Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.08.2015, Az. I R 2/13

1. Senat | REWIS RS 2015, 6788

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Gegenstand

Unzureichender Urteilstatbestand


Leitsatz

NV: Gibt das FG-Urteil den zum Verständnis seines Inhalts erforderlichen Sachstand nicht hinreichend wieder und ist es deshalb als Grundlage für die rechtlichen Schlussfolgerungen der Vorinstanz unzureichend, liegt darin ein im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtender und zur Zurückverweisung führender Mangel .

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 26. November 2012  6 K 3390/11 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Zinsaufwendungen infolge der Anwendung der sog. Zinsschranke (§ 4h des Einkommensteuergesetzes --EStG 2002-- i.d.[X.] zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen --Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung-- vom 16. Juli 2009, [X.], 1959, [X.], 782 --EStG 2002 n.F.-- i.V.m. § 8 Abs. 1 und § 8a des Körperschaftsteuergesetzes --KStG 2002-- i.d.[X.] 2008 vom 14. August 2007, [X.], 1912, [X.], 630 --KStG 2002 n.F.--) im Streitjahr 2008 einkommenserhöhend anzusetzen sind.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine AG, ist als Holdinggesellschaft tätig. Zwischen ihr und der Mehrzahl ihrer Tochtergesellschaften besteht ein ertragsteuerrechtliches Organschaftsverhältnis. Gegenüber sämtlichen Tochtergesellschaften erbringt sie Leistungen gegen Entgelt, u.a. auf administrativem, technischem und kaufmännischem Gebiet.

3

Bei der Klägerin und ihren Organgesellschaften waren Zinsaufwendungen angefallen, die im Wesentlichen auf nicht zweckgebundenen Darlehen beruhten. Die Gesellschaften durften die gewährten Mittel für den laufenden Geschäftsverkehr verwenden. Durch ein sog. Cash-pooling-System mit täglichem konzerninternen Liquiditätsausgleich war eine dauerhafte Zuordnung eines konkreten Finanzbedarfs zu einer bestimmten Konzerngesellschaft ausgeschlossen.

4

Für die Veranlagung der Klägerin zum Streitjahr ging diese von Zinsaufwendungen i.S. des § 4h Abs. 3 Satz 2 EStG 2002 n.F. in Höhe von … € und Zinserträgen i.S. des § 4h Abs. 3 Satz 3 EStG 2002 n.F. (jeweils i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 2002 n.F.) in Höhe von … € aus (negativer Zinssaldo: … €). Die Gesamtsumme der nach § 6 Abs. 2 Satz 1, § 6 Abs. 2a Satz 2 und § 7 EStG 2002 n.F. bei der Gewinnermittlung abgesetzten Beträge berechnete sich auf … €; daraus ergab sich ein maßgebliches Einkommen (§ 4h Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 EStG 2002 n.[X.]. § 8 Abs. 1 KStG 2002 n.F., § 8a Abs. 1 Sätze 1, 2 KStG 2002 n.F.) von … €. Hieraus wiederum errechnete sich ein abziehbarer Betrag (30 %) von … €. In Höhe der Differenz dieses Betrages zum (negativen) Zinssaldo sollten die Zinsaufwendungen nach § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG 2002 n.F. nicht abzugsfähig sein; auf dieser Grundlage qualifizierte die Klägerin in ihrer Körperschaftsteuererklärung des Streitjahres von den Zinsaufwendungen (… €) ebensolche in Höhe von … € (… € abzüglich … €) als nicht abziehbar.

5

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) veranlagte die Klägerin im Wesentlichen entsprechend ihrer Steuererklärung (Bescheid vom 13. Januar 2010). Mit ihrem Einspruch machte die Klägerin geltend, die sog. Zinsschranke sei mit dem Grundgesetz unvereinbar. Die gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung gerichtete Klage blieb erfolglos (Finanzgericht --FG-- Baden-Württemberg, Urteil vom 26. November 2012  6 K 3390/11, abgedruckt in [X.]Entscheidungsdienst 2014, 452).

6

Die Klägerin rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die angefochtenen Bescheide dahingehend abzuändern, dass die bisher nicht zum Abzug zugelassenen Zinsaufwendungen als abzugsfähige Betriebsausgaben behandelt werden.

7

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

8

Das [X.] ist dem Verfahren beigetreten (§ 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--); es hat sich, ohne einen Antrag zu stellen, der Rechtsauffassung des [X.] angeschlossen.

9

Im Revisionsverfahren erging unter dem 2. Juli 2015 ein Änderungsbescheid zur Körperschaftsteuer 2008 u.a., der nicht abziehbare Zinsen (und einen entsprechenden Zinsvortrag) von … € ausweist.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O). Die tatsächlichen Feststellungen des [X.] im angefochtenen Urteil reichen nicht aus, in der Sache zu entscheiden.

Das [X.] hat die einfachrechtlichen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der sog. Zinsschranke gemäß § 8 Abs. 1 KStG 2002 n.[X.]. § 4h Abs. 1 und 2 EStG 2002 n.F. und § 8a Abs. 1 KStG 2002 n.F. bejaht. Die tatsächlichen Feststellungen des [X.] tragen diese Folgerung allerdings nicht. Anhand dieser Feststellungen kann nicht nachvollzogen werden, welche Tatbestandsmerkmale der sog. Zinsschranke im Streitfall aufgrund welcher Umstände erfüllt sind. So kann dem angefochtenen Urteil insbesondere nicht entnommen werden, ob die [X.] im Streitfall auf einem Unterschreiten der Eigenkapitalquote des Konzerns nach Maßgabe des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG 2002 n.[X.]. § 8 Abs. 1 KStG 2002 n.F. beruht oder ob die Geltung der Zinsschranke durch die Sonderregelung des § 8a Abs. 3 Satz 1 KStG 2002 n.F. zur Gesellschafterfremdfinanzierung gestützt wird. Das Fehlen ausreichender Feststellungen stellt einen materiell-rechtlichen Mangel des Urteils dar, der --auch ohne [X.] zur Aufhebung der Vorentscheidung führt (z.B. Urteil des [X.] vom 10. Juni 2008 VIII R 76/05, [X.], 313, [X.], 937, m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 41 a.E. und § 115 Rz 81, jeweils m.w.N.).

Die Übertragung der Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

I R 2/13

12.08.2015

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 26. November 2012, Az: 6 K 3390/11, Urteil

§ 118 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.08.2015, Az. I R 2/13 (REWIS RS 2015, 6788)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 6788

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