Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.01.2009, Az. V ZR 168/07

V. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 5767

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL [X.]/07 Verkündet am: 9. Januar 2009 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 1093 Enthält die schuldrechtliche Vereinbarung über die Bestellung eines Wohnungsrechts keine Regelung, wie die Wohnung genutzt werden soll, wenn der [X.] sein Recht wegen Umzugs in ein Pflegeheim nicht mehr ausüben kann, kommt eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht. Eine Verpflichtung des [X.], die Wohnung zu vermieten oder deren Vermietung durch den Wohnungsbe-rechtigten zu gestatten, wird dem hypothetischen Parteiwillen im Zweifel allerdings nicht entsprechen. [X.], Versäumnisurteil vom 9. Januar 2009 - [X.]/07 - [X.]

[X.] - 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Januar 2009 durch [X.] [X.], die [X.] und [X.], die Richterin [X.] und [X.] Czub für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 17. September 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Beklagte erwarb 1979 von ihrer Mutter ein Hausgrundstück zum Preis von 180.000 DM. In dem notariellen Vertrag verpflichtete sie sich ferner, der Mutter ein unentgeltliches Wohnungsrecht auf Lebenszeit an der im [X.] befindlichen Wohnung zu bestellen. Das Wohnungsrecht wurde in das Grundbuch eingetragen. 1 Die inzwischen pflegebedürftige Mutter wird seit dem [X.] in einem Pflegeheim betreut. Die durch ihre Einkünfte nicht gedeckten Heimpflegekosten übernimmt der Kläger als Träger der Sozialhilfe. Er leitete durch [X.] - 3 - gen Bescheid —einen vertraglichen Ausgleichsanspruch für das nicht mehr in [X.] wahrnehmbare Wohnrechtfi der Mutter bis zur Höhe der gewährten Sozialhilfe auf sich über. Die Beklagte vermietete die von der Mutter genutzte Wohnung nach de-ren Auszug und erzielte hierbei von Mitte 2003 bis Mitte 2006 eine monatliche Nettomiete von 400 •. 3 Der Kläger verlangt von der Beklagten den Ausgleich vor September 2006 erbrachter Sozialleistungen in Höhe von 10.023,55 •; ferner beantragt er, sie zu verurteilen, beginnend ab dem 1. September 2006 monatlich 232,34 • nebst Zinsen an ihn zu zahlen. 4 Das [X.] hat der Klage teilweise stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] sie auch insoweit abgewiesen; die Anschlussberufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt gestellten Anträge weiter. 5 Entscheidungsgründe: [X.] Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Urteil in NJW-RR 2008, 607 veröffentlicht ist, ist das Wohnungsrecht der Mutter zwar nicht erloschen. Einen Zahlungsanspruch könne der Kläger daraus jedoch nicht herleiten. Die Beklagte und ihre Mutter hätten weder ausdrücklich noch konkludent eine Ver-mietungsvereinbarung getroffen. Es könne nicht einmal angenommen werden, dass die Mutter Kenntnis von der Vermietung habe. Ein Zahlungsanspruch 6 - 4 - lasse sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Wegfalls der [X.] (§ 313 Abs. 1 [X.]) herleiten. Die Möglichkeit, dass der [X.] im Alter pflegebedürftig und in einem Heim untergebracht werde, sei für die Vertragsparteien regelmäßig und typischerweise vorhersehbar und rechtfertige daher keine Vertragsanpassung nach § 313 [X.]. Ob der Kläger bereiche-rungsrechtliche Ansprüche geltend machen könne, bedürfe keiner Entschei-dung, da solche von der Überleitungsanzeige nicht erfasst seien. I[X.] Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. 7 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass das Wohnungsrecht der Mutter trotz ihres Umzugs in ein Pflegeheim fortbesteht (vgl. Senat, Urt. v. 19. Januar 2007, [X.], [X.], 1884, 1885 Rdn. 11 ff.) und dass der Kläger etwaige Zahlungsansprüche der Mutter wegen der Nichtausübung des Wohnungsrechts auf sich übergeleitet hat. 8 2. Richtig ist auch, dass Grundlage solcher Zahlungsansprüche nur eine schuldrechtliche Vereinbarung, nicht aber das dingliche Wohnungsrecht als solches sein kann. Als Recht, ein Gebäude oder den Teil eines solchen unter Ausschluss des Eigentümers als Wohnung zu benutzen (§ 1093 Abs. 1 Satz 1 [X.]), verpflichtet es den Eigentümer lediglich, diese Nutzung zu dulden. [X.] des Berechtigten begründet ein Wohnungsrecht auch dann nicht, wenn der Berechtigte es aufgrund der Gestattung des Eigentümers einem anderen zur Ausübung überlassen darf (§ 1092 Abs. 1 Satz 2 [X.]). 9 3. a) Ohne Rechtsfehler und von der Revision nicht angegriffen nimmt das Berufungsgericht ferner an, die Beklagte und ihre Mutter hätten für den Fall, 10 - 5 - dass diese ihr Wohnungsrecht auf absehbare Zeit, möglicherweise auch [X.], nicht ausüben könne, keine Vereinbarung getroffen, die eine Zahlungsver-pflichtung der Beklagten begründe. Der Grundstückskaufvertrag von 1979 enthält lediglich die Verpflichtung der Beklagten, ihrer Mutter im Gegenzug zu der Übereignung des Grundstücks ein lebenslanges unentgeltliches Wohnungs-recht zu bestellen. b) Richtig ist auch, dass eine Anpassung dieses Vertrages nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (vgl. § 313 [X.]) nicht in Betracht kommt. Selbst wenn ihm die übereinstimmende Erwartung von Mutter und Tochter zugrunde gelegen haben sollte, die Mutter werde das Wohnungs-recht bis zu ihrem Tode ausüben können, fehlt es jedenfalls an der für eine gerichtliche Vertragsanpassung notwendigen Voraussetzung der unvorherge-sehenen Änderung der Umstände, die Geschäftsgrundlage geworden sind (vgl. [X.]/Hohloch, [X.], 12. Aufl., § 313 Rdn. 24). Bei der Vereinbarung eines lebenslangen Wohnungsrechts muss jeder Vertragsteil grundsätzlich damit rechnen, dass der Berechtigte sein Recht wegen Krankheit und Pflegebedürf-tigkeit nicht bis zu seinem Tod ausüben kann. Der Umzug in ein Pflegeheim ist daher in aller Regel kein Grund, den der Bestellung eines lebenslangen [X.]srechts zugrunde liegenden Vertrag nach § 313 [X.] anzupassen (vgl. Senat, Urt. v. 19. Januar 2007, [X.], [X.], 1884, 1885 Rdn. 11 ff [dort noch offen gelassen]; ebenso: [X.], [X.] 2007, 129, 130; [X.], [X.] 2008, 672, 678; Auktor, [X.] 2008, 14, 15). 11 c) Rechtsfehlerhaft erwägt das Berufungsgericht indessen nicht die - gegenüber der Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage vorrangige (vgl. [X.] 90, 69, 74; [X.], Urt. v. 24. Januar 2008, [X.], NJW-RR 2008, 562, 563 Rdn. 12 m.w.N.) - ergänzende Auslegung des der Bestellung des Wohnungsrechts zugrunde liegenden Vertrages. Sie ist nicht 12 - 6 - deshalb ausgeschlossen, weil die eingetretene Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse objektiv vorhersehbar war. Eine ergänzende Vertragsauslegung käme mangels Regelungslücke nur dann nicht in Betracht, wenn die Vertrags-parteien ihre Vereinbarung auch für den Fall eines Umzugs der Mutter in ein Pflegeheim bewusst als abschließend angesehen hätten (vgl. Senat, [X.] 111, 110, 115). Wurde die Möglichkeit eines [X.] dagegen nicht bedacht oder in der unzutreffenden Annahme, das Wohnungsrecht würde dann erlö-schen, irrtümlich für nicht regelungsbedürftig gehalten, ist eine ergänzende Vertragsauslegung möglich und geboten. Die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke liegt hier nahe. [X.] es sich bei dem [X.] um eine bewusst abschließende Regelung, hätte dies nämlich zur Folge, dass die dem Wohnungsrecht unterlie-genden Räume nach dem Umzug der Mutter in ein Pflegeheim von niemandem genutzt werden könnten. Die Mutter als Berechtigte wäre aus tatsächlichen Gründen gehindert, ihr Recht wahrzunehmen; die Beklagte wäre angesichts des fortbestehenden Wohnungsrechts nicht befugt, die Räume ohne Zustim-mung der Mutter selbst zu nutzen oder [X.] zu überlassen (vgl. dazu Brück-ner, NJW 2008, 1111, 1112). Dass dies nicht der Vereinbarung der Parteien aus dem Jahr 1979 entspricht, wird schon daraus deutlich, dass sich die [X.] ohne weiteres für berechtigt gehalten hat, die Wohnung zu vermieten. 13 II[X.] 1. Das angefochtene Urteil kann demnach keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurück-zuverweisen, weil der Senat die erforderliche ergänzende Vertragsauslegung nicht selbst vornehmen kann (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO). Mit ihrer Beru-fung hat die Beklagte gegen die von dem [X.] vorgenommene ergän-14 - 7 - zende Auslegung des notariellen [X.], nach der die Beklagte zur Vermietung der Wohnung berechtigt ist, Einnahmen hieraus jedoch der Mutter zustehen, Einwendungen tatsächlicher Art erhoben, die das Berufungs-gericht bislang nicht geprüft hat. Das wird nachzuholen sein. 2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: 15 Bei der Ergänzung des [X.] ist darauf abzustellen, was redli-che und verständige Parteien in Kenntnis der Regelungslücke nach dem [X.] und bei sachgemäßer Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach [X.] und Glauben vereinbart hätten (st. Rspr., vgl. [X.], Urt. v. 24. Januar 2008, [X.], NJW-RR 2008, 562, 563 m.w.N.). Im Hinblick darauf, dass eine Rückkehr der Mutter aus dem Pflegeheim in absehbarer Zeit offenbar nicht zu erwarten und die ihr überlassene Wohnung zur Vermietung an Dritte geeig-net ist, spricht viel dafür, den [X.] zu ergänzen, dass die Beklagte berechtigt sein soll, die Wohnung zu vermieten. 16 Bei der Feststellung, wem die Einnahmen aus einer von der Beklagten vorgenommenen Vermietung zustehen, wird das Berufungsgericht zu berück-sichtigen haben, dass das Wohnungsrecht einen Teil der Altersvorsorge der Mutter darstellt, und dass ein Grund, weshalb ihr Umzug in ein Pflegeheim zu einer wirtschaftlichen Besserstellung der Beklagten führen soll, nicht erkennbar ist (vgl. zu diesen Aspekten: Senat, Urt. v. 19. Januar 2007, [X.], [X.], 1884, 1887 sowie Auktor, [X.] 2008, 14, 17). Das könnte für die Richtigkeit der von dem [X.] vorgenommenen ergänzenden Ver-tragsauslegung sprechen. 17 Dagegen wird eine Verpflichtung der Beklagten, die Wohnung zu vermie-ten, angesichts des Charakters des Wohnungsrechts als eines im Grundsatz höchstpersönlichen Nutzungsrechts dem hypothetischen Parteiwillen im Zweifel 18 - 8 - nicht entsprechen. Zwar kann dessen Ausübung einem [X.] überlassen werden; dies erfordert jedoch die Gestattung des Eigentümers (§ 1092 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Enthält der Übergabevertrag, hier also der Grundstücksübertra-gungsvertrag aus dem Jahr 1979, eine solche Gestattung nicht, spricht dies dafür, dass der Eigentümer im Fall des Unvermögens des Berechtigten, sein Wohnungsrecht auszuüben, auch schuldrechtlich nicht verpflichtet sein sollte, die Nutzung durch Dritte zu dulden. Ebensowenig wird im Zweifel anzunehmen sein, dass ein dem [X.] nahestehender Eigentümer verpflichtet sein soll, ein Nut-zungsentgelt an den [X.]n zu zahlen, wenn er die Wohnung für eigene private Zwecke nutzt oder wenn er sie einem nahen Familienangehö-rigen zur Nutzung überlässt. Die familiäre Verbundenheit wird häufig, wenn auch nicht zwingend, die Annahme rechtfertigen, dass eine Nutzung der [X.] innerhalb der Familie unentgeltlich erfolgen sollte. 19 Etwas anderes folgt nicht daraus, dass das Wohnungsrecht der Alterssi-cherung des Berechtigten dient. Denn das bedeutet nicht, dass der Eigentümer die Verpflichtung übernommen hat, die Wohnung auch dann zur Sicherung der Lebensgrundlage des Berechtigten einzusetzen, wenn dieser sein Wohnungs-recht nicht mehr ausüben kann (a.[X.], [X.], 265, 268). [X.] kann ein solcher Wille nicht aus der Regelung in § 1093 Abs. 2 [X.] abgeleitet werden, wonach der [X.] unter anderem befugt ist, die zu seiner Pflege erforderlichen Personen in die Wohnung aufzunehmen (a.A. [X.] ZMR 1995, 256; [X.] 1998, 1344; [X.], NJW 2008, 1111, 1112). Eine Befugnis, die Wohnung [X.] zu überlassen, folgt daraus auch unter Berücksichtigung der sich seit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches gewandelten Verhältnisse nicht. Mit der Bestellung eines [X.]srechts haben die Parteien die Alterssicherung im Zweifel bewusst auf ein 20 - 9 - höchstpersönliches Nutzungsrecht beschränkt (ebenso [X.], [X.] 2008, 672, 685; Auktor, [X.] 2008, 14, 15 f.). Diesem im Übergabevertrag zum Ausdruck gekommenen Parteiwillen darf die ergänzende Vertragsauslegung nicht widersprechen (vgl. [X.], Urt. v. 17. April 2002, [X.], NJW 2002, 2310, 2311). Das wäre indessen der Fall, wenn der Eigentümer nach einem Wegzug des Berechtigten verpflichtet wäre, die Wohnung zu vermieten oder der Vermietung durch den Berechtigten zuzustimmen, um mittels der Erträge der Wohnung zu dessen finanzieller Absicherung beizutragen. Das Wohnungsrecht würde dadurch in unzulässiger Weise um Elemente eines - von den Parteien gerade nicht gewählten - Nießbrauchs an der Wohnung (§§ 1030 Abs. 1, 1059 Satz 2 [X.]) erweitert (vgl. Senat, [X.]. v. 23. Januar 2003, [X.], NJW-RR 2003, 577, 578). [X.]Stresemann Czub

Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 25.04.2007 - 10 O 538/06 - [X.], Entscheidung vom 17.09.2007 - 5 U 80/07 -

Meta

V ZR 168/07

09.01.2009

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.01.2009, Az. V ZR 168/07 (REWIS RS 2009, 5767)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 5767

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