Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.09.2003, Az. V ZR 41/03

V. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 1467

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/03Verkündet am:26. September 2003K a n i k,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:nein[X.]R: jaBGB § 906 Abs. 1 Satz 1, § 1004Von einem Rockkonzert ausgehende Lärmimmissionen, die die Richtwerte der sog.[X.] überschreiten, können unwesentlich im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1BGB sein, wenn es sich um eine Veranstaltung von kommunaler Bedeutung handelt,die an nur einem [X.] stattfindet und weitgehend die einzige in der [X.] bleibt. Dies gilt in aller Regel aber nur bis Mitternacht.[X.], [X.]. v. 26. September 2003 - [X.]/03 - [X.] Heilbronn- 2 -Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 26. September 2003 durch den Vizepräsidenten des [X.]Dr. [X.], [X.] [X.], [X.], [X.] und die RichterinDr. [X.] Recht erkannt:Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden unter [X.] weitergehenden Rechtsmittel das [X.]eil des [X.] vom 30. Januar 2003 im Ko-stenpunkt und im Umfang des nachfolgenden Ausspruchs aufge-hoben und das [X.]eil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 22. April 2002 abgeändert.Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, daß von ihrenGrundstücken, Gemarkung [X.], Parzellen-Nr. 2713und 2739 bei dem Rockkonzert anläßlich des jährlich stattfinden-den [X.]festes des Sportvereins F. Geräusche auf [X.] der Kläger [X.] 27, [X.] ,Flurstück 2477, einwirken, die [X.] gemessen 0,5 m vor den Fen-stern des klägerischen Wohnhauses -zwischen 20.00 Uhr und 24.00 Uhr einen Beurteilungs-pegel von 70 dB(A) und eine Geräuschspitze von 90 dB([X.] -sowie zwischen 24.00 Uhr und 08.00 Uhr einen Beurtei-lungspegel von 55 dB(A) und eine Geräuschspitze von65 dB(A)überschreiten.Im übrigen wird die Klage abgewiesen.Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden gegeneinander auf-gehoben. Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tra-gen die Kläger 60 % und die Beklagte 40 %.Von Rechts [X.]:Die Kläger wenden sich gegen Lärmbelästigungen, die von einem all-jährlich stattfindenden [X.]fest eines Sportvereins und dabei insbesonderevon einem Rockkonzert ausgehen.Die Kläger sind Eigentümer eines in einem allgemeinen Wohngebietgelegenen Grundstücks. Auf dem Nachbargrundstück, das der beklagten [X.], befinden sich ein Bolzplatz, eine Sporthalle und ein Fußballfeld. [X.] hat das Gelände einem Sportverein für Vereinsaktivitäten überlassen.Einmal im Jahr veranstaltet der Sportverein ein [X.]fest. Dabei finden in- 4 -einem Festzelt Musikveranstaltungen statt, darunter ein Rockkonzert. Für [X.] weit nach Mitternacht dauernde Rockkonzert wurden für das Grundstückder Kläger in den Jahren 2001 und 2002 [X.] von 55,9 bis 70,5dB(A) und 53,3 bis 66 dB(A) gemessen.Das [X.] hat die Beklagte unter Abweisung eines [X.] verurteilt, es zu unterlassen, daß von ihrem Grundstück [X.] auf das Grundstück der Kläger einwirken, die zwischen 8 Uhr und 20 Uhreinen Beurteilungspegel von 70 dB(A), in der [X.] von 6 Uhr bis 8 Uhr sowievon 20 Uhr bis 22 Uhr einen Beurteilungspegel von 65 dB(A) sowie zwischen22 Uhr und 6 Uhr einen Beurteilungspegel von 55 dB(A) überschreiten. DieBerufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Oberlandesge-richt zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageab-weisung weiter.Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beeinträchtigung der Klä-ger durch den von dem [X.]fest und hier insbesondere von dem Rockkon-zert ausgehenden Lärm sei wesentlich im Sinne von § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB.Dies folge aus der vor allem zur Nachtzeit ab 22 Uhr gravierenden Über-schreitung der in der [X.] festgesetzten Lärmgrenzwerte;die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung werde dadurch indiziert. Diese Werteseien zwar nicht schematisch anzuwenden und erlaubten bei einem einmaligen- [X.] eine großzügigere Handhabung. Ein einmaliges Ereignis liege [X.] vor, weil das Fest an drei Tagen stattfinde und auch die weiteren [X.] verursachten. Zudem seien die festgestellten Überschreitun-gen von 22 Uhr bis weit nach Mitternacht so gravierend, daß sie nicht hinge-nommen werden müßten.II.Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Auf der Grundlage seiner Fest-stellungen bejaht das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft einen Unterlassungs-anspruch der Kläger (§§ 1004, 906 [X.] Nach § 906 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks von einemanderen Grundstück ausgehende Immissionen insoweit nicht verbieten, als [X.] die Benutzung seines Grundstücks nur unwesentlich beeinträchtigt.Ob Geräuschimmissionen wesentlich sind oder nicht, beurteilt sich nach [X.] eines verständigen Durchschnittsmenschen und danach, was ihmunter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist (Se-nat [X.]Z 148, 261, 264 - Hammerschmiede; [X.]. v. 20. November 1998,[X.]1/97, NJW 1999, 1029, 1030). Die Grenze der im Einzelfall zumutba-ren Lärmbelästigung kann nicht mathematisch exakt, sondern nur aufgrundwertender Beurteilung festgesetzt werden (Senat [X.]Z 148, 261, 264). [X.] wesentliche Immissionen identisch mit erheblichen Belästigungen im [X.] des § 3 Abs. 1 BImSchG ([X.]Z 122, 76, 78).Wann Lärmimmissionen im Einzelfall die Schwelle zur [X.], unterliegt weitgehend tatrichterlicher Wertung. [X.] 6 -lich nachprüfbar ist, ob das Berufungsgericht die nötigen Tatsachenfeststellun-gen verfahrensfehlerfrei getroffen und bei ihrer Würdigung die zutreffendenrechtlichen Gesichtspunkte zugrunde gelegt hat (Senat [X.]Z 121, 248, 252 -[X.]). Dieser Nachprüfung hält das Berufungsurteil nicht in [X.]) Das Berufungsgericht orientiert sich an den Hinweisen des [X.] zur Beurteilung der durch Freizeitanlagenverursachten Geräusche (sog. [X.] oder Freizeitlärm-Richtlinie, abge-druckt in NVwZ 1997, 469). Das ist nicht zu beanstanden. Die [X.]gelten für Freizeitanlagen, und zwar insbesondere für Grundstücke, auf [X.], [X.], [X.] und ähnliche Veranstaltun-gen im [X.] stattfinden. Sie sind ungeachtet der generellen Nutzung [X.] der Beklagten als Sportplatz einschlägig, denn die Sportanlagen-lärmschutzverordnung (18. BImSchV) regelt nur Immissionen, die von einerSportanlage bei ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung, der Sportausübung,ausgehen (§ 1 Abs. 1 der 18. BImSchV).Die von Sachverständigen ausgearbeiteten und von allen Ländern mit-getragenen [X.] unterfallen zwar nicht § 906 Abs. 1 Satz 2 u. 3 BGB([X.]/[X.], BGB [2002], § 906 Rdn. 193), können den Gerichten abergleichwohl als Entscheidungshilfe dienen (vgl. Senat [X.]Z 111, 63, 67 -[X.]; 120, 239, 256 f. [X.] [X.]; 121, 248, 253 - [X.];BVerwG DVBl 2001, 1451, 1453). Sie ersetzen nicht die Prüfung und Würdi-gung der konkreten Umstände des Einzelfalls, geben dieser Würdigung abereine Orientierung. Werden die Richtwerte überschritten, so indiziert dies einewesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB (vgl. [X.] 7 -[X.]Z 111, 63, 67; 121, 248, 251). Der Tatrichter muß allerdings auch in [X.] berücksichtigen, daß es sich bei den technischen Regelwerken nurum Richtlinien handelt, die nicht schematisch angewendet werden dürfen.b) Für die Frage der Wesentlichkeit von Lärmimmissionen sind [X.] Häufigkeit der Einwirkung von erheblicher Bedeutung. Das Berufungsge-richt vertritt daher zu Recht die Ansicht, daß bei einem einmaligen Ereignis ei-ne großzügigere Handhabung der Richtwerte geboten, eine Überschreitung [X.] also hinzunehmen sein kann. Rechtsfehlerhaft geht es jedoch davonaus, daß hier ein einmaliges Störereignis deswegen nicht vorliege, weil das[X.]fest an drei aufeinanderfolgenden Wochenendtagen stattfindet. [X.] von den übrigen Veranstaltungen eine wesentliche Einwirkung auf [X.] der Kläger ausginge, hat es nicht festgestellt. Mithin ist [X.] nur das Rockkonzert von Bedeutung und die weitergehende [X.] nicht schlüssig.Richtig ist allerdings, daß die [X.] der Seltenheit eines Ereig-nisses durch eine Sonderregelung in Ziff. 4.4. Rechnung tragen, in der für [X.], die an nicht mehr als zehn Tagen oder [X.] (sog. seltene Störereignisse), höhere Richtwerte vorgegeben wer-den. Auch insoweit gibt die Richtlinie jedoch nur eine Orientierung und läßtRaum für die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerwGDVBl 2001, 1451, 1453 "Entscheidungshilfe mit Indizcharakter"). Hierzu gehörtauch die Zahl der Störereignisse. Denn die Sonderregelung in Ziff. 4.4. der[X.] erfaßt Ereignisse, die bis zu zehn Tagen oder Nächten einesJahres auftreten und einen relevanten Beitrag zur Überschreitung der [X.] 8 -In dem der Entscheidung des Senats vom 23. März 1990 (Senat [X.]Z111, 63 - [X.]) zugrunde liegenden Fall wurde ein an das [X.] angrenzendes Gelände mehrmals im Jahr als [X.] und Fest-platz genutzt. Für das [X.] waren beispielsweise für die Monate Juni, [X.] vier jeweils über das ganze Wochenende, einmal sogar drei Tagedauernde Veranstaltungen angekündigt. Vorliegend ist dagegen mangels an-derweitiger Feststellungen des Berufungsgerichts zugunsten der Revision da-von auszugehen, daß das an nur einem Abend des [X.]festes [X.], gegen dessen Immissionen sich die Kläger in erster Liniewenden, weitgehend das einzige Ereignis ist, welches unter deutlicher Über-schreitung der in den [X.]n in Ziffer 4.4. für die Nachtzeit aufgestelltenRichtwerte auf das Grundstück der [X.]) Das Berufungsgericht hat bei seiner Würdigung ferner nicht bedacht,daß bei seltenen Störereignissen auch die Bedeutung der Veranstaltung nichtunberücksichtigt bleiben kann. Nach der neueren Rechtsprechung des Senatsrichtet sich die Beurteilung, ob eine Immission wesentlich im Sinne des § 906BGB ist, nicht nur nach dem Maß der objektiven Beeinträchtigung. Im [X.] Harmonisierung zivilrechtlicher und öffentlichrechtlicher Beurteilungsmaß-stäbe hat der Senat eine Angleichung an die verwaltungsgerichtliche Recht-sprechung vollzogen, die als erhebliche Belästigung alles ansieht, was einemverständigen Durchschnittsmenschen auch unter Würdigung anderer öffentli-cher und privater Belange billigerweise nicht mehr zuzumuten ist (vgl. Senat[X.]Z 120, 239, 255 - [X.]; 148, 261, 264 [X.] Hammerschmiede). [X.] können bei der Prüfung der Erheblichkeit oder Wesentlichkeit von [X.] schutzwürdige Interessen der Allgemeinheit und gesetzliche [X.] -eine Rolle spielen (vgl. Senat [X.]Z 121, 248, 255 - [X.]; 111, 63,68 [X.] [X.]).aa) Volks- und Gemeindefeste, Feiern örtlicher Vereine, traditionelleUmzüge und ähnliche Veranstaltungen gehören zu den herkömmlichen, [X.] akzeptierten Formen gemeindlichen und städtischen Lebens. Dabei [X.] in der Natur der Sache, daß sie oftmals in der Nähe zur Wohnbebauungdurchgeführt werden müssen und zwangsläufig zu Beeinträchtigungen [X.] führen. Da solche Veranstaltungen für den Zusammenhalt derörtlichen [X.] von großer Bedeutung sein können, dabei auch [X.] dieser [X.] stärken und für viele Bewohner einen hohenStellenwert besitzen, werden die mit ihnen verbundenen Geräuschentwicklun-gen von einem verständigen Durchschnittsmenschen bei Würdigung auch an-derer Belange in der Regel in höherem Maß akzeptiert werden als sonstigeImmissionen. Das kann bei der Beurteilung, ob eine Lärmeinwirkung als we-sentlich anzusehen ist, vor allem dann nicht unberücksichtigt bleiben, wenn essich um ein sehr seltenes Ereignis handelt, das weitgehend das einzige in [X.] bleibt. In einem solchen Fall können auch Lärmimmissionen, die [X.] der [X.] überschreiten, ausnahmsweise noch [X.] (so auch [X.] 1997, 162).Die kommunale Bedeutung kann einem Ereignis nicht deshalb abge-sprochen werden, weil Veranstalter nicht die Gemeinde, sondern ein privaterVerein ist. Maßgeblich ist, daß das Ereignis von einem Großteil der [X.] getragen und akzeptiert wird. Unerheblich für die Frage der Wesent-lichkeit der Immissionen ist ferner, ob der Nutzung eines Grundstücks als Fest-platz eine langjährige Übung zugrunde liegt. Bei der vom Tatrichter vorzuneh-- 10 -menden Würdigung, ob Geräuschimmissionen wesentlich sind, kann zwar [X.] einer Veranstaltung besonderes Gewicht zukommen. [X.] steht der Annahme einer nur unwesentlichen Beeinträchtigung [X.] entgegen, daß eine Veranstaltung erst seit kurzer [X.] stattfindet. [X.] würden Gemeinden gehindert, eine kommunale Festivität zu [X.], wo [X.] fehlen, oder die Abläufe bei Festen zu [X.], die auf eine langjährige Übung zurückgehen. Demgemäß können auchdie mit Gemeinde- und Vereinsfesten untrennbar verbundenen Musik- undTanzveranstaltungen Änderungen in Art und Ausrichtung erfahren. [X.] im Einzelfall überregionale Bedeutung, nimmt ihnen das die kommunaleBedeutung nicht, solange die jeweilige Veranstaltung weiterhin auch für dieörtliche Bevölkerung bestimmt ist und von ihr angenommen wird.bb) Bei nur einmal jährlich stattfindenden Veranstaltungen von [X.] Bedeutung können selbst Lärmeinwirkungen unwesentlich sein, welchedie für die Abend- und Nachtzeit aufgestellten Richtwerte der [X.]überschreiten. Zwar gebührt nach 22 Uhr dem Schutz der [X.] grundsätzlich der Vorrang vor dem Interesse der Bevölkerung,Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen zu besuchen (vgl. Senat [X.]Z 111,63, 70 - [X.]). Insbesondere in Krankenhäusern oder sonstigen Klini-ken, aber auch dort, wo die Bewohner der Umgebung bereits tagsüber einemhöheren Lärmpegel als üblich ausgesetzt sind, ist eine Störung der [X.] eine erhebliche Einwirkung auf die Gesundheit oder das Wohlbefindenund damit eine wesentliche Immission. Zu berücksichtigen ist aber auch, daßdie Nachtruhe nicht generell geschützt wird. Dort, wo ruhestörende [X.] Nachtzeit durch landesrechtliche Normen ausdrücklich verboten sind, hatder Gesetzgeber zugleich Ausnahmen für den Fall vorgesehen, daß ein Vor-- 11 -haben im Einzelfall Vorrang vor den schutzwürdigen Belangen Dritter hat (z.B.§ 5 der [X.] [X.], § 8 der [X.] [X.]). Vorrang kann insbesondereVolksfesten und ähnlichen Veranstaltungen zukommen, wenn sie auf histori-schen oder kulturellen Umständen beruhen oder sonst von kommunaler Be-deutung sind, und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der [X.] der Veranstaltung gegenüber dem Schutzbedürfnis der Nachbarschaftüberwiegt (vgl. § 9 Abs. 3 LImSchG [X.], § 4 Abs. 4 LImSchGRheinland-Pfalz, § 10 Abs. 4 [X.] solche Abwägung der widerstreitenden Interessen sieht auch [X.] vor. Nach § 12 Abs. 1 [X.] kann aus besonderem Anlaßder Betrieb eines Gaststättengewerbes unter erleichterten Voraussetzungenvorübergehend gestattet werden. Die "erleichterten Voraussetzungen" bezie-hen sich auch auf den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im [X.] § 3 Abs. 1 BImSchG (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 [X.]), und gelten damit bei-spielsweise für die Lärmimmissionen, die von einer aus Anlaß eines Volksfestsbetriebenen Außengastronomie ausgehen (vgl. [X.] NVwZ 1999,555). Der Gesetzgeber bringt damit zum Ausdruck, daß bei besonderem Anlaßund nur vorübergehendem Betrieb die bei der Erteilung der Erlaubnis zu be-achtenden Vorschriften weniger streng zu handhaben sind als bei einem Dau-erbetrieb. Immissionsschutzrechtliche Gesichtspunkte dürfen zwar nicht ver-nachlässigt werden, sie sind jedoch zu Art und Dauer des Betriebs in Bezie-hung zu setzen (vgl. [X.], Das Gaststättengesetz, 14. [X.], § 12 Rdn. 5). Dies führt im Fall von Lärmbeeinträchtigungen dazu, [X.] der Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle nach § 3 BImSchG die Selten-heit des Anlasses und seine Bedeutung in die Würdigung einzubeziehen sind([X.] a.a.O., [X.]). Die Berücksichtigung dieser Kriterien ist nichtauf die gastronomischen Betriebe beschränkt, sondern gilt für den verständi-- 12 -gen Durchschnittsmenschen gleichermaßen in Bezug auf das besondere Er-eignis, an das sie anknüpfen. Insoweit hängt die Beurteilung der Beeinträchti-gung als wesentlich auch von einer Interessenabwägung ab (Senat [X.]Z 111,63, 68 [X.] [X.]; a.A. [X.] in [X.] [X.] 1991, 149).cc) In welchem Umfang Lärmbeeinträchtigungen von [X.] besonderer historischer, kultureller oder kommunaler Bedeutung noch alsunwesentlich angesehen werden können, ist weitgehend eine Frage des [X.]. Zu berücksichtigen sind insbesondere Bedeutung und Charakter [X.], ihr Ablauf, Dauer und Häufigkeit, die Nutzungsart und Zweck-bestimmung sowie die Gesamtbelastung des beeinträchtigten Grundstückswährend der Veranstaltung und durch andere seltene Störereignisse, ferner diezeitlichen Abstände dieser Ereignisse. Je gewichtiger der Anlaß für die Ge-meinde oder Stadt ist, desto eher ist der Nachbarschaft zuzumuten, an [X.] im Jahr Ruhestörungen hinzunehmen. Bei Festveranstaltungen vonkommunaler Bedeutung, die nur einmal im Jahr für wenige Tage stattfinden, [X.] auch eine deutliche Überschreitung der in den [X.]n für selteneStörereignisse festgelegten Richtwerte denkbar. Hiervon ist selbst die [X.] nicht generell ausgenommen, zumal es im [X.] noch bis gegen 22 [X.] bleibt und es dem Charakter bzw. der Tradition vieler Veranstaltungen ent-spricht, daß sie bis in die Nachtstunden andauern (so auch [X.] 1994, 633, 635). Im Einzelfall kann von den Anliegern jedenfalls aneinem Tag bis Mitternacht ein deutlich höherer Beurteilungspegel hinzunehmensein. Eine über Mitternacht hinausgehende erhebliche Überschreitung [X.] wird demgegenüber in aller Regel nicht mehr als unwesentlich zuqualifizieren [X.] 13 -Ob etwas anderes gilt, wenn für die betreffende Veranstaltung eine wei-tergehende Ausnahmegenehmigung nach öffentlichem Recht erteilt wurde, [X.] keiner Entscheidung. Die Beklagte hat zwar der Durchführung der Sportfe-ste in ihrer Eigenschaft als Ortspolizeibehörde zugestimmt. Auf die zivilrechtli-che Beurteilung hat die Genehmigung aber schon deswegen keinen Einfluß,weil eine umfassende Prüfung immissionsschutzrechtlicher Belange im Rah-men eines gesetzlich vorgegebenen Verfahrens mit ihr ersichtlich nicht [X.] war.Für die Beuteilung durch einen verständigen [X.] Bedeutung kann schließlich sein, ob sich die Veranstaltung an [X.] geeigneten, Anwohner insgesamt aber deutlich weniger beeinträchti-genden Standort innerhalb der Gemeinde bzw. des Ortsteils verlegen läßt.Können unter Wahrung des Charakters der Veranstaltung die [X.] für Anwohner deutlich reduziert werden, unterbleibt aber ein Standort-wechsel, so verringert sich das Maß dessen, was einem Anwohner an [X.] zuzumuten ist; in der Regel werden dann die Richtwerteder [X.] maßgebend sein.II[X.] angefochtene [X.]eil ist danach aufzuheben. Da weitere tatsächlicheFeststellungen nicht zu treffen sind, hat der Senat in der Sache selbst ent-schieden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Angesichts der Unterstützung, die das [X.]-fest und das Rockkonzert seitens der Gemeinde erfahren, kann der Veranstal-tung die kommunale Bedeutung nicht abgesprochen werden. [X.] 14 -alternative Standorte für das Festzelt sind nicht ersichtlich. Durch die von [X.] vorgeschlagene Verlegung des [X.] in die benachbarteSporthalle bliebe der Charakter der Veranstaltung nicht gewahrt. Er ist davongeprägt, daß das Konzert als Teil eines [X.]festes weitgehend im [X.]stattfindet.Die Kläger müssen am Abend des [X.] allerdings nicht [X.] hinnehmen, sondern nur das nach dem Empfinden eines ver-ständigen Durchschnittsmenschen zumutbare Maß. Die Zumutbarkeit ist [X.] zu wahren. Hierfür geben die Richtwerte, diedie [X.] bei seltenen Störereignissen tagsüber außerhalb der Ruhe-zeiten vorsehen, eine Orientierung. Im vorliegenden Fall bietet es sich an, dieTageszeit im Sinne der [X.] bis 24 Uhr auszudehnen. Damit ist [X.] Rockkonzert ein Beurteilungspegel von 70 dB(A) mit einer Geräuschspitzevon 90 dB(A) maßgeblich. Eine Verlängerung über 24 Uhr hinaus kommt dage-gen mit Rücksicht auf die schutzwürdigen Belange der Kläger nicht in Betracht.Um ihnen eine ausreichende Nachtruhe zu ermöglichen, ist vielmehr von [X.] bis 8 Uhr des auf das Rockkonzert folgenden Tages der für die [X.] vorgegebene Beurteilungspegel von 55 dB(A) einzuhalten.IV.Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.[X.] Krüger Klein Gaier [X.]

Meta

V ZR 41/03

26.09.2003

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.09.2003, Az. V ZR 41/03 (REWIS RS 2003, 1467)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 1467

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