Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.09.2011, Az. XII ZB 12/11

12. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 3566

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Gegenstand

Verfahren zur Übertragung der elterlichen Sorge: Gesetzliche Vertretung des Kindes durch die sorgeberechtigten Eltern; Bestellung eines Ergänzungspflegers


Leitsatz

1. Das minderjährige Kind ist im Verfahren zur Übertragung der elterlichen Sorge vom Familiengericht hinzuzuziehen und somit formeller Verfahrensbeteiligter ("Muss-Beteiligter"). Ist das Kind nicht selbst verfahrensfähig und bedarf es im Verfahren daher der gesetzlichen Vertretung, so ist diese grundsätzlich von den sorgeberechtigten Eltern ungeachtet ihrer eigenen Verfahrensbeteiligung wahrzunehmen .

2. Auch im Fall eines erheblichen Interessengegensatzes zwischen Eltern und Kind darf den Eltern die Vertretungsbefugnis im Zusammenhang mit einem Kindschaftsverfahren dann nicht entzogen werden, wenn bereits durch die Bestellung eines Verfahrensbeistands für eine wirksame Interessenvertretung des Kindes Sorge getragen werden kann. Dass der Verfahrensbeistand nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes ist, steht dem nicht entgegen .

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Mutter wird der Beschluss des 14. Zivilsenats - 5. [X.] - des [X.] vom 28. Oktober 2010 abgeändert.

Auf die Beschwerde der Mutter wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - [X.] vom 1. Juni 2010 aufgehoben.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Wert: 900 €

Gründe

I.

1

Das Verfahren betrifft die Bestellung eines [X.] für das im Mai 2006 geborene [X.] der Beteiligten zu 1 (Mutter) und 2 (Vater). Die nicht miteinander verheirateten Eltern sind aufgrund von Sorgeerklärungen gemeinsam Inhaber der elterlichen Sorge. Die Eltern trennten sich Anfang 2007. Im Mai 2008 wechselte das Kind mit Zustimmung der Mutter in den Haushalt des [X.]. Die Mutter erstrebt in einem weiteren Verfahren (im Folgenden: [X.]) den Wechsel des Kindes in ihre Obhut und beantragt die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich. Auf eine entsprechende Bitte der im [X.] zuständigen Richterin hat die Rechtspflegerin des [X.]s eine [X.] für das [X.] angeordnet und das [X.] zum Ergänzungspfleger bestellt.

2

Die dagegen gerichtete Beschwerde der Mutter hat das [X.] zurückgewiesen. Mit ihrer - vom [X.] zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt die Mutter die Aufhebung der [X.] weiter.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

4

1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch sonst zulässig. Die Mutter ist nach § 59 FamFG beschwerdebefugt, weil die Anordnung der [X.] einen Eingriff in das ihr zustehende Sorgerecht darstellt (vgl. [X.]/[X.]] § 1629 Rn. 304 mwN).

5

2. Nach der Auffassung des [X.]s, dessen Entscheidung unter anderem in [X.], 342 veröffentlicht ist, muss das minderjährige Kind aufgrund seiner sich aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG ergebenden formellen Beteiligtenstellung nach § 9 Abs. 2 FamFG im Verfahren gesetzlich vertreten werden. Dass das Kind zu beteiligen sei, ergebe sich aus seiner Rechtsbetroffenheit und der daraus folgenden festen Rechtsposition als Verfahrenssubjekt. Damit seien zunächst die Eltern bzw. ein allein sorgeberechtigter Elternteil zur gesetzlichen Vertretung berufen. Bestehe allerdings zwischen den Eltern oder im [X.] ein erheblicher [X.], könne die Vertretungsbefugnis nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 [X.] zu entziehen sein. Von einem derartigen [X.] sei bereits dann auszugehen, wenn die konkrete Gefahr bestehe, der gesetzliche Vertreter werde im Konfliktfall das Kindeswohl nicht mit der gebotenen Zielstrebigkeit verfolgen. Das [X.] habe festzustellen, welche Maßnahmen der Vertretungsbefugte in der betreffenden Angelegenheit plane. [X.] Eltern im [X.] um das Sorgerecht, offenbare dieser Streit nicht immer und ausnahmslos einen erheblichen [X.]. Wenn aber um den Aufenthalt des Kindes gestritten werde und die Wohnorte der Eltern weit voneinander entfernt seien, könnten sich die für das Wohl des Kindes bedeutsamen Umstände vom Interesse eines Elternteils, zukünftig gemeinsam mit dem Kind in einem völlig neuen Umfeld einen eigenständigen Lebensmittelpunkt zu begründen, erheblich unterscheiden. Soweit die Eltern das Kind im [X.] gleichwohl gesetzlich vertreten würden, bestehe die konkrete Gefahr eines erheblichen [X.]es. Dieser könne nur durch die Entziehung der gesetzlichen Vertretungsbefugnis und die Bestellung eines [X.] vermieden werden.

6

Soweit die Auffassung vertreten werde, dass in [X.] zur Wahrnehmung der Kindesinteressen generell die Bestellung eines [X.] ausreiche, bleibe unberücksichtigt, dass dieser als gesetzlicher Vertreter des Kindes ausgeschlossen sei. Wenn auch der Gesetzgeber nach dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs die Bestellung eines [X.] für den Regelfall als ausreichend gesehen habe, vermöge dieses Konstrukt die Notwendigkeit der gesetzlichen Vertretung des mit Inkrafttreten des FamFG formell am Verfahren beteiligten Kindes nicht zu ersetzen. Der vorübergehende und nur auf die Dauer des [X.]s beschränkte Eingriff in die grundgesetzlich geschützte elterliche Sorge sei hinzunehmen, weil nur dadurch einem anderen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgut, nämlich der Gewährung von formellen Beteiligungsrechten des Kindes in der Ausformung des rechtlichen Gehörs, effektiv Geltung verschafft werden könne. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei durch eine pflichtgemäße Prüfung des erheblichen [X.]es zwischen Eltern und Kind Rechnung zu tragen.

7

3. Dies hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

8

Zutreffend ist der rechtliche Ausgangspunkt des [X.]s, dass das betroffene Kind im Unterschied zu der bis August 2009 bestehenden Rechtslage am [X.] immer formell beteiligt ist (missverständlich [X.]/[X.]/Wagner FamFG 12. Aufl. § 158 Rn. 19) und es, weil es nicht verfahrensfähig ist, zur Wahrung seiner (Verfahrens-)Rechte eines gesetzlichen Vertreters bedarf. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG sind vom [X.] diejenigen als Beteiligte hinzuzuziehen, deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird. Das ist bei dem vom Sorgeverfahren betroffenen Kind der Fall, weil das Verfahren zu einer Änderung des zwischen Eltern und Kind bestehenden Sorgeverhältnisses führen kann (aA bezüglich der Beschwerdebefugnis [X.] [X.], 1081). Gemäß § 9 Abs. 1 FamFG sind die nach bürgerlichem Recht beschränkt [X.] nur ausnahmsweise verfahrensfähig, wenn sie als geschäftsfähig anerkannt sind (Nr. 2) oder soweit sie das 14. Lebensjahr vollendet haben und sie in einem Verfahren, das ihre Person betrifft, ein ihnen nach bürgerlichem Recht zustehendes Recht geltend machen (Nr. 3). Ist das Kind in diesem Sinne nicht verfahrensfähig, so handeln für dieses gemäß § 9 Abs. 2 FamFG die nach bürgerlichem Recht dazu befugten Personen, mithin im Regelfall seine sorgeberechtigten Eltern in gemeinschaftlicher Vertretung (§ 1629 Abs. 1 Satz 1, 2 [X.]).

9

Gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 3 1. Halbs. [X.] kann das [X.] dem Vater und der Mutter nach § 1796 [X.] - wie einem Vormund - die Vertretung entziehen. Nach § 1796 Abs. 1 [X.] kann das [X.] dem Vormund die Vertretung für einzelne Angelegenheiten oder für einen bestimmten Kreis von Angelegenheiten entziehen. Die Entziehung soll nach § 1796 Abs. 2 [X.] nur erfolgen, wenn das Interesse des Mündels zu dem Interesse des Vormunds in erheblichem Gegensatz steht.

a) Nach der Auffassung des [X.]s ist ein solcher [X.] gegeben, weil um den Aufenthalt des Kindes gestritten werde, die Wohnorte der Eltern weit voneinander entfernt seien und sich die für das Wohl des Kindes bedeutsamen Umstände vom Interesse eines Elternteils, zukünftig gemeinsam mit dem Kind in einem völlig neuen Umfeld einen eigenständigen Lebensmittelpunkt zu begründen, erheblich unterscheiden könnten.

Das ist als tatrichterliche Feststellung nicht zu beanstanden. Die Beurteilung entspricht insbesondere dem Grundgedanken der verfassungsrechtlich begründeten Notwendigkeit einer eigenständigen Interessenvertretung für das Kind, wenn die Eltern über einen [X.] des Kindes streiten ([X.] FamRZ 1999, 85, 87). Dementsprechend sieht das Gesetz in § 158 Abs. 2 Nr. 3 FamFG in der Regel die Notwendigkeit einer gesonderten Interessenvertretung für das Kind vor, wenn im betreffenden Verfahren eine Änderung des bestehenden [X.] in Rede steht. Eine solche Lage ist im vorliegenden Fall gegeben, denn die Mutter erstrebt mit ihrem Antrag einen Wechsel des Kindes in ihre Obhut. Demnach lagen im vorliegenden Fall nicht nur die Voraussetzungen für die Bestellung eines [X.] für das Kind vor, sondern im Ausgangspunkt auch die - übereinstimmenden - Voraussetzungen für eine Entziehung der elterlichen Vertretungsbefugnis nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 3 1. Halbs., 1796 [X.].

b) Das [X.] hat bei der Anordnung der [X.] die Interessenvertretung durch einen Verfahrensbeistand nicht als gleichwertige Maßnahme angesehen, weil das "Konstrukt" der Bestellung eines [X.] die Notwendigkeit der gesetzlichen Vertretung des mit Inkrafttreten des FamFG formell am Verfahren beteiligten Kindes nicht zu ersetzen vermöge.

Dem kann nicht beigetreten werden.

aa) Das Verhältnis von [X.]chaft und [X.] nach Entziehung der elterlichen Vertretungsbefugnis ist allerdings umstritten.

Die Auffassung des [X.]s, die dieses bereits in einer früheren Entscheidung vertreten hat ([X.], 660), teilen eine weitere Entscheidung des [X.] (11. Zivilsenat, Beschluss vom 8. Februar 2011 - 11 UF 195/10) sowie Stimmen in der Literatur ([X.] [X.] 2009, 153; [X.] NJW 2010, 897, 898; [X.] DIJuF-Rechtsgutachten vom 28. Oktober 2009 - www.dijuf.de - S. 3 ff.; [X.]/[X.]/[X.]/Zorn FamFG § 158 Rn. 21; [X.]/[X.]/[X.] ZPO 32. Aufl. § 158 FamFG Rn. 6; offenbar auch [X.]/[X.]/Wagner FamFG 12. Aufl. § 158 Rn. 19). Die vom [X.] als seiner Auffassung zustimmend aufgeführte Rechtsprechung ist allerdings für Verfahren nach § 1671 [X.] bereits nicht einschlägig. Denn die genannten Entscheidungen betrafen durchweg andere Fallkonstellationen (so zutreffend [X.] [X.], 314, 315 mwN). Die Entscheidung des [X.] (KG [X.], 1171; ebenso [X.] Rpfleger 2011, 436) hatte mit der Erbausschlagung und der Zustellung der gerichtlichen Genehmigung ausschließlich eine Vermögensangelegenheit zum Gegenstand (zutreffend KG [X.], 1171, 1172), ebenso eine Entscheidung des [X.] ([X.], 231 [LS]). Diese Entscheidungen betrafen zudem - wie auch die weiter angeführte Entscheidung des [X.] ([X.], 1995 - Geltendmachung von Kindesunterhalt gegen den sorgeberechtigten Vater) - Fallgestaltungen, in denen die dem Verfahrensbeistand verschlossene gesetzliche Vertretung als konkrete Form der Interessenwahrung für das Kind erforderlich war.

Überwiegend ist die Ansicht des [X.]s auf Ablehnung gestoßen. Die Bestellung eines [X.] sei als milderes Mittel zu betrachten, das eine Entziehung der elterlichen Vertretungsbefugnis und die Anordnung einer [X.] entbehrlich mache ([X.] [X.], 1166; [X.] NJW 2011, 236; [X.] Beschluss vom 16. November 2010 - 3 UF 178/10; Schael FamRZ 2009, 265, 269; [X.] NJW 2010, 1851, 1852 f.; [X.] [X.], 5, 7; Empfehlungen des [X.] des 18. Deutschen [X.]stages Nr. 4 [X.] Schriften zum Familienrecht [X.] f.; ausführlich [X.] [X.], 314 mwN).

bb) Der überwiegenden Auffassung ist der Vorzug zu geben.

Das Vorliegen eines erheblichen [X.]es zwischen Kind und Eltern führt nicht notwendigerweise zur Entziehung der elterlichen Vertretungsbefugnis. Da es sich bei der Entziehung der Vertretungsbefugnis um einen Eingriff in das Elternrecht handelt, ist vielmehr der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. MünchKomm[X.]/[X.] 5. Aufl. § 1629 Rn. 63 mN). Daher hat das Gericht vor Entziehung der Vertretungsbefugnis in jedem Fall zu prüfen, ob dem [X.] nicht auf andere Weise Rechnung getragen werden kann. Wenn mildere Maßnahmen möglich sind, um dem Interessenkonflikt wirksam zu begegnen, ist die Entziehung der Vertretungsbefugnis übermäßig und daher rechtswidrig.

Davon ist im Ansatz auch das [X.] ausgegangen. Es hat allerdings die Bestellung des [X.] nicht als gleich wirksame Maßnahme angesehen. Damit hat es die vom Gesetzgeber im Zuge der [X.] getroffenen Wertungen und die darauf beruhende Gesetzessystematik nicht hinreichend beachtet.

cc) Die Wahrnehmung der Kindesinteressen in einem auf die Person bezogenen [X.] ist originäre Aufgabe des [X.]. Aufgrund der vorausgegangenen Fachdiskussion um die Subjektstellung des Kindes in [X.] und die Gewährleistung einer verlässlichen Vertretung seiner - auch subjektiven - Interessen (vgl. [X.] FamRZ 1999, 85, 87; BT-Drucks. 13/4899 S. 48; [X.] [X.] ff. sowie [X.] Der Anwalt des Kindes aus juristischer Sicht Protokolldienst der [X.]/1983 S. 12 ff.) ist im Zuge der Kindschaftsrechtsreform von 1997 ([X.] vom 16. Dezember 1997 [X.]l. I S. 2942) speziell für bestehende Interessenkollisionen zwischen Eltern und Kind das [X.] in [X.] ("Anwalt des Kindes") eingeführt worden (näher [X.] [X.], 314, 315). Den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine wirksame Vertretung der Kindesinteressen in [X.] hat der Gesetzgeber durch dieses Institut (nunmehr Verfahrensbeistand) Genüge getan ([X.] FamRZ 2004, 86).

dd) Auch wenn ursprünglich - unter anderem - die fehlende formelle Beteiligung des Kindes ein Beweggrund für die Einführung des Verfahrenspflegers war (BT-Drucks. 13/4899 [X.]), führt die Einbeziehung minderjähriger Kinder in den Kreis der notwendigerweise am [X.] zu [X.] ("Muss-Beteiligte") nicht dazu, dass nunmehr das Institut des [X.] als Interessenvertreter ("Anwalt") des Kindes etwa durch den Ergänzungspfleger abgelöst werden sollte. Dass dies nicht in der Absicht des Gesetzgebers im Rahmen der [X.] lag, wird dadurch verdeutlicht, dass er dem Verfahrensbeistand besondere Aufmerksamkeit gewidmet und dessen Stellung aufgrund der seit seiner Einführung im Jahr 1998 gewonnenen Praxiserfahrungen näher ausgeformt hat. Hierbei hat der Gesetzgeber unter anderem unterstrichen, dass die Bestellung des [X.] nicht im Ermessen des [X.]s steht, sondern zwingend zu erfolgen hat (§ 158 Abs. 1 FamFG). Ferner sind die Aufgaben des [X.], insbesondere Aufklärungspflicht und Interessenvertretung einschließlich der adäquaten Information des Kindes, näher konkretisiert worden. Und schließlich stellt das Gesetz nunmehr klar, dass der Verfahrensbeistand nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes ist (§ 158 Abs. 4 Satz 6 FamFG) und dass seine Bestellung nicht selbständig anfechtbar ist (§ 158 Abs. 3 Satz 4 FamFG).

Dass der Verfahrensbeistand nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes ist und sein Handlungsspielraum insoweit gegenüber dem des [X.] begrenzt ist, begründet entgegen der Auffassung des [X.]s nicht die Notwendigkeit, die elterliche Vertretungsbefugnis zu entziehen. Gerade die der Regelung in § 158 Abs. 4 Satz 6 FamFG zugrunde liegenden Erwägungen zeigen vielmehr, dass es nach den Vorstellungen des Gesetzgebers mit der Bestellung des [X.] als Interessenvertreter des Kindes selbst bei Interessenkonflikten regelmäßig auch bewenden soll.

Dass dem Verfahrensbeistand nicht die Befugnis zur gesetzlichen Vertretung zugedacht ist, beruht auf der gesetzgeberischen Zielsetzung, den Eingriff in das Elternrecht möglichst gering zu halten (BT-Drucks. 16/6308 S. 240). Die gesetzliche Regelung beruht daher auf der Annahme, dass die dem Verfahrensbeistand verliehenen Befugnisse zur effizienten Wahrung der Kindesinteressen ausreichend sind und gleichzeitig in die Befugnisse der Eltern nicht weiter eingegriffen werden soll, als es zur Erreichung dieses Ziels notwendig ist. Dem würde es widersprechen, wenn durch die tatbestandlich unter denselben Voraussetzungen stehende und demselben Zweck dienende Entziehung der Vertretungsbefugnis gleichwohl noch weitergehend in das Elternrecht eingegriffen würde.

Auch mit dem Ausschluss der selbständigen Anfechtbarkeit (§ 158 Abs. 3 Satz 4 FamFG) hat der Gesetzgeber konkrete sachliche Wertungen verbunden. Dieser dient dem ausdrücklich genannten Zweck, [X.] zu verhindern (BT-Drucks. 16/6308 S. 239). Auch diesem Ziel würde es aber zuwiderlaufen, wenn entweder neben oder anstatt der Bestellung eines [X.] die elterliche Vertretungsbefugnis zu entziehen wäre. Dann wäre ein gesondertes Verfahren erforderlich, welches rechtsmittelbewehrt wäre und die gesetzliche Vertretung im [X.] in der Schwebe ließe. Der Gesetzgeber hat indessen im Gegenteil der Verfahrensbeschleunigung (vgl. § 155 FamFG) den Vorzug gegeben, was entwertet würde, wenn zugleich regelmäßig die elterliche Vertretungsbefugnis zu entziehen wäre (zutreffend [X.] [X.], 5, 7).

Dass in Fällen des wesentlichen [X.]es von Eltern und Kind stets eine Entziehung der Vertretungsbefugnis angezeigt wäre, kann demnach nicht als Wille des Gesetzgebers unterstellt werden, schon weil er sich damit zu seiner abgewogenen eigenen Entscheidung zur Reichweite der Interessenvertretung des Kindes im Verhältnis zum Elternrecht und zur Vermeidung von [X.] in Widerspruch gesetzt hätte. Die Auffassung, dass sowohl die Verzögerung (so [X.] Beschluss vom 8. Februar 2011 - 11 UF 195/10) als auch der stärkere Eingriff in das Elternrecht hinnehmbar seien, steht demnach zu der Absicht des Gesetzgebers im direkten Gegensatz.

Die vom [X.] herangezogene Gesetzesbegründung zur Bestimmung des Beteiligtenbegriffs (BT-Drucks. 16/6308 S. 165) widerspricht dem nicht. Sie bringt den Grundgedanken zum Ausdruck, dass durch die formelle Beteiligung der Grundsatz des rechtlichen Gehörs effektiv gewahrt werden soll. Die zitierte Gesetzesbegründung verhält sich aber schon nicht zu der Frage, wer zur gesetzlichen Vertretung des Kindes berufen ist, und kann daher nicht dafür angeführt werden, dass das Kind in Konfliktfällen stets durch einen Ergänzungspfleger vertreten werden müsse. Dass an anderer Stelle der Gesetzesbegründung im Fall eines bereits zuvor bestellten [X.] erwähnt ist, dass dieser die Bestellung eines [X.] entbehrlich mache (BT-Drucks. 16/6308 S. 238 [X.]), steht dem ebenfalls nicht entgegen. Wenn etwa die gesetzliche Vertretung als Handlungsform zwingend erforderlich ist, stünde dies mit der grundsätzlich vorrangigen Bestellung des [X.] durchaus im Einklang, weil dem Verfahrensbeistand die gesetzliche Vertretung verschlossen ist. Überdies geht es aber in der vorliegenden Fallkonstellation gerade um die vorgelagerte Frage, ob überhaupt ein Ergänzungspfleger zu bestellen ist, was die vorherige Entziehung der elterlichen Vertretungsbefugnis voraussetzt und damit eine Entscheidung der Konkurrenz beider Rechtsinstitute unausweichlich macht.

Schließlich ist der Ergänzungspfleger (entgegen [X.] [X.], 660, 662) nicht mit der in § 158 Abs. 5 FamFG ausdrücklich genannten Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vergleichbar. Denn hierbei handelt es sich nicht um gesetzliche Vertreter, sondern um (rechtsgeschäftlich) Bevollmächtigte. Diese § 50 Abs. 3 [X.] entsprechende Regelung geht überdies davon aus, dass Vollmachtgeber gerade das - ausnahmsweise verfahrensfähige - Kind oder seine Eltern sind (vgl. die Gesetzesbegründung zum [X.] BT-Drucks. 13/4899 S. 132).

Selbst wenn man aber davon abweichend noch von einer Widersprüchlichkeit der Gesetzesmaterialien ausgehen wollte (so offenbar Zorn in [X.]/[X.]/[X.] FamFG § 158 Rn. 21 und [X.] aaO § 9 Rn. 2 sowie [X.], 1703, 1709), so käme von mehreren sich - vordergründig - widersprechenden Aussagen derjenigen das ausschlaggebende Gewicht zu, welche mit bewussten gesetzgeberischen Wertungen verbunden ist. Die in diesem Sinne spezielleren Wertungen sind hier aber zweifellos zur Regelung des [X.] getroffen worden. Sowohl die bewusste Begrenzung des Eingriffs in das Elternrecht als auch das mit dem Ausschluss der Anfechtbarkeit verfolgte Ziel einer raschen und damit schonenden Konfliktlösung in [X.] sprechen für den Verfahrensbeistand als vorrangigen Interessenvertreter des Kindes. Dass die Konsequenz der fortbestehenden Vertretungsbefugnis der Eltern vom Gesetzgeber gesehen und auch gewollt war, belegt abermals die Gesetzesbegründung, indem sie ausdrücklich herausgestellt hat, dass die Eltern auch nach der Bestellung des [X.] in vollem Umfang zur Vertretung des Kindes berechtigt sind (BT-Drucks. 16/6308 S. 239). Für diese Feststellung hätte keine Veranlassung bestanden, wenn unter denselben Voraussetzungen wie für die Bestellung des [X.] den Eltern außerdem noch ihre gesetzliche Vertretungsbefugnis entzogen werden müsste.

ee) § 1796 [X.] ist demnach im Zusammenhang mit [X.] dahin zu verstehen, dass eine Entziehung der elterlichen Vertretungsbefugnis dann nicht angeordnet werden darf, wenn durch die Bestellung eines [X.] bereits auf andere Weise für eine wirksame Interessenvertretung des Kindes Sorge getragen werden kann. Das ist in Verfahren, welche die Person des Kindes betreffen, der Fall. Die Bestellung eines [X.] ist dabei nicht auf Verfahren, die die Personensorge betreffen, beschränkt, sondern erfasst alle Verfahren, die sich nicht ausschließlich auf Vermögensangelegenheiten beziehen ([X.]/[X.] FamFG 16. Aufl. § 158 Rn. 4; BT-Drucks. 13/4899 S. 130 f.).

4. Der angefochtene Beschluss ist abzuändern. Da im vorliegenden Fall die Bestellung eines [X.] zulässig und ausreichend ist, war die Bestellung eines [X.] durch das Amtsgericht und die damit verbundene Entziehung der Vertretungsbefugnis nicht geboten und demzufolge unzulässig. Der [X.] kann in der Sache abschließend entscheiden, weil es weiterer Feststellungen nicht bedarf. Demnach ist der Beschluss des Amtsgerichts - ersatzlos - aufzuheben.

[X.]                             [X.]

                 [X.]

Meta

XII ZB 12/11

07.09.2011

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Oldenburg (Oldenburg), 28. Oktober 2010, Az: 14 UF 114/10, Beschluss

§ 1629 BGB, § 1796 BGB, § 1909 BGB, § 7 FamFG, § 9 FamFG, § 158 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.09.2011, Az. XII ZB 12/11 (REWIS RS 2011, 3566)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3566

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Keine Entscheidungsübertragung zur Beauftragung eines Rechtsanwaltes mit der Vertretung eines Kindes in einer Kindschaftssache bei …


Referenzen
Wird zitiert von

XII ZB 510/10

XII ZB 489/11

XII ZB 293/11

XII ZB 247/11

XII ZB 12/11

16 UF 454/17

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