Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.10.2023, Az. 25 W (pat) 520/22

25. Senat | REWIS RS 2023, 10503

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Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2021 101 532.0

hat der 25. Senat ([X.]) des [X.] am 26. Oktober 2023 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Kortbein, der Richterin am [X.] sowie der Richterin [X.], LL.M., beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss des [X.], Markenstelle für Klasse 30, vom 18. Januar 2022 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Zeichen

Abbildung

2

ist am 1. Februar 2021 zur Eintragung als Wort-/Bildmarke in das beim [X.] geführte Register für folgende Waren angemeldet worden:

3

Klasse 29:

4

Kandierte Früchte;

5

Klasse 30:

6

Süßwaren; Früchte aus Gelee [Süßwaren]; Zuckermasse [Süßwaren]; Zuckerwaren, Konfekt; Kakao; Kakaoerzeugnisse; Schokolade; Schokoladenerzeugnisse; [X.]; Konditorwaren; feine Backwaren; Karamell; Karamellen [Süßigkeit]; nicht medizinische Gummibonbons; Fruchtgummis [außer für medizinische Zwecke]; Lakritze [Süßwaren]; Bonbons; Kaubonbons.

7

Mit Beschluss vom 18. Januar 2022 hat das [X.], Markenstelle für Klasse 30, besetzt mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes, die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen:

8

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die angemeldete Wort-/Bildmarke von den angesprochenen Verkehrskreisen nur als Angabe mit beschreibendem Inhalt bzw. mit engem beschreibenden Bezug aufgefasst werde, nicht jedoch als Hinweis auf die Herkunft der beanspruchten Waren aus einem bestimmten Unternehmen. Das angemeldete Zeichen setze sich aus der zweizeiligen Wiedergabe der Wortbestandteile "[X.]" in einer orangenen Handschrift bzw. grünen Druckschrift sowie der Abbildung eines Lutschers, eines Punktes und zweier Sterne links sowie eines Bonbons rechts von den [X.] zusammen. Alle diese Elemente seien in einer weißen Wolke als Hintergrund abgebildet, welche wiederum in einem grauen Rechteck eingeschlossen sei. Die Wörter "candies" im Sinne von Süßigkeiten, Süßwaren oder Bonbons und "world" im Sinne von Welt würden zusammen im [X.] "Süßigkeiten-Welt" bzw. "[X.]" bedeuten. In Verbindung mit einer warenbezogenen Angabe werde der Begriff "world" regelmäßig zur Bezeichnung eines breit gefassten Angebots als Umschreibung einer tatsächlichen oder virtuellen [X.] benutzt. Auch könne er im Sinne von "Bereich" oder "Sphäre" in Kombination mit einer Sachangabe eine bestimmte fachliche Ausrichtung eines Angebots anzeigen. Die Wortfolge "Candies World" bezeichne daher eine Stätte, an der Süßwaren bzw. Süßigkeiten angeboten, vertrieben oder verkauft würden. Sie weise in Verbindung mit den Waren der Klassen 29 und 30 einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Gehalt auf. Dies gelte insbesondere auch für die Waren "Kakao" und "Karamell" der Klasse 30, da beide wichtige Zutaten von Süßwaren seien. "[X.]" würden wiederum üblicherweise zusammen mit Süßwaren vertrieben, so dass auch hier ein enger beschreibender Bezug bestehe. Ebenso wenig könne die grafische Ausgestaltung mittels Bonbon und Lutscher dem Zeichen zur Schutzfähigkeit verhelfen, da sie die Sachaussage der Wortbestandteile lediglich unterstütze. Die übrigen grafischen Elemente, bestehend aus unterschiedlichen Schrifttypen und Farben sowie kleinen Sternen und Punkt, bewegten sich im [X.]en Rahmen.

9

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde vom 22. Februar 2022. Eine Begründung wurde nicht eingereicht. Vor dem [X.] hat die Anmelderin ausgeführt, dass der Markenanmeldung aufgrund ihrer Gestaltung mit aussagekräftigen grafischen Elementen keine absoluten Schutzhindernisse entgegenstünden. So sei bei deren Prüfung ein großzügiger Maßstab anzulegen, da jede noch so geringe Unterscheidungskraft ausreiche, um das Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zu überwinden. Die grafische Gestaltung der Wort-/Bildmarke erschöpfe sich vorliegend gerade nicht in einer umrahmenden, untermalenden oder ausschmückenden Darstellung, sondern weise mehrere Elemente auf, welche offensichtlich das Ergebnis einer professionellen Gesamtkonzeption seien. Durch eine besondere bildliche oder grafische Ausgestaltung komme nicht unterscheidungskräftigen Wortbestandteilen ein eigenständiger betrieblicher Herkunftshinweis zu. Die Unterscheidungskraft fehle nur geläufigen grafischen Mitteln, welche üblicherweise in ausschließlich schmückender oder ornamentaler Form verwendet werden. Kein Anlass zur Schutzversagung bestehe, wenn - wie vorliegend - durch die Verbindung mehrerer Figuren eine charakteristische Gestaltung erreicht werde. Hierdurch würde die Herkunftsfunktion erfüllt, da die Verbindung mehrerer einfacher Figuren als ausreichend anzusehen sei.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des [X.]s, Markenstelle für Klasse 30, vom 18. Januar 2022 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. § 66 Abs. 1 Satz 1 [X.] statthafte Beschwerde ist zulässig und begründet.

Der Eintragung des [X.]s

Abbildung

für die beschwerdegegenständlichen Waren der Klassen 29 und 30 stehen keine Schutzhindernisse entgegen.

1. Insbesondere fehlt ihm nicht jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Bei ihr handelt es sich um die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. [X.], 569, Rn. 10 - [X.]; [X.], 731, Rn. 11 - [X.]; [X.], 1143, Rn. 7 - [X.]; [X.], 270, Rn. 8 - Link economy; [X.], 1100, Rn. 10 - [X.]!; [X.], 825, Rn. 13 - [X.]; [X.], 850, Rn. 18 - [X.]). Auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des zugrundeliegenden Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. [X.] GRUR 2003, 604, Rn. 60 - [X.]; [X.], 565, Rn. 17 - [X.]). Bei der Beurteilung von [X.] ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen (vgl. [X.] [X.], 411, Rn. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943, 944, Rn. 24 - [X.] 2; [X.] [X.], 850, Rn. 18 - [X.]) zum Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens an (vgl. [X.] [X.], 1143, 1144, Rn. 15 - Aus Akten werden Fakten; GRUR 2014, 872, Rn. 10 - [X.]; GRUR 2014, 483, Rn. 22 - test; [X.] MarkenR 2010, 439, Rn. 41 bis 57 - Flugbörse).

Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. [X.] [X.], 850, Rn. 19 - [X.]; [X.] [X.], 674, Rn. 86 - Postkantoor) oder sonst gebräuchliche Wörter der [X.] oder einer bekannten Fremdsprache, die – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. [X.] [X.], 270, Rn. 8 - Link economy; [X.], 778, Rn. 11 - [X.]; [X.], 640, Rn. 13 - hey!). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu ihnen hergestellt wird (vgl. [X.] [X.], 850, Rn. 19 - [X.]).

Nach diesen Grundsätzen kann dem angemeldeten [X.] nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

a) Das Zeichen ist ein graues Rechteck, in dem mittig eine weiße Wolke mit dem farbigen Schriftzug "[X.]" sowie mit den Abbildungen eines aus der Wolke herausragenden Lutschers, eines Bonbons sowie mehrerer verschiedenfarbiger Sterne angeordnet ist. Das Wort "Candies" erscheint hierbei in roter Schreibschrift, während der Begriff "[X.]" in grüner Druckschrift wiedergegeben ist.

b) Wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, beschreiben die einzelnen Zeichenbestandteile für sich genommen die von der Zurückweisung umfassten Waren oder weisen zu ihnen zumindest einen engen beschreibenden Bezug auf.

(1) So bedeutet das der [X.] entnommene Wortelement "Candies" im [X.] so viel wie "Pralinen" oder "Süßwaren" (vgl. Online-Wörterbuch "[X.]" unter "[X.]"). Demgegenüber wird das ebenfalls englischsprachige Substantiv "[X.]" mit "Welt", "[X.]" oder "Erdkreis" übersetzt (vgl. Online-Wörterbuch "[X.]" unter "[X.]"). In Verbindung mit einer Gegenstands- oder Branchenangabe bezeichnet es ein breit gefasstes Angebot bestimmter Waren oder Dienstleistungen (vgl. auch BPatG 26 W (pat) 513/17 - the fantastic world of bottles; 29 W (pat) 551/17 - HOBBY [X.]). Im Sinne von "[X.]" vermitteln die Zeichenkomponenten "[X.]" damit die Aussage, ein umfassendes Sortiment an Süßwaren, zu denen alle angemeldeten Waren gehören oder gehören können, werde hergestellt oder vertrieben.

(2) Auch die grafischen Elemente nehmen deutlich Bezug auf die beanspruchten Süßwaren. So ist links die Abbildung eines Lutschers und rechts die eines Bonbons zu erkennen. Das an Zuckerwatte oder an den Himmel erinnernde Motiv einer Wolke ist [X.]. Entsprechendes gilt für [X.] mit jeweils vier Ecken. Der zwischen ihnen befindliche gelbe Punkt kann als [X.], die Wörter trennender Punkt oder reines Zierelement gedeutet werden.

c) Auch wenn die besagten Komponenten für sich genommen nicht unterscheidungskräftig sind, so verleiht jedoch die konkrete Ausgestaltung dem Anmeldezeichen in seiner maßgeblichen Gesamtheit eine hinreichend individuelle Charakteristik, die zur Erfüllung der Herkunftsfunktion ausreichend ist.

Sofern ein Zeichen - wie vorliegend - schutzunfähige Wortbestandteile aufweist, sind an den bildlichen "Überschuss" umso höhere Anforderungen zu stellen, je deutlicher ihre beschreibende Aussage hervortritt. Die grafische Ausgestaltung muss dabei eine den schutzunfähigen Charakter der übrigen [X.] aufhebende, kennzeichnungskräftige Verfremdung des Gesamteindrucks des in Rede stehenden Zeichens bewirken (vgl. [X.] GRUR 1998, 394, 396 - Motorrad Active Line; [X.], 634 - [X.]; [X.], 1153 - antiKALK). Dies ist aus Sicht des Senats vorliegend der Fall. Der bildliche Gesamteindruck des [X.] wird durch verschiedene Merkmale bestimmt, die in ihrer Kombination die notwendige Unterscheidungsfunktion erfüllen. Zum einen erscheint die Unterlegung der weißen Wolke mit einem grauen Rechteck nicht naheliegend, da die Farbe Grau für den betroffenen [X.] unüblich ist, in dem - wie in der Wolke - vornehmlich bunte und knallige Farbigen anzutreffen sind. Zum anderen können die Sterne neben dem Lutscher auch den Eindruck erwecken, als handele es sich bei diesem um einen Zauberstab. Der [X.] findet sich des Weiteren bei allen Zeichenelementen, die Süßigkeiten benennen ("Candies") oder bildlich wiedergeben ("Lutscher" und "Bonbon"). Hierdurch wird eine eigenartige begriffliche Verknüpfung hergestellt. Hinzu kommt, dass die Darstellung des Bonbons verfremdet ist. Bonbons werden ausweislich der Recherchen des Senats so verpackt, dass sie in längliche Folien oder Papiere gewickelt und deren Enden jeweils verdrillt werden. Hierbei verbleibt auf der dem Bonbon jeweils abgewandten Seite ein breiterer Bereich, der es ermöglicht, die Verpackung wieder aufzuwickeln. Die Kanten dieses Bereichs weisen nicht die drei Zungen auf, die an den beiden Enden des in dem Anmeldezeichen abgebildeten Bonbons zu sehen sind und insgesamt den Eindruck einer Krone hervorrufen.

In ihrer Summe bewirken diese Gestaltungselemente einen hinreichend eigenständigen und damit schutzbegründenden Überschuss, dem der Verkehr einen betrieblichen Herkunftshinweis entnehmen kann, so dass dem angemeldeten Zeichen nicht jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen ist (ebenso z. [X.] 25 W (pat) 53/01 - Abbildung AbbildungAbbildungAbbildungAbbildung

2. Aus oben genannten Gründen kann das in Rede stehende [X.] auch nicht als unmittelbar beschreibende und damit freihaltebedürftige Angabe angesehen werden, so dass es auch nicht dem Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] unterliegt.

3. Weitere Schutzhindernisse sind nicht ersichtlich oder von der Markenstelle ins Feld geführt worden.

Der Beschwerde war demzufolge stattzugeben.

Meta

25 W (pat) 520/22

26.10.2023

Bundespatentgericht 25. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.10.2023, Az. 25 W (pat) 520/22 (REWIS RS 2023, 10503)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 10503

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29 W (pat) 551/17

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