Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.07.2013, Az. III ZR 208/12

III. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 4019

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen



BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
III ZR 208/12

Verkündet am:

18. Juli 2013

K
i
e
f
e
r

Justizangestellter

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

ZPO §§ 314, 528

a)
Der nach §
314 Satz 1 ZPO erbrachte Beweis kann durch das Sitzungs-protokoll gemäß §
314 Satz 2 ZPO nur entkräftet werden, wenn die dort getroffenen Feststellungen ausdrücklich oder wenigstens unzweideutig denjenigen des Tatbestands wi[X.]prechen.

b)
Der wegen Zuerkennung des [X.] nicht beschiedene Hilfsan-trag des Klägers wird allein durch die Rechtsmitteleinlegung des Beklag-ten Gegenstand des Berufungsverfahrens (Bestätigung von [X.], Urteil vom 20.
September 2004 -
II
ZR 264/02, NJW-RR 2005, 220).

[X.], Urteil vom 18. Juli 2013 -
III ZR 208/12 -
OLG [X.]

[X.]

-

2

-

Der III.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juli 2013
durch den Vizepräsidenten
Schlick und die Richter
Dr.
[X.], [X.],
Dr. Remmert
und Reiter

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 5. Juni 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als über den
Hilfsantrag der Klägerin der Sache nach nicht entschieden
worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache an das Berufungsge-richt zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die
Kosten des dritten Rechtszugs, soweit über sie nicht bereits mit dem Senatsbeschluss vom
28. März 2013 entschieden wurde, zu-rückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin ist eine [X.] Gemeinde. Der beklagte Verein betreibt Kindergärten und -tagesstätten. Mit Vertrag vom 2.
Januar 1995 übertrug die Rechtsvorgängerin der
Klägerin, die Gemeinde L.

,
dem Beklagten die Trägerschaft der Kindertagesstätte "Z.

".
Am 5.
November 1996 schlossen die Parteien einen weiteren Vertrag, durch den dem Beklagten die 1
-

3

-

Trägerschaft der Kindertagesstätte "K.

"
überantwortet wurde. [X.] dieser Verträge erlangte der Beklagte auch den Besitz an den [X.] und Freispielflächen, in beziehungsweise auf denen die Einrichtungen
be-trieben wurden.

Mit Schreiben vom 28.
September 2007 kündigte die Klägerin aufgrund wirtschaftlicher Erwägungen die mit dem Beklagten geschlossenen Verträge.

Die Parteien haben über die Wirksamkeit der Kündigungen gestritten. Die Klägerin hat gegen den Beklagten Klage mit den Hauptanträgen erhoben, festzustellen, dass der Vertrag
vom 2.
Januar 1995 durch die Kündigung zum 31.
Dezember 2007 beendet und der Vertrag vom
5.
November 1996 wirksam zum 31.
Dezember 2008 gekündigt worden sei. Hilfsweise
hat sie
beantragt, festzustellen, dass mit dem Vertrag vom 5.
November 1996
lediglich das
Flur-stück

x

c überlassen worden sei und die Flurstücke x/12 und x/14 nicht
Vertragsgegenstand seien.

Das [X.] hat den Hauptanträgen entsprochen. Hiergegen hat der Beklagte Berufung eingelegt. Hinsichtlich
der Einrichtung "Z.

"
(Ver-trag vom 2.
Januar 1995) haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. In Bezug
auf die
Kindertagesstätte "K.

"
(Vertrag vom November 1996) hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Den Hilfsantrag hat es in der Sache nicht beschieden. Auf die Beschwerde der Klä-gerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil hat der Senat das Rechtsmittel hinsichtlich des [X.] zugelassen, welchen die Klägerin
weiterverfolgt.

2
3
4
-

4

-

Entscheidungsgründe

Die Revision ist im Umfang ihrer Zulassung durch den Senat zulässig und begründet. Sie führt bezogen auf den Hilfsantrag
zur Aufhebung des Beru-fungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache
an die Vorinstanz.

I.

Das Berufungsgericht hat gemeint, eine Entscheidung über den erstin-stanzlich gestellten
Hilfsantrag sei entbehrlich. Die Klägerin sei in keiner Phase des Berufungsverfahrens
auf diesen zurückgekommen. Er habe auch in der mündlichen Verhandlung keine Rolle gespielt.

II.

Dies hält, wie die Revision mit Recht rügt, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Das Berufungsgericht hätte den Hilfsantrag in der Sache beschei-den müssen.

1.
Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Ansicht des Prozessbevollmächtigten des Beklagten ist nicht davon auszuge-hen, dass der Hilfsantrag in erster Instanz nicht gestellt worden ist. Im Tatbe-stand des landgerichtlichen Urteils ist ausdrücklich angegeben, die Klägerin habe diesen Antrag gestellt. Da die Anträge
in der mündlichen Verhandlung zu verlesen sind (§
297 Abs.
1 Satz 1 ZPO) und der Tatbestand gemäß §
314 Satz
1 ZPO den Beweis für das mündliche Parteivorbringen erbringt, steht da-5
6
7
8
-

5

-

mit für das Verfahren fest, dass der Hilfsantrag gestellt wurde. Richtig ist
aller-dings, dass der durch die tatbestandlichen Feststellungen geführte Beweis ge-mäß §
314 Satz 2 ZPO durch das Sitzungsprotokoll, das seinerseits Beweiswir-kung
entfaltet (§
165 Satz 1 ZPO), entkräftet werden kann. Weiter trifft es zu, dass das
Sitzungsprotokoll des [X.]s vom 4. November 2008 lediglich die Feststellung enthält, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe den [X.] aus der Klageschrift vom 18. März 2008 gestellt. In der [X.] nicht ausgewiesen ist, dass der mit Schriftsatz vom 11. September 2008
angekündigte Hilfsantrag ebenfalls gestellt worden sei. Eine solche ausdrückli-che Feststellung ist auch in den [X.] der weiteren mündlichen Verhandlungen vor dem
[X.] vom 10. März, 6.
Juli
und 11. September 2009 nicht getroffen
worden. Gleichwohl ist der durch den Tatbestand erbrachte Beweis nicht entkräftet. Dies setzt
voraus, dass
die Feststellungen in der [X.] ausdrücklich oder doch unzweideutig dem Tatbestand wi-[X.]prechen (Musielak,
ZPO, 10.
Aufl., §
314 Rn.
7; [X.]. in [X.], 4.
Aufl., §
314 Rn.
6; Hk-[X.], ZPO 5.
Aufl., §
314 Rn.
10; [X.]/[X.], ZPO, 29.
Aufl., §
314 Rn.
6). Lücken des Protokolls oder sein Schwei-gen über bestimmte Vorgänge reichen hierfür
nicht (Musielak und [X.]
jew aaO; siehe auch OLG Düsseldorf NJW 1991, 1492, 1493). Ein [X.] Wi[X.]pruch zwischen dem Tatbestand und den [X.] ist sonach dem hier allein vorliegenden Umstand, dass diese
nicht
ausdrücklich ausweisen, der Hilfsantrag sei gestellt worden, nicht zu entnehmen.
Aus der Nie[X.]chrift der mündlichen Verhandlung vom 10. März 2009 ergibt sich viel-mehr ein Hinweis auf das Gegenteil. Darin ist festgehalten, "die Beteiligten"
[X.] "sich auf ihre bisherigen Schriftsätze". Dies umfasst auch den Schriftsatz vom 11. September 2008 einschließlich des darin angekündigten [X.].
-

6

-

2.
Zu Unrecht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass über den Hilfsantrag
sachlich nicht mehr zu entscheiden war, weil die Klägerin
in der zweiten Instanz nicht mehr auf ihn "zurückgekommen"
sei. In der [X.] ist seit langem anerkannt, dass im Berufungsverfahren der Hilfsantrag, der, wie hier, im ersten Rechtszug nicht beschieden wurde, weil der Hauptan-trag zuerkannt wurde, allein infolge der Einlegung des Rechtsmittels durch den Beklagten zur Entscheidung anfällt (z.B. [X.], Urteil vom 20.
September 2004
-
II
ZR 264/02, NJW-RR 2005, 220 m.umfangr. N.; Musielak/Ball, aaO
§
528 Rn.
7; [X.]/[X.]
aaO
§
528 Rn.
20). Hiervon abzuweichen,
besteht auch unter Würdigung entgegen stehender Literaturstimmen (z.B. [X.]/
Rimmelspacher
aaO
§
528 Rn.
46; [X.] [X.]/Gehrlein, ZPO, 4.
Aufl., §
528 Rn.
19 jeweils
mwN) kein Anlass ([X.] aaO). Denn zu den Grundbedingungen des Klageverfahrens, die auch im Rechtsmittelzug weiter gelten (§ 525 ZPO), gehört es, dass der Kläger durch seine Anträge bestimmt, mit welchen Ansprüchen sich das Gericht befassen muss. Diese von dem Klä-ger zur Überprüfung gestellten Streitgegenstände kann der Beklagte allein durch ein Anerkenntnis oder durch die Hinnahme einer Verurteilung, nie jedoch dadurch beschränken, dass er Rechtsmittel einlegt. Es besteht keine Veranlas-sung, von dem Kläger, der in erster Instanz voll obsiegt hat, die Einlegung eines Rechtsmittels, auch nicht im Wege einer Eventual-Anschließung, gegen ein zu seinen Gunsten ergangenes Urteil zu verlangen, um die volle Überprüfung [X.] unveränderten Klagebegehrens im Rechtsmittelzug sicherzustellen ([X.] aaO). Ebenso wenig muss von dem Kläger erwartet werden, neben seinem [X.] auf Zurückweisung der Berufung ausdrücklich seinen Hilfsantrag zu [X.] ([X.]/[X.] aaO), denn dieser ist, wie ausgeführt, mit dem [X.] des Beklagten bereits im nächsten Rechtszug angefallen.
9
-

7

-

Die
Annahme, die Klägerin habe den Hilfsantrag konkludent zurückge-nommen, indem sie auf ihn nicht mehr "zurückgekommen"
ist,
scheitert
an §
269 Abs.
2 Satz 2 ZPO, der eine Erklärung in der mündlichen Verhandlung oder die Einreichung eines Schriftsatzes
verlangt. Beides ist nicht erfolgt.

3.
Da eine abschließende Entscheidung über den Hilfsantrag von noch nachzuholenden tatrichterlichen
Feststellungen abhängt, ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif und deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
563 Abs.
1, 3 ZPO).

Schlick
Herrmann
[X.]

Remmert
Reiter

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 23.10.2009 -
5 O 512/08 -

OLG [X.], Entscheidung vom 05.06.2012 -
9 U 1902/09 -

10
11

Meta

III ZR 208/12

18.07.2013

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.07.2013, Az. III ZR 208/12 (REWIS RS 2013, 4019)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4019

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

III ZR 208/12 (Bundesgerichtshof)

Berufungsverfahren: Beweiskraft des Tatbestandes des Ersturteils und deren Entkräftung durch das Sitzungsprotokoll; nicht beschiedene Hilfsanträge …


VIII ZR 29/09 (Bundesgerichtshof)


8 U 156/04 (Oberlandesgericht Hamm)


II ZR 334/04 (Bundesgerichtshof)


I ZR 99/05 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

III ZR 208/12

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.