Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23.11.2022, Az. 7 A 9/21

7. Senat | REWIS RS 2022, 8925

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Gegenstand

Planfeststellung für VDE 8.1 Planfeststellungsabschnitt 21 Altendorf - Hirschaid - Strullendorf


Leitsatz

1. § 18e Abs. 5 AEG regelt die Klagebegründungsfrist sowie die Folgen einer Fristversäumnis einheitlich für alle Klagen gegen Planfeststellungs- und Plangenehmigungsentscheidungen nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz und gilt damit auch für Planungen, bei denen gemäß § 11 Abs. 2 VerkPBG, § 39 Abs. 1 Satz 2 AEG das Verfahren nach den Bestimmungen des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes zu Ende zu führen ist.

2. Eine vor dem 31. Dezember 2014 erfolgte öffentliche Bekanntmachung der Auslegung des Plans, die nach der Übergangsregelung des § 4 Abs. 3 Satz 1 der 16. BImSchV zur weiteren Anwendbarkeit der Schall 03 1990 führt, wird nur durch solche späteren Planänderungen überholt, die ein erneutes Anhörungsverfahren mit öffentlicher Auslegung des Plans erforderlich machen, weil sie das Gesamtkonzept der Planung berühren und die Identität des Vorhabens verändern.

3. Eine feste Begrenzung der Dauer eines Planfeststellungsverfahrens bzw. eine Entscheidungsfrist, binnen derer über einen Antrag auf Planfeststellung zu befinden ist, existiert im geltenden Recht nicht. Gleichwohl kann der Dauer eines Planfeststellungsverfahrens, zumal bei einem langjährigen faktischen Verfahrensstillstand, eine Relevanz für das Verhältnis von Fachplanung und konkurrierender Bauleitplanung sowie das Maß der jeweils gebotenen Rücksichtnahme nicht generell abgesprochen werden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine kreisangehörige Gemeinde, wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des [X.] vom 28. Mai 2021 für das Vorhaben "[X.] 8.1 Planfeststellungsabschnitt 21 [X.] - [X.] - Strullendorf".

2

Der Planfeststellungsabschnitt ist Teil der Aus- und Neubaustrecke [X.] - [X.] - [X.], die ihrerseits zum [X.] Nr. 8 ("Ausbau-/Neubaustrecke [X.] - [X.] - [X.]/[X.] - [X.]") gehört, dessen Teile 1993 als Vorhaben des vordringlichen Bedarfs in den Bedarfsplan des [X.] aufgenommen wurden. Gegenstand des Vorhabens ist der viergleisige Ausbau des Streckenabschnitts. Neben den vorhandenen beiden Gleisen sollen zwei neue Gleise verlegt werden. Die Bestandsgleise bleiben in ihrer Lage weitgehend unverändert, werden jedoch für eine Anhebung der Fahrgeschwindigkeiten ertüchtigt.

3

Das Planfeststellungsverfahren wurde 1996 eingeleitet und nach Durchführung des [X.] im Jahr 1997 zunächst nicht weiterbetrieben. Im August 2014 reichte die Beigeladene zu 1 Unterlagen zu einer sogenannten 1. Planänderung ein und beantragte die Verfahrensfortführung. Die Änderungen basierten auf einem neuen Betriebsprogramm, sollten veränderten Rahmenbedingungen Rechnung tragen sowie im Anhörungsverfahren getroffene Zusagen umsetzen. Sie betrafen die Gleisanlagen, die Leit- und Sicherungstechnik, die Oberleitungsanlagen, den [X.], die Streckenentwässerung, eine Reihe von Ingenieurbauwerken sowie Bahnsteige, ferner die Umweltplanung und landschaftspflegerische Maßnahmen. Nach mehrfacher Überarbeitung der Planunterlagen wurde 2017 und 2018 erneut ein Anhörungsverfahren durchgeführt. Im [X.] legte die Beigeladene zu 1 Unterlagen zu einer sogenannten 2. Planänderung vor, woraufhin ein weiteres Anhörungsverfahren stattfand.

4

Bereits im Juni 2014 hatte der Gemeinderat der Klägerin den Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans unter anderem für ein Baugebiet "[X.]" gefasst. Insoweit sieht der Planentwurf östlich der Bahntrasse die Festsetzung eines Mischgebiets und, aus Sicht der Gleise dahinterliegend, eines allgemeinen Wohngebiets sowie eines Dorfgebiets vor.

5

Das [X.] stellte mit Beschluss vom 28. Mai 2021 den Plan für das Vorhaben fest und ordnete Schutzvorkehrungen gegen Verkehrsgeräusche an. In der Ortslage der Klägerin ist die Errichtung von [X.] in der Mitte und östlich der Bahntrasse vorgesehen. Das [X.] beruht auf einer Berechnung der Beurteilungspegel für Schienenwege nach § 3 i. V. m. Anlage 2 der 16. BImSchV in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung ([X.] 1990).

6

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin unter Berufung auf ihre Planungshoheit sowie ihr Eigentum an mehreren Grundstücken zusätzlichen Verkehrslärmschutz. Die [X.] 1990 und damit insbesondere der sogenannte [X.] seien nicht mehr anwendbar, weil die Auslegung des Plans erst nach dem 31. Dezember 2014 öffentlich bekanntgemacht worden sei. Maßgeblich sei das Anhörungsverfahren zur 1. Planänderung, die das Gesamtkonzept des Vorhabens berührt und seine Identität geändert habe. Die Bauleitplanung für das Baugebiet "[X.]" werde nachhaltig gestört. Die vorgesehenen Schallschutzwände bewirkten nur unzureichenden Schutz, weil sie nicht weit genug nach Süden reichten. Im Plangebiet sei mit [X.] von über 49 dB(A), teils von über 54 dB(A) zu rechnen. Damit sei die Planung hinsichtlich der Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets nicht mehr umsetzbar, weil ein hinreichender Schutz jedenfalls der [X.] mit den Mitteln des Bauplanungsrechts nicht möglich sei. Die Fachplanung könne nach 20-jährigem Stillstand keinen Vorrang aufgrund zeitlicher Priorität beanspruchen. Abgesehen davon handele es sich beim [X.] lediglich um ein Abwägungskriterium. Eine Rücksichtnahme auf die gewichtigen städtebaulichen Ziele der Klägerin durch zusätzlichen aktiven Lärmschutz sei zu relativ geringen Mehrkosten möglich.

7

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, über eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses vom 28. Mai 2021 um zusätzliche Schallschutzmaßnahmen zugunsten der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

8

Die Beklagte und die Beigeladenen beantragen jeweils,

die Klage abzuweisen.

9

Sie treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

Entscheidungsgründe

Die Klage, über die das [X.] als erstinstanzlich zuständiges Gericht zu entscheiden hat, ist zulässig, aber unbegründet.

A. Die Zuständigkeit des [X.]s ergibt sich aus § 5 Abs. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes vom 16. Dezember 1991 - [X.] - ([X.] [X.]), zuletzt geändert durch Art. 464 der Verordnung vom 31. August 2015 ([X.] I S. 1474), [X.] m. § 1 Nr. 10 der Fernverkehrswegebestimmungsverordnung vom 3. Juni 1992 ([X.] I S. 1014), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 14. April 2003 ([X.] I S. 529). Der planfestgestellte Abschnitt der Ausbaustrecke [X.] - [X.] - [X.] ist Teil des Verkehrswegs [X.] - Lichtenfels - [X.] zwischen der Landesgrenze [X.] und [X.]. Das Verfahren ist nach den Bestimmungen des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes zu Ende zu führen, weil das Planfeststellungsverfahren vor Ablauf des 16. Dezember 2006 nach den Vorschriften dieses Gesetzes begonnen worden ist (§ 11 Abs. 2 [X.], § 39 Abs. 1 Satz 2 [X.] vom 27. Dezember 1993 <[X.] I S. 2378, 2396; 1994 I S. 2439> in der Fassung von Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes vom 9. Dezember 2006 <[X.] I S. 2833>).

B. Die Verpflichtungsklage ist zulässig.

Die Klägerin ist [X.] (§ 42 Abs. 2 VwGO). Aus ihrem Vorbringen binnen der zehnwöchigen [X.] gemäß § 18e Abs. 5 [X.] (1.) ergibt sich ein möglicher Anspruch auf Planergänzung um zusätzliche Schallschutzmaßnahmen (2.).

1. Gemäß § 18e Abs. 5 Satz 1 und 2 [X.] in der Fassung von Art. 2 des Gesetzes vom 29. November 2018 ([X.] I S. 2237) hat der Kläger innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung die zur Begründung seiner Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben; Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden, sind grundsätzlich nur zuzulassen, wenn der Kläger die Verspätung genügend entschuldigt. Auf die Frage, ob eine Zulassung verspäteten Vorbringens das Verfahren verzögern würde, kommt es nicht an. Insbesondere hierin sowie in der Länge der [X.] unterscheidet sich § 18e Abs. 5 [X.] von der Regelung in § 5 Abs. 3 [X.]. Danach hat der Kläger innerhalb einer Frist von sechs Wochen die Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt, anzugeben. Vorbringen nach Ablauf dieser mit Klageerhebung beginnenden (vgl. [X.], Urteil vom 6. September 2018 - 3 A 11.15 - [X.] 442.09 § 18 [X.] Nr. 85 Rn. 14) Frist kann das Gericht zurückweisen, wenn seine Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde (§ 5 Abs. 3 Satz 2 [X.] [X.] m. § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).

§ 18e Abs. 5 [X.] geht dem zeitlich früheren § 5 Abs. 3 [X.] vor. Ursprünglich hatten beide Vorschriften einen identischen Regelungsgehalt (vgl. § 18e Abs. 5 [X.] in der bis zum 6. Dezember 2018 gültigen Fassung von Art. 1 des Gesetzes vom 9. Dezember 2006 <[X.] I S. 2833>). Bereits vor der Neufassung des § 18e Abs. 5 [X.] hatte der Gesetzgeber in § 6 UmwRG in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. August 2017 ([X.] I S. 3290) eine einheitliche und abschließende Regelung für alle Rechtsbehelfe im Geltungsbereich des [X.] mit Vorrang gegenüber früheren fachgesetzlichen [X.]en getroffen (vgl. [X.], Urteile vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - [X.]E 163, 380 Rn. 14 und vom 24. Februar 2021 - 9 A 8.20 - [X.]E 171, 346 Rn. 20). Die gegenüber früheren fachgesetzlichen Fristen vorgesehene Verlängerung von sechs auf zehn Wochen diente zum Ausgleich der strengeren Folgen einer Fristversäumung, die § 6 UmwRG ebenso wie daran angelehnt nunmehr auch § 18e Abs. 5 [X.] vorsieht (vgl. [X.], Urteil vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - [X.]E 163, 380 Rn. 14). § 18e Abs. 5 [X.] in seiner aktuellen Fassung verdrängt seinerseits die Regelung in § 6 UmwRG (§ 18e Abs. 5 Satz 6 [X.]). Danach sollen für alle Klagen im Zusammenhang mit Planfeststellungs- und Plangenehmigungsentscheidungen nach dem [X.] eine einheitliche [X.] und eine einheitliche Regelung zu den Rechtsfolgen im Fall der Fristversäumnis gelten (so die Begründung des [X.], [X.]. 19/4459 S. 41). Dieses [X.] wird vollständig nur erreicht, wenn § 18e Abs. 5 [X.] auch für Planungen gilt, bei denen gemäß § 11 Abs. 2 [X.], § 39 Abs. 1 Satz 2 [X.] das Verfahren nach den Bestimmungen des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes zu Ende zu führen ist.

Nachdem die Klägerin am 17. September 2021 Klage erhoben hat, ist ihre Klagebegründung am 26. November 2021 und damit am letzten Tag der zehnwöchigen [X.] bei Gericht eingegangen.

2. Nach dem Vorbringen der Klägerin erscheint es nicht von vornherein nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen (vgl. zu diesem Maßstab nur [X.], Urteil vom 28. November 2017 - 7 A 17.12 - [X.]E 161, 17 Rn. 16 m. w. N.), dass der Planfeststellungsbeschluss sie in ihrer Planungshoheit (Art. 28 Abs. 2 GG) verletzt, weil vorhabenbedingter [X.] die Bauleitplanung für das Baugebiet "[X.]" nachhaltig stört und die Klägerin deshalb zusätzliche Schallschutzauflagen beanspruchen kann.

Die Klägerin ist auch insoweit [X.], als sie sich als juristische Person des öffentlichen Rechts zwar nicht auf das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG berufen, aber gestützt auf ihr einfachrechtlich geschütztes Grundstückseigentum ebenso wie ein privater Grundstückseigentümer gegen unzumutbare Lärmeinwirkungen zur Wehr setzen kann ([X.], Urteil vom 6. September 2018 - 3 A 11.15 - [X.] 442.09 § 18 [X.] Nr. 85 Rn. 12 m. w. N.). Entgegen der Einschätzung der Beigeladenen genügt das Vorbringen innerhalb der [X.], um auch insoweit eine Rechtsverletzung nicht von vornherein nach jeder Betrachtungsweise als ausgeschlossen anzusehen. Zwar macht die Klägerin nur teilweise nähere Angaben zur örtlichen Lage der Grundstücke, zu deren Nutzung sowie der voraussichtlichen Lärmbetroffenheit. Sie benennt aber konkrete Flurstücksnummern, sodass sich weitere Einzelheiten der jeweiligen Grundstückssituation anhand der Verwaltungsvorgänge mit geringem Aufwand ermitteln lassen (§ 18e Abs. 5 Satz 4 [X.]). Ferner rügt die Klägerin unzulässige Lärmbeeinträchtigungen insbesondere aufgrund einer fehlerhaften Berechnung der Beurteilungspegel. Damit ist dem Zweck der [X.], für das Gericht und die übrigen Beteiligten klar und unverwechselbar festzuschreiben, unter welchen tatsächlichen Gesichtspunkten eine behördliche Entscheidung angegriffen wird (vgl. [X.], Urteile vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - [X.]E 163, 380 Rn. 14 und vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 - [X.]E 170, 138 Rn. 16), Genüge getan.

C. Die Klage ist unbegründet.

Der Planfeststellungsbeschluss ist nicht zum Nachteil der Klägerin rechtswidrig (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO). Sie hat keinen Anspruch auf eine erneute Entscheidung der Beklagten über zusätzliche Schallschutzmaßnahmen.

1. Der Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen zwingende Vorschriften zum Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche, soweit die Klägerin sich als Eigentümerin von Grundstücken im Einwirkungsbereich des planfestgestellten Vorhabens darauf berufen kann (vgl. [X.], Urteil vom 6. September 2018 - 3 A 11.15 - [X.] 442.09 § 18 [X.] Nr. 85 Rn. 22 m. w. N.).

a) Rechtlicher Maßstab für die Bewertung der von einem Schienenweg ausgehenden Verkehrsgeräusche sind die §§ 41 ff. [X.] und die Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV). Danach ist bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung von Eisenbahnen sicherzustellen, dass durch diese keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche hervorgerufen werden können, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind; das gilt nicht, soweit die Kosten der Schutzmaßnahmen außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen würden (§ 41 [X.]). Mit der Verkehrslärmschutzverordnung hat der Verordnungsgeber auf der Grundlage von § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] Vorschriften über bestimmte Grenzwerte erlassen, die zum Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche nicht überschritten werden dürfen, sowie über das Verfahren zur Ermittlung der Emissionen oder Immissionen. Werden im Falle des § 41 [X.] die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung überschritten, hat der Eigentümer einer betroffenen baulichen Anlage grundsätzlich einen Entschädigungsanspruch für passive Schallschutzmaßnahmen (§ 42 Abs. 1 und 2 [X.]).

Mit dem planfestgestellten Ausbauvorhaben ist eine wesentliche Änderung eines Schienenweges der Eisenbahn verbunden und damit der Anwendungsbereich der Verkehrslärmschutzverordnung eröffnet, weil die Bestandsstrecke um mehrere durchgehende Gleise baulich erweitert wird (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der 16. BImSchV).

Die Planfeststellungsbehörde hat zu Recht gebilligt, dass in der schalltechnischen Begutachtung die Beurteilungspegel für [X.] noch auf der Grundlage der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung vom 12. Juni 1990 ([X.] I S. 1036) - [X.] - berechnet worden sind und damit insbesondere der sogenannte [X.] in Ansatz gebracht worden ist, also ein Abschlag von 5 dB(A) zur Berücksichtigung einer geringeren Störwirkung von [X.] (Korrektursummand S der [X.]). Dieses Vorgehen entspricht § 4 Abs. 3 Satz 1 der 16. BImSchV in der im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses (stRspr, vgl. nur [X.], Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - [X.] 442.09 § 18 [X.] Nr. 92 Rn. 55 m. w. N.) gültigen Fassung von Art. 1 der Verordnung vom 18. Dezember 2014 ([X.] I S. 2269), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 4. November 2020 ([X.] [X.]). Danach ist für Abschnitte von Vorhaben, für die bis zum 31. Dezember 2014 das Planfeststellungsverfahren bereits eröffnet und die Auslegung des Plans öffentlich bekannt gemacht worden ist, die [X.] weiter anzuwenden. So liegt es hier, nachdem das Planfeststellungsverfahren bereits 1996 mit der Einreichung der [X.]n eröffnet worden ist und zu Beginn des Jahres 1997 die öffentlichen [X.]en erfolgt sind.

Nach Durchführung des [X.] 1997 mit abschließender Stellungnahme der Anhörungsbehörde vom Juli 1998 wurde das Planfeststellungsverfahren zwar zunächst faktisch nicht weiterbetrieben. Es hatte sich aber weder durch Rücknahme des Antrags noch in sonstiger Weise erledigt und war damit rechtlich nicht abgeschlossen (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 3 [X.], § 74 Abs. 1 Satz 2, § 69 Abs. 3 VwVfG). Dementsprechend hat die Beigeladene zu 1 im August 2014 bei Einreichung der Unterlagen zur 1. Planänderung ausdrücklich eine Fortsetzung des Planfeststellungsverfahrens beantragt.

Auf die nachfolgenden beiden Planänderungen und die dazu jeweils erst nach dem 31. Dezember 2014 durchgeführten Anhörungsverfahren kommt es im vorliegenden Zusammenhang entgegen der Auffassung der Klägerin nicht an, weil es sich nicht um wesentliche, die Identität des Vorhabens berührende Planänderungen gehandelt hat.

Die Übergangsregelung in § 4 Abs. 3 der 16. BImSchV ist an den gesetzlichen Übergangsregelungen in § 43 Abs. 1 Satz 2 und 3 [X.] orientiert und soll die untergesetzlichen an die gesetzlichen Übergangsfristen anpassen (vgl. die Begründung des [X.] der Bundesregierung, [X.]. 18/1280 [X.]). Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.] ist der in den Rechtsverordnungen aufgrund des § 43 Abs. 1 Satz 1 [X.] zur Berücksichtigung der Besonderheiten des Schienenverkehrs vorgesehene Abschlag von 5 dB(A) - der sogenannte [X.] - ab dem 1. Januar 2015 nicht mehr anzuwenden, soweit zu diesem Zeitpunkt für den jeweiligen Abschnitt eines Vorhabens das Planfeststellungsverfahren noch nicht eröffnet ist und die Auslegung des Plans noch nicht öffentlich bekannt gemacht wurde. Die Anknüpfung an die öffentliche Bekanntmachung der Auslegung gemäß § 73 Abs. 5 VwVfG soll sicherstellen, dass solche Planfeststellungsverfahren nach altem Recht weiterbetrieben werden, bei denen die [X.]n soweit bearbeitet sind, dass sie ausgelegt werden können (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des [X.], Bau und Stadtentwicklung, [X.]. 17/11610 [X.]; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], [X.], Stand Juni 2022, § 43 Rn. [X.]). Eine noch auf Basis der alten Rechtslage erzielte [X.] des Plans soll erhalten, der dafür getätigte Aufwand nicht nachträglich entwertet werden. Diesem Zweck entspricht es, dass eine bereits vor dem Stichtag vorgenommene [X.] nur dann durch spätere Änderungen der [X.]n im Planfeststellungsverfahren überholt und somit neues Recht anwendbar wird, wenn die Änderungen derart gewichtig sind, dass sie eine erneute öffentliche Auslegung des Plans gemäß § 73 Abs. 2 und 3 VwVfG erforderlich machen (im Ergebnis ebenso schon [X.], Urteil vom 6. September 2018 - 3 A 11.15 - [X.] 442.09 § 18 [X.] Nr. 85 Rn. 21). Das ist, wie § 73 Abs. 8 VwVfG verdeutlicht, nicht bei jeder Planänderung der Fall. Eines erneuten [X.] mit öffentlicher Auslegung des Plans bedarf es nur dann, wenn Änderungen das Gesamtkonzept der Planung berühren und die Identität des Vorhabens nicht wahren, weil sie zu einem nach Gegenstand, Art, Größe und Betriebsweise im Wesentlichen andersartigen Vorhaben führen (vgl. [X.], Urteile vom 27. Oktober 2000 - 4 A 18.99 - [X.]E 112, 140 <145> und vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - [X.]E 134, 308 Rn. 29).

Die beiden hier in Rede stehenden Planänderungen waren jeweils nicht wesentlich in diesem Sinne. Das gilt auch für die umfangreichere 1. Planänderung. Diese hatte zwar eine Vielzahl von Einzeländerungen zum Gegenstand, ließ die Identität des Vorhabens aber gleichwohl unberührt (vgl. zu einem vergleichbar gelagerten Fall auch [X.], Urteil vom 27. Oktober 2000 - 4 A 18.99 - [X.]E 112, 140 <145 f.>). Die Änderungen basierten auf einem veränderten Betriebsprogramm, das - anders als die Klägerin anzunehmen scheint - lediglich eine tatsächliche Grundlage, nicht aber Gegenstand der anlagenbezogenen (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.]) Planung ist und deshalb die Identität des Vorhabens nicht unmittelbar mitbestimmt. Die für die Gesamtkonzeption der Planung prägenden Hauptelemente des Vorhabens, der viergleisige Ausbau der Bestandsstrecke durch Erweiterung der vorhandenen Trasse um zwei zusätzliche Gleise sowie Anpassung bzw. Ertüchtigung der beiden Bestandsgleise, blieben unverändert. Die Änderungen beschränkten sich auf untergeordnete Elemente und Modalitäten der Ausgestaltung des Vorhabens.

Dass der Schallschutz überarbeitet wurde, rechtfertigt auch nicht im Kontext des § 4 Abs. 3 Satz 1 der 16. BImSchV die Annahme einer wesentlichen Planänderung. Der Verordnungsgeber knüpft die Anwendbarkeit der [X.] an eine bis zum 31. Dezember 2014 erfolgte [X.]. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass in solchen Fällen bei Anwendung der Neufassung der [X.] ein bereits erzielter, durch die Bekanntmachung nach außen dokumentierter Planungsfortschritt typischerweise verloren ginge. Dieser typisierende Ansatz lässt keinen Raum für eine einzelfallbezogene Differenzierung danach, inwieweit das [X.] nachträglich noch überarbeitet wird und dabei die Anwendung neuen Rechts tatsächlich einen konkreten Mehraufwand verursachen würde. Wegen der Anknüpfung der Übergangsregelung an eine [X.] bis zum 31. Dezember 2014 ist es auch unerheblich, dass die Planfeststellungsbehörde hier anlässlich beider Planänderungen unter Hinweis auf eine unzureichende Erkennbarkeit des [X.] der Betroffenen jeweils ein vollständig neues Anhörungsverfahren durchgeführt und sich nicht auf den in § 73 Abs. 8 Satz 1 VwVfG für den Fall einfacher Planänderungen vorgezeichneten Weg beschränkt hat.

Die Rechtmäßigkeit des [X.] ist in der Rechtsprechung des [X.]s geklärt ([X.], Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - [X.] 442.09 § 18 [X.] Nr. 92 Rn. 65 f. m. w. N.) und wird von der Klägerin im Grundsatz ebenso wenig in Frage gestellt wie die Fehlerfreiheit der Berechnung der Beurteilungspegel im Übrigen.

b) Auf den Grundstücken der Klägerin kommt es zu keinen unzulässigen Überschreitungen der Immissionsgrenzwerte gemäß § 2 der 16. BImSchV.

Für die Grundstücke mit den Flurstücksnummern 1215, 2012, 2071 und 2076 gilt dies schon deshalb, weil sie jeweils unbebaut sind und eine schutzbedürftige Nutzung auch sonst nicht erkennbar ist. Der Verkehrslärmschutz nach §§ 41 ff. [X.] und der Verkehrslärmschutzverordnung bezieht sich, wie auch aus § 42 Abs. 1 [X.] hervorgeht, auf bauliche Anlagen, die entweder schon vorhanden oder doch zumindest planerisch konkretisiert sind (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Oktober 2011 - 9 [X.] - [X.] 316 § 75 VwVfG Nr. 37 Rn. 5; [X.], [X.], 14. Aufl. 2022, § 41 Rn. 36; [X.], in: [X.]/[X.]/Saurer, [X.], 2021, § 41 Rn. 83). Es ist auch weder vorgetragen noch sonst erkennbar, dass die Grundstücke unabhängig von einer Bebauung dem dauerhaften Aufenthalt von Menschen zu dienen bestimmt und deshalb schutzbedürftig sein könnten (vgl. zum Schutz von Außenflächen etwa [X.], Urteil vom 5. Oktober 2021 - 7 A 13.20 - [X.]E 173, 296 Rn. 96 f. m. w. N.). Entsprechendes gilt für das Flurstück 1216. Es ist zwar mit einem früher zu gewerblichen Zwecken genutzten Gebäude bebaut. Diese Nutzung ist aber endgültig aufgegeben worden, nachdem der betreffende Gewerbebetrieb bereits vor Jahren in Insolvenz geraten war und eine Fortsetzung der gewerblichen Nutzung erklärtermaßen nicht den städtebaulichen Vorstellungen der Klägerin, die sich in dem Bebauungsplanentwurf für das Baugebiet "[X.]" niedergeschlagen haben, entspricht.

Für das Grundstück [X.] 8 (Flurstück 1677), auf dem sich ein Kindergarten befindet, ist nach den Berechnungen von [X.] von 49 dB(A) tags und 51 dB(A) nachts auszugehen (Erläuterungsbericht zum Schallschutz, [X.], Beilage 3A, [X.]). Der insoweit einschlägige Tag-Immissionsgrenzwert für Wohngebiete von 59 dB(A) gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV wird damit eingehalten. Der Immissionsgrenzwert für die Nacht von 49 dB(A) wäre zwar überschritten, findet insoweit aber keine Anwendung, weil die schutzwürdige Nutzung des Kindergartens nur am Tag ausgeübt wird (§ 2 Abs. 3 der 16. BImSchV).

2. Die fachplanerische Abwägung (§ 18 Abs. 1 Satz 2 [X.]), in deren Rahmen die Klägerin eine fehlerfreie Berücksichtigung ihrer eigenen Rechte und schutzwürdigen Belange beanspruchen kann (vgl. [X.], Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 10.19 - juris Rn. 38 m. w. N.), leidet nicht mit Blick auf die Planungshoheit der Klägerin an einem Mangel.

a) Die von der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG umfasste Planungshoheit vermittelt den Gemeinden eine wehrfähige, in die fachplanerische Abwägung einzubeziehende Rechtsposition gegen fremde Fachplanungen auf dem eigenen Gemeindegebiet, wenn das Vorhaben nachhaltig eine bestimmte Planung der Gemeinde stört, wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren gemeindlichen Planung entzieht oder gemeindliche Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich beeinträchtigt (stRspr, vgl. nur [X.], Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 10.19 - juris Rn. 39 m. w. N.). Darüber hinaus muss die Planfeststellungsbehörde auf noch nicht verfestigte, aber konkrete Planungsabsichten einer Gemeinde abwägend dergestalt Rücksicht nehmen, dass durch die Fachplanung von der Gemeinde konkret in Betracht gezogene städtebauliche Planungsmöglichkeiten nicht unnötigerweise "verbaut" werden ([X.], Urteile vom 6. September 2018 - 3 A 15.15 - [X.] 442.09 § 18 [X.] Nr. 86 Rn. 28 und vom 15. Oktober 2020 - 7 A 10.19 - juris Rn. 39). Welches Gewicht den jeweils betroffenen Belangen zukommt, wird auch davon bestimmt, ob ihr Träger sich vernünftigerweise auf die mit dem geplanten Vorhaben verbundenen Änderungen einstellen musste und deswegen nicht auf den Fortbestand einer bestimmten Situation vertrauen durfte ([X.], Urteile vom 28. März 2007 - 9 A 17.06 - [X.] 442.09 § 18 [X.] Nr. 64 Rn. 19 und vom 15. Oktober 2020 - 7 A 10.19 - juris Rn. 40). Demgemäß hat bei einer Konkurrenz von Fachplanung und Bauleitplanung diejenige Planung grundsätzlich Rücksicht auf die andere zu nehmen, die den zeitlichen Vorsprung hat; der Gesichtspunkt der Priorität ist ein wichtiges Abwägungskriterium ([X.], Urteile vom 21. März 1996 - 4 C 26.94 - [X.]E 100, 388 <394> und vom 3. April 2019 - 4 A 1.18 - [X.]E 165, 166 Rn. 33). Ferner gilt, dass je stärker eine Gemeinde schon von ihrer geographischen Lage oder ihrem sonstigen Ausstattungspotenzial her einer Situationsgebundenheit unterliegt, ihr Eingriffe, die an dieses Merkmal anknüpfen, desto eher zumutbar sind ([X.], Urteile vom 14. Dezember 2000 - 4 C 13.99 - [X.]E 112, 274 <291> und vom 15. Oktober 2020 - 7 A 10.19 - juris Rn. 40).

b) Ausgehend von diesen Maßstäben leidet der Planfeststellungsbeschluss hinsichtlich des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans der Klägerin für das Baugebiet "[X.]" nicht an einem Abwägungsfehler.

Die Planfeststellungsbehörde hat sich mit den dazu von der Klägerin erhobenen Einwendungen auseinandergesetzt und diese unter Hinweis auf den [X.], der hier zugunsten der Fachplanung eingreife, sowie die Möglichkeit, gesunde Wohnverhältnisse mit Mitteln des Bauplanungsrechts zu gewährleisten, zurückgewiesen (Planfeststellungsbeschluss S. 377, 393, 407). Diese Erwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Sie bewegen sich innerhalb der Grenzen, die das [X.] zieht und auf deren Einhaltung die gerichtliche Kontrolle beschränkt ist (stRspr, vgl. nur [X.], Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 10.19 - juris Rn. 37 m. w. N.).

Das planfestgestellte Vorhaben ist - wie bereits ausgeführt - nach dem ersten Anhörungsverfahren im Jahr 1997 in den wesentlichen, seine Identität prägenden Elementen unverändert geblieben. Die Fachplanung kann deshalb grundsätzlich Rücksichtnahme seitens der zeitlich späteren, im Juni 2014 eingeleiteten Bebauungsplanung der Klägerin beanspruchen und muss sich nicht etwa umgekehrt, wie von der Klägerin gefordert, an diese anpassen. Daran vermag auch der langjährige Stillstand des Planfeststellungsverfahrens im Ergebnis nichts zu ändern.

Der von der Klägerin für eine zeitliche Begrenzung des relativen Vorrangs der früheren Fachplanung angestellte wertende Vergleich mit der Geltungsdauer von [X.] nach § 18c Nr. 1 [X.] ist nicht tragfähig. Die Befristung der Geltungsdauer trägt zum einen der Tatsache Rechnung, dass mit zunehmendem zeitlichen Abstand vom Zeitpunkt der planerischen Entscheidung deren tatsächliche und rechtliche Grundlagen stetig zweifelhafter werden können. Zum anderen wächst die Unsicherheit der planbetroffenen Grundeigentümer, ob ihre Grundstücke zur Verwirklichung des Vorhabens benötigt werden ([X.], Urteil vom 24. November 1989 - 4 C 41.88 - [X.]E 84, 123 <128 f.>). Vorschriften wie § 18c Nr. 1 [X.] geben somit zwar einen Anhaltspunkt für die Dauer des Zeitraumes, in dem die Unsicherheiten einer Plandurchführung längstens als zumutbar erscheinen und von den [X.]n hinzunehmen sind (vgl. [X.], Urteil vom 20. Mai 1999 - 4 A 12.98 - [X.] 407.4 § 17 [X.] Nr. 154 S. 31). Diese für den Zeitraum nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses getroffene gesetzliche Wertung lässt sich aber nicht auf die dem Erlass vorausgehende Planungsphase übertragen. Eine feste Begrenzung der Dauer eines Planfeststellungsverfahrens bzw. eine Entscheidungsfrist, binnen derer über einen Antrag auf Planfeststellung zu befinden ist, existiert im geltenden Recht nicht. Das Gebot zügiger Verfahrensdurchführung, das in § 10 Satz 2 VwVfG für nichtförmliche Verwaltungsverfahren aufgestellt ist, in gewisser Weise aber auch dem Planfeststellungsrecht der §§ 72 ff. VwVfG zugrunde liegt, gibt keine feste Zeitgrenze dafür vor, welche Verfahrensdauer angemessen ist. Die Angemessenheit variiert vor allem mit der Komplexität eines Vorhabens und den im Einzelfall zu überwindenden Widerständen. Vorrangig sind in jedem Fall die Pflichten zur Optimierung des Vorhabens und zur vollständigen Problembewältigung. Dem trägt das Planfeststellungsrecht Rechnung, indem es zwar für einzelne Verfahrensschritte Fristen vorsieht (vgl. § 73 Abs. 3, 3a, 4 oder 9 VwVfG, § 18a Nr. 1 [X.]), nicht aber für die abschließende Sachentscheidung oder die Gesamtlänge des Verfahrens. Darin kommt zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber der Optimierung der Planung Vorrang einräumt. [X.] können im Planfeststellungsverfahren daher lediglich verlangen, dass ihre Rechte im Verfahren gewahrt und durch die Regelungen des Planfeststellungsbeschlusses nicht verletzt werden ([X.], Urteil vom 29. Juni 2017 - 3 A 1.16 - [X.] 442.09 § 18 [X.] Nr. 77 Rn. 34).

Gleichwohl kann der Dauer eines Planfeststellungsverfahrens, zumal bei einem - wie hier - langjährigen faktischen Verfahrensstillstand, eine Relevanz für das Verhältnis von Fachplanung und konkurrierender Bauleitplanung sowie das Maß der jeweils gebotenen Rücksichtnahme nicht generell abgesprochen werden. Je länger ein Planfeststellungsverfahren andauert und je weniger dies durch Sachgründe gerechtfertigt ist, desto weniger ist es einer Gemeinde zumutbar, ihre eigenen planerischen Vorstellungen mit Rücksicht auf die Fachplanung zurückzustellen. In diesem Maße verringert sich der relative Vorrang, den die Fachplanung aufgrund ihres zeitlichen Vorsprungs beanspruchen kann, und wächst ihre Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die gemeindliche Planungshoheit. Auch dies führt vorliegend freilich nicht auf einen Abwägungsfehler.

Zum einen musste sich die Klägerin trotz der langen Dauer des Planfeststellungsverfahrens auf die mit dem geplanten Vorhaben verbundenen Änderungen einstellen. Da das Gesamtvorhaben, die Ausbau- und Neubaustrecke [X.] - [X.] - [X.]/[X.] - [X.], seit 1993 als laufendes und fest disponiertes Vorhaben des vordringlichen Bedarfs im Bedarfsplan des Schienenwegeausbaugesetzes vorgesehen ist, bestand kein Anlass zu der Annahme, das Vorhaben sei zwischenzeitlich aufgegeben worden (vgl. [X.], Urteil vom 6. September 2018 - 3 A 11.15 - [X.] 442.09 § 18 [X.] Nr. 85 Rn. 45). Das gilt auch deshalb, weil nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten im Zeitpunkt des Beschlusses der Klägerin über die Aufstellung des Bebauungsplans andere Abschnitte des [X.] bereits fertiggestellt oder in Bau waren (vgl. auch Erläuterungsbericht, [X.] 0.1b, [X.] f.).

Zum anderen ist nichts dafür ersichtlich, dass das Vorhaben die von der Klägerin beabsichtigten [X.] unnötigerweise "verbauen" würde. [X.] zum Ausbau der [X.] sowie Varianten für den Planfeststellungsabschnitt wurden untersucht und verworfen (Planfeststellungsbeschluss, [X.] - 153, Erläuterungsbericht, [X.] 0.1b, [X.]). Dagegen hat die Klägerin keine Einwände erhoben. Eine eindeutig vorzugswürdige, die Planungshoheit der Klägerin nicht oder in geringerem Maße berührende Ausführungsalternative ist auch sonst nicht ersichtlich. Im Übrigen lässt sich nicht feststellen, dass das Vorhaben die Festsetzung eines Misch-, Dorf- oder allgemeinen Wohngebiets unmöglich macht. Gesunde Wohnverhältnisse können nicht nur durch Schallschutz am Schienenweg, sondern auch durch Festsetzung von Flächen für Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen sowie von baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen zum Schutz vor solchen Einwirkungen im Baugebiet gewährleistet werden (§ 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB). Je nach den Umständen des Einzelfalls kann es [X.] auch zulässig sein, die Immissionen durch eine Kombination von passivem Schallschutz, Stellung und Gestaltung von Gebäuden sowie Anordnung der Wohn- und Schlafräume zu mindern ([X.], Urteile vom 22. März 2007 - 4 CN 2.06 - [X.]E 128, 238 Rn. 15 und vom 6. September 2018 - 3 A 15.15 - [X.] 442.09 § 18 [X.] Nr. 86 Rn. 29). Aus dem Vorbringen der Klägerin, die insoweit eine Darlegungsobliegenheit trifft (vgl. [X.], Urteil vom 30. August 1993 - 7 A 14.93 - [X.] 442.08 § 36 [X.] Nr. 23 [X.] f.), ergibt sich nicht, dass eine solche Konfliktbewältigung mit den Mitteln des Bauplanungsrechts hier nicht möglich ist. Im Gegenteil erscheint eine Kombination von passivem Schallschutz, Stellung und Gestaltung von Gebäuden sowie Anordnung der Wohn- und Schlafräume hier in besonderer Weise als geeignet, weil die Grenzwertüberschreitungen relativ gering sind und nur in der Nacht drohen. Ein solches Vorgehen ist der Klägerin auch deshalb zumutbar, weil sie mit ihren planerischen Entwicklungsmöglichkeiten in dem hier in Rede stehenden räumlichen Bereich einer Situationsgebundenheit durch die Bestandsstrecke und die damit verbundene Lärmvorbelastung unterliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.

Meta

7 A 9/21

23.11.2022

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: A

Art 28 Abs 2 S 1 GG, § 18 Abs 1 S 2 AEG, § 18e Abs 5 AEG, § 39 Abs 1 S 2 AEG, § 41 BImSchG, § 42 BImSchG, § 43 BImSchG, § 1 Abs 1 Nr 5 VerkPBG, § 1 Abs 2 VerkPBG, § 5 Abs 1 VerkPBG, § 5 Abs 3 VerkPBG, § 11 Abs 2 VerkPBG, § 2 BImSchV 16, § 4 Abs 3 BImSchV 16, Anl 2 BImSchV 16

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23.11.2022, Az. 7 A 9/21 (REWIS RS 2022, 8925)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8925

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