Bundesfinanzhof, Beschluss vom 20.07.2012, Az. IX B 24/12

9. Senat | REWIS RS 2012, 4397

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Nichtzulassungsbeschwerde: Mietverhältnis, Einkünfteerzielungsabsicht; Gesamtwürdigung des FG)


Leitsatz

1. NV: Die Frage der Einkünfteerzielungsabsicht als subjektives Tatbestandsmerkmal stellt sich erst, nachdem eine auf Einkünfteerzielung gerichtete Tätigkeit (als objektiver Tatbestand) festgestellt wurde.  

2. NV: Der (unentgeltliche) Verzicht auf Mieteinnahmen kann nicht als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung fingiert werden.  

3. NV: Einwendungen, die nicht die Abweichung von Rechtssätzen verschiedener Entscheidungen aufzeigen, sondern lediglich die Richtigkeit der tatsächlichen Gesamtwürdigung des FG betreffen, sind --wie bloße Fehler in der Subsumtion oder der Rechtsanwendung im Einzelfall-- dem materiellen Recht zuzurechnen und können deshalb die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen.

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulas-sungsgründe sind nicht gegeben.

2

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O). Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) aufgeworfene Rechtsfrage nach dem (vermeintlichen) Vorrang der --bei dauerhafter Vermietung zu unterstellenden-- Einkünfteerzielungsabsicht vor der Prüfung des zugrundeliegenden Mietverhältnisses unter nahen Angehörigen im Wege des [X.] ist geklärt. Denn nach der Systematik des Gesetzes und ständiger Rechtsprechung stellt sich die Frage der Einkünfteerzielungsabsicht als subjektives Tatbestandsmerkmal erst, nachdem eine auf Einkünfteerzielung gerichtete Tätigkeit (als objektiver Tatbestand) festgestellt wurde (vgl. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 10. Juni 2010 IX B 233/09, [X.], 1824). Im Übrigen hat das Finanzgericht ([X.]) bei der Würdigung eines Mietverhältnisses unter Beachtung des [X.] die --regelmäßig nicht klärungsbedürftigen und damit nicht grundsätzlich bedeutsamen-- Umstände des Einzelfalles als Tatfrage (vgl. § 118 Abs. 2 [X.]O) zu berücksichtigen (vgl. [X.] vom 3. Februar 2012 IX B 126/11, [X.], 741, m.w.N.).
Hat aber das [X.] das Mietverhältnis zwischen nahen Angehörigen steuerrechtlich (mangels tatsächlicher Durchführung) nicht [X.] und damit nicht der Besteuerung zugrunde gelegt, kommt es auf die Frage einer verbilligten Vermietung i.S. von § 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes wie auch auf die Höhe dieser Einkünfte nicht an.

3

2. Auch ist eine Entscheidung des [X.] zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 2  1. Alt. [X.]O nicht erforderlich. Denn die aufgeworfene Rechtsfrage, inwieweit der Verzicht auf Mieteinnahmen zu fiktiven Einnahmen führt, bezieht sich (nur) auf die Höhe der Einkünfte und stellt sich nicht, wenn diese --wie hier-- schon dem Grunde nach nicht anzuerkennen sind. Überdies ist nach allgemeiner Auffassung unstreitig, dass der (unentgeltliche) Verzicht auf Mieteinnahmen --wozu regelmäßig auch die Umlagen zählen-- nicht als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung fingiert werden kann (vgl. [X.]/ [X.], EStG, 31. Aufl., § 21 Rz 65; [X.]/Kister in [X.]/ [X.]/[X.], § 8 EStG Rz 180; [X.] in [X.], EStG, 11. Aufl., § 8 Rz 6; jeweils unter dem Stichwort "Verzicht"). Dem von den Klägern in diesem Zusammenhang angeführten [X.]-Urteil vom 14. März 2006 I R 38/05 ([X.]/NV 2006, 1515) liegt hingegen ein entgeltlicher Verzicht und damit ein anderer Sachverhalt zugrunde.

4

3. Einer Entscheidung des [X.] bedarf es auch nicht zur Siche-rung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alt. [X.]O. Es kann dahinstehen, ob die tragenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung und der zitierten Divergenzentscheidungen ([X.]-Urteile vom 5. November 2002 IX R 48/01, [X.]E 201, 46, [X.] 2003, 646, und IX R 32/02, [X.]/NV 2003, 599; vom 24. August 2004 IX R 28/03, [X.]/NV 2005, 50) so herausgearbeitet und gegenübergestellt wurden, dass eine Abweichung im Grundsätzlichen erkennbar wird (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 19. Mai 2010 IX B 11/10, [X.], 1648, unter 2.; vom 23. August 2011 IX B 63/11, [X.], 53, unter 2.). Jedenfalls liegt die gerügte Divergenz nicht vor.

5

Das [X.] ist nicht von dem Grundsatz abgewichen, dass im Rahmen des [X.] für die Beurteilung von (Miet-)Verträgen unter Angehörigen die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten maßgebend ist und deshalb nicht jede geringfügige Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Üblichen notwendigerweise die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses ausschließt (vgl. [X.]-Urteile vom 20. Oktober 1997 IX R 38/97, [X.]E 184, 463, [X.] 1998, 106, unter 2.; vom 24. August 2006 IX R 40/05, [X.]/NV 2006, 2236, unter II.2., sowie zur Abwicklung von Nebenkosten: [X.]-Urteile vom 17. Dezember 2003 IX R 7/98, [X.]/NV 2004, 1270; vom 21. November 2000 IX R 73/97, [X.]/NV 2001, 594). Davon ausgehend ist das [X.] im Rahmen seiner Gesamtwürdigung unter Hinweis auf die von der (schriftlichen) Vereinbarung abweichende (zum Teil bedarfsorientierte) Handhabung der Abwicklung der Nebenkosten zu dem Ergebnis gelangt, dass das Mietverhältnis im Streitfall nicht wie unter fremden [X.] üblich vereinbart und durchgeführt worden ist.

6

Bei dieser Sachlage betreffen die Einwendungen der Kläger keine Abweichung von Rechtssätzen verschiedener Entscheidun-gen, sondern lediglich die Richtigkeit der tatsächlichen Ge-samtwürdigung des [X.]. Diese ist jedoch --wie bloße Fehler in der Subsumtion oder Rechtsanwendung im [X.] dem mate-riellen Recht zuzurechnen und kann deshalb die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht rechtfertigen (vgl. [X.]-Beschlüs-se in [X.], 53, unter 2.; vom 28. September 2010 IX B 65/10, [X.]/NV 2011, 43, unter 3.).

Meta

IX B 24/12

20.07.2012

Bundesfinanzhof 9. Senat

Beschluss

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 21. Dezember 2011, Az: 2 K 1276/11, Urteil

§ 21 Abs 1 EStG 2009, § 21 Abs 2 EStG 2009, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 118 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 20.07.2012, Az. IX B 24/12 (REWIS RS 2012, 4397)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4397

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX R 28/15 (Bundesfinanzhof)

Einkünfteerzielungsabsicht bei der Vermietung an nahe stehende Person - Fremdvergleich - "Verrechnung" des Mietzinsanspruches mit …


IX R 42/15 (Bundesfinanzhof)

Mietverhältnis unter nahen Angehörigen - Einkünfteerzielungsabsicht - Aufgabe der Vermietungsabsicht


IX B 233/09 (Bundesfinanzhof)

Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht - rechtliches Gehör


IX R 70/10 (Bundesfinanzhof)

Steuerliche Nichtanerkennung eines nicht vertragsgemäß durchgeführten Mietverhältnisses zwischen "nahen Angehörigen" - Wegfall der Einkünfteerzielungsabsicht bei …


IX B 41/10 (Bundesfinanzhof)

Zur verlängerten Festsetzungsfrist wegen Steuerhinterziehung bei Eheleuten - rechtliches Gehör - Wechsel der ehrenamtlichen Richter …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.