Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29.08.2019, Az. X B 38/19

10. Senat | REWIS RS 2019, 4038

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

(Heilung der Verletzung der Wartefrist des § 47 Abs. 1 ZPO)


Leitsatz

NV: Ein in der Verletzung der Wartepflicht des § 47 Abs. 1 ZPO liegender Verfahrensmangel wird geheilt, wenn das Ablehnungsgesuch später rechtskräftig zurückgewiesen wird .

Tenor

Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 24.01.2019 - 10 K 2068/18 E wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und [X.]eschwerdeführer (Kläger) sind [X.]heleute, die für das Streitjahr 2011 zur [X.]inkommensteuer [X.] werden. Der Kläger erzielt u.a. [X.]inkünfte aus Gewerbebetrieb. [X.]r hatte 2011 einen Investitionsabzugsbetrag in Höhe von 32.000 € für die geplante Anschaffung eines Lkw gebildet. Nachdem der Lkw nicht bis zum Ablauf der dreijährigen Investitionsfrist (31.12.2014) angeschafft worden war, machte der [X.]eklagte und [X.]eschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den Investitionsabzugsbetrag rückgängig und änderte den [X.]inkommensteuerbescheid 2011 entsprechend.

2

Nach Zurückweisung des [X.]inspruchs erhoben die Kläger Klage (10 K 3617/16 [X.]). Mit Schreiben vom 22.12.2017 vertrat der beim Finanzgericht ([X.]) zuständige [X.]erichterstatter ([X.]) die Auffassung, eine [X.]erlängerung der dreijährigen Investitionsfrist sei auch in Fällen höherer Gewalt --wie z.[X.]. bei einem [X.] nicht möglich.

3

Daraufhin lehnten die [X.] mit Schreiben vom 18.01.2018 wegen [X.]esorgnis der [X.]efangenheit mit der [X.] [X.]egründung ab, sie hätten in der [X.]ergangenheit festgestellt, dass [X.] nicht neutral und fair urteilen könne und Anträge ihres Prozessbevollmächtigten offensichtlich grundsätzlich ablehne, um ihm finanzielle Schäden zuzufügen. Das [X.] wies den Ablehnungsantrag am 13.02.2018 ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters zurück. Am 19.03.2018 wies es eine Anhörungsrüge gegen den [X.]eschluss über den Ablehnungsantrag – nun unter Mitwirkung des abgelehnten Richters zurück. [X.]ine [X.]eschwerde der Kläger gegen den --gemäß § 133a Abs. 4 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) unanfechtbaren-- [X.]eschluss über die Anhörungsrüge verwarf der Senat mit [X.]eschluss vom 30.05.2018 - X [X.] 55/18 als unzulässig, ebenso eine nachfolgende Anhörungsrüge (Senatsbeschluss vom 24.07.2018 - X S 22/18).

4

Im fortgesetzten Klageverfahren lud der [X.]orsitzende ([X.]) für den 19.04.2018 zur mündlichen [X.]erhandlung. Die Kläger beantragten am 10./11.04.2018 die Aufhebung dieses Termins, weil gegen [X.] und [X.] Ablehnungsanträge gestellt worden seien, über die --wohl im Hinblick auf das seinerzeit noch beim [X.]undesfinanzhof ([X.]FH) anhängige [X.]eschwerdeverfahren-- noch nicht rechtskräftig entschieden sei. Dies lehnte [X.] ab.

5

Am 18.04.2018 ging beim [X.] ein Schriftsatz der Kläger ein, in dem es hieß: "nach ausführlicher Rücksprache mit unseren Mandanten, betreffend das Klageverfahren zur [X.]inkommensteuer 2011, nehmen wir unsere Klage vom 17. November 2016 zurück." Daraufhin stellte [X.] mit [X.]eschluss vom 23.04.2018 das Klageverfahren ein; diesen [X.]eschluss sandte das [X.] am 25.04.2018 mit einfachem [X.]rief ab.

6

Mit einem am 24.04.2018 beim [X.] eingegangenen Schreiben lehnten die Kläger [X.] wegen [X.]esorgnis der [X.]efangenheit ab. Zur [X.]egründung bezogen sie sich auf die Ablehnung des [X.]. Sobald der Rechtsstreit einem anderen Senat übertragen werde, werde die Klage weitergeführt.

7

Das [X.] verwarf den Ablehnungsantrag am 02.05.2018 --ohne Mitwirkung des abgelehnten [X.] mangels [X.] als unzulässig, weil das Klageverfahren im Zeitpunkt des [X.]ingangs des [X.] bereits beendet gewesen sei. Dieser [X.]eschluss wurde noch am selben Tage mit einfachem [X.]rief abgesandt. Hiergegen erhoben die Kläger am 22.05.2018 Anhörungsrüge. Diese begründeten sie mit der Mitwirkung des [X.] an dem [X.]eschluss vom 02.05.2018; ferner vertraten sie die Auffassung, der Ablehnungsantrag sei noch vor der Klagerücknahme eingereicht worden. Das [X.] entschied über die Anhörungsrüge zunächst nicht.

8

Am 04.07.2018 erhoben die Kläger Nichtigkeitsklage gegen den [X.]instellungsbeschluss vom [X.] Sie beriefen sich darauf, das [X.] sei damals falsch besetzt gewesen; die Klage solle nun unter neuer [X.]esetzung wieder aufgenommen werden. [X.] und [X.] seien nach dem Geschäftsverteilungsplan des [X.] nicht für Klagen gegen das hier beklagte FA zuständig.

9

Nachdem [X.] für den 24.01.2019 zur mündlichen [X.]erhandlung geladen hatte, lehnten die Kläger [X.] am 04.01.2019 wegen [X.]esorgnis der [X.]efangenheit ab und beantragten eine [X.]erlegung des [X.] bis zur Rechtskraft der [X.]ntscheidung über den Ablehnungsantrag. Zur [X.]egründung führten sie aus, [X.] mische sich grundsätzlich in [X.]erfahren ein, für die er nicht zuständig sei. [X.] gab am 04.01.2019 dienstliche Äußerungen ab. Am selben Tage lehnte [X.] --in seiner [X.]igenschaft als [X.]ertreter des [X.]-- den Terminverlegungsantrag ab.

Am 21.01.2019 wies das [X.] --ohne Mitwirkung des [X.]-- den in [X.]ezug auf [X.] gestellten Ablehnungsantrag zurück.

Aufgrund der mündlichen [X.]erhandlung vom 24.01.2019 wies das [X.] --unter Mitwirkung von [X.] und [X.]-- die Nichtigkeitsklage ab.

Am 05.02.2019 wies das [X.] --ohne Mitwirkung des [X.]-- die am 22.05.2018 erhobene Anhörungsrüge gegen den [X.]eschluss vom 02.05.2018, mit dem der in [X.]ezug auf [X.] im ursprünglichen Klageverfahren 10 K 3617/16 [X.] am 24.04.2018 gestellte Ablehnungsantrag zurückgewiesen worden war, zurück.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die Kläger rügen zunächst, [X.] habe an dieser [X.]ntscheidung nicht mitwirken dürfen, da über den entsprechenden Ablehnungsantrag aufgrund der seinerzeit noch ausstehenden --und erst am [X.] getroffenen-- [X.]ntscheidung über die Anhörungsrüge (10 K 1566/18 [X.]) noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei. Diese Rüge hat --jedenfalls im [X.]rgebnis-- keinen [X.]rfolg.

a) Nach § 47 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) --hier i.[X.].m. § 51 Abs. 1 Satz 1 [X.]O-- hat [X.] vor [X.]rledigung des [X.] nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten. Zu diesen unaufschiebbaren Handlungen gehört die Mitwirkung an einer verfahrensabschließenden [X.]ntscheidung über die Hauptsache nicht.

b) Allerdings wird ein in der [X.]erletzung der Wartepflicht des § 47 Abs. 1 ZPO liegender [X.]erfahrensmangel nach ständiger Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des [X.] geheilt, wenn das Ablehnungsgesuch später rechtskräftig zurückgewiesen wird (Beschluss des [X.]gerichtshofs vom 15.07.2004 - IX ZB 280/03, Zeitschrift für [X.]erbraucherinsolvenzrecht 2004, 753, unter [X.]; Beschluss des [X.]arbeitsgerichts vom 28.12.1999 - 9 [X.] 739/99, Der Betrieb 2000, 884, unter II.3.; Beschluss des [X.]sozialgerichts vom 01.08.2000 - B 9 SB 24/00 B, Neue Zeitschrift für [X.]erwaltungsrecht 2001, 472; [X.] vom 14.09.2005 - [X.]I B 53/05, [X.], 103; ebenso auch Senatsbeschluss vom 04.12.2017 - X B 91/17, [X.], 342, Rz 11 f., m.w.N.). In diesem Falle steht fest, dass [X.] (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes) die [X.]ntscheidung getroffen hat. Diese [X.]ntscheidungen stehen in verfassungsrechtlicher Hinsicht im [X.]inklang mit der Rechtsprechung des [X.]verfassungsgerichts --B[X.]erfG-- (B[X.]erfG-Beschluss vom [X.] - 1 BvR 1033/87, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 1988, 174, unter 2.).

Sollte das Ablehnungsgesuch hingegen [X.]rfolg haben, stünde fest, dass [X.] zu Unrecht an der [X.]ndentscheidung mitgewirkt hätte. Gegen die [X.]ndentscheidung wären dann die hiergegen statthaften Rechtsmittel (Revision, Nichtzulassungsbeschwerde) eröffnet und aufgrund des § 119 Nr. 2 [X.]O auch begründet.

c) [X.]orliegend hat das [X.] die Anhörungsrüge gegen den Beschluss über die Zurückweisung des [X.] am [X.] zurückgewiesen. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 133a Abs. 4 Satz 3 [X.]O) und daher sofort rechtskräftig geworden. Damit ist die Heilung des --etwaigen-- [X.] eingetreten. Die nicht statthafte Beschwerde gegen diesen Beschluss ist ohne rechtliche Bedeutung und im Übrigen mit dem vorliegenden Beschluss verworfen worden.

d) Danach kann offenbleiben, ob der Ablehnungsantrag, der im Klageverfahren 10 K 3617/16 [X.] gestellt worden war, überhaupt von Bedeutung für das --davon grundsätzlich zu unterscheidende-- [X.]erfahren über die Nichtigkeitsklage (10 K 2068/18 [X.]) sein kann, in dem das vorliegend angegriffene Urteil ergangen ist.

2. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass die --zwar nicht in der Beschwerdebegründung, wohl aber in parallel eingereichten Schriftsätzen erhobene-- Rüge, die Besetzung des beim [X.] entscheidenden Senats habe nicht dem Geschäftsverteilungsplan entsprochen, unbegründet wäre.

Nach den eingereichten Geschäftsverteilungsplänen war B sowohl im Jahr 2018 als auch im Jahr 2019 für [X.]erfahren aus dem Bezirk des beklagten [X.] zuständig, soweit der Name des Klägers --was hier der Fall [X.] mit den [X.] beginnt. [X.] wirkt als [X.]orsitzender ohnehin in allen [X.]ntscheidungen mit, die im [X.]ollsenat zu treffen sind.

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

X B 38/19

29.08.2019

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 24. Januar 2019, Az: 10 K 2068/18 E, Urteil

§ 47 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29.08.2019, Az. X B 38/19 (REWIS RS 2019, 4038)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 4038

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IX ZB 280/03

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