Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.01.2017, Az. XI ZR 365/14

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 17712

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:100117BX[X.]365.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS

XI ZR 365/14
vom

10. Januar 2017

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat am
10.
Januar 2017 durch den Vizepräsidenten Prof. [X.], [X.] und [X.]
sowie die Richterinnen Dr.
Derstadt und [X.]
beschlossen: Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 5.
Zivilsenats des [X.] vom 18.
Juni 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.],
an einen anderen Senat des
Berufungsge-richts zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert
für das Beschwerdeverfahren beträgt 30.646,84

Gründe:
I.
Der Kläger nimmt die beklagte Bank
wegen Beratungspflichtverletzungen auf Rückabwicklung einer Beteiligung an einer Fondsgesellschaft in Anspruch.
Auf Empfehlung eines Mitarbeiters
der Beklagten beteiligte sich der Klä-ger am 14.
Dezember 2000 mit einem Betrag von 60.000
DM zuzüglich eines 1
2
-
3
-
Agio von 3.000
DM an dem geschlossenen Immobilienfonds H

GmbH & Co. KG. Nach dem [X.] hatte die Beteili-gungsgesellschaft
einen Vertrag über
die Einwerbung des Eigenkapitals mit der H.

C

GmbH geschlossen, die für Vertriebs-
und Werbemaßnahmen eine Vergütung von 10.664.100
DM erhalten sollte. Die H.

C.

GmbH war ausweislich des Prospekts berechtigt, leistungsfähige Dritte mit der Erbringung einzelner Leistungen zu beauftragen, insbesondere Vertriebsvereinbarungen mit Banken, Sparkassen, privaten Anlageberatern und anderen Gesellschaften abzuschließen.
Die Beklagte erhielt für den Vertrieb der Anteile an den Kläger Provisio-nen in unbekannter Höhe. Zumindest die Höhe der Provisionen wurde dem Kläger im [X.] nicht offengelegt.

Der Kläger, der Ausschüttungen in Höhe von 1.564,55

verlangt unter Berufung auf mehrere Beratungsfehler Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus der Beteiligung Rückzahlung des eingesetzten Kapitals
(32.211,39

abzüglich der erlangten
Ausschüttungen
sowie entgangene Anla-gezinsen
in Höhe von 14.173,01

jeweils nebst [X.]. Au-ßerdem begehrt er,
den Annahmeverzug der Beklagten mit der Übertragung des [X.] festzustellen.

Das [X.] hat die Klage nach informatorischer
Anhörung des [X.] sowie Vernehmung
der Anlageberater (Zeugen R.

und W.

)
abge-wiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das
Berufungsgericht der
Klage in Höhe von 30.646,84

nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der [X.] aus der Beteiligung stattgegeben, den
Annahmeverzug der [X.] und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.
Zur Begründung hat 3
4
5
-
4
-
es

soweit im [X.] von Interesse

ausge-führt:
Durch die Beratung im Dezember 2000 sei zwischen den [X.]en ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Die Beklagte sei dem Kläger wegen schuldhafter Verletzung der aus dem Beratungsvertrag resultierenden Pflicht zur Aufklärung über die ihr zugeflossenen
Rückvergütungen zum [X.] verpflichtet. Für den Kläger streite die zur Beweislastumkehr füh-rende widerlegliche Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens. Die Beklagte habe nicht hinreichend dargetan, dass
der Kläger die Kommanditbeteiligung entgegen seinem Vortrag auch dann erworben hätte, wenn ihm die Höhe der Rückvergütungen offenbart worden wäre.
Sie habe nicht dargelegt, dass der Kläger die von ihm erhoffte Steuerersparnis ausschließlich mit der ihm empfoh-lenen Kommanditbeteiligung oder mit anderen Kapitalanlagen mit vergleichba-ren Rückvergütungen hätte erzielen können. Selbst für den Fall, dass der Klä-ger bei der Zeichnung einer weiteren Kommanditbeteiligung sieben Jahre [X.] im Jahr 2007 über die konkrete Höhe der dortigen Rückvergütungen [X.] worden sein sollte, genüge dies nicht, um von der fehlenden Ursächlichkeit der [X.] unterbliebenen Aufklärung über die konkrete Höhe der Rück-vergütungen für die hier in Rede stehende Anlageentscheidung auszugehen. Der Schadensersatzanspruch sei nicht verjährt. Es lasse sich nicht feststellen, dass die subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns (§
199 Abs.
1 Nr.
2 BGB) vor Ablauf des Jahres 2007 vorgelegen hätten, so dass die im [X.] eingereichte Klage die Verjährung rechtzeitig gehemmt habe.
Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten.

6
7
-
5
-
II.
Die Revision ist gemäß §
543 Abs.
2 Satz
1 Nr.
2 Fall
2 ZPO
zur Siche-rung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, weil das angefochtene Urteil, soweit es zu Lasten der Beklagten ergangen ist, deren
Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt (vgl. [X.] vom 11.
Mai 2004

XI
ZB 39/03, [X.], 135, 139
f.,
vom 20.
Oktober 2015

XI
ZR 532/14, [X.], 2279 Rn.
9 und vom 15.
März 2016

XI
ZR 208/15, juris Rn. 8).
1.
Rechtsfehlerfrei und von der Nichtzulassungsbeschwerde nicht [X.] ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass zwischen den [X.]en stillschweigend ein Beratungsvertrag zustande gekommen ist, aufgrund
dessen die Beklagte verpflichtet war, den Kläger über die von ihr ver-einnahmten Rückvergütungen aufzuklären, und dass eine ordnungsgemäße Aufklärung des [X.] über diese Rückvergütungen weder mündlich noch durch eine Übergabe des [X.]s erfolgt ist (vgl. Senatsurteil vom 8.
Mai 2012

XI
ZR 262/10, [X.], 159 Rn. 15 ff. [X.]). Auch hat das Be-rufungsgericht rechtsfehlerfrei und von der Nichtzulassungsbeschwerde unan-gegriffen insoweit ein Verschulden der Beklagten bejaht (vgl. Senatsurteil vom 8.
Mai 2012

XI
ZR 262/10, [X.], 159 Rn. 24 f. [X.]).
2. Ebenfalls rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegan-gen, dass die Beklagte die Darlegungs-
und Beweislast für ihre Behauptung trägt, der Kläger hätte die Beteiligung auch bei gehöriger Aufklärung über die Rückvergütungen erworben.
Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflich-ten verletzt hat, beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der Geschädigte den Rat oder Hin-8
9
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6
-
weis also unbeachtet gelassen hätte. Diese sogenannte "Vermutung aufklä-rungsrichtigen Verhaltens" gilt für alle Aufklärungs-
und Beratungsfehler eines Anlageberaters, insbesondere auch dann, wenn Rückvergütungen pflichtwidrig nicht offengelegt wurden. Hierbei handelt es sich nicht lediglich um eine Be-weiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung (Senatsurteile
vom 8.
Mai 2012

XI
ZR 262/10, [X.], 159 Rn. 27 ff.
und vom 15.
März 2016

XI
ZR 122/14, [X.], 780 Rn. 17 [X.]).
3. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt jedoch zu Recht, dass das [X.] Urteil den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG)
verletzt, weil es
einen erheblichen Beweisantritt der Beklagten
zur Widerlegung der Kausalitätsvermutung unbeachtet gelassen hat.
a) Art.
103 Abs.
1 GG verpflichtet das Gericht, den Vortrag der [X.]en zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen ([X.] 65, 293, 295
f.; 70, 288, 293; 83, 24, 35). Dazu gehört, erhebliche Beweisanträge zu berücksichtigen ([X.] 60, 247, 249; 65, 305, 307; 69, 141, 143 f.). Ein Verstoß gegen Art.
103 Abs.
1 GG setzt
dabei eine gewisse Evidenz der Gehörsverletzung voraus. Im Einzelfall müssen besondere Um-stände vorliegen, die deutlich ergeben, dass das Vorbringen entweder über-haupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist ([X.] 79, 51, 61; 86, 133, 145 f.; 96, 205, 216 f.). Die Vorschrift gewährt allerdings keinen Schutz dagegen, dass das Gericht [X.] der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt ([X.] 51, 188, 191; 62, 249, 254; 96, 205, 216). Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art.
103 Abs.
1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. [X.] 60, 250, 252; 65, 305, 307; 69, 141, 144).
11
12
-
7
-
b)
Nach diesen Maßstäben ist Art.
103 Abs.
1 GG verletzt.
aa) Die Beklagte hat bereits in
der Klageerwiderung (dort S. 45 f.) unter anderem vorgetragen, dass der Kläger aufgrund seiner hohen Einkommensteu-erlast gerade diese steueroptimierte Beteiligung habe zeichnen wollen, so dass er sich auch bei Kenntnis der Höhe der an die Beklagten gezahlten Vertriebs-provisionen für die Beteiligung an dem streitgegenständlichen Fonds [X.] hätte. Dies hat sie unter Beweis gestellt durch die Vernehmung des [X.] als [X.]. Diesen Beweisantritt hat die Beklagte in einem späteren Schriftsatz gegenüber dem [X.] nochmals wiederholt (Schriftsatz vom 3.
Dezember 2012, S.
18).
Einem Gehörsverstoß steht

anders als die Beschwerdeerwiderung meint

nicht entgegen, dass die Beklagte ihren Antrag auf [X.]vernehmung des [X.] in der [X.] nicht nochmals ausdrücklich aufgegrif-fen, sondern lediglich global darauf Bezug genommen hat, in erster Instanz "ein Bündel von Tatsachen und Indizien"
vorgetragen zu haben, "die zur Widerle-gung der Vermutung der haftungsbegründenden Kausalität einer etwaigen Pflichtverletzung insbesondere im Hinblick auf die Offenlegung von [X.]"
geeignet sind, und "über die, sofern das Gericht dem [X.] nicht "
Dem [X.] obliegt es gemäß §
521 Abs.
2 Satz
2 i.V.m. §
277 ZPO nur, seine Verteidigungsmittel insoweit vorzubringen, als es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung ent-spricht. Danach darf er sein Ziel in erster Linie darin sehen, die zu seinen Guns-ten ergangene Entscheidung zu verteidigen und neue Angriffsmittel des [X.] abzuwehren ([X.], Urteil vom 13.
März 1981

I
ZR 65/79, NJW 1982, 581, 582; [X.], [X.], 131). Die Nichtberücksichtigung eines nur in erster Instanz erfolgten Beweisantritts verletzt dann Art.
103 Abs.
1 GG, 13
14
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-
8
-
wenn das Erstgericht das Angriffsmittel für unerheblich gehalten hat, das unter Beweis
gestellte Vorbringen nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichts [X.] erheblich wird ([X.] 70, 288, 295; [X.], NJW-RR 1993, 636, 637; [X.], Beschluss vom 11.
März 2010

V
ZR 165/09, juris [X.]). So verhält
es sich hier. Das [X.] hat die Klage abgewiesen, weil es die Kausalitäts-vermutung bereits aufgrund der von der Beklagten vorgebrachten und nach Vernehmung der Zeugen R.

und W.

als erwiesen erachteten Hilfstatsa-chen (Indizien) als widerlegt und die Klageforderung zudem als verjährt erachtet hat.
[X.]) Das Beweisangebot der Beklagten
auf [X.]vernehmung des [X.] ist
erheblich. Die Beklagte hat eine für die Entscheidung wesentliche Tat-sache

Fehlen der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden

unmit-telbar selbst zum Gegenstand des Beweisantrags gemacht. Stellte sich der Sachvortrag in der Beweisaufnahme als richtig heraus, stünde die fehlende Kausalität der Pflichtverletzung fest. Weitere Einzelheiten oder Erläuterungen sind zur Substantiierung des Beweisantrags auf
Vernehmung des Gegners als [X.] grundsätzlich nicht erforderlich (Senatsurteil vom 8.
Mai 2012

XI
ZR 262/10, [X.], 159 Rn. 39; Senatsbeschluss vom 24.
Juni 2014

XI
ZR 219/13, juris Rn. 12).
cc) Ein unbeachtlicher, auf Ausforschung zielender Beweisermittlungsan-trag, der auf der willkürlichen Behauptung einer bestimmten Motivationslage "aufs Geratewohl"
oder "ins Blaue hinein"
gründete, ist nicht gegeben. Die [X.] hat mit dem Verweis auf die Motivation des [X.]
zur Steuerersparnis und dem
Hinweis auf sein nachfolgendes
Anlageverhalten
Anhaltspunkte vor-getragen, die
dafür sprechen,
dass der Kläger auch in Kenntnis der Rückvergü-tung die Beteiligung gezeichnet hätte. Angesichts dessen kann eine Behaup-tung ins Blaue hinein nicht angenommen werden, zumal die [X.]vernehmung 16
17
-
9
-
nach §
445 Abs.
1 ZPO nicht die Wahrscheinlichkeit der unter Beweis gestellten Tatsache voraussetzt (Senatsurteil vom 8.
Mai 2012

XI
ZR 262/10, [X.], 159 Rn. 39; Senatsbeschluss vom 24.
Juni 2014

XI
ZR 219/13, juris Rn.
13
[X.]).
[X.]) Von der Vernehmung des [X.] als [X.] konnte das Berufungs-gericht nicht deshalb absehen, weil er vom [X.] informatorisch angehört worden ist (vgl. [X.], Beschluss vom 28.
April 2011

V
ZR 220/10, juris Rn.
13; Senatsbeschluss vom 24.
Juni 2014

XI
ZR 219/13, juris Rn.
18). Anders als die Beschwerdeerwiderung meint,
hätte die Beklagte in erster Instanz auch nicht gemäß §
295 ZPO rügen
müssen, dass der Kläger "nur"
informatorisch angehört worden ist. Dem [X.] ist kein Verfahrensfehler unterlaufen. Es hat den zu erbringenden Gegenbeweis bereits
nach Würdigung der [X.] auf Grundlage der informatorischen Anhörung des [X.] und Verneh-mung der Zeugen als geführt erachtet.
ee) Schließlich stand der Grundsatz der Subsidiarität der [X.]verneh-mung nach §
445 Abs.
1 ZPO der Beweiserhebung nicht entgegen. Für die un-mittelbare Beweisführung zu
der Behauptung, die Höhe der Rückvergütungen sei für die Anlageentscheidung des [X.] ohne Bedeutung gewesen, steht der Beklagten
kein anderes Beweismittel zur Verfügung.
c) Das Berufungsurteil beruht auf der Gehörsverletzung. Diese Voraus-setzung ist schon dann erfüllt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders ent-schieden hätte (vgl.
[X.] 60, 247, 250; 65, 305, 308; 89, 381, 392 f.). Dies ist der Fall, weil die Beklagte den Nachweis fehlender Kausalität der vom [X.] festgestellten [X.] mit dem von ihr ange-botenen Beweismittel möglicherweise geführt hätte.

18
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20
-
10
-
4. Unabhängig davon sind dem Berufungsgericht auch im Rahmen der Würdigung der von der Beklagten zur Widerlegung der Kausalitätsvermutung vorgetragenen Indizien weitere Gehörsverstöße unterlaufen. Dies rügt die
Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten mit Recht.
a) Der Kläger investierte über die Beklagte in der [X.] von 1993 bis 2008 in insgesamt 14 geschlossene
Fonds. Die Beklagte hat zur Widerlegung der Kausalitätsvermutung unter
anderem vorgetragen, der Kläger habe, nachdem er vom Berater W.

im Jahr 2009 davon erfahren gehabt habe, dass die [X.] bei sämtlichen Beteiligungen Rückvergütungen erlangt habe, nur
bei den drei Fondsbeteiligungen eine Rückabwicklung verlangt, die sich wirtschaftlich nicht wie prognostiziert entwickelt hätten (Schriftsätze
vom
3.
Dezember 2012, Seite 16
f.
und vom 20.
Januar 2014, Seite 5 ff.). Dies liefert ein vom Tatgericht zu würdigendes Indiz für die Behauptung der Beklagten, der Kläger hätte auch bei korrekter Aufklärung
die vorliegende Fondsbeteiligung gezeichnet (vgl. Se-natsurteile vom 8.
Mai 2012

XI
ZR 262/10, [X.], 159 Rn. 50 und vom 15.
Juli 2014

XI
ZR 418/13, [X.], 1670 Rn. 29). Das Berufungsgericht ist darauf in den Entscheidungsgründen nicht eingegangen.
Zwar verpflichtet Art.
103 Abs.
1 GG das Gericht nicht dazu, sich mit je-dem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. [X.] müssen besondere
Umstände im Einzelfall deutlich
machen, dass tat-sächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist ([X.] 86, 133, 145; 88, 366, 375 f. [X.]).
Solche Umstände
sind hier aber gegeben. Das Berufungsgericht ist im Rahmen seiner tatrichterlichen Würdigung auf alle anderen [X.] eingegangen, hat dieses
zentrale Argument der Beklagten jedoch unbe-antwortet gelassen, obwohl es in anderem Zusammenhang ausdrücklich zu-grunde gelegt hat, dass der Kläger im Jahr 2009 Kenntnis von Rückvergütun-21
22
23
-
11
-
gen bei den bereits bestehenden Beteiligungen erlangt hat. Dies lässt
sich nur damit erklären, dass es dieses Vorbringen übersehen hat.
Dass es dem [X.] Anlageverhalten unter anderem auch wegen des zeitlichen Abstands von sieben Jahren keine Bedeutung beigemessen hat, lässt

entgegen der [X.] der Beschwerdeerwiderung

nicht den Schluss zu, es habe damit auch den Gesichtspunkt der selektiven Rückabwicklung verlustbringender Fonds ab-handeln wollen.
Das Berufungsurteil beruht auch auf dieser Gehörsverletzung, weil nicht auszuschließen ist, dass sich das Berufungsgericht
bei Berücksichtigung dieses Umstands

zumindest in der Gesamtwürdigung mit anderen Indiztatsachen

von der fehlenden Ursächlichkeit der festgestellten [X.] hätte überzeugen lassen.
b)
Des
Weiteren hat das Berufungsgericht den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt, weil es nicht vorab darauf hingewiesen hat, ihrem Vortrag zur erstrebten Steu-erersparnis als Indiztatsache keine Aussagekraft beimessen zu wollen, weil sie nicht zusätzlich dargetan habe, dass die erhoffte Steuerersparnis ausschließlich mit der dem Kläger empfohlenen Kommanditbeteiligung oder mit anderen Kapi-talanlagen mit
vergleichbaren Rückvergütungen hätte erzielt werden können (vgl. Senatsurteil vom 8.
Mai 2012

XI
ZR 262/10, [X.], 159 Rn.
53).

aa) Nach der Rechtsprechung des [X.] darf eine in erster Instanz siegreiche [X.] darauf vertrauen, vom Berufungsgericht rechtzeitig einen Hinweis nach §
139 ZPO zu erhalten, wenn es der Beurteilung der Vorinstanz
nicht folgen will, insbesondere aufgrund seiner abweichenden [X.] eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält ([X.], Urteil vom 19.
August 2010

VII
ZR 113/09, NJW 2010, 3089 24
25
26
-
12
-
Rn.
18; [X.], Beschlüsse vom 10.
März 2011

VII
ZR 40/10, NJW-RR 2011, 742 Rn.
6
ff. und vom 10.
Juli 2012

II
ZR 212/10, [X.], 1771 Rn.
6
[X.]). Gerichtliche Hinweispflichten dienen der Vermeidung von Überraschungsent-scheidungen und konkretisieren den Anspruch der [X.]en auf rechtliches Ge-hör ([X.] 84, 188, 189 f.). Rechtliche Hinweise müssen danach den [X.]-en in ihrer konkreten Situation so erteilt werden, dass es diesen auch tatsäch-lich möglich ist, vor einer Entscheidung zu Wort zu kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können, sie also nicht gehindert werden, rechtzeitig ihren Sachvortrag zu ergänzen ([X.] 84, 188, 189; 86, 133, 144).
Ein rechtlicher Hinweis ist hingegen regelmäßig nicht geboten, wenn eine [X.] in erster Instanz obsiegt hat, die dem ihr günstigen Urteil zugrundelie-gende Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts als zentraler Streitpunkt zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt wird und das Berufungsgericht sich sodann der Auffassung des [X.] anschließt. In diesem Fall muss die in erster Instanz erfolgreiche [X.] von vornherein damit rechnen, dass das Berufungsgericht anderer Auffassung ist; seine dementsprechende Entscheidung kann im Grundsatz nicht überraschend sein. Das Berufungsge-richt hat regelmäßig keinen Anlass zu der Annahme, trotz der in der Berufung zentral geführten Auseinandersetzung über den Streitpunkt bestehe noch [X.] und müsse der [X.] Gelegenheit zu weiterem Vortrag und Beweisantritt gegeben werden ([X.], Urteil vom 19.
August 2010

VII
ZR 113/09, NJW 2010, 3089 Rn.
18; [X.], Beschluss vom 10.
Juli 2012

II
ZR 212/10, [X.], 1771 Rn. 7).
[X.]) Nach diesen Grundsätzen stellt es eine gegen Art.
103 Abs.
1 GG verstoßende Überraschungsentscheidung dar, dass das Berufungsgericht ohne vorherigen Hinweis den Vortrag der Beklagten zur erstrebten Steuerersparnis 27
28
-
13
-
als nicht ausreichend angesehen hat, um eine Indiztatsache schlüssig darzule-gen.
Das [X.] hatte dies anders bewertet, zum Motiv der [X.] erhoben durch Vernehmung des Zeugen R.

und in den Entscheidungsgründen maßgeblich auf diesen Umstand abgestellt. Der Kläger hat den (unzureichenden) Vortrag der Beklagten zu diesem Indiz auch nicht zu einem dahingehenden Berufungsangriff genutzt. In der Berufungsbegründung hat der Kläger zwar auch geltend gemacht, allein mit der Behauptung, er hätte den Fonds auch in Kenntnis der Rückvergütungen gezeichnet, weil es ihm auf die Erzielung von Steuervorteilen angekommen sei, lasse sich die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens "nach der ständigen Rechtsprechung"
nicht widerlegen. Den für diese Auffassung in Bezug genommenen Urteilen ([X.], Urteile vom 22.
März 2010

II
ZR 193/08, juris, vom 31.
Mai 2010

II
ZR 30/09, [X.], 1310 und vom 17.
Mai 2011

II
ZR 202/09, [X.], 554; [X.], Urteil vom 2.
April 2009

27
U 105/07, juris) lässt sich aber nichts dafür entnehmen, dass es für die Indizwirkung auf weiteren Vortrag, die erstrebte Steuerersparnis sei nur bei
Kapitalanlagen mit vergleichbaren Rückvergütungen zu erzielen gewesen, ankommen könnte. Die Urteile haben sich allein damit befasst, ob bei einer
werthaltigen Anlage, wie einem Immobilienfonds, ange-nommen werden kann, eine pflichtgemäße Aufklärung über wichtige, für die Werthaltigkeit der Anlage abträgliche Umstände hätte beim Anleger allein schon deshalb nur einen

die Kausalitätsvermutung ausschließenden

"[X.]"
begründet, weil mit erheblichen Steuervorteilen geworben [X.] sei. Damit hat die vom Berufungsgericht entschiedene Fallkonstellation nichts zu tun. Zum einen hat das Berufungsgericht keine Aufklärungspflichtver-letzung über Umstände, die der Werthaltigkeit der Anlage abträglich sind, [X.]. Zum anderen ist das Fehlen eines Entscheidungskonflikts als [X.] bereits annährend zwei Jahre vor Abfassen 29
-
14
-
der Berufungsbegründung mit Senatsurteil vom 8.
Mai 2012 für alle [X.] aufgegeben worden
(XI
ZR 262/10, [X.]Z
193, 159 Rn. 33). Die von der Berufungsbegründung
angeführte Rechtsprechung war daher überholt.
cc) Auch dieser Verstoß gegen Art.
103 Abs.
1 GG ist entscheidungser-heblich. Nach dem Vortrag der Nichtzulassungsbeschwerde hätte die Beklagte auf einen entsprechenden Hinweis beweisbewehrt vorgetragen, dass die beab-sichtigte Steuerersparnis nur mit Fondsbeteiligungen zu erzielen gewesen wä-re, bei denen ebenfalls Rückvergütungen in zumindest vergleichbarer Höhe angefallen wären. Möglicherweise hätte das Berufungsgericht auf Grundlage eines solchen Vorbringens zur Widerlegung der Kausalitätsvermutung anders entschieden.

III.
Das angefochtene Urteil ist daher gemäß §
544 Abs.
7 ZPO im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache insoweit zur neuen [X.] und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. [X.] hat der Senat von der gerade auch im Anwendungsbereich des §
544 Abs.
7 ZPO bestehenden Möglichkeit des §
563 Abs.
1 Satz
2 ZPO Gebrauch gemacht (Senatsbeschluss vom 20.
Oktober 2015

XI
ZR 532/14, [X.], 2279 Rn. 9 [X.]).

Das Berufungsgericht wird den Kläger als [X.] (§
445 Abs.
1 ZPO) zu der Behauptung der Beklagten zu vernehmen haben,
die Rückvergütungen [X.] für seine Anlageentscheidung ohne Bedeutung gewesen. Die Aussage wird es zusammen mit den von der Beklagten benannten und

zum Teil

vom [X.] festgestellten Indiztatsachen, soweit es diese seiner Entscheidung 30
31
32
-
15
-
gemäß §
529 Abs.
1 Nr.
1 ZPO zugrunde legen will, zu würdigen haben.
In die-sem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass
mehrere Hilfstatsachen, die für sich allein betrachtet keinen sicheren Rückschluss auf die [X.] zulassen, vom Tatrichter auch darauf zu prüfen sind, ob sie in einer Gesamt-schau
geeignet sind, ihn von der beweisbedürftigen Behauptung zu überzeugen (Senatsurteil vom 8.
Mai 2012

XI
ZR 262/10, [X.], 159 Rn.
45).
Soweit das Berufungsgericht
den auf eine [X.] über Rückvergütungen gestützten Anspruch als nicht verjährt erachtet hat, weist
die tatrichterliche Würdigung allerdings entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde
keine durchgreifenden Rechts-
oder Verfahrens-fehler auf. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass der Kläger vor Ab-lauf des Jahres 2007 positive Kenntnis von Rückvergütungen bei der hier in Rede stehenden Fondsbeteiligung hatte oder diese Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruhte

199 Abs.
1 Nr. 2 BGB). Insbesondere ist es zutreffend davon ausgegangen, dass die vom [X.] aufgrund der Aussage des Zeugen R.

getroffene Feststellung, dieser sei "die Kosten für die Vermitt-lung"
in der Gesamtkostenaufstellung
mit dem Kläger durchgegangen, keine Aufklärung darüber beinhaltet, die Beklagte vereinnahme Provisionen (vgl. [X.] vom 9.
März 2011

XI
ZR 191/10, [X.], 925 Rn. 27 und

33
-
16
-

vom 20.
November 2012

XI
ZR 205/10, juris Rn. 21; Senatsurteil vom 4.
Februar 2014

XI
ZR 398/12, [X.], 200 Rn. 19). Die gegenteilige Ein-schätzung des [X.]s, dies hätte dem Kläger auf Grundlage dieser Erör-terungen "klar sein müssen", traf nicht zu.

Ellenberger
[X.]
Matthias

Derstadt
Dauber

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.02.2014 -
9 O 1908/11 -

OLG Naumburg, Entscheidung vom 18.06.2014 -
5 [X.] -

Meta

XI ZR 365/14

10.01.2017

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.01.2017, Az. XI ZR 365/14 (REWIS RS 2017, 17712)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 17712

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XI ZR 365/14

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