Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.04.2021, Az. 4 StR 522/20

4. Strafsenat | REWIS RS 2021, 6334

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Strafurteil wegen fahrlässiger Trunkenheitsfahrt: Erörterungsmangel durch Unterlassen von Ausführungen zur Entziehung der Fahrerlaubnis und Verhängung einer isolierten Fahrerlaubnissperre


Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 25. August 2020 aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Anordnung einer Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis unterblieben ist.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Raubes in Tateinheit mit „vorsätzlicher“ Körperverletzung in Tatmehrheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, „vorsätzlicher“ Körperverletzung in fünf tatmehrheitlichen Fällen, Diebstahls mit Waffen in drei tatmehrheitlichen Fällen, Diebstahls in drei tatmehrheitlichen Fällen, fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, Nötigung, versuchter Nötigung und Beleidigung in Tatmehrheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung in Tatmehrheit mit Missbrauch von Notrufen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Wegen weiterer Anklagevorwürfe hat es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.

2

Die Staatsanwaltschaft hat sich gegen dieses Urteil zunächst mit der unbeschränkten, auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision gewendet, diese aber nur zu einzelnen Angriffspunkten näher begründet. Jedenfalls nach der sich aus dem Schreiben vom 19. April 2021 ergebenden Teilrücknahme der Revision richtet sich das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft nur noch gegen die unterbliebene Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und gegen die unterbliebene Entscheidung über die Anordnung einer Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis. Das vom [X.] nur zur unterbliebenen Sperrfristanordnung vertretene Rechtsmittel erzielt den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

3

1. Die Teilrücknahme der Revision ist wirksam, da die [X.] der Maßregeln des § 64 StGB und der § 69, § 69a StGB hier in keinem untrennbaren Zusammenhang mit den nicht angefochtenen Teilen des Urteils steht und isoliert angefochten werden kann.

4

Der Zustimmung des Angeklagten gemäß § 302 Abs. 1 Satz 3 StPO bedarf die Teilrücknahme nicht. Denn die Revision war - soweit sie zurückgenommen worden ist - nicht zu seinen Gunsten eingelegt worden.

5

2. Die somit wirksam beschränkte Revision ist teilweise begründet.

6

a) Die [X.] einer Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis nach § 69a StGB hat keinen Bestand.

7

Nach den insoweit maßgeblichen Feststellungen des [X.]s führte der Angeklagte, dem die Fahrerlaubnis entzogen war, am 14. Dezember 2016 einen Pkw auf öffentlichen Straßen (Fall II.1. der Urteilsgründe). Am 7. März 2017 führte der Angeklagte, der weiterhin nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war, den Pkw auf einem Supermarktparkplatz, wobei er alkoholbedingt fahruntüchtig war und dies billigend in Kauf nahm. Seine Blutalkoholkonzentration betrug ca. 2,5 Stunden nach der Tat 1,89 ‰ (Fall II.12. der Urteilsgründe).

8

Das [X.] hat, obwohl es den Angeklagten im Fall II.12. der Urteilsgründe unter anderem wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1, 2 StGB) verurteilt hat, zu einer Maßregelanordnung nach § 69, § 69a StGB keine Ausführungen gemacht. Dies stellt einen Erörterungsmangel dar. Nach § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB begründet die Begehung einer Straftat nach § 316 StGB eine Regelvermutung für die Ungeeignetheit des [X.] zum Führen von Kraftfahrzeugen im Sinne des § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB mit der Folge der Entziehung der Fahrerlaubnis oder, wenn der Täter - wie hier der Angeklagte - keine Fahrerlaubnis hat, einer isolierten Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB. Umstände, die die Regelvermutung im vorliegenden Fall widerlegen könnten, sind auch in Ansehung des Zeitablaufs seit den Taten nicht zuletzt mit Blick auf eine einschlägige Vorstrafe, die bereits Fahrerlaubnismaßnahmen nach sich zog, und die weitere Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (Fall II.1.) dem Urteil nicht zu entnehmen. Der [X.] kann deshalb nicht gänzlich ausschließen, dass das [X.] bei der gebotenen Prüfung einer Maßregelanordnung gemäß § 69, § 69a StGB auch die Verhängung einer Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis als erforderlich erachtet hätte.

9

b) Im Übrigen bleibt der Revision der Beschwerdeführerin der Erfolg versagt. Dass das [X.] davon abgesehen hat, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen, ist aus den bereits im Terminsantrag des [X.]s vom 9. Februar 2021 genannten Gründen sachlich-rechtlich nicht zu beanstanden.

c) Das neue Tatgericht ist nicht gehindert, ergänzende Feststellungen hinsichtlich einer Maßregelanordnung nach § 69, § 69a StGB zu treffen, sofern diese den bisherigen Feststellungen nicht widersprechen. Es wird sich jedoch bei der Prüfung der fortbestehenden Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht nur mit dem eingetretenen Zeitablauf seit Begehung der Trunkenheitsfahrt, sondern auch damit auseinanderzusetzen haben, welche Wirkung die nach den verfahrensgegenständlichen Verkehrsdelikten mit Urteil des [X.] vom 23. Januar 2018 angeordnete und seit Januar 2020 abgelaufene zweijährige Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis auf den Angeklagten entfaltet hat.

Sost-Scheible     

        

Quentin     

        

Bartel

        

Rommel     

        

Maatsch     

        

Meta

4 StR 522/20

29.04.2021

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 29. April 2021, Az: 4 StR 522/20, Beschluss

§ 69 Abs 1 S 1 StGB, § 69 Abs 2 Nr 2 StGB, § 69a Abs 1 S 3 StGB, § 316 Abs 1 StGB, § 316 Abs 2 StGB, § 267 StPO, § 354 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.04.2021, Az. 4 StR 522/20 (REWIS RS 2021, 6334)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 6334

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 349/22 (Bundesgerichtshof)

Zeitpunkt des "Hangs" bei Unterbringung in Entziehungsanstalt


4 RVs 2/17 (Oberlandesgericht Hamm)


4 StR 30/21 (Bundesgerichtshof)

Strafverurteilung eines alkoholisierten Fahrzeugführers ohne Fahrerlaubnis nach Verkehrsunfall mit Tötung eines anderen Verkehrsteilnehmers und Verkehrsunfallflucht: …


4 StR 360/18 (Bundesgerichtshof)

Strafausspruch und Maßregelanordnung: Berücksichtigung der Einziehung des Kfz des Täters bei der Strafzumessung; Entziehung der …


4 StR 312/22 (Bundesgerichtshof)

Lückenhaftigkeit der Urteilsfeststellungen bei einer Verurteilung wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht; Voraussetzungen der …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.