Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.09.2011, Az. XII ZR 168/09

12. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 3381

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Gegenstand

Auslandszustellung nach dem Haager Zustellungsübereinkommen: Verletzung von Formvorschriften des Verfahrensrechts des Zustellungsstaates


Leitsatz

1. Werden bei einer Auslandszustellung nach dem Haager Zustellungsübereinkommen (HZÜ) vom 15. November 1965 die Anforderungen dieses Abkommens gewahrt und bei der Zustellung nur Formvorschriften des Verfahrensrechts des Zustellungsstaates verletzt, wird der Zustellungsmangel nach § 189 ZPO geheilt, wenn das Schriftstück dem Zustellungsempfänger tatsächlich zugegangen ist (Abgrenzung zum Senatsbeschluss, 2. Dezember 1992, XII ZB 64/91, BGHZ 120, 305 = FamRZ 1993, 311 ff.) .

2. Dies gilt auch dann, wenn das gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a HZÜ anwendbare Recht des Zustellungsstaates eine Heilung nicht vorsieht .

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 3. Senats - Senat für Familiensachen - des [X.] in [X.] vom 4. September 2009 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Scheidungsverfahren um die Wirksamkeit einer Auslandszustellung.

2

Die Parteien sind [X.] Staatsangehörige mit Wohnsitz in [X.] ([X.]). Im Mai 1997 schlossen sie in [X.]/[X.] die Ehe.

3

Im August 2006 reichte die Antragstellerin beim [X.] einen Scheidungsantrag ein, den ihre Verfahrensbevollmächtigte auch dem Antragsgegner mit der Aufforderung übersandte, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. Im April 2007 beantragte der spätere Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners unter Vorlage einer Vollmacht für Scheidungs- und Scheidungsfolgesachen Akteneinsicht. Das Amtsgericht übersandte den Scheidungsantrag nebst Anlagen an den späteren Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners zur Zustellung gegen [X.]. Dieser unterzeichnete das [X.] nicht, sondern schickte die Unterlagen im Original zurück mit der Begründung, er sei von dem Antragsgegner nur zur Akteneinsicht bevollmächtigt worden.

4

In der Folge ließ das Amtsgericht dem Antragsgegner den Scheidungsantrag im Wege der Auslandszustellung nach Art. 5 [X.] unter dessen Wohnanschrift in [X.] zustellen. Ein Nachweis über eine am 31. Juli 2007 erfolgte Zustellung gelangte am 15. August 2007 zur Akte. Die Parteien streiten darüber, ob bei der Zustellung des Scheidungsantrags am Wohnsitz des Antragsgegners die Voraussetzungen des [X.] Verfahrensrechts für eine Zustellung durch persönliche Übergabe erfüllt wurden. Der Antragsgegner räumte ein, am 6. August 2007 jedenfalls einen Teil der Dokumente erhalten zu haben.

5

Im August 2008 reichte der Antragsgegner einen eigenen Scheidungsantrag beim Familiengericht in [X.] ein und erhob im [X.]n Verfahren die Einrede der anderweitigen Rechtshängigkeit.

6

Das Amtsgericht hat dem Scheidungsantrag stattgegeben. Die Berufung des Antragsgegners hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision möchte der Antragsgegner weiter die Abweisung des Scheidungsantrags erreichen.

Entscheidungsgründe

7

Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 [X.] noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. [X.]sbeschluss vom 3. November 2010 - [X.]/10 - FamRZ 2011, 100).

8

Die zulässige Revision ist unbegründet.

A.

9

Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sei der Scheidungsantrag der Antragstellerin zwar nicht bereits mit der Übersendung an den späteren Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners wirksam zugestellt worden. Denn dieser sei zur Entgegennahme von Zustellungen nicht bevollmächtigt gewesen.

Eine wirksame Zustellung läge jedoch deshalb vor, weil der Scheidungsantrag und die verfahrenseinleitenden Verfügungen des Gerichts dem Antragsgegner vom Amtsgericht in dem nach § 183 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit den Vorschriften des [X.] Zustellungsübereinkommens ([X.]) vorgesehenen Verfahren übersandt worden seien und der Antragsgegner diese Unterlagen jedenfalls am 6. August 2007 erhalten habe. Dabei könne die zwischen den Parteien streitige Frage dahinstehen, ob die Zustellung der Antragsschrift nach den in den [X.] für eine Zustellung durch persönliche Übergabe maßgeblichen Vorschriften wirksam gewesen sei. Etwaige Mängel bei dieser Zustellung seien jedenfalls nach § 189 ZPO geheilt, da der Antragsgegner die Antragsschrift zusammen mit den Verfügungen des Gerichts jedenfalls am 6. August 2007 erhalten habe.

Die Heilung etwaiger Zustellungsmängel richte sich für die nach § 183 ZPO in Verbindung mit den Vorschriften des [X.] Zustellungsübereinkommens bewirkte Zustellung nach § 189 ZPO. Maßgeblich für die Zustellung seien die Vorschriften des [X.] einschließlich des in diesem Staat geltenden Völkerrechts, also hier das [X.] Recht. Das [X.] Zustellungsübereinkommen stünde der Anwendung des § 189 ZPO nicht entgegen, weil sich dem Abkommen nicht entnehmen ließe, dass es eine Heilung von [X.] in jedem Fall ausschließen wolle. Das [X.] Zustellungsübereinkommen enthalte selbst keine Regelung, wie bei [X.] zu verfahren sei, die auch bei Beachtung des im [X.] Zustellungsübereinkommen vorgesehenen Zustellungsverfahrens auftreten könnten. Soweit der [X.] in Fällen, in denen die Zustellung unter vollständiger Missachtung des im [X.] Zustellungsübereinkommen vorgeschriebenen Zustellungsverfahrens und ohne die erforderlichen Übersetzungen in die Sprache des [X.] vorgenommen wurde, annehme, dass das [X.] Zustellungsübereinkommen eine Heilung von [X.] überhaupt nicht zulasse, könne dieser Auffassung jedenfalls für die vorliegende Konstellation, in der bei einer nach dem [X.] Zustellungsübereinkommen durchgeführten Zustellung Mängel im [X.] aufgetreten seien, nicht gefolgt werden. Weder aus Art. 15 [X.] noch aus anderen Bestimmungen oder den Materialien zum [X.] Zustellungsübereinkommen könne geschlossen werden, dass eine Heilung von [X.] grundsätzlich ausgeschlossen sein solle. Art. 15 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 2 [X.] ließen erkennen, dass es nach Sinn und Zweck des Übereinkommens vorrangig auf den Erfolg der Zustellung ankomme und die Einhaltung der Formalien gegebenenfalls zurücktreten könne.

Die Annahme einer Heilung nach § 189 ZPO führe vorliegend auch nicht zu einer Verletzung der Schutzrechte des Antragsgegners, weil die Vorschrift voraussetze, dass der Zustellungsempfänger die zuzustellenden Dokumente jedenfalls erhalten habe und von ihrem Inhalt Kenntnis habe nehmen können. Dadurch sei er in der Lage, seine prozessualen Rechte wahrzunehmen und sich zu verteidigen, auch wenn das vorgeschriebene Zustellungsverfahren nicht eingehalten worden sei.

Danach komme es auf die zwischen den Parteien streitigen konkreten Umstände der Zustellung in den [X.] nicht an, da etwaige Mängel der unter Berücksichtigung des nach dem [X.] Zustellungsübereinkommen vorgeschriebenen Verfahrens vorgenommenen Zustellung jedenfalls dadurch nach § 189 ZPO geheilt worden seien, dass der Antragsgegner die Antragsschrift und die verfahrenseinleitende Verfügung des Gerichts am 6. August 2007 erhalten habe. Der vom Antragsgegner am 1. August 2008 beim Familiengericht in [X.] eingereichte Scheidungsantrag sei damit erst später rechtshängig geworden, weshalb der Antragsgegner im vorliegenden Verfahren den Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit nicht erheben könne.

B.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung und den Angriffen der Revision stand.

I. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die vom Amtsgericht veranlasste Übersendung des Scheidungsantrags an den späteren Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners nicht zu einer wirksamen Zustellung geführt hat.

1. Nach § 174 Abs. 1 ZPO kann einem Anwalt ein Schriftstück gegen [X.] zugestellt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s genügt für die Wirksamkeit einer in dieser Form vorgenommenen Zustellung allerdings weder allein die Bevollmächtigung des Zustellungsempfängers zur Entgegennahme von Zustellungen noch der tatsächliche Zugang des Schriftstücks. Hinzukommen muss vielmehr die Äußerung des Willens, das zur Empfangnahme angebotene Schriftstück dem Angebot entsprechend als zugestellt entgegenzunehmen (st. Rspr.; vgl. nur [X.], 335 = NJW 1959, 2062, 2063; [X.] Urteil vom 3. Mai 1994 - VI ZR 248/93 - NJW 1994, 2297; Beschluss vom 26. September 1996 - [X.] - NJW-RR 1997, 55; für die Rechtslage nach Inkrafttreten des ZustRG [X.] Beschluss vom 11. Juli 2005 - [X.] 12/05 - NJW 2005, 3016, 3017). Für eine wirksame Zustellung nach § 174 Abs. 1 ZPO ist daher regelmäßig erforderlich, dass der Zustellungsempfänger seinen Willen zur Entgegennahme der Zustellung durch die Unterzeichnung des [X.]ses bekundet ([X.] Urteil vom 18. Januar 2006 - [X.] - NJW 2006, 1206, 1207) und dieses, versehen mit dem Datum des Eingangs des Schriftstücks, an das Gericht zurückreicht (vgl. § 174 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Verweigert der Zustellungsempfänger die Unterzeichnung des [X.]ses und reicht er die ihm übersandten Dokumente an das Gericht zurück, ist die Zustellung nach § 174 Abs. 1 ZPO unwirksam ([X.] Urteil vom 16. Mai 1975 - [X.] - [X.], 906).

2. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung des [X.]s war entgegen der Auffassung der Antragstellerin die vom Amtsgericht veranlasste Zustellung an den späteren Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners unwirksam, da dieser die ihm übersandten Unterlagen an das Amtsgericht mit dem Hinweis zurückgereicht hat, er sei vom Antragsgegner nur zur Akteneinsicht bevollmächtigt worden und könne daher das [X.] nicht unterzeichnen. Die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob der spätere Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners aufgrund der von ihm vorgelegten Prozessvollmacht überhaupt wirksam zur Entgegennahme von Zustellungen bevollmächtigt war, ist daher für die Wirksamkeit dieser Zustellung unerheblich.

II. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass die vom Amtsgericht vorgenommene Auslandszustellung wirksam war und zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags der Antragstellerin geführt hat.

1. Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist eine Zustellung im Ausland nach den bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen vorzunehmen. Zustellungen gerichtlicher Schriftstücke an Personen mit Wohnsitz in den [X.] richten sich nach dem [X.] Zustellungsüberein-kommen ([X.]) vom 15. November 1965 ([X.] II 1977 S. 1453), dem sowohl [X.] ([X.] II 1979 S. 779) als auch die [X.] beigetreten sind (vgl. Nagel/[X.] Internationales Zivilprozessrecht 6. Aufl. § 7 Rn. 62; [X.]/[X.] 3. Aufl. [X.] Rn. 8). Nach Art. 5 Abs. 1 [X.] wird die Zustellung des Schriftstücks von der [X.] bewirkt oder veranlasst, und zwar entweder in einer der Formen, die das Recht des ersuchten Staates für die Zustellung der in seinem Hoheitsgebiet ausgestellten Schriftstücke an dort befindliche Personen vorschreibt (Art. 5 Abs. 1 lit. a [X.]) oder in einer besonderen von der ersuchenden Stelle gewünschten Form, es sei denn, dass diese Form mit dem Recht des ersuchten Staates unvereinbar ist (Art. 5 Abs. 1 lit. b [X.]).

2. Im vorliegenden Fall hat das Amtsgericht die Zustellung des Scheidungsantrags nach Art. 5 Abs. 1 lit. a [X.] veranlasst. Nach dem danach maßgeblichen [X.] [X.] muss das Schriftstück dem Zustellungsempfänger persönlich übergeben werden (sec. 415.10 [X.]). Der Revision ist zuzugeben, dass das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, ob diese nach dem [X.] Recht notwendige Voraussetzung für eine wirksame Zustellung durch persönliche Übergabe vorliegend erfüllt ist. Das Berufungsgericht konnte diese Frage jedoch offenlassen, weil ein möglicher Verfahrensfehler bei der Zustellung in [X.] jedenfalls dadurch geheilt worden ist, dass der Antragsgegner den Scheidungsantrag und die beigefügten verfahrenseinleitenden Verfügungen des Amtsgerichts tatsächlich erhalten hat.

3. Ob bei einer Auslandszustellung auf der Grundlage des [X.] Zustellungsübereinkommens eine Heilung von Mängeln im Zustellungsverfahren möglich ist, ist umstritten.

a) Teilweise wird bei [X.] nach dem [X.] Zustellungsübereinkommen die Möglichkeit einer Heilung von [X.] nach § 189 ZPO grundsätzlich abgelehnt ([X.]/[X.] ZPO 2. Aufl. § 328 Rn. 20; vgl. auch [X.]Z 98, 263, 270 und [X.] IPRspr 1978 Nr. 152 zu § 187 ZPO aF; [X.], 298 m. Anm. [X.]). Vereinzelt wird auch die Möglichkeit einer Heilung uneingeschränkt bejaht ([X.] Internationales Zivilprozessrecht 4. Aufl. Rn. 2102; [X.] Internationales Zivilverfahrensrecht 5. Aufl. Rn. 695; [X.] 1997, 195; [X.]/[X.] 3. Aufl. § 328 Rn. 84, der eine Heilung nur dann ausschließen will, wenn das autonome Recht des [X.] eine Heilung nicht vorsieht; vgl. auch [X.]/Häublein 3. Aufl. § 183 Rn. 17 und [X.] Beschluss vom 18. Februar 1993 - [X.] - NJW 1993, 2688 f.).

b) Die überwiegende Auffassung im Schrifttum differenziert nach der Art des [X.]s und lehnt eine Heilung nur dann ab, wenn die Zustellung unter Verletzung der sich unmittelbar aus dem [X.] Zustellungsabkommen ergebenden Formvorschriften vorgenommen wurde. Sofern bei einer Auslandszustellung dagegen die formalen Anforderungen des Abkommens gewahrt und nur Verfahrensvorschriften des nationalen [X.]s des Ursprungs- oder des [X.] verletzt wurden, wird von den Vertretern dieser Auffassung eine Heilung des [X.] bejaht, wenn der Zustellempfänger das Schriftstück tatsächlich erhalten hat (Nagel/[X.] Internationales Zivilprozessrecht 6. Aufl. § 11 Rn. 47; [X.] [X.] 2004, 212, 215; Brand/Reichhelm [X.] 2001, 173, 176; Stürner [X.], 325, 323; [X.] [X.] 1991, 155, 159; zustimmend auch [X.]/[X.] ZPO 8. Aufl. § 328 Rn. 15 und [X.]/Häublein 3. Aufl. § 183 Rn. 17; differenzierend nach dem Zweck der verletzten Vorschrift noch [X.] [X.] 2002, 282, 284 f.).

4. Der [X.] bejaht für Fälle wie den vorliegenden, in denen bei Wahrung der Anforderungen des [X.] Zustellungsübereinkommens nur Formvorschriften des Verfahrensrechts des [X.] verletzt wurden, die Möglichkeit einer Heilung des [X.]s, wenn das Schriftstück dem Zustellungsempfänger tatsächlich zugegangen ist.

a) Entgegen der Auffassung der Revision steht das [X.] Zustellungsübereinkommen in diesen Fällen der Anwendung der Heilungsvorschriften des autonomen Rechts nicht entgegen. Zwar sieht das Abkommen, insbesondere auch in Art. 5 Abs. 2 und Art. 15 [X.], eine Heilung von [X.] nicht vor (vgl. [X.]sbeschluss [X.]Z 120, 305 = FamRZ 1993, 311, 313; [X.]Z 141, 286 = ZIP 1999, 1226, 1227; [X.] Beschluss vom 4. April 1991  [X.] - [X.], 1050, 1052; ebenso [X.] [X.] 1991, 155, 159; Stürner [X.], 325, 332; [X.] Internationales Zivilverfahrensrecht 5. Aufl. Rn. 69). Dies schließt jedoch einen Rückgriff auf Heilungsvorschriften nach dem autonomen [X.] des ersuchenden Staates oder des [X.] nicht aus.

b) Grundsätzlich ist die Zustellung der Klage oder eines verfahrenseinleitenden Antrags Teil des Verfahrens vor dem angerufenen Prozessgericht, so dass sich die Frage ihrer Ordnungsmäßigkeit und der möglichen Heilung von [X.] nach dessen Verfahrensrecht einschließlich der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge richtet (vgl. [X.]sbeschluss [X.]Z 120, 305 = FamRZ 1993, 311, 312).

Bei einer Auslandszustellung nach Art. 5 Abs. 1 lit. a [X.] findet außerdem das [X.] des ersuchten Staates Anwendung, wodurch das [X.] Zustellungsübereinkommen auch die Heranziehung der nach dem dortigen Ortsrecht vorgesehenen Heilungsvorschriften zulässt (vgl. [X.]/[X.] ZPO 8. Aufl. § 328 Rn. 15; Nagel/[X.] Internationales Zivilprozessrecht 6. Aufl. § 11 Rn. 47; [X.] FS Gerhardt S. 798, 810; [X.] Die Heilung von [X.] im internationalen Zivilrechtsverkehr 1995 S. 269, 270; [X.] JR 1993, 413, 414; [X.] [X.] 2002, 282, 283; Stürner JZ 1993, 325, 331).

c) Bei der Frage der Heilung von [X.] ist allerdings danach zu differenzieren, ob bei der Zustellung Bestimmungen des [X.] Zustellungsübereinkommens oder des autonomen [X.]s der beteiligten [X.] verletzt wurden.

(1) Der Zweck einer Zustellung besteht dem Adressaten gegenüber darin, zu gewährleisten, dass er Kenntnis von dem zuzustellenden Schriftstück nehmen und seine Rechtsverteidigung oder Rechtsverfolgung darauf einrichten kann ([X.]Z 118, 45 = NJW 1992, 2280, 2281). Insoweit dienen [X.] der Verwirklichung des rechtlichen Gehörs ([X.] 67, 208, 211). Daran knüpft die Heilungsmöglichkeit des § 189 ZPO an. Mit dieser Vorschrift soll verhindert werden, dass Mängel eines streng formalisierten [X.] die Zustellung unwirksam machen, wenn feststeht, dass der Adressat das Dokument erhalten hat und sachlich so gestellt ist, als ob die Zustellung ordnungsgemäß erfolgt wäre, ihr Zweck also erreicht ist ([X.]/Häublein 3. Aufl. § 189 Rn. 1; [X.]/[X.] ZPO 8. Aufl. § 189 Rn. 1). Der [X.] führt dann zwar möglicherweise dazu, dass der weitere Zweck einer förmlichen Zustellung, den Zeitpunkt der Übergabe eindeutig nachweisen zu können, nicht erreicht wird (vgl. dazu [X.]/[X.]. § 166 Rn. 5). Der Anspruch des Zustellungsempfängers auf rechtliches Gehör ist dagegen gewahrt, wenn er das Schriftstück tatsächlich erhalten hat. Dies rechtfertigt es, den Verfahrensfehler zu ignorieren und eine wirksame Zustellung zu fingieren (vgl. [X.]/[X.]. § 189 Rn. 1).

(2) An[X.] verhält es sich bei [X.] nach dem [X.] Zustellungsübereinkommen.

Die Anforderungen, die dieses Abkommen an eine wirksame Zustellung zwischen den Vertragsstaaten stellt, dienen - an[X.] als [X.] sonst - nicht primär dem Schutz des rechtlichen Gehörs des Zustellungsempfängers. Durch sie sollen vielmehr die Belange eines geordneten zwischenstaatlichen Rechtsverkehrs sichergestellt (vgl. [X.]sbeschluss [X.]Z 120, 305 = FamRZ 1993, 311, 312) und die [X.] im zwischenstaatlichen Rechtsverkehr vereinheitlicht werden ([X.] JR 1993, 413, 414).

Dieser besondere Schutzzweck verbietet es, die Beachtung der Bestimmungen des [X.] Zustellungsübereinkommens den Heilungsvorschriften des ersuchenden Staates zu unterstellen. Dadurch würde dem Vorrang der staatsvertraglichen Regelung des [X.] Zustellungsübereinkommens nicht entsprochen ([X.] JZ 1993, 621, 622). Außerdem bestünde die Gefahr einer Aushebelung der völkervertraglich vereinbarten Zustellungswege und es würde letztlich die Beachtung der in dem Abkommen festgelegten Zustellungsvoraussetzungen zur Disposition des nationalen Rechts gestellt ([X.] FS Gerhardt S. 798, 805; Stürner JZ 1993, 325, 331). Hinzu kommt, dass ein Verstoß gegen wesentliche Förmlichkeiten des internationalen Rechtsverkehrs sanktionslos bliebe, wenn das zuzustellende Schriftstück den Beklagten nur auf irgendeine Weise erreichte ([X.]Z 141, 286 = ZIP 1999, 1226 ff.; [X.] JZ 1993, 621, 622). Dies liefe dem erstrebenswerten Ziel einer einheitlichen Anwendung des Abkommens in den Vertragsstaaten zuwider ([X.]sbeschluss [X.]Z 120, 305 = FamRZ 1993, 311, 313; Brand/Reichhelm [X.] 2001, 174, 176).

(3) Diese Gründe tragen jedoch nicht, wenn bei einer Auslandszustellung die formalen Anforderungen des [X.] Zustellungsübereinkommens gewahrt wurden und nur ein Verstoß gegen die maßgeblichen Vorschriften des [X.] vorliegt. In diesem Fall geht es nicht um die Korrektur von Fehlern bei der Anwendung des Übereinkommens, sondern allein um die Frage, ob der Empfänger einer unter Einhaltung der Bestimmungen des [X.] Zustellungsübereinkommens vorgenommenen Zustellung diese gegen sich gelten lassen muss, wenn bei der Zustellung nationale Vorschriften verletzt wurden. Die Belange des internationalen Rechtsverkehrs werden hierbei nicht berührt, weil der völkerrechtlich vereinbarte Zustellungsweg gerade beachtet worden ist ([X.] in [X.] ZPO 22. Aufl. § 183 ZPO Rn. 78). Deshalb wird durch den Rückgriff auf die nationalen Heilungsvorschriften das Völkerrecht nicht verletzt. Dies rechtfertigt es, die Interessen des Zustellungsempfängers wieder in den Vordergrund treten zu lassen und die Möglichkeit der Heilung von [X.] zuzulassen, wenn der [X.] das zuzustellende Dokument tatsächlich erhalten hat und damit der Zweck einer förmlichen Zustellung nach dem autonomen Prozessrecht des ersuchenden Staates erfüllt ist (vgl. [X.] [X.] 1991, 155, 159; im Ergebnis auch [X.]/[X.] ZPO 28. Aufl. § 328 ZPO Rn. 160).

(4) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Möglichkeit einer Heilung von [X.] in diesen Fällen auch nicht davon abhängig, ob das Recht des [X.] eine Heilung von fehlerhaften Zustellungen vorsieht und gegebenenfalls die hierfür erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Zwar finden bei einer Auslandszustellung nach Art. 5 Abs. 1 lit. a [X.] die [X.] des ersuchten Staates Anwendung, so dass auch dessen Heilungsvorschriften herangezogen werden können. Sieht das autonome Recht des [X.] allerdings eine Heilung nicht vor, schließt das einen Rückgriff auf § 189 ZPO nicht aus, weil das Zustellungsverfahren Teil des Verfahrens des [X.] ist (vgl. [X.]sbeschluss [X.]Z 120, 305 = FamRZ 1993, 311, 312) und damit jedenfalls die für die Ordnungsmäßigkeit einer Zustellung maßgeblichen Vorschriften der §§ 166 ff. ZPO Anwendung finden (vgl. zur alternativen Heilungsmöglichkeit [X.] FS Gerhardt S. 798, 808; [X.]. in [X.] ZPO 22. Aufl. § 183 ZPO Rn. 78; einschränkend wegen Art. 15 Abs. 2 [X.] [X.] Die Heilung von [X.] im internationalen Zivilrechtsverkehr 1995, [X.] ff.; aA [X.] [X.] 2002, 282, 283: Heilung nur nach dem Recht des [X.]; ähnlich Stürner [X.] 325, 330).

(5) Die bisherige Rechtsprechung des [X.]s steht dieser Rechtsauffassung nicht entgegen. Soweit sich der [X.] in der Vergangenheit bei einer Auslandszustellung nach dem [X.] Zustellungsübereinkommen an einer Anwendung der Heilungsvorschriften des autonomen Rechts gehindert gesehen hat, betraf dies jeweils Fälle, in denen bei der Zustellung gerade die Bestimmungen des [X.] Zustellungsübereinkommens missachtet wurden (vgl. [X.]sbeschluss [X.]Z 120, 305 = FamRZ 1993, 311 ff.; [X.]Z 141, 286 = ZIP 1999, 1226 ff.; vgl. insoweit auch [X.]Z 58, 177, 180 f.).

Im [X.]sbeschluss vom 2. Dezember 1992 ([X.]Z 120, 305 = FamRZ 1993, 311 ff.) hatte das im Scheidungsverfahren vom Ehemann angerufene Gericht des Staates [X.] ([X.]) die Zustellung der Klageschrift nebst Vorladung an die in [X.] lebende Ehefrau unmittelbar auf dem Postweg veranlasst, obwohl die Bundesrepublik [X.] dieser in Art. 10 [X.] vorgesehenen Zustellungsform formgerecht wi[X.]prochen hat (vgl. Nr. 4 Satz 3 der Bekanntmachung vom 21. Juni 1979 - [X.] [X.] 779 und § 6 Satz 2 des Ausführungsgesetzes zum [X.] Zustellungsübereinkommen vom 22. Dezember 1977 - [X.] [X.] 3105). Außerdem waren die an die Ehefrau übersandten Schriftstücke nicht in die [X.] Sprache übersetzt, obwohl die Bundesrepublik [X.] in Nr. 1 der angeführten Bekanntmachung vom 21. Juni 1979 erklärt hat, dass eine förmliche Zustellung nach Art. 5 Abs. 1 [X.] nur zulässig ist, wenn das zuzustellende Schriftstück in [X.]r Sprache abgefasst oder in diese Sprache übersetzt ist.

In dem Urteil des [X.]s vom 29. April 1999 ([X.]Z 141, 286 = ZIP 1999, 1226, 1231) waren bei einer von einem [X.] Gericht veranlassten Zustellung einer Klageschrift nebst Vorladung an die in [X.] ansässige Beklagte die Schriftstücke weder in [X.]r Sprache abgefasst noch in diese Sprache übersetzt.

Für Zustellungen, bei denen Bestimmungen des [X.] Zustellungsübereinkommens verletzt wurden, hält der [X.] ausdrücklich daran fest, dass eine Heilung nach den Vorschriften des autonomen Rechts ausscheidet (vgl. auch Nagel/[X.] Internationales Zivilprozessrecht 6. Aufl. § 11 Rn. 47; [X.] Internationales Zivilverfahrensrecht 5. Aufl. Rn. 69; [X.] in [X.] ZPO 22. Aufl. § 183 ZPO Rn. 76; [X.] FS Gerhardt S. 798, 811; Brand/Reichhelm [X.] 2001, 174).

5. Auf dieser rechtlichen Grundlage ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht eine Heilung des möglichen Verfahrensfehlers bei der Zustellung des Scheidungsantrags und der verfahrenseinleitenden Verfügungen in [X.] angenommen hat.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Antragsgegner diese Unterlagen jedenfalls am 6. August 2007 tatsächlich erhalten. Damit sind mögliche Fehler bei der am Wohnsitz des Antragsgegners erfolgten Zustellung nach § 189 ZPO geheilt. Das Berufungsgericht konnte daher die Frage offen lassen, ob die dortige Zustellung tatsächlich fehlerhaft war oder nach kalifornischem Recht als wirksam angesehen werden würde. [X.] Belange des Antragsgegners werden dadurch nicht beeinträchtigt. Termin zur mündlichen Verhandlung über den Scheidungsantrag wurde mit Verfügung des Amtsgerichts vom 10. September 2008 auf den 12. November 2008 bestimmt. Der Antragsgegner hatte somit auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er sich zu dieser Zeit in den [X.] aufhielt, die Möglichkeit, in dem [X.]n Scheidungsverfahren seine Interessen angemessen wahrzunehmen.

6. Das Berufungsgericht hat daher zu Recht angenommen, dass der Scheidungsantrag der Antragstellerin nicht wegen anderweitiger Rechtshängigkeit gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO unzulässig ist. Weil der vom Antragsgegner behauptete [X.] jedenfalls nach § 189 ZPO geheilt wäre, war der Scheidungsantrag der Antragstellerin bereits seit dem 6. August 2007 und damit vor dem vom Antragsgegner am 1. August 2008 beim Familiengericht in [X.] eingereichten Scheidungsantrag rechtshängig.

[X.]                                     Dose                                           [X.]

                   [X.]

Meta

XII ZR 168/09

14.09.2011

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 4. September 2009, Az: 3 UF 3/09, Urteil

§ 183 Abs 1 S 1 ZPO, § 189 ZPO, Art 5 Abs 1 Buchst a ZustÜbkHaag

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.09.2011, Az. XII ZR 168/09 (REWIS RS 2011, 3381)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3381

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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