Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.12.2012, Az. V ZB 95/12

5. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 59

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Gegenstand

Grundbuchverfahren: Zusammenschreibung zu einem Hof desselben Eigentümers gehörender Grundstücke


Leitsatz

Die zu einem Hof desselben Eigentümers gehörenden Grundstücke sind auf Ersuchen des Landwirtschaftsgerichts grundsätzlich auf einem besonderen Grundbuchblatt einzutragen (§ 7 Abs. 1 HöfeVfO); scheitert dies jedoch daran, dass bei einer Zusammenschreibung Verwirrung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 GBO zu besorgen wäre, ist die Hofzugehörigkeit entsprechend § 6 Abs. 4 HöfeVfO ausnahmsweise durch Eintragung wechselseitiger Hofzugehörigkeitsvermerke kenntlich zu machen.

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Beteiligten zu 1 werden der Beschluss des 7. Zivilsenats des [X.] vom 10. April 2012 und die Zwischenverfügung des [X.] - Grundbuchamt - vom 7. Februar 2012 aufgehoben.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, die ersuchte Eintragung nicht aus den in der Zwischenverfügung vom 7. Februar 2012 genannten Gründen zu verweigern.

Gründe

I.

1

Der Beteiligte zu 2 ist Eigentümer des im Grundbuch von [X.]auf Blatt 111 eingetragenen Grundbesitzes, der im Bezirk des [X.] [X.]liegt und einen Hof im Sinne der Höfeordnung bildet. Der Hof wird von [X.]aus bewirtschaftet; eingetragen ist ein [X.]. Der Beteiligte zu 2 ist zudem Eigentümer des im Grundbuch von [X.]       auf Blatt 1661 eingetragenen Grundbesitzes. Dieser liegt im Bezirk des [X.] V.    und gehört ebenfalls zu dem Hof. In das bei dem Grundbuchamt [X.] geführte Grundbuch wurde auf Ersuchen des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - [X.] vermerkt, dass das in [X.]       belegene Grundstück zu dem Hof gehört.

2

Unter dem 6. Dezember 2011 hat das Landwirtschaftsgericht auch das Grundbuchamt V.     ersucht, in das Grundbuch von [X.]      einen [X.] einzutragen. Mit Zwischenverfügung vom 7. Februar 2012 hat das Grundbuchamt V.     angekündigt, das Ersuchen zurückzuweisen. Die hiergegen von dem Landwirtschaftsgericht in seiner Funktion als ersuchende Behörde (im Folgenden Beteiligte zu 1) eingelegte Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der von dem [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte zu 1 ihr [X.] weiter.

II.

3

Das Beschwerdegericht hält die ersuchte Eintragung des [X.]s für unzulässig. Für eine analoge Anwendung der Vorschriften des § 6 Abs. 3 u. 4 HöfeVfO sei angesichts der eindeutigen Regelung des § 7 Abs. 1 HöfeVfO kein Raum. Wie sich aus der Zuständigkeitsregelung des § 4 Abs. 2 [X.] ergebe, gelte dies selbst dann, wenn die die Grundstücke betreffenden Grundbücher von verschiedenen Grundbuchämtern geführt würden. Verweisungen durch [X.]e kämen nur in den Fällen des § 6 Abs. 3 u. 4 HöfeVfO in Betracht, sofern ein einheitliches Hofgrundbuch existiere und zusätzlich - bei Bestehen von Miteigentumsanteilen oder eines [X.] - andere Grundbuchblätter bestehen blieben. Zwar habe nach § 4 Abs. 1 [X.] die Anlegung eines einheitlichen Grundbuchblattes zu unterbleiben, wenn hierdurch Verwirrung zu besorgen sei. Es erscheine jedoch bereits zweifelhaft, ob das Kriterium der Verwirrung überhaupt in den Fällen des § 4 Abs. 2 [X.] zu prüfen sei. Jedenfalls lasse sich eine solche Verwirrung nicht daraus ableiten, dass für Grundstücke aus verschiedenen [X.]en ein einheitliches Grundbuchblatt angelegt werde.

III.

4

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.

5

1. Die Beteiligte zu 1 ist aufgrund der Zurückweisung der von ihr erhobenen Beschwerde befugt, Rechtsbeschwerde einzulegen. Bei dem Ersuchen des [X.] zur Vornahme höferechtlicher Grundbucheintragungen handelt es sich um ein [X.] nach § 38 [X.] (von [X.] in [X.]/Hötzel/von [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 3 HöfeVfO Rn. 2; [X.]/[X.], [X.] mit HöfeVfO, 3. Aufl., § 3 HöfeVfO Rn. 2; [X.] in [X.]/von Oefele, [X.], 2. Aufl., § 38 Rn. 77; [X.], [X.], 28. Aufl., § 38 Rn. 15). Wird ein solches Ersuchen zurückgewiesen, gelten für die Behörde die allgemeinen Rechtsmittelvorschriften ([X.], MittRhNotK 1996, 228; [X.]/[X.], Immobilienrecht, § 38 [X.] Rn. 7; [X.], aaO, § 38 Rn. 79; [X.] in [X.]/von Oefele, aaO, § 71 Rn. 84 mwN).

6

2. Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach §§ 78 [X.], 71 FamFG sind gewahrt; insbesondere ist die Beteiligte zu 1 gemäß § 10 Abs. 4 Satz 2 FamFG im Rechtsbeschwerdeverfahren ordnungsgemäß vertreten.

IV.

7

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Das von dem Beschwerdegericht angenommene rechtliche Eintragungshindernis besteht nicht.

8

1. Allerdings ist umstritten, ob § 7 Abs. 1 HöfeVfO die ausnahmslose Pflicht zur Anlegung eines einheitlichen Grundbuchblatts mit der Folge zu entnehmen ist, dass die Eintragung von [X.]en ausscheidet. Während die Frage insbesondere unter Hinweis auf § 4 Abs. 2 [X.] teilweise selbst dann bejaht wird, wenn die [X.] in verschiedenen [X.]en liegen (so [X.]/[X.], aaO, § 7 HöfeVfO Rn. 6; vgl. auch [X.], [X.], 10. Aufl., § 2 Rn. 64; [X.]/Wulff/[X.], [X.], 10. Aufl., § 1 Rn. 111), kann nach der Gegenauffassung die Hofzugehörigkeit durch Eintragung eines Vermerks kenntlich gemacht werden ([X.] in [X.]/Hötzel/von [X.]/[X.], aaO, § 6 HöfeVfO Rn. 8; [X.], [X.] 1984, 85, 87 f.). Die Buchung eines Grundstücks in dem Grundbuch einer anderen Gemarkung lasse den unzutreffenden Eindruck entstehen, das Grundstück sei dort belegen. Vor diesem Hintergrund entspreche es einer weitverbreiteten Praxis, [X.] nur gemarkungsweise auf einem Grundbuchblatt zusammenzuschreiben ([X.] in [X.]/Hötzel/von [X.]/[X.], aaO, Rn. 4 f.; vgl. auch [X.], [X.] 1984, 85, 87).

9

2. Der Senat entscheidet die Streitfrage dahin, dass die zu einem Hof desselben Eigentümers gehörenden Grundstücke auf Ersuchen des [X.] grundsätzlich auf einem besonderen Grundbuchblatt einzutragen sind (§ 7 Abs. 1 HöfeVfO); scheitert dies jedoch daran, dass bei einer solchen Zusammenschreibung Verwirrung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 [X.] zu besorgen wäre, ist die Hofzugehörigkeit entsprechend § 6 Abs. 4 HöfeVfO ausnahmsweise durch Eintragung wechselseitiger [X.]e kenntlich zu machen.

a) Nach § 4 Abs. 1 [X.] kann über mehrere Grundstücke desselben Eigentümers, deren Grundbücher von demselben Grundbuchamt geführt werden, ein gemeinschaftliches Grundbuchblatt geführt werden, wenn hiervon Verwirrung nicht zu besorgen ist. Das gilt nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 4 Abs. 2 [X.] auch dann, wenn die zu einem Hof im Sinne der Höfeordnung gehörenden Grundstücke in verschiedenen [X.]en liegen. Auch in diesen Fällen darf danach keine Verwirrung zu besorgen sein (Meikel/[X.], [X.], 10. Aufl., § 4 Rn. 35; Hügel/Holzer, [X.], 2. Aufl., § 4 Rn. 18; [X.], aaO, § 4 Rn. 13; [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl., § 4 [X.] Rn. 7; [X.]/[X.], aaO, § 4 [X.] Rn. 15; [X.] in [X.]/von Oefele, aaO, § 4 Rn. 12).

b) Aus § 7 Abs. 1 HöfeVfO, wonach das Landwirtschaftsgericht das Grundbuchamt von Amts wegen zu ersuchen hat, die zu einem Hof gehörenden Grundstücke auf einem besonderen Grundbuchblatt einzutragen, ergibt sich nichts anderes. Die Vorschrift muss im Zusammenhang mit § 4 Abs. 2 [X.] gesehen werden, dessen Entstehungsgeschichte belegt, dass der Gesetzgeber eine Zusammenschreibungspflicht nur unter den in dieser Norm genannten Voraussetzungen statuieren wollte. Der in der Vorschrift enthaltene Verweis auf einen "Hof im Sinne der Höfeordnung" wurde durch Art. 1 Nr. 4 des Registerverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Dezember 1993 ([X.] I, S. 2182) mit der Begründung eingeführt, § 7 HöfeVfO enthalte keine besondere Regelung für die Fälle, in denen der Hof in den Bezirken mehrerer Grundbuchämter liege (BT-Drucks. 12/5553, [X.]). Um eine gemeinsame Buchung "zuzulassen", bedürfe es der Ergänzung des § 7 HöfeVfO durch § 4 Abs. 2 [X.] (BT-Drucks. 12/5553, S. 57).

c) [X.] Erwägungen untermauern diesen Befund. Das [X.] wird von dem Grundsatz der [X.] beherrscht. Dem trägt das Gesetz u.a. dadurch Rechnung, dass nach § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] jedes Grundstück ein eigenes Grundbuchblatt erhält. Über mehrere Grundstücke desselben Eigentümers, deren Grundbücher von demselben Grundbuchamt geführt werden, kann zwar ein gemeinschaftliches Grundbuchblatt geführt werden. Jedoch ist diese Ausnahme im Interesse der [X.] an die Voraussetzung geknüpft, dass keine Verwirrung zu besorgen ist (§ 4 Abs. 1 [X.]). Dass vor diesem Hintergrund eine Zusammenschreibung von [X.]n trotz zu besorgender Verwirrung sachwidrig wäre, liegt auf der Hand. Dies gilt umso mehr, wenn Grundstücke - wie in den Fällen des § 4 Abs. 2 [X.] - in verschiedenen [X.]en liegen.

d) Wie in Konstellationen zu verfahren ist, in denen eine Zusammenschreibung wegen zu besorgender Verwirrung ausscheidet, ist gesetzlich nicht geregelt. Insoweit besteht eine planwidrige Gesetzeslücke, die im Wege einer entsprechenden Anwendung des § 6 Abs. 4 HöfeVfO dadurch zu schließen ist, dass in den jeweiligen Grundbüchern wechselseitige [X.]e eingetragen werden. In solchen Fällen ist die Interessenlage der in § 6 Abs. 4 HöfeVfO geregelten vergleichbar, bei der ein zum Hof gehörender Miteigentumsanteil auf einem anderen Grundbuchblatt als die Hofstelle eingetragen ist.

3. Die Frage, ob vorliegend eine Zusammenschreibung nach § 4 Abs. 2 [X.] ausscheidet, liegt hier außerhalb der Prüfungskompetenz des [X.] V.    .

a) Das folgt allerdings nicht schon daraus, dass bei [X.] das Grundbuchamt nach § 38 [X.] nur zu prüfen hat, ob die Behörde - wie hier nach § 7 i.V.m. einer entsprechenden Anwendung von § 6 Abs. 4 HöfeVfO - zur Stellung eines Ersuchens der in Rede stehenden Art abstrakt befugt ist, ob das Ersuchen bezüglich seiner Form den gesetzlichen Vorschriften entspricht und ob die durch das Ersuchen nicht ersetzten [X.] gegeben sind. Ob hingegen im konkreten Einzelfall die Voraussetzungen für das Ersuchen vorliegen, ist vom Grundbuchamt grundsätzlich nicht zu prüfen. Hierfür trägt die ersuchende Behörde die Verantwortung (vgl. Senat, Beschluss vom 13. Januar 1956 - [X.], [X.], 355, 357 f.; [X.], MittRhNotK 1996, 228 und NJW-RR 2011, 741 mwN; [X.], [X.] 2003, 197; [X.], aaO, § 38 Rn. 73 f.), soweit die ihr rechtlich zugeschriebene Sachkompetenz bei der Beurteilung der Eintragungsvoraussetzungen reicht.

Danach besteht vorliegend zwar eine Bindungswirkung bei der Beurteilung der hier bejahten Fragen, ob ein Hof im Sinne der Höfeordnung vorliegt und ob der im [X.] liegende Grundbesitz dem Hof zuzuordnen ist; darüber zu befinden, liegt allein in der Sachkompetenz des [X.]. Nicht hierzu gehört jedoch, ob die grundbuchrechtlichen Voraussetzungen für die nur subsidiär mögliche Eintragung von [X.]en vorliegen, ob also bei einer Zusammenschreibung Verwirrung zu besorgen wäre (§ 4 Abs. 2 [X.]). Hüter des Grundsatzes der [X.] ist zuvörderst das jeweils zuständige Grundbuchamt. Ihm obliegt es insbesondere, das Grundbuch in den Verfahren nach § 84 ff. [X.] und § 90 ff. [X.] zu bereinigen und Verwirrung im Grundbuch zu verhindern (§§ 4 ff. [X.]). Eine Bindung an ein Ersuchen des [X.] besteht daher insoweit nicht.

b) Jedoch hat das Grundbuchamt nur über die Klarheit der bei ihm geführten Grundbücher zu wachen. Da es nur dafür die Verantwortung trägt, obliegt die Prüfung, ob bei einer Zusammenschreibung Verwirrung zu besorgen wäre, allein dem Grundbuchamt, in dessen Grundbuch eine Zusammenschreibung in Betracht kommt. Das gilt zur Vermeidung divergierender Entscheidungen auch dann, wenn es um die Eintragung von [X.]en geht. [X.]. hat das Grundbuchamt, bei dem es entsprechend § 6 Abs. 4 Alt. 2 HöfeVfO lediglich um die Eintragung des korrespondierenden [X.]s geht, die Entschließung des für die Zusammenschreibung zuständigen [X.] abzuwarten. Vorliegend hat das nach § 4 Abs. 2 Satz 2 [X.] zuständige Grundbuchamt [X.] jedoch bereits einen [X.] in das bei ihm geführte Grundbuch eingetragen und damit der Sache nach auch die dafür erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen bejaht. An diese Beurteilung ist das Grundbuchamt V.   gebunden.

V.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Dr. [X.]                              Dr. Roth                              Dr. Brückner

                            Weinland                             Dr. Kazele

Meta

V ZB 95/12

20.12.2012

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Celle, 10. April 2012, Az: 7 W 18/12

§ 6 Abs 4 HöfeVfO, § 7 Abs 1 HöfeVfO, § 4 Abs 1 GBO, § 4 Abs 2 S 1 GBO, § 38 GBO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.12.2012, Az. V ZB 95/12 (REWIS RS 2012, 59)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 59

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