Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.05.2000, Az. V ZR 49/99

V. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 2117

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BUNDESGERICHTSHOFIM NAMEN DES VOLKESURTEILV ZR 49/99Verkündet am:26. Mai 2000K a n i k ,Justizamtsinspektorinals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem RechtsstreitNachschlagewerk:jaBGHZ:neinBGHR:ja-----------------------------------AGBG § 3Die Vereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach der Erwerber ei-nes Grundstücks nach Besitzübergang bis zur Fälligkeit des Kaufpreises Nutzungs-zinsen zahlen muß, ist nicht ungewöhnlich im Sinne des § 3 AGBG.BGH, Urt. v. 26. Mai 2000 - V ZR 49/99 - OLG Naumburg LG Halle- 2 -Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlungvom 26. Mai 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die RichterDr. Vogt, Tropf, Schneider und Dr. Lemkefür Recht erkannt:Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenatsdes Oberlandesgerichts Naumburg vom 22. Dezember 1998 imKostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Be-klagten erkannt worden ist.In diesem Umfang wird - unter Aufhebung des Versäumnisurteilsdes Oberlandesgerichts Naumburg vom 21. Juli 1998 - die Beru-fung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Land-gerichts Halle vom 6. November 1997 zurückgewiesen.Die Klägerin hat die Kosten des Revisions- und des Berufungs-verfahrens zu tragen mit Ausnahme der durch die Säumnis derBeklagten entstandenen Kosten, die dieser zur Last fallen.Von Rechts wegenTatbestand:Mit notariellem Vertrag vom 28. August 1992 erwarb die Klägerin vonder T. ein 55.153 qm großes Grundstück, welches Teil eines noch- 3 -zu erschließenden Gewerbegebiets werden sollte. Als vorläufigen Kaufpreisvereinbarten die Vertragsparteien einen Betrag von 827.295 DM, der nachEintragung einer Auflassungsvormerkung und Vorliegen der zur Eigentumsum-schreibung erforderlichen Genehmigungen fällig war. In § 4 Abs. 3 heißt es:"Der vorläufige Kaufpreis ist ab Besitzübergang bis zur Kaufpreisfälligkeit mit8 % p.a. zu verzinsen." § 4 Abs. 6 Satz 3 und 4 lauten: "Der Kaufpreis wird demKäufer bis 31. August 1994 gestundet. Sollte jedoch vor Ablauf der Stundungs-frist eine weitere Veräußerung an einen Bauträger oder Investor erfolgen, sotritt die Fälligkeit vier Wochen nach dem Zeitpunkt ein, nachdem die Kaufpreis-zahlung aus der Weiterveräußerung an den Käufer (Kommune) fällig ist." We-gen des Kaufpreisanspruchs und der Zinsen unterwarf sich die Klägerin dersofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.Besitzübergang war der 21. März 1993. Die nach § 4 Abs. 5 des Ver-trags vereinbarten Fälligkeitsvoraussetzungen traten am 30. August 1994 ein.Für den dazwischenliegenden Zeitraum hat die Beklagte von der Klägerin Zin-sen in Höhe 95.598,53 DM verlangt. Die Klägerin hat daraufhin den Kaufver-trag insoweit angefochten, als sie sich über die Rechtsfolgen der Regelung des§ 4 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 6 Satz 3 im Irrtum befunden habe.Die T. hat ihre Ansprüche aus dem Kaufvertrag an die Be-klagte abgetreten. Die Beklagte ließ sich eine vollstreckbare Ausfertigung derUrkunde erteilen und beantragte mit Schreiben vom 25. Juni 1997 bei dem zu-ständigen Landkreis die Zulassung der Zwangsvollstreckung gegen die Kläge-rin.- 4 -Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Zwangsvollstreckungaus der Kaufvertragsurkunde, weil die Zinsklausel nichtig, wenigstens aberwegen Verstoßes gegen Vorschriften des AGBG unwirksam sei. Das Landge-richt hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Ober-landesgericht die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt, soweit sie aufden Anspruch aus der Zinsklausel gestützt wird. Mit der Revision, deren Zu-rückweisung die Klägerin beantragt, begehrt die Beklagte die Wiederherstel-lung des landgerichtlichen Urteils.Entscheidungsgründe:I.Nach Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich bei der Zins-klausel um eine allgemeine Geschäftsbedingung, welche die Beklagte der Klä-gerin bei Vertragsschluß gestellt habe. Sie sei nach § 3 AGBG nicht Vertrags-bestandteil geworden, weil die Klägerin nicht mit vor Fälligkeit des Kaufpreisesanfallenden Zinsen hätte rechnen können. Darüber hinaus sei die Klausel auchnach § 9 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam.II.Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.- 5 -1. Allerdings bestehen keine Bedenken gegen die Auffassung des Be-rufungsgerichts, daß die Wirksamkeit der Zinsklausel nach den Vorschriftendes AGBG zu beurteilen ist. Auch die Revision zieht nicht in Zweifel, daß dieKlausel einem von der Beklagten für viele gleichgeartete Fälle verwendetenVertragsmuster entstammt. Vielmehr wendet sie sich gegen die Annahme desBerufungsgerichts, daß die Klausel nicht individuell ausgehandelt worden sei.Damit bleibt sie jedoch erfolglos. Sie kann nämlich nicht auf einen - ihrer Parteiobliegenden (vgl. BGH, Urt. v. 19. Juni 1996, VIII ZR 189/95, WM 1996, 2025,2027 m.w.N.) - Vortrag in den Tatsacheninstanzen verweisen, wonach die Zins-regelung ernsthaft zur Disposition gestanden und die Klägerin sich ausdrück-lich mit ihr einverstanden erklärt hätte. Dies wäre aber für ein Aushandeln imSinne von § 1 Abs. 2 AGBG erforderlich gewesen (vgl. BGH, Urt. v. 27. März1991, IV ZR 90/90, NJW 1991, 1678, 1679; Urt. v. 5. Dezember 1995,X ZR 14/93, NJW-RR 1996, 783, 787).2. Mit Erfolg rügt die Revision dagegen die Anwendung des § 3 AGBGdurch das Berufungsgericht. Es nimmt zu Unrecht an, die Zinsklausel sei soungewöhnlich, daß die Klägerin mit ihr nicht zu rechnen brauchte.a) Fehlerhaft ist bereits seine Ausgangsüberlegung, daß die Zinsklauselohne inneren Zusammenhang mit der Überlassung von Nutzungen stehe. DieKlausel sieht eine Verzinsung für die Zeit zwischen dem Besitzübergang, vondem ab der Klägerin die Nutzungen des Kaufpreises zustehen, und der Fällig-keit des Kaufpreises vor. Deutlicher kann der Zusammenhang zwischen Zins-pflicht und Nutzungsberechtigung nicht zum Ausdruck kommen. Außerdem er-gibt sich aus der Stellung der Klausel innerhalb des Vertrags und ihrem Sinn-zusammenhang mit den übrigen Bestimmungen zur Höhe des Kaufpreises, daß- 6 -nicht etwa eine von der Nutzung des Grundstücks abgekoppelte zusätzlicheGegenleistung der Klägerin vereinbart werden sollte. Darin unterscheidet sichdieser Fall von dem der Senatsentscheidung vom 24. Februar 1995(V ZR 244/93, NJW 1995, 1827), die das Berufungsgericht für seine Auffas-sung heranzieht. Die dortigen Vertragsparteien hatten neben dem Kaufpreis alsweitere Gegenleistung die Zahlung von Vorfälligkeitszinsen vereinbart, die inkeinem Zusammenhang mit der Überlassung von Nutzungen standen. Hier be-gründet die Zinsklausel dagegen die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlungeines Entgelts dafür, daß sie das Grundstück nutzen darf, bevor sie den Kauf-preis zahlen muß.b) Die Vereinbarung von Nutzungszinsen ist nicht so ungewöhnlich, daßsie nach § 3 AGBG nicht Vertragsbestandteil geworden ist. Der hier maßgebli-che Erwerberkreis muß nämlich damit rechnen, daß die Nutzung des Grund-stücks nicht unentgeltlich gestattet wird, solange der Kaufpreis nicht bezahltwerden muß. Es entspricht allgemein bekannter Praxis im Geschäftsleben, demNichteigentümer die Nutzung von Wirtschaftsgütern nur gegen Entgelt zu ge-statten. Nichts anderes gilt für den nichtkaufmännischen Grundstücksverkehr.Nutzt der Käufer aufgrund vertraglicher Vereinbarung das Grundstück schonvor Kaufpreisfälligkeit, erlangt er einen wirtschaftlichen Vorteil. Der lag hierdarin, daß die Klägerin sofort nach Besitzübergang mit den Vorbereitungen zurVermarktung des Grundstücks beginnen konnte. Dadurch verschiebt sich dasvon den Vertragsparteien vereinbarte Wertverhältnis zwischen Leistung undGegenleistung einseitig zugunsten des Käufers, ohne daß es dafür einenrechtfertigenden Grund gibt. Daß die Höhe des Entgelts hier nicht in einem be-stimmten Betrag, sondern in einem vom-Hundert-Satz des Kaufpreises verein-bart wurde, ändert nichts.- 7 -c) Ungewöhnlich kann eine Klausel auch dann sein, wenn sie vom dis-positiven Recht erheblich abweicht (vgl. BGH, Urt. v. 21. November 1991,IX ZR 60/91, NJW 1992, 1234, 1236). Das ist hier jedoch nicht der Fall. § 452BGB steht der Zinsregelung nicht entgegen. Die Vorschrift setzt eine andereFallgestaltung voraus. Darauf, daß sie nach der überwiegend im Schrifttumvertretenen Auffassung die Fälligkeit des Kaufpreises voraussetzt(MünchKomm-BGB/H.P. Westermann, 3. Aufl., § 452 Rdn. 3; Palandt/Putzo,BGB, 59. Aufl., § 452 Rdn. 3; Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 452 Rdn. 10;Staudinger/Köhler, BGB [1995], § 452 Rdn. 7; Dänekamp, NJW 1994, 2271 ff;Schmenger, BWNotZ 1995, 53 ff; ebenso LG Heidelberg, NJW 1994, 1225;a.A. OLG Oldenburg, NJW-RR 1987, 722; OLG Hamm, NJW-RR 1989, 333;KG Berlin, KG-Report 1998, 140; OLG Düsseldorf, OLG-Report 1999, 169[rechtskräftig, die dagegen gerichtete Revision hat der Senat nicht angenom-men]; Planck/Knoke, BGB, 4. Aufl., § 452 Anm. 2; Semler, NJW 1995, 1727 ff),kommt es nicht an. Einmal geht es hier - anders als bei § 452 BGB - um eineRegelung für die Dauer der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages, zumanderen um eine Nutzungsverzinsung ab Besitzübergang bis zur Kaufpreisfäl-ligkeit. Für die Zeit ab Kaufpreisfälligkeit nach § 4 Abs. 5 des Vertrags sindkeine Nutzungszinsen vorgesehen, so daß die allein diesen Zeitraum betref-fende Stundungsvereinbarung die den davor liegenden Zeitraum betreffendeZinsregelung nicht als überraschend erscheinen lassen kann.d) Auf die weiteren Rügen der Revision, die darauf abzielen, daß dieKlägerin die Klausel kannte und deshalb von ihr nicht mehr überrascht werdenkonnte, kommt es somit nicht mehr an.- 8 -3. Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht an, die Zinsklausel sei nach§ 9 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam. Es geht hier nicht um die Ver-einbarung von Vorfälligkeitszinsen, sondern von Nutzungszinsen. Sie benach-teiligt die Klägerin nicht unangemessen (BGH, Urt. v. 1. März 2000,VIII ZR 77/99, WM 2000, 925, 926 f).4. Schließlich bestehen auch keine Bedenken gegen die Zinshöhe. DieKlausel führt dazu, daß die Klägerin ein monatliches Nutzungsentgelt von5.515,30 DM zahlen soll, was einem Betrag von lediglich 0,10 DM/qm ent-spricht.5. Das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 6. März 1986(VII ZR 195/84, NJW 1986, 1805) steht der hier vertretenen Auffassung nichtentgegen, weil die zu beurteilenden Sachverhalte nicht vergleichbar sind. Injenem Fall war es gerade nicht so, daß der Kaufpreis wegen der dem Erwerbervor Fälligkeit eingeräumten Befugnis zur Nutzung des Kaufgegenstands ver-zinst werden sollte; vielmehr begann die Zinspflicht bereits vor Vertragsab-schluß und bestand unabhängig von der Besitzübergabe. Deswegen beinhaltetdie dortige Zinsklausel eine versteckte Erhöhung des Kaufpreises, mit der nie-mand zu rechnen braucht. Davon kann hier jedoch keine Rede sein.6. Die Zinsvereinbarung ist auch nicht wegen der von der Klägerin er-klärten Anfechtung nichtig. Ein Anfechtungsgrund lag nämlich nicht vor, weildie Klägerin keinem Irrtum im Sinne des § 119 BGB unterlag.7. Für die von der Klägerin ebenfalls geltend gemachte Sittenwidrigkeitdes Vertrags gibt es keine Anhaltspunkte.- 9 -8. Schließlich besitzt die Klägerin auch keinen Schadensersatzanspruchaus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (c.i.c.).Eine Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten ist nicht ersichtlich.III.Nach allem ist die Klage in vollem Umfang unbegründet.Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 95, 97 Abs. 1 ZPO.Wenzel VogtTropf Schneider Lemke

Meta

V ZR 49/99

26.05.2000

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.05.2000, Az. V ZR 49/99 (REWIS RS 2000, 2117)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 2117

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