Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.03.2019, Az. 4 StR 360/18

4. Strafsenat | REWIS RS 2019, 8849

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Gegenstand

Strafausspruch und Maßregelanordnung: Berücksichtigung der Einziehung des Kfz des Täters bei der Strafzumessung; Entziehung der Fahrerlaubnis bei Nichtkatalogstraftaten


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 9. Mai 2018 aufgehoben

a) im Strafausspruch;

b) im Ausspruch über die Maßregel nach §§ 69, 69a Abs. 1 Satz 3 StGB;

c) im Ausspruch über die Einziehung des Pkw [X.] A6 Avant;

die zugehörigen Feststellungen bleiben jedoch aufrecht erhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen (Fälle 1 bis 9), wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen (Fälle 10 bis 13), davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen (Fall 11), in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall 12) und in einem Fall in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall 13), sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall 14) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt, die Einziehung von „Wertersatz“ (richtig: des Wertes von Taterträgen) in Höhe von 8.991 Euro sowie eines Pkw angeordnet und eine isolierte Sperrfrist von zwei Jahren für die Erteilung einer Fahrerlaubnis festgesetzt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat zum Schuldausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

3

2. Hingegen hat der Strafausspruch insgesamt keinen Bestand.

4

a) Zunächst hat das [X.] bei der Strafzumessung rechtsfehlerhaft die nach § 74 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 StGB erfolgte Einziehung des Pkw des Angeklagten außer Betracht gelassen. Eine Maßnahme nach dieser Vorschrift hat den Charakter einer Nebenstrafe und stellt damit eine [X.] dar (vgl. [X.], Beschlüsse vom 3. Mai 2018 - 3 StR 8/18, [X.], 526; vom 17. August 2016 - 2 [X.], [X.]R StGB § 74 Rechtsfolge 1; vom 12. März 2013 - 2 StR 43/13, [X.], 565). Wird dem Täter auf diese Weise ein ihm zustehender Gegenstand von nicht unerheblichem Wert - was hier mit Blick auf den Anschaffungspreis für das Fahrzeug im Februar 2017 von 7.800 Euro der Fall ist - entzogen, so ist dies ein bestimmender Gesichtspunkt für die Bemessung der daneben zu verhängenden Strafe und insoweit im Wege einer Gesamtbetrachtung der den Täter treffenden Rechtsfolgen angemessen zu berücksichtigen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 27. Mai 2014 - 3 [X.], [X.], 633; vom 16. Februar 2012 - 3 [X.], [X.], 169). Dies hat das [X.] nicht erkennbar bedacht.

5

b) Darüber hinaus hat die [X.] in den Fällen 1 bis 11 - in denen sie zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen ist, dass er sich jeweils in einem vermeidbaren Verbotsirrtum gemäß § 17 StGB befunden habe - rechtsfehlerhaft davon abgesehen, den vertypten [X.] nach § 17 Satz 2 StGB zu erörtern.

6

c) Schließlich hat das [X.] im Hinblick auf die Fälle 9 bis 13 bei der konkreten Strafzumessung zu Unrecht strafschärfend berücksichtigt, der Angeklagte habe aus drei früheren Verurteilungen unter Bewährung gestanden. Bei Begehung dieser zwischen dem 20. Februar 2017 und dem 1. April 2017 verübten Taten stand er zwar noch unter Bewährung aus den Urteilen des [X.] vom 26. Juni 2008 und des [X.]s Konstanz vom 12. Februar 2014; die Bewährungszeit aus dem Urteil des [X.] vom 3. Mai 2012 war aber bereits seit dem 17. Januar 2017 abgelaufen.

7

Trotz der sehr moderat bemessenen Strafen kann der [X.] nicht gänzlich ausschließen, dass sich die unzutreffenden Wertungen des [X.]s bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben.

8

3. Mit Blick auf die Anordnung von Maßregeln und die getroffenen [X.] gilt Folgendes:

9

a) Die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung stand.

b) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet jedoch die Anordnung der Maßregel nach §§ 69, 69a Abs. 1 Satz 3 StGB. Die [X.] hat zur Begründung der angeordneten zweijährigen Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis lediglich angeführt, der Angeklagte habe sich dadurch als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen gezeigt, dass er tateinheitlich in zwei Fällen am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen habe, ohne im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis gewesen zu sein. Diese Begründung reicht zum Beleg der Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen eines Kraftfahrzeuges im Sinne von § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht aus. Soll gegen den Täter wegen einer nicht im Katalog des § 69 Abs. 2 StGB enthaltenen Straftat - wie es bei dem vom Angeklagten verwirklichten vorsätzlichen Fahren ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG der Fall ist - die Fahrerlaubnis entzogen oder eine isolierte Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet werden, muss das Tatgericht eine Gesamtwürdigung der Tatumstände und der Täterpersönlichkeit vornehmen, mit der die fehlende Eignung belegt wird, wobei der Umfang der Darlegung vom Einzelfall abhängt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 23. November 2017 - 4 StR 427/17, [X.], 414, 415; vom 17. Dezember 2014 - 3 StR 487/14, juris Rn. 3; vom 17. Mai 2000 - 3 StR 167/00, [X.], 297, 298); eine solche einzelfallbezogene Begründung der fehlenden Eignung des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr lässt das angefochtene Urteil vermissen.

c) Die auf §§ 73, 73c StGB gestützte Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 8.991 Euro begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

d) Keinen Bestand hat schließlich die an sich rechtsfehlerfreie Einziehungsentscheidung gemäß § 74 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 StGB bezüglich des Pkw [X.], da sie mit der - hier fehlerhaften - Bemessung der Strafe in einem untrennbaren inneren Zusammenhang steht (vgl. [X.], Beschlüsse vom 3. Mai 2018 - 3 StR 8/18, [X.], 526; vom 17. August 2016 - 2 [X.], [X.]R StGB § 74 Rechtsfolge 1).

4. Die den aufgehobenen Aussprüchen zu Grunde liegenden Feststellungen werden von den aufgezeigten Wertungsfehlern nicht berührt und können bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.

Sost-Scheible     

        

Roggenbuck     

        

Bender

        

Feilcke     

        

[X.]     

        

Meta

4 StR 360/18

27.03.2019

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Konstanz, 9. Mai 2018, Az: 60 Js 27195/16 - 3 KLs

§ 46 StGB, § 69 Abs 1 StGB, § 69 Abs 2 StGB, § 69a Abs 1 S 3 StGB, § 74 Abs 1 StGB, § 74 Abs 3 S 1 StGB, § 267 Abs 3 S 1 StPO, § 21 Abs 1 Nr 1 StVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.03.2019, Az. 4 StR 360/18 (REWIS RS 2019, 8849)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 8849

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