Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2012, Az. XII ZB 384/12

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 1174

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 384/12

vom

21. November 2012

in der
Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG §§
68 Abs.
3 Satz
2, 278 Abs.
1; BGB §
1897 Abs.
4 Satz
2
a)
[X.] darf in einem Betreuungsverfahren dann nicht gemäß §
68 Abs.
3 Satz
2 FamFG von der persönlichen Anhörung absehen, wenn [X.] dafür vorliegen, dass der Betroffene nicht mehr an seinem bei der erstinstanzlichen Anhörung geäußerten Wunsch, eine bestimmte Person zum Be-treuer zu bestellen, festhält und die Bestellung eines Berufsbetreuers vorzieht.
b)
Erklärt der Betroffene, dass eine bestimmte Person nicht zum Betreuer bestellt werden soll, ist dieser Wille bei der Auswahl des Betreuers zu berücksichtigen.
[X.], Beschluss vom 21. November 2012 -
XII ZB 384/12 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 21.
November
2012
durch den
Vorsitzenden
Richter Dose, die Richterin Dr.
Vézina
und [X.]
Klinkhammer, Dr.
Günter
und Dr.
Botur
beschlossen:
Auf
die Rechtsbeschwerde
der Beteiligten zu
4
wird der Beschluss der 4.
Zivilkammer des [X.] vom 11.
Juni
2012
auf-gehoben.
Das Verfahren wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.
Wert: 3.000

Gründe:
I.
Die Beteiligte zu
4 wendet
sich mit der Rechtsbeschwerde gegen die An-ordnung einer
Betreuung für ihren Vater, soweit diese sich auf den Aufgabenkreis "Vermögensangelegenheiten"
erstreckt.
Der Betroffene leidet unter Demenz vom Typ Alzheimer. Das Amtsgericht
hat nach Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens und [X.] des
Betroffenen die
Betreuung u.a. für den Aufgabenkreis "[X.]"
angeordnet und den Beteiligten zu
1 zum Betreuer, die [X.] zu
2 zur "Zusatzbetreuerin"
sowie die Beteiligte zu
3 zur "Ergänzungsbe-treuerin"
bestellt.
1
2
-
3
-
Hiergegen hat die Beteiligte zu
4
Beschwerde mit dem Ziel eingelegt, dass die Übertragung des [X.] "Vermögensangelegenheiten"
auf die Be-teiligten zu
1 und
2 aufgehoben wird. Das [X.] hat die Beschwerde zu-rückgewiesen. Mit
der
Rechtsbeschwerde
verfolgt die Beteiligte zu
4 ihr [X.] weiter.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist
zulässig, insbesondere gemäß §
70 Abs.
3 Nr.
1 FamFG statthaft. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu
4 ergibt sich aus §
303 Abs.
2 Nr.
1 FamFG. Das Rechtsmittel
ist auch begründet und führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sa-che an das Beschwerdegericht.
1. [X.] hat seine Entscheidung damit begründet, dass eine Aufhebung der rechtlichen Betreuung für den
Aufgabenkreis "[X.]"
nicht in Betracht komme, weil der Betroffene an einer psychi-schen Erkrankung in Form einer fortgeschrittenen senilen Demenz vom
Alzhei-mer-Typ leide und daher außer Stande sei, seine Vermögensangelegenheiten selbst wahrzunehmen. Weder die vom Betroffenen erteilte privatschriftliche [X.] vom 4.
Juli 2001 noch die notariell beurkundete Vollmacht vom 21.
Feb-ruar 2011 reichten zur Wahrnehmung der Vermögensangelegenheiten des Be-troffenen aus. Die vom Verfahrenspfleger mitgeteilten Äußerungen des [X.], er wünsche eine Kontrolle der Beteiligten zu
1 und
2, weil er selbst dazu nicht mehr in der Lage sei, stünden der Aufrechterhaltung der rechtlichen Be-treuung nicht entgegen. Die Ausübung des [X.] werde durch das Be-treuungsgericht kontrolliert.
3
4
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-
4
-
Von einer erneuten Anhörung des
Betroffenen sei abgesehen worden, da nach dem Ergebnis der amtsgerichtlichen Anhörung und im Hinblick darauf, dass die Beschwerde Art und Ausmaß der dementiellen Erkrankung des Betroffenen nicht in Abrede stelle, von einer erneuten Anhörung durch die Kammer keine zu-sätzlichen entscheidungserheblichen Erkenntnisse zu erwarten gewesen seien.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falls hätte das Beschwerdegericht nicht von einer erneuten Anhörung des
Betroffenen
ab-sehen dürfen.

a) Nach §
278 Abs.
1 Satz
1 FamFG hat das Gericht den Betroffenen vor der (erstmaligen) Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilli-gungsvorbehalts persönlich anzuhören. Die Pflicht zur persönlichen Anhörung
des Betroffenen besteht nach §
68 Abs.
3 Satz
1 FamFG grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren ([X.]sbeschluss vom 11.
August 2010 -
XII
ZB
171/10
-
FamRZ 2010, 1650 Rn.
5). Allerdings darf
das Beschwerdegericht nach §
68 Abs.
3 Satz
2 FamFG von der persönlichen Anhörung absehen, wenn diese be-reits im ersten Rechtszug vorgenommen worden ist und von einer erneuten [X.] keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind. Diese Voraussetzung ist ins-besondere dann erfüllt, wenn die erstinstanzliche Anhörung des Betroffenen nur kurze Zeit zurückliegt, sich nach dem Akteninhalt keine neuen entscheidungser-heblichen Tatsachen oder rechtliche Gesichtspunkte ergeben, das Beschwerde-gericht das in den Akten dokumentierte Ergebnis der erstinstanzlichen Anhörung nicht abweichend werten will und es auf den persönlichen Eindruck des Gerichts von dem Betroffenen nicht ankommt ([X.]sbeschluss vom 2.
März 2011 -
XII
ZB
346/10
-
FamRZ 2011, 805 Rn.
13 mwN). Von einer erneuten Anhörung im Beschwerdeverfahren sind in der Regel jedoch dann neue Erkenntnisse zu 6
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-
5
-
erwarten, wenn der Betroffene an seinem in der amtsgerichtlichen Anhörung er-klärten Einverständnis mit einer Betreuung im Beschwerdeverfahren nicht mehr festhält oder er im Beschwerdeverfahren erstmals den Wunsch äußert, ihm einen bestimmten Betreuer zu bestellen ([X.]sbeschluss vom 16.
März 2011 -
XII
ZB
601/10
-
FamRZ 2011, 880 Rn.
16). Gleiches gilt, wenn sich für das Be-schwerdegericht Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Betroffene eine andere Person zum Betreuer bestellt haben möchte, als diejenige, die er bei der erstin-stanzlichen Anhörung benannt hat.
b) Auf
dieser rechtlichen Grundlage hätte das Beschwerdegericht im vor-liegenden Fall nicht von einer erneuten Anhörung des Betroffenen absehen [X.].
Zutreffend weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, dass der Betroffene an dem bei seiner erstinstanzlichen Anhörung geäußerten Wunsch, die Beteiligten zu
1 und
2 als Betreuer einzusetzen, im Laufe des Beschwerdeverfahrens nicht mehr festgehalten hat. Der Verfahrenspfleger hat nach einem mit dem [X.] geführten Gespräch dem Beschwerdegericht mitgeteilt, der Betroffene habe nach reiflicher Überlegung erklärt, es sei ihm doch wichtig, dass sich ein neutraler Berufsbetreuer der Sache annehme. Es solle jemand eingesetzt werden, der [X.] sei. Aufgrund dieser Mitteilung des [X.] hatte das Be-schwerdegericht konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffene mit der Be-stellung der Beteiligten zu
1 und
2 als Betreuer nicht mehr einverstanden war und einen Berufsbetreuer vorziehen würde. Dadurch hat sich die zu beurteilende Sachlage signifikant verändert, so dass von einer erneuten Anhörung des Be-troffenen zusätzliche Erkenntnisse zu erwarten waren. Über die Ernsthaftigkeit des gegenüber dem Verfahrenspfleger geäußerten Wunsches hätte sich das Be-schwerdegericht durch die Anhörung des Betroffenen selbst ein Bild verschaffen müssen.
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-
6
-
c) Schließlich ist die Entscheidung des [X.], weil es sich nicht mit dem Wunsch des Betroffenen auseinandergesetzt hat, statt den Beteiligten zu
1 und
2 einen
Berufsbetreuer zu bestellen.
aa) Nach §
1897 Abs.
4 Satz
2 FamFG soll darauf Rücksicht genommen werden, wenn der Betroffene vorschlägt, eine bestimmte Person nicht als Be-treuer zu bestellen. Anders als bei positiven Vorschlägen des Betroffenen gemäß §
1897 Abs.
4 Satz
1 FamFG zu einer Person, die zum Betreuer bestellt werden kann, ist das Gericht an die Ablehnung einer Person als Betreuer nicht gebunden (vgl. [X.]/Diederichsen BGB 71.
Aufl. §
1897 Rn.
17; [X.]/[X.] 2.
Aufl. §
1897 Rn.
43; [X.]/[X.] Betreuungsrecht 4.
Aufl. §
1897 BGB Rn.
16). Um eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Be-troffenen und seinem Betreuer zu gewährleisten, hat das Gericht jedoch den Wunsch des Betroffenen bei seiner Auswahlentscheidung zu berücksichtigen
(vgl. [X.]sbeschluss vom 27.
Juli 2011 -
XII
ZB
118/11
-
FamRZ 2011, 1577 Rn.
24).
bb) Diesen Anforderungen wird die angegriffene Entscheidung nicht ge-recht. [X.] hat sich nicht ausreichend mit dem Wunsch des
Betroffenen, einen Berufsbetreuer zu bestellen, befasst, was den Schluss nahe-legt, dass es den
entsprechenden Vortrag des [X.] übersehen hat.
3. Die angefochtene Entscheidung kann danach nicht bestehen
bleiben. Der [X.] kann in der Sache nicht abschließend entscheiden. Die Sache war deshalb an das [X.] zurückzuverweisen (§
74 Abs.
6 FamFG).
Dies gibt

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15
-
7
-
dem Beschwerdegericht Gelegenheit, im Rahmen der persönlichen Anhörung die Willenskundgabe des Betroffenen zu überprüfen und wegen der Frage, ob die
Bestellung eines Berufsbetreuers angezeigt ist, weitere Ermittlungen anzustellen.

Dose

Vézina

Klinkhammer

Günter

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 11.01.2012 -
10 XVII 198/11 -

LG [X.], Entscheidung vom 11.06.2012 -
4 [X.] -

Meta

XII ZB 384/12

21.11.2012

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2012, Az. XII ZB 384/12 (REWIS RS 2012, 1174)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1174

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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