Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.04.2015, Az. I ZR 130/13

I. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 12554

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZR
130/13

Verkündet am:

16. April 2015

Führinger

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.]
Richtlinie 2001/83/[X.]. 3 Nr. 1, Nr. 2
Dem Gerichtshof der [X.] werden zur Auslegung des Art.
3 der Richtlinie 2001/83/[X.] und des Rates vom 6.
November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für [X.] folgende Fragen
zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1.
Stehen Art.
3 Nr.
1 und Nr.
2 der Richtlinie 2001/83/[X.] einer natio-nalen Vorschrift wie §
21 Abs.
2 Nr.
1 [X.] entgegen, nach der ein Arzneimittel keiner Zulassung bedarf, das zur Anwendung bei Men-schen bestimmt ist und auf Grund nachweislich häufiger ärztlicher oder zahnärztlicher Verschreibung in den wesentlichen Herstellungs-schritten in einer Apotheke in einer Menge bis zu hundert abgabefer-tigen Packungen an einem Tag im Rahmen des üblichen [X.] hergestellt wird und zur Abgabe im Rahmen der beste-henden Apothekenbetriebserlaubnis bestimmt ist?
Falls die Frage zu
1 bejaht wird:
-
2
-
2.
Gilt dieses Ergebnis auch, wenn eine nationale Vorschrift wie §
21 Abs.
2 Nr.
1 [X.] so ausgelegt wird, dass ein Arzneimittel keiner Zu-lassung bedarf, das zur Anwendung bei Menschen bestimmt ist und auf Grund nachweislich häufiger ärztlicher oder zahnärztlicher [X.] in den wesentlichen [X.] in einer Apo-theke in einer Menge bis zu hundert abgabefertigen Packungen an einem Tag im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt wird und zur Abgabe im Rahmen der bestehenden [X.] bestimmt ist, sofern das Arzneimittel entweder gemäß einer ärztlichen Verschreibung, die nicht notwendig bereits vor der Zubereitung vorliegen muss, jeweils für einen bestimmten Patienten abgegeben wird oder das Arzneimittel in der Apotheke nach Vor-schrift einer Pharmakopöe zubereitet wird und zur unmittelbaren Ab-gabe an die Patienten bestimmt ist?
[X.], Beschluss vom
16. April 2015 -
I [X.] -
O[X.]

[X.]

-
3
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 15.
Januar 2015
durch [X.] Dr.
Büscher, [X.], Prof. Dr.
[X.], Dr.
Löffler und die Richterin Dr.
Schwonke

beschlossen:

[X.]
Das Verfahren wird ausgesetzt.

I[X.]
Dem Gerichtshof der [X.] werden
zur Ausle-gung des Art.
3 der Richtlinie 2001/83/[X.] und des Rates vom 6.
November 2001 zur Schaf-fung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel fol-gende Fragen
zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.
Stehen Art. 3 Nr. 1 und Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/[X.]
einer nationalen Vorschrift wie § 21 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ent-gegen, nach der ein Arzneimittel keiner Zulassung bedarf, das zur Anwendung bei Menschen bestimmt ist und auf Grund nachweislich häufiger ärztlicher oder zahnärztlicher Verschreibung in den wesentlichen [X.] in einer Apotheke in einer Menge bis zu hundert abgabeferti-gen Packungen an einem Tag im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt wird und zur Abgabe im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis be-stimmt ist?

Falls die Frage zu
1 bejaht wird:
-
4
-
2.
Gilt dieses Ergebnis auch, wenn eine nationale Vorschrift wie §
21 Abs.
2 Nr.
1 [X.] so ausgelegt wird, dass ein Arzneimittel keiner Zulassung bedarf, das zur Anwendung bei Menschen bestimmt ist und auf Grund nachweislich häufiger ärztlicher oder zahnärztlicher Verschreibung in den wesentlichen [X.] in einer Apotheke in einer Menge bis zu hundert abgabefertigen Packungen an einem Tag im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt wird und zur Abgabe im Rahmen der bestehen-den Apothekenbetriebserlaubnis bestimmt ist, sofern das Arzneimittel entweder gemäß einer ärztlichen Verschrei-bung, die nicht notwendig bereits vor der Zubereitung [X.] muss, jeweils für einen bestimmten Patienten abge-geben wird oder das Arzneimittel in der Apotheke nach Vorschrift einer Pharmakopöe zubereitet wird und zur [X.] Abgabe an die Patienten bestimmt ist?
-
5
-
Gründe:
A. Die
Klägerin vertreibt in [X.] unter der Bezeichnung "H
15 Weihrauch"
[X.] als Nahrungsergänzungsmittel. Der [X.] betreibt eine Apotheke. Er stellt ebenfalls
[X.] her und vertreibt diese
über seine Apotheke
unter der Bezeichnung "[X.]"
als Arzneimittel, ohne im Besitz einer arzneimittelrechtlichen
Zulassung
zu sein.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der [X.] die Kapseln im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs und unter Einhaltung auch der weiteren Vo-raussetzungen des §
21 Abs.
2 Nr.
1 [X.] herstellt.
Der
[X.] warb
für seine
"[X.]"
in einer "Pa-tienteninformation"
und einer Broschüre. Die Klägerin hat dort aufgestellte
Wer-bebehauptungen
als wettbewerbswidrig beanstandet und geltend gemacht,
[X.] verstießen gegen das Verbot der Werbung für nicht zugelassene Arzneimit-tel. Sie
hat beantragt, den [X.]n unter Androhung von [X.] zu verurteilen, es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr
für die Arzneimittel der E.
Apotheken "[X.] 100 Stück"
und "[X.] 200 Stück", sofern sie
über keine Zulassung als Arzneimittel verfügen, mit den Aussagen zu werben:
1. (4.) Zu Ihrer Sicherheit
Dieses apothekenpflichtige und verschreibungsfreie [X.] wird für Sie nach den gültigen gesetzlichen Vorgaben und unter Beachtung verschiede-ner pharmazeutischer Regelwerke (z.B. [X.]opäisches Arzneibuch (Ph.[X.].), [X.], DAC) in unserer nach [X.] EN [X.] 9001:
2008 zertifizierten Apotheke durch erfahrenes, pharmazeutisches Fachpersonal als Arzneimittel hergestellt

und/oder

2. (6.) Eine Übersicht zum Stand der [X.] befindet sich in der [X.]-Monographie (Olibanum indicum) und aktuell auf der wissenschaftli-chen Weihrauch-Plattform von Prof. Dr. [X.] -
dem Begründer der Weihrauchforschung in [X.]opa -
im [X.]: www.weihrauch.org

und/oder

1
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-
6
-
3. (7.) Dieses in der Apotheke hergestellte Arzneimittel enthält einen definierten [X.] aus [X.] Weihrauch (Boswellia serrata) in geprüfter Arzneibuchqualität

und/oder

4. (10.) Die [X.] erfüllen höchste Anforderungen an Quali-tät und Sicherheit:
-
[X.]

Forschungsprojekt mit Universitäten
-
Extraktherstellung in [X.]
-
Erfüllung der Arzneibuch-Anforderungen
-
Kapsel-Herstellung in unserer Apotheke
-
Definierte Extrakt-Zusammensetzung
-
Enthält alle Weihrauch-Wirkstoffe
-
Kompetente & persönliche Beratung

und/oder

5. (12.) Weihrauch wird seit Jahrtausenden als Heilmittel eingesetzt

und/oder

6. (13.) Bis heute ist Weihrauch von keinem pharmazeutischen Unternehmen -
trotz neuer Forschungsergebnisse -
als Arzneimittel in [X.]opa zugelassen wor-den

und/oder

7. (14.) Unserer Apotheke ist es gelungen, einen definierten und standardisierten [X.] in Kapseln zur Verfügung zu stellen, der alle Anforderungen an ein in der Apotheke hergestelltes Arzneimittel erfüllt

wenn dies geschieht wie in Anlage [X.] (Ziffer 4 und 6) und Anlage [X.] (Ziffern 7, 10 und 12-14).
Der [X.] ist der Klage entgegengetreten. Er hat geltend gemacht, das Verbot der Werbung für nicht zugelassene Arzneimittel sei im Streitfall nicht einschlägig. Es knüpfe an die Zulassungspflicht des beworbenen Arzneimittels an. Die von ihm beworbenen "[X.]"
bedürften
jedoch als [X.] gemäß §
21 Abs.
2 Nr.
1 [X.] keiner arzneimittelrechtli-chen Zulassung.
Das [X.] hat die Unterlassungsklage abgewiesen. Das [X.] hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision
verfolgt die
Klägerin ihre Klageanträ-3
4
-
7
-
ge in vollem Umfang weiter. Der [X.] beantragt, die Revision zurückzuwei-sen.
B. Für den Erfolg der Revision kommt es darauf an, ob das vom [X.] beworbene Arzneimittel "[X.]"
arzneimittelrechtlich zugelassen werden muss. Dies wiederum hängt von der Auslegung des
Art.
3 Nr.
1 und
Nr.
2 der Richtlinie 2001/83/[X.] und des Rates vom 6.
November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (nachfolgend: Richtlinie 2001/83/[X.])
ab. Vor einer Ent-scheidung über das Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art.
267 Abs.
1 Buchst.
b und Abs.
3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] einzuholen.
[X.] Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stünden [X.] wegen der beanstandeten Angaben gemäß §§
3, 4 Nr.
11, §
8 UWG in Verbindung mit §
3a [X.] nicht zu. Dazu hat es ausgeführt:
Das Verbot einer Werbung für nicht zugelassene Arzneimittel nach §
3a [X.] sei auf die vom [X.]n hergestellten "[X.]"
nicht anwendbar. Die Vorschrift regele nach ihrem klaren Wortlaut ausschließ-lich ein Werbeverbot für Arzneimittel, die der Zulassungspflicht unterlägen. Sinn der Bestimmung sei es zu verhindern, dass Patienten zum Kauf mangels Zu-lassung nicht verkehrsfähiger Medikamente veranlasst würden. Im [X.] der [X.] die beanstandeten "[X.]"
jedoch in Übereinstimmung mit den Voraussetzungen des §
21 Abs.
2 Nr.
1 [X.] als De-fekturarzneimittel hergestellt. Die Kapseln seien deshalb zulassungsfrei und ohne Zulassung verkehrsfähig.
I[X.] Im Streitfall kommt es auf die Frage an, ob das Arzneimittel "[X.]"
einer arzneimittelrechtlichen Zulassung bedarf. Ist dies 5
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8
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8
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der Fall, besteht der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsan-spruch nach §§
3, 4 Nr.
11, §
8 Abs.
1 Satz
1 UWG in Verbindung mit §
3a Satz
1 [X.], §
21 Abs.
1 [X.]. Handelt es sich dagegen um ein nicht der arz-neimittelrechtlichen Zulassungspflicht unterfallendes Präparat, ist der Verbots-antrag unbegründet.
1. Das von der Klägerin begehrte Verbot der Werbung für das Arzneimit-tel "[X.]"
richtet sich nach §
3a Satz
1 [X.]. Nach [X.]r Bestimmung ist eine Werbung für Arzneimittel unzulässig, die der Pflicht der Zulassung unterliegen und die nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschrif-ten zugelassen sind oder als zugelassen gelten.
2. Mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts
ist für die Nachprüfung in der Revisionsinstanz
davon auszugehen, dass die "[X.]" des
[X.]n die Voraussetzungen eines Arzneimittels
im Sinne von § 2 [X.] erfüllen.
3. Entgegen der Ansicht der Revision reicht es für ein Verbot der ange-griffenen Werbung des [X.]n nicht aus, dass dessen Präparat "[X.]" unstreitig nicht als Arzneimittel zugelassen ist.
a) Das Werbeverbot greift
wovon das Berufungsgericht im Streitfall zu-treffend ausgegangen ist

nicht ein, wenn das Arzneimittel nicht der Pflicht zur Zulassung unterliegt. Die Maßgeblichkeit der Zulassungspflicht ergibt sich aus dem Wortlaut des §
3a Satz
1 [X.], wonach eine Werbung nur für solche Arz-neimittel unzulässig sein kann, die der Pflicht der Zulassung unterliegen.
b) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, eine unionsrechtskonforme Auslegung der Bestimmung des §
3a [X.] gebiete es, das Werbeverbot auf alle nicht behördlich zugelassenen Arzneimittel auszudehnen.
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-
aa) Allerdings ist bei der Auslegung des Heilmittelwerbegesetzes die Richtlinie 2001/83/[X.] zu berücksichtigen. Mit dieser Richtlinie ist eine vollstän-dige Harmonisierung des Bereichs der Arzneimittelwerbung erfolgt (vgl. [X.], Urteil vom 8.
November 2007
374/05, [X.], 267 Rn.
39 = [X.], 205
Gintec; [X.], Urteil vom 29.
April 2010
I
ZR
202/07, [X.], 749 Rn.
31 =
[X.], 1030

Erinnerungswerbung im [X.]; Urteil vom 28.
September 2011
I
ZR
96/10, [X.], 647 Rn.
27 =
WRP 2012, 705

[X.], mwN). §
3a [X.] setzt die Bestimmung des Art.
87 Abs.
1 der Richtlinie 2001/83/[X.] um. Danach untersagen die Mitgliedstaaten die Werbung
für ein Arzneimittel, für dessen Inverkehrbringen keine Genehmigung nach den Rechtsvorschriften der [X.] erteilt worden ist.
[X.]) Daraus folgt jedoch entgegen der Ansicht der Revision nicht, dass die Richtlinie 2001/83/[X.] jegliche Werbung für behördlich nicht zugelassene Arzneimittel verbietet. Die Bestimmungen der Richtlinie 2001/83/[X.] zur Zulas-sungspflicht nach Art.
6 Abs.
1 der Richtlinie und zum Werbeverbot nach Art.
87 Abs.
1 der Richtlinie betreffen nur solche Arzneimittel, die die Anforderungen des Art.
2 Abs.
1 der Richtlinie erfüllen und die nicht Art.
3 der [X.]. Nach Art.
3 der Richtlinie sind bestimmte Arzneimittel vom Anwendungs-bereich der Richtlinie und folglich vom Werbeverbot gemäß Art.
87 Abs.
1 der Richtlinie ausgenommen. Dazu gehören nach Art.
3 Nr.
1 und Nr.
2 der [X.] 2001/83/[X.] unter den dort geregelten weiteren Voraussetzungen auch Arz-neimittel, die in einer Apotheke zubereitet werden. Sind diese Voraussetzungen zu bejahen, sieht die Richtlinie 2001/83/[X.] für diese Arzneimittel ungeachtet einer fehlenden arzneimittelrechtlichen Zulassung kein Verbot der Werbung vor. Daraus ergibt sich, dass das [X.]srecht kein Werbeverbot für alle nicht be-hördlich zugelassenen Arzneimittel anordnet, sondern das Werbeverbot davon abhängig macht, ob das Arzneimittel der in der Richtlinie 2001/83/[X.] angeord-neten Zulassungspflicht unterliegt.
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10
-
II[X.] Im Streitfall ist unstreitig, dass der [X.] die [X.] in Übereinstimmung mit den Voraussetzungen des §
21 Abs.
2 Nr.
1 [X.] her-stellt. Nach dieser Bestimmung bedarf ein Arzneimittel keiner
Zulassung, das zur Anwendung bei Menschen bestimmt ist und auf Grund nachweislich häufi-ger ärztlicher oder zahnärztlicher Verschreibung in den wesentlichen Herstel-lungsschritten in einer Apotheke in einer Menge bis zu hundert abgabefertigen Packungen an einem Tag im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs herge-stellt wird und zur Abgabe im Rahmen der bestehenden [X.] bestimmt ist (sogenanntes [X.]).
Der Erfolg der [X.] der Klägerin hängt davon ab, ob die Bestimmung des §
21 Abs.
2 Nr.
1 [X.] nach ihrem Wortlaut (dazu unter II[X.] 1 und Vorlagefrage
1) oder zumindest bei einer an Art.
3 Nr.
1 und Nr.
2 der Richtlinie ausgerichteten Auslegung mit den Bestimmungen der Richtlinie 2001/83/[X.]
vereinbar ist (dazu unter II[X.]
2 und Vorlagefrage
2).
1. Da ein ausdrücklicher Anwendungsausschluss, wie ihn etwa Art.
100 der Richtlinie 2001/83/[X.] für homöopathische Arzneimittel regelt, im Hinblick auf Arzneimittel wie die "[X.]" des [X.]n nicht be-steht, ist die Bestimmung des §
21 Abs.
2 Nr.
1 [X.] an Art.
3 der Richtlinie zu messen. In Betracht kommt, dass §
21 Abs.
2 Nr.
1 [X.] seinem Wortlaut nach mit Art.
3 Nr.
1 und Nr.
2 der Richtlinie
2001/83/[X.] unvereinbar ist.
a) Nach
Art.
3 Nr.
1 der Richtlinie 2001/83/[X.] gilt diese
Richtlinie nicht für Arzneimittel, die in einer Apotheke nach ärztlicher Verschreibung für einen bestimmten Patienten zubereitet werden (sog. formula magistralis). Ob
die
Frei-stellung
der in §
21 Abs.
2 Nr.
1 [X.] geregelten [X.]
von der in §
21 Abs.
1 [X.] in Verbindung mit
Art.
6 Abs.
1 der Richtlinie 2001/83/[X.] ge-regelten Zulassungspflicht mit Art.
3 Nr.
1 der Richtlinie 2001/83/[X.] im [X.] steht, ist nicht zweifelsfrei.

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-
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-
aa) Die Voraussetzungen der [X.] gemäß §
21 Abs.
2 Nr.
1 [X.] sind insoweit weiter als die unionsrechtliche Regelung des Art.
3 Nr.
1 der Richtlinie 2001/83/[X.]. Das nationale Recht (§
21 Abs.
2 Nr.
1 [X.]) verlangt nicht, dass der Apotheker das Arzneimittel "nach ärztlicher Verschrei-bung für einen bestimmten Patienten" zubereitet. Ausreichend ist vielmehr eine Herstellung auf der Grundlage einer nachweislich häufigen ärztlichen [X.]. Es genügt nach dem Wortlaut des §
21 Abs.
2 Nr.
1 [X.], dass die Fertigung des Arzneimittels ohne konkrete ärztliche Verschreibung für einen bestimmten Patienten aufgrund einer auf einer statistischen Annahme beruhen-den Prognose erfolgt. Im Schrifttum wird deshalb teilweise vertreten, dass §
21 Abs.
2 Nr.
1 [X.] gegen Art.
3 der Richtlinie 2001/83/[X.] verstößt (Anker in [X.]/[X.], [X.], 3.
Aufl., §
21 Rn.
24; [X.] in [X.]/von [X.]/[X.]/[X.], Pharmarecht, 2014, § 3 Rn. 73 in [X.]. 239). Andere
Stimmen im Schrifttum
gehen dagegen

ohne allerdings das Problem des unionsrechtli-chen Erfordernisses einer ärztlichen Verschreibung für einen bestimmten Pati-enten ausdrücklich zu behandeln

davon aus, dass die [X.] des
[X.]s
im Sinne von §
21 Abs.
2 Nr.
1 [X.] auch unter [X.]/[X.] gerechtfertigt bleibt ([X.]/Wesser, [X.], 168, 176; wohl auch Winnands
in Kügel/[X.]/[X.], [X.],
2012,
§
21 Rn.
12).
[X.]) Nach Ansicht des Senats deutet der Wortlaut des Art.
3 Nr.
1 der Richtlinie ("nach ärztlicher Verschreibung für einen bestimmten Patienten zube-reitet") darauf hin, dass für die [X.] der in §
21 Abs.
2 Nr.
1 [X.] geregelten [X.] neben den weiteren dort angeführten Voraus-setzungen nicht allein eine nachweislich häufige ärztliche oder zahnärztliche Verschreibung ausreicht.
Für dieses Ergebnis spricht auch die Entscheidung "[X.]/[X.]" des Gerichtshofs der [X.] ([X.], Urteil vom 11.
April 2013 19
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-

535/11, [X.], 854 Rn.
46 = [X.], 892), wonach die Ausnah-mevorschrift des Art.
5 Abs. 1 der Richtlinie eng auszulegen ist. Diese Bestim-mung regelt die Anwendung der Richtlinie in Bezug auf Arzneimittel, die bei ei-nem besonderen Bedarfsfall nach Angaben des Arztes für dessen Patienten hergestellt werden. Diese Erwägung zu einer engen Auslegung dürfte auch für die Ausnahmevorschrift des Art.
3 Nr.
1 der Richtlinie gelten.

Nicht zweifelsfrei ist dagegen, ob der
Sinn und Zweck der Zulassungs-pflicht, also der wirksame Schutz der öffentlichen Gesundheit (vgl. Erwägungs-grund
2 der Richtlinie
sowie O[X.], [X.] 2008, 448, 453 mwN),
ebenfalls eine enge Auslegung des Art.
3 Nr.
1 der Richtlinie 2001/83/[X.] nahe-legt.
Der [X.] ist davon ausgegangen, dass die [X.] grundsätzlich nicht durch eine Herstellung in der Apotheke gefährdet ist ([X.], Urteil vom 14.
April 2011
I
ZR
129/09, [X.], 1165 Rn.
20
= WRP 2011, 1450
Injektionslösung). Vielmehr kann eine Vorratsherstellung von bis zu 100
Präparaten einen rationellen Betriebsablauf fördern, indem sich [X.] reduzieren und die Genauigkeit der Verteilung der Einzeldosen erhöhen lassen (vgl. [X.]/[X.], [X.], 123. Lieferung 2012, §
21 Rn.
33). Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass ein Fehler in der Rezeptur oder Herstellung nicht nur einen, sondern potentiell täglich bis zu 100
Patienten gefährden kann und insoweit das Gefährdungspotential von Defekturarzneimit-teln
im Sinne von §
21 Abs.
2 Nr.
1 [X.]
höher ist
als bei einer Zubereitung für einen bestimmten Patienten gemäß Art.
3 Nr.
1 der Richtlinie 2001/83/[X.].
b) Ebenfalls nicht zweifelsfrei ist die Frage, ob die Freistellung der in §
21 Abs.
2 Nr.
1 [X.] geregelten [X.] von der in §
21 Abs.
1 [X.] in Verbindung mit Art.
6 Abs.
1 der Richtlinie 2001/83/[X.] geregelten Zulas-sungspflicht mit Art.
3 Nr.
2
der Richtlinie 2001/83/[X.] im Einklang steht. Nach dieser Bestimmung
gilt die Richtlinie 2001/83/[X.] nicht für in der Apotheke nach Vorschrift einer Pharmakopöe zubereitete Arzneimittel, die für die unmittelbare 22
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13
-
Abgabe an die Patienten bestimmt sind, die Kunden dieser Apotheke sind (so-genannte formula officinalis). Zweifel an der Vereinbarkeit von §
21 Abs.
2 Nr.
1
[X.] mit dem [X.]srecht bestehen
deshalb, weil die [X.] Bestimmung nicht voraussetzt, dass das [X.] nach Vorschrift eines amtlichen Arzneibuchs zubereitet ist (vgl. Anker in [X.]/[X.]
aaO §
21 Rn.
24;
[X.] in [X.]/von [X.]/[X.]/[X.] aaO § 3 Rn. 73 in [X.]. 239).
2. Sollte die Vorlagefrage
1 bejaht werden, kommt eine einschränkende Auslegung des §
21 Abs.
2 Nr.
1 [X.] in Betracht (dazu II[X.] 2
a), die zu einer Vereinbarkeit der Bestimmung mit dem [X.]srecht führen kann (dazu II[X.] 2
b). In diesem Fall hätte die Revision Erfolg (dazu II[X.] 2
c).
a) Nach Auffassung des Senats hängt die [X.] eines [X.] bei unionsrechtskonformer Auslegung des
§ 21 Abs. 2 Nr. 1 [X.] davon ab, dass das unter den in dieser Bestimmung geregelten Voraussetzun-gen auf Vorrat hergestellte Arzneimittel gemäß einer ärztlichen Verschreibung, die nicht notwendig bereits vor der Zubereitung vorliegen muss,
jeweils für ei-nen
bestimmten Patienten abgegeben wird oder das Arzneimittel in der Apothe-ke
unter den in der Bestimmung geregelten Voraussetzungen und zusätzlich
nach Vorschrift einer Pharmakopöe zubereitet wird und
zur unmittelbaren Ab-gabe
an die Patienten im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs
und der be-stehenden Apothekenbetriebserlaubnis bestimmt ist.
Eine solche teleologische Reduktion der Bestimmung zur [X.] von [X.]n im Sinne von §
21 Abs.
2 Nr.
1 [X.] kann nach Ansicht des Senats Art.
3 Nr.
1 und 2 der Richtlinie 2001/83/[X.] nahelegen.
aa) Die nationalen Gerichte sind aufgrund des Umsetzungsgebots ge-mäß Art.
288 Abs.
3 AEUV und des Grundsatzes der Gemeinschaftstreue ge-mäß Art.
4 Abs.
3 EUV gehalten, die Auslegung des nationalen Rechts
unter voller Ausschöpfung des [X.], den ihnen das nationale 24
25
26
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-
Recht einräumt, soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie [X.], um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen. Dieser Grund-satz der richtlinienkonformen Auslegung verlangt von den nationalen Gerichten mehr als die bloße Auslegung innerhalb des Gesetzeswortlauts, sondern findet seine Grenze erst in dem Bereich, in dem eine richterliche Rechtsfortbildung nach nationalen Methoden unzulässig ist. Der Grundsatz der richtlinienkonfor-men Auslegung fordert deshalb auch, das nationale Recht, wo dies nötig und möglich ist, richtlinienkonform
im Wege der teleologischen Reduktion
fortzubil-den
(vgl. [X.], Urteil vom 26. November 2008 -
VIII ZR 200/05, [X.]Z 179, 27 Rn. 19 ff.).
[X.]) Die dargelegte einschränkende Auslegung steht mit dem Sinn und Zweck
von § 21 Abs. 2 Nr. 1 [X.] im Einklang.
(1) Der Grund für die
[X.] von [X.]n liegt vor allem in der Erhöhung der Arzneimittelsicherheit. Durch die Herstellung von [X.] in einem einheitlichen [X.] und in einer mehrfachen Menge der Einzelrezeptur lassen sich die Fehlermöglichkeiten re-duzieren, die Genauigkeit
der Verteilung der Einzeldosis erhöhen; zudem
wird eine analytische oder mikrobiologische Nachprüfung ermöglicht
(vgl. [X.], [X.]. 7/3060, Seite 73; [X.]/[X.]
aaO § 21 Rn.
33; Pelchen/Anders in [X.]/[X.], Strafrechtliche Nebengesetze, 195. Lieferung 2013, § 21 [X.] Rn. 4; [X.], [X.], 4. Aufl., § 21 Rn. 4; [X.], [X.], 168).
Außerdem dient die Bestimmung der [X.] eines rationalisierten Betriebsablaufs und damit dem Zweck, die Wirt-schaftlichkeit von Apotheken, einschließlich derjenigen von Krankenhausapo-theken, sicherzustellen (vgl. [X.]. 7/3060, Seite 73; [X.]/[X.], [X.], 123. Lieferung 2012, § 21 Rn. 33; Anker in [X.]/[X.] aaO §
21
Rn.
24;
[X.]
aaO § 21 Rn. 4).
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15
-
(2) Die Zulässigkeit der Abgabe nur unter der weiteren Voraussetzung
einer ärztlichen Verschreibung für einen bestimmten Patienten ermöglicht wei-terhin die Herstellung von [X.] in einem einheitlichen Herstel-lungsvorgang und in einer mehrfachen Menge der Einzelrezeptur. Gleiches gilt
für die alternative Voraussetzung einer Zubereitung nach Vorschrift einer Phar-makopöe und die anschließende unmittelbare Abgabe an Patienten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Arzneimittel
in Apotheken ohnehin gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 ApBetrO nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln des Arznei-buchs im Sinne von § 55 [X.] hergestellt
und geprüft werden müssen.
b) Nach Auffassung des Senats stehen die im Wege der teleologischen Reduktion des § 21 Abs. 2 Nr. 1 [X.] für die [X.] von [X.] alternativ
erforderlichen Voraussetzungen mit dem [X.]srecht im Einklang.
aa) Das Erfordernis, dass das unter den in dieser Bestimmung [X.] Voraussetzungen auf Vorrat hergestellte Arzneimittel gemäß einer ärztli-chen Verschreibung, die nicht notwendig bereits vor der Zubereitung vorliegen muss, jeweils für einen bestimmten Patienten abgegeben wird, entspricht Art. 3 Nr. 1 der Richtlinie
2001/83/[X.]. Zwar geht der Wortlaut der [X.] nicht von einer Abgabe gemäß einer ärztlichen Verschreibung, sondern von der Zubereitung nach ärztlicher Verschreibung aus. Der Bestimmung des Art.
3 Nr.
1 der Richtlinie kann jedoch nicht entnommen werden, die Privilegie-rung der Defektur sei vom Vorliegen einer ärztlichen Verschreibung für einen bestimmten Patienten
bereits vor Beginn der Herstellung des Arzneimittels ab-hängig. Die Gesichtspunkte der Arzneimittelsicherheit und der Wirtschaftlichkeit der Herstellung erfordern dies nicht. Vielmehr wird es beispielsweise in Kran-kenhausapotheken aufgrund von Erfahrungswerten und unter Berücksichtigung der aktuellen Patientenbelegung regelmäßig sinnvoll sein, den vorhersehbaren täglichen Bedarf an Arzneimitteln im Wege der Defektur vor einer ärztlichen 29
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16
-
Verschreibung zuzubereiten, um eine spätere Abgabe ohne zeitliche Verzöge-rung auf der Grundlage einer dann vorliegenden ärztlichen Verschreibung für einen bestimmten Patienten sicherzustellen. Bei dieser Auslegung des Art.
3 Nr.
1 der Richtlinie ist gewährleistet, dass die Arzneimittel vor dem Inverkehr-bringen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Vertretbarkeit vom Arzt und hinsicht-lich ihrer Qualität vom für die Herstellung verantwortlichen Apotheker und damit in zweifacher Hinsicht von einer kompetenten und unabhängigen Stelle geprüft werden (vgl. [X.], [X.], 1165 Rn.
20
Injektionslösung).
[X.]) Das alternativ in § 21 Abs. 2 Nr. 1 [X.] hineinzulesende
Erfordernis, wonach
das Arzneimittel in der Apotheke nach Vorschrift einer Pharmakopöe zubereitet werden
und zur unmittelbaren Abgabe an die Patienten bestimmt sein muss, ergibt sich unmittelbar aus Art. 3
Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/[X.].
c) Die Frage, ob die vom Senat für richtig erachtete teleologische Reduk-tion der [X.] gemäß §
21 Abs.
2 Nr.
1 [X.] mit dem [X.]srecht vereinbar ist, ist entscheidungserheblich. Sollte die [X.] nach §
21 Abs.
2 Nr.
1 [X.] von der Fertigung nach Vorschrift einer Pharmakopöe (Art.
3 Nr.
2 der Richtlinie) abhängig sein, kommt es darauf an, ob das in Rede

32
33
-
17
-

stehende Präparat
wie der [X.] behauptet hat
diese Voraussetzung er-füllt. Sollte dies nicht der Fall sein, kommt es für die Entscheidung des [X.] darauf an, ob die Abgabe des Präparats nur aufgrund einer ärztlichen Verschreibung zulässig ist. Sollte dies der Fall sein, ist die Werbung gegenüber dem allgemeinen Publikum nach § 10 Abs. 1 [X.] unzulässig.
Büscher
Schaffert
[X.]

Löffler
Schwonke
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 25.09.2012 -
406 [X.]/12 -

O[X.], Entscheidung vom 04.07.2013 -
3 [X.] -

Meta

I ZR 130/13

16.04.2015

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.04.2015, Az. I ZR 130/13 (REWIS RS 2015, 12554)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 12554

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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