist als tatrichterliche Feststellung nicht zu beanstanden. Die Beurtei-lung entspricht insbesondere dem Grundgedanken der verfassungsrechtlich begründeten Notwendigkeit einer eigenständigen Interessenvertretung für das Kind, wenn die Eltern über einen
Aufenthaltswechsel
des Kindes streiten (BVerfG
FamRZ 1999, 85, 87). Dementsprechend sieht das Gesetz in §
158 Abs.
2 Nr.
3 FamFG in der Regel die Notwendigkeit einer gesonderten Interes-senvertretung für das Kind vor, wenn im betreffenden Verfahren eine Änderung des bestehenden [X.] in Rede steht. Eine solche Lage ist im vorliegenden Fall gegeben, denn die Mutter erstrebt mit ihrem Antrag einen Wechsel des Kindes in ihre Obhut. Demnach lagen im vorliegenden Fall nicht nur die Voraussetzungen für die Bestellung eines [X.]
für das Kind vor, sondern im Ausgangspunkt auch die -
übereinstimmenden
-
Voraus-setzungen für eine Entziehung der elterlichen Vertretungsbefugnis nach §§
1629
Abs.
2 Satz
3 1.
Halbs., 1796 [X.].

10
11
-
7
-
b) Das [X.] hat bei der Anordnung der Ergänzungspflegs-chaft die Interessenvertretung durch einen Verfahrensbeistand nicht als gleich-wertige Maßnahme angesehen, weil das "Konstrukt"
der Bestellung eines [X.] die Notwendigkeit der gesetzlichen Vertretung des mit Inkraft-treten des FamFG formell am Verfahren beteiligten Kindes nicht zu ersetzen
vermöge.

Dem kann nicht beigetreten werden.
aa)
Das Verhältnis von [X.]chaft und Ergänzungspfleg-
schaft nach Entziehung der elterlichen Vertretungsbefugnis ist allerdings um-stritten.
Die
Auffassung des [X.]s, die dieses bereits in einer [X.] Entscheidung vertreten hat ([X.], 660),
teilen eine weitere Ent-scheidung des [X.] (11.
Zivilsenat,
Beschluss vom 8.
Februar 2011 -
11
UF
195/10) sowie Stimmen in der Literatur (Schürmann FamFR
2009, 153; [X.] NJW
2010, 897, 898; [X.] DIJuF-Rechtsgutachten vom 28.
Oktober
2009 -
www.dijuf.de
-
S.
3
ff.;
[X.]/[X.]/[X.]/Zorn FamFG
§
158 Rn.
21; [X.]/[X.]/Hüßtege ZPO
32.
Aufl. §
158 FamFG
Rn.
6; offenbar auch [X.]/[X.]/Wagner FamFG 12.
Aufl. §
158 Rn.
19).
Die vom [X.] als seiner Auffassung zustimmend aufgeführte Rechtsprechung
ist aller-dings für Verfahren nach §
1671 [X.]
bereits nicht einschlägig. Denn die ge-nannten Entscheidungen betrafen durchweg andere Fallkonstellationen (so zu-treffend [X.] [X.], 314, 315 mwN). Die Entscheidung des [X.] (KG FamRZ
2010, 1171; ebenso [X.] Rpfleger 2011, 436) hatte mit der Erbausschlagung und der Zustellung der gerichtlichen Genehmi-gung ausschließlich eine Vermögensangelegenheit zum Gegenstand (zutref-fend KG [X.], 1171, 1172), ebenso eine Entscheidung des [X.] 12
13
14
15
-
8
-
(FamRZ 2011, 231
[LS]). Diese Entscheidungen betrafen zudem -
wie auch die weiter angeführte Entscheidung des [X.] ([X.], 1995 -
Geltendmachung von Kindesunterhalt
gegen den sorgeberechtigten Vater)
-
Fallgestaltungen, in denen die dem Verfahrensbeistand
verschlossene gesetzli-che Vertretung als konkrete Form der Interessenwahrung für das Kind erforder-lich
war.
Überwiegend
ist die Ansicht des [X.]s
auf Ablehnung ge-stoßen. Die Bestellung eines [X.]
sei als milderes Mittel zu be-trachten, das eine Entziehung der elterlichen Vertretungsbefugnis und die An-ordnung einer [X.] entbehrlich mache
(OLG Stuttgart FamRZ
2010, 1166; [X.] NJW
2011, 236; [X.] Beschluss vom 16. November
2010 -
3
UF
178/10; Schael FamRZ 2009, 265, 269; [X.] NJW
2010,
1851,
1852
f.; [X.] [X.], 5, 7; Empfehlungen des
Arbeits-kreises
11 des 18.
Deutschen Familiengerichtstages Nr.
4 [X.] Schriften zum Familienrecht Bd.
16 S.
118
f.; ausführlich [X.]
[X.],
314
mwN).
bb) Der überwiegenden Auffassung ist der Vorzug zu geben.
Das Vorliegen eines erheblichen [X.]es zwischen Kind und Eltern führt nicht notwendigerweise zur Entziehung der elterlichen Vertre-tungsbefugnis. Da es sich bei der Entziehung der Vertretungsbefugnis um einen Eingriff in das Elternrecht handelt, ist vielmehr der Grundsatz der [X.] zu beachten
(vgl. MünchKomm[X.]/[X.] 5.
Aufl. §
1629 Rn.
63 mN). Daher hat das Gericht vor Entziehung der Vertretungsbefugnis in jedem Fall zu prüfen, ob dem [X.] nicht auf andere Weise Rechnung getra-gen werden kann. Wenn mildere Maßnahmen möglich sind, um dem [X.] wirksam zu begegnen, ist die Entziehung der Vertretungsbefugnis übermäßig und daher rechtswidrig.
16
17
18
-
9
-
Davon ist im Ansatz auch das [X.] ausgegangen. Es hat allerdings die Bestellung des [X.] nicht als gleich wirksame Maßnahme angesehen. Damit hat es die vom Gesetzgeber im Zuge der [X.] getroffenen Wertungen und die darauf beruhende Gesetzessystematik nicht hinreichend beachtet.
[X.]) Die Wahrnehmung der Kindesinteressen in einem auf die Person be-zogenen [X.] ist originäre Aufgabe des [X.]. Aufgrund der vorausgegangenen Fachdiskussion um die Subjektstellung des Kindes in [X.] und die Gewährleistung einer verlässlichen
Ver-tretung seiner -
auch subjektiven
-
Interessen (vgl. BVerfG
FamRZ 1999, 85, 87; BT-Drucks. 13/4899 S.
48; [X.] Der Anwalt des Kindes 1993
S.
236
ff. sowie [X.] Der Anwalt des Kindes aus juristischer Sicht Protokolldienst der Evangelischen
Akademie Bad Boll 14/1983 S.
12
ff.) ist im Zuge der Kind-schaftsrechtsreform von 1997 (KindRG vom
16.
Dezember 1997 [X.]l.
I S.
2942) speziell für bestehende Interessenkollisionen zwischen Eltern und Kind das [X.] in [X.] ("Anwalt des Kindes") eingeführt worden
(näher [X.] [X.], 314, 315). Den verfas-sungsrechtlichen Anforderungen an eine wirksame Vertretung der Kindesinte-ressen in [X.] hat der Gesetzgeber durch dieses Institut
(nun-mehr Verfahrensbeistand)
Genüge getan
(BVerfG
FamRZ 2004, 86).
dd) Auch wenn ursprünglich -
unter anderem
-
die fehlende formelle Be-teiligung des Kindes ein Beweggrund für die Einführung des Verfahrenspflegers war (BT-Drucks. 13/4899 S.
129), führt die Einbeziehung minderjähriger Kinder in den Kreis der notwendigerweise am [X.]
zu [X.] ("Muss-Beteiligte") nicht dazu, dass nunmehr das Institut des Verfahrensbei-stands als Interessenvertreter ("Anwalt") des Kindes etwa durch den [X.] abgelöst werden sollte. Dass dies nicht in der Absicht des Ge-19
20
21
-
10
-
setzgebers im Rahmen der [X.] lag, wird dadurch verdeutlicht, dass er dem Verfahrensbeistand besondere Aufmerksamkeit gewidmet und dessen Stellung aufgrund der seit seiner
Einführung im Jahr 1998 gewonnenen [X.] näher ausgeformt
hat. Hierbei hat der Gesetzgeber unter ande-rem unterstrichen, dass die Bestellung des [X.] nicht im Er-messen des Familiengerichts steht, sondern zwingend zu erfolgen hat (§
158 Abs.
1 FamFG).
Ferner sind die Aufgaben des [X.], insbeson-dere Aufklärungspflicht
und Interessenvertretung einschließlich der adäquaten Information
des Kindes,
näher konkretisiert
worden. Und schließlich stellt das Gesetz nunmehr klar, dass der Verfahrensbeistand nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes ist (§
158 Abs.
4 Satz
6
FamFG) und dass seine Bestellung nicht selbständig anfechtbar ist (§
158 Abs.
3 Satz
4
FamFG).
Dass der Verfahrensbeistand
nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes ist und sein Handlungsspielraum insoweit gegenüber dem des [X.] begrenzt ist, begründet entgegen der Auffassung des [X.]s nicht die Notwendigkeit, die elterliche Vertretungsbefugnis zu entziehen.
Gerade die der Regelung in §
158 Abs.
4 Satz
6 FamFG
zugrunde liegenden Erwägungen zeigen vielmehr, dass es nach den Vorstellungen des Gesetzgebers mit der Bestellung des [X.] als Interessenvertreter des Kindes
selbst bei Interessenkonflikten regelmäßig
auch bewenden soll.
Dass dem
Verfahrensbeistand
nicht die Befugnis zur gesetzlichen Vertre-tung zugedacht ist, beruht auf der gesetzgeberischen Zielsetzung, den Eingriff in das Elternrecht möglichst gering zu halten (BT-Drucks. 16/6308 S.
240).
Die gesetzliche Regelung beruht daher auf der Annahme, dass die dem Verfah-rensbeistand verliehenen Befugnisse zur effizienten Wahrung der Kindesinte-ressen ausreichend sind und gleichzeitig in die Befugnisse der Eltern nicht wei-ter
eingegriffen werden soll,
als es zur Erreichung dieses Ziels notwendig
ist. 22
23
-
11
-
Dem würde es widersprechen, wenn durch die tatbestandlich unter denselben Voraussetzungen stehende und demselben Zweck dienende Entziehung der Vertretungsbefugnis gleichwohl noch weitergehend in das Elternrecht eingegrif-fen würde.

Auch mit dem Ausschluss der selbständigen Anfechtbarkeit (§
158 Abs.
3 Satz
4
FamFG) hat der Gesetzgeber konkrete sachliche Wertungen [X.]. Dieser dient dem ausdrücklich genannten Zweck,
Verfahrensverzöge-rungen zu verhindern (BT-Drucks. 16/6308 S.
239). Auch diesem Ziel würde es aber zuwiderlaufen, wenn entweder neben oder anstatt der Bestellung eines [X.]
die elterliche Vertretungsbefugnis zu entziehen wäre. Dann wäre ein gesondertes Verfahren erforderlich, welches rechtsmittelbewehrt wäre
und die gesetzliche Vertretung im [X.] in der Schwebe ließe. Der Gesetzgeber hat indessen im Gegenteil der Verfahrensbeschleuni-gung (vgl. §
155 FamFG) den Vorzug gegeben, was entwertet würde, wenn zugleich regelmäßig die elterliche Vertretungsbefugnis zu entziehen wäre (zu-treffend [X.] [X.], 5, 7).
Dass in Fällen des wesentlichen [X.]es von Eltern und Kind stets eine Entziehung der Vertretungsbefugnis angezeigt wäre, kann [X.] nicht als Wille des Gesetzgebers unterstellt werden, schon weil er sich damit
zu seiner abgewogenen eigenen Entscheidung zur
Reichweite der Inte-ressenvertretung des Kindes im Verhältnis zum Elternrecht und zur Vermeidung von [X.] in Widerspruch gesetzt hätte. Die Auffassung, dass sowohl die Verzögerung (so [X.] Beschluss vom 8.
Februar 2011 -
11
UF
195/10) als auch der stärkere Eingriff in das Elternrecht [X.] seien, steht demnach zu der Absicht des Gesetzgebers im direkten Gegen-satz.

24
25
-
12
-
Die vom [X.] herangezogene Gesetzesbegründung zur Bestimmung des Beteiligtenbegriffs (BT-Drucks. 16/6308 S.
165) widerspricht dem nicht. Sie bringt den Grundgedanken zum Ausdruck, dass durch die for-melle Beteiligung der Grundsatz des rechtlichen Gehörs effektiv gewahrt wer-den soll. Die zitierte Gesetzesbegründung verhält sich aber schon nicht zu der Frage, wer zur gesetzlichen Vertretung des Kindes berufen ist, und kann
daher nicht dafür angeführt werden, dass das Kind in Konfliktfällen stets durch einen Ergänzungspfleger vertreten werden müsse. Dass an anderer Stelle der Geset-zesbegründung im Fall eines bereits zuvor bestellten
[X.]
er-wähnt ist, dass dieser die Bestellung eines [X.] entbehrlich mache (BT-Drucks. 16/6308 S.
238 r.
Sp.), steht dem ebenfalls nicht entgegen. Wenn etwa die gesetzliche Vertretung als Handlungsform zwingend erforderlich ist, stünde dies mit
der grundsätzlich vorrangigen Bestellung des [X.]
durchaus im Einklang, weil dem Verfahrensbeistand die gesetzliche Vertretung verschlossen ist. Überdies geht es aber in der vorliegenden Fall-konstellation gerade um die vorgelagerte Frage, ob überhaupt ein Ergänzungs-pfleger zu bestellen ist, was die vorherige Entziehung der elterlichen Vertre-tungsbefugnis voraussetzt und damit eine Entscheidung der Konkurrenz
beider Rechtsinstitute unausweichlich macht.
Schließlich ist der Ergänzungspfleger (entgegen [X.]
[X.], 660, 662) nicht mit der
in §
158 Abs.
5 FamFG
ausdrücklich genannten Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder anderen geeigneten Verfahrensbe-vollmächtigten vergleichbar. Denn hierbei handelt es sich nicht um gesetzliche Vertreter, sondern um (rechtsgeschäftlich) Bevollmächtigte. Diese §
50 Abs.
3 [X.] entsprechende Regelung geht überdies davon aus, dass
Vollmachtgeber gerade das -
ausnahmsweise verfahrensfähige
-
Kind oder seine Eltern sind (vgl. die Gesetzesbegründung zum KindRG
BT-Drucks. 13/4899 S.
132).
26
27
-
13
-
Selbst wenn man aber davon abweichend noch von einer Widersprüch-lichkeit der Gesetzesmaterialien ausgehen wollte (so offenbar Zorn in [X.]/[X.]/[X.] FamFG
§
158 Rn.
21 und
[X.] aaO §
9 Rn.
2 sowie [X.], 1703, 1709), so käme von mehreren sich -
vordergründig
-
widerspre-chenden Aussagen derjenigen das ausschlaggebende
Gewicht zu, welche mit bewussten gesetzgeberischen Wertungen verbunden ist. Die in diesem Sinne spezielleren Wertungen sind hier aber zweifellos zur Regelung des [X.] getroffen worden. Sowohl die bewusste Begrenzung des Eingriffs in das Elternrecht als auch das mit dem Ausschluss
der
Anfechtbarkeit verfolgte Ziel einer
raschen und damit schonenden Konfliktlösung in Kindschaftssachen
sprechen für den Verfahrensbeistand
als vorrangigen Interessenvertreter des Kindes. Dass die Konsequenz der fortbestehenden Vertretungsbefugnis der Eltern vom Gesetzgeber gesehen und auch gewollt war, belegt abermals die Gesetzesbegründung, indem sie ausdrücklich herausgestellt
hat, dass die [X.] auch nach der Bestellung des [X.] in vollem Umfang zur Vertretung des Kindes berechtigt sind (BT-Drucks. 16/6308 S.
239). Für diese Feststellung hätte keine Veranlassung bestanden, wenn unter denselben Vo-raussetzungen wie für die Bestellung des [X.] den Eltern au-ßerdem noch
ihre gesetzliche Vertretungsbefugnis entzogen werden müsste.
ee) §
1796 [X.]
ist demnach im Zusammenhang mit Kindschaftsverfah-ren dahin zu verstehen, dass eine Entziehung der elterlichen Vertretungsbefug-nis dann nicht angeordnet werden darf, wenn durch die Bestellung eines [X.]
bereits auf andere Weise für eine wirksame Interessenvertre-tung des Kindes Sorge getragen werden kann. Das ist in Verfahren, welche die Person
des Kindes betreffen, der Fall. Die Bestellung eines Verfahrensbei-stands
ist dabei nicht auf Verfahren, die die Personensorge betreffen, be-schränkt, sondern erfasst
alle Verfahren, die sich nicht ausschließlich auf Ver-28
29
-
14
-
mögensangelegenheiten beziehen ([X.]/Engelhardt FamFG
16.
Aufl. §
158 Rn.
4; BT-Drucks. 13/4899 S.
130
f.).
4. Der angefochtene Beschluss ist abzuändern. Da im vorliegenden Fall die Bestellung eines [X.]
zulässig und ausreichend ist,
war die Bestellung eines [X.] durch das Amtsgericht
und die damit [X.]e Entziehung der Vertretungsbefugnis nicht geboten und demzufolge
unzulässig. Der [X.] kann in der Sache abschließend entscheiden, weil es weiterer Feststellungen nicht bedarf. Demnach ist der Beschluss des [X.] -
ersatzlos
-
aufzuheben.
Hahne

Dose

Klinkhammer

Günter

Nedden-Boeger

Vorinstanzen:
[X.] ([X.]), Entscheidung vom 01.06.2010 -
5c F 4237/10 PF -

[X.], Entscheidung vom 28.10.2010 -
14 UF 114/10 -

30

Meta

XII ZB 12/11

07.09.2011

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.09.2011, Az. XII ZB 12/11 (REWIS RS 2011, 3562)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3562

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