Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.03.2017, Az. I ZR 71/16

I. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 13215

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:290317BIZR71.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 71/16
vom

29.
März
2017

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat am
29.
März
2017 durch [X.]
Dr.
Büscher, die Richter Prof.
Dr.
Schaffert, Dr.
Kirchhoff, Prof.
Dr.
Koch und Feddersen
beschlossen:
Die Beklagte wird darauf hingewiesen, dass der [X.], ihre zugelassene Revision gegen das Urteil des 13.
Zivil-senats des [X.] vom 10.
März 2016 gemäß §
552a Satz
1 ZPO zurückzuweisen.

Gründe:
[X.] Die Beklagte vertreibt in [X.] eine Vielzahl verschiedener Tees. Seit Juli 2013 bietet sie ein natürliches Kräuterteeprodukt ohne Zusatz-stoffe
unter der Bezeichnung "Detox" an, das Brennnessel und grünen Tee zu je 20% enthält.
Der Kläger, der [X.], hält die Produktbezeich-nung "Detox"
für eine unzulässige gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der Verordnung ([X.]) Nr.
1924/2006 über nährwert-
und gesundheitsbezogene An-gaben über Lebensmittel. Zudem verstoße die Werbung der Beklagten gegen das Irreführungsverbot des §
11 Abs.
1 Nr.
1 und 2 LFGB und des §
5 UWG. Die angesprochenen Verkehrskreise verstünden die Bezeichnung "Detox"
im Sinne einer entgiftenden Wirkung des Tees auf den menschlichen Körper. Mit seiner Klage begehrt der Kläger ein Verbot der Verwendung der Produktbe-1
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zeichnung "Detox"
sowie die Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 178,50

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das Berufungsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt ([X.], [X.] 2016, 302). Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausge-führt, der Produktname "Detox"
suggeriere, dass der Verzehr des Tees eine entgiftende Wirkung habe und damit zu einer Verbesserung des [X.] führe. Bei der Bezeichnung "Detox" handele es sich um eine nach Art.
10 Abs.
1 der Verordnung ([X.]) Nr.
1924/2006 verbotene gesundheitsbezo-gene Angabe. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache und zur Fortbil-dung des Rechts sei die Revision im Hinblick auf die Frage zuzulassen, ob [X.] Angaben nach Art.
10, 13 der Verordnung ([X.]) Nr.
1924/2006 nur substanzbezogen, also nur zu dem
jeweiligen Nährstoff, der Substanz oder dem Lebensmittel gemacht werden dürften, für die sie nach der [X.] zugelassen seien, nicht dagegen zu dem [X.], das diese Elemente enthalte, ohne dabei den der zugelassenen Aussage zugrundeliegenden Zusammenhang mit dem Nährstoff, der Substanz oder dem Lebensmittel herauszustellen.
I[X.] Der Senat beabsichtigt, die vom Berufungsgericht zugelassene Revi-sion der Beklagten durch einstimmigen Beschluss gemäß §
552a Satz
1 ZPO zurückzuweisen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (dazu II
1). Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg (dazu II
2).
1. Die vom Berufungsgericht angenommenen Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht mehr vor. Das Berufungsgericht hat die Revision we-gen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts im Hinblick auf die Rechtsfrage zugelassen,
ob gesundheitsbezogene Angaben nach Art.
10, 13 der Verordnung
([X.]) Nr.
1924/2006 über nährwert-
und gesundheitsbezo-gene Angaben über Lebensmittel nur substanzbezogen, also nur zu dem jewei-3
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-
ligen Nährstoff, der Substanz oder dem Lebensmittel gemacht werden dürfen, für die sie nach der [X.] zugelassen sind, nicht dagegen zu dem [X.], das diese Elemente enthält, ohne den der zugelassenen Aussage zugrundeliegenden Zusammenhang mit der Substanz, dem Nährstoff oder dem Lebensmittel herauszustellen.
Der Senat hat
diese Rechtsfrage
nach der Verkündung des Berufungsurteils
im Urteil vom 7.
April 2016 (I
ZR
81/15, [X.], 1200 Rn.
35
f. und 40 = [X.], 1359
[X.])
in dem vom Berufungsgericht für richtig erachteten Sinne beantwortet.
2. Die Revision der Beklagten hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
a) Auf der Grundlage der Sichtweise des Senats im Urteil "[X.]"
ist das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Revision mit Recht davon ausgegangen, gesundheitsbezogene Angaben dürften nicht produktbe-zogen, sondern nur stoffbezogen erfolgen.
b) Soweit die Revision geltend macht, der Verbraucher werde die Ge-sundheitswirkung entgegen der vom Berufungsgericht vorgenommenen Beur-teilung allenfalls den auf der Produktverpackung genannten Bestandteilen Brennnessel und grüner Tee zuordnen, setzt sie in revisionsrechtlich unzulässi-ger Weise
ihr eigenes Verständnis an die Stelle des Verständnisses des Tatrichters. Dieser hat maßgeblich darauf abgestellt, dass die Kräuterteemi-schung der Beklagten nach der Verpackung
des Produkts
zu jeweils 20% aus Brennnesseln und aus grünem Tee und im Übrigen
aus sonstigen Inhaltsstoffen besteht. Der Umstand, dass das Produkt der Beklagten auf der Oberseite der Verpackung unterhalb des Namens "Detox"
mit "Brennnessel

Grüner Tee"
bezeichnet ist, ist insoweit unerheblich. Er ändert nichts daran, dass der Bezug
der gesundheitsbezogenen Angabe nicht zu konkreten Inhaltsstoffen, sondern zum Gesamtprodukt hergestellt wird.

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5
-
c)
Der von der Revision angegriffenen Beurteilung des Berufungsge-richts, bei der Produktbezeichnung "Detox"
handele es sich um eine gesund-heitsbezogene Angabe im Sinne von Art.
2 Abs.
2 Nr.
5 der Verordnung
([X.]) Nr.
1924/2006, sind mittlerweile das [X.] ([X.] 2016, 614 juris Rn.
18 bis 29) und das [X.] ([X.] 2016, 948 juris Rn.
79 bis 88) beigetreten. Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung ([X.], [X.], 1200 Rn.
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[X.], [X.]) davon ausgegangen, dass der Begriff "gesundheitsbezogene Angabe"
jeden Zusammenhang erfasst, der eine Verbesserung des [X.] dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert. Die Beurteilung der dafür maßgeblichen Verkehrsauffassung obliegt im Wesentlichen dem Tatrichter und ist im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob dieser den Tatsachenstoff fehlerfrei ausgeschöpft und seine Beurteilung frei von Wi-dersprüchen mit Denkgesetzen und [X.] vorgenommen hat ([X.], [X.], 1200 Rn.
33
[X.], [X.]). Die von der Revision gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Beurteilung gerichteten [X.] [X.] sich nach diesem Maßstab als nicht begründet.
aa) Das Berufungsgericht hat es als maßgeblich angesehen, dass es sich bei "De"
um eine häufig verwendete Vorsilbe handelt, mit der der Bedeu-tungsgehalt einer Verringerung oder Herabsetzung verbunden wird. Es hat [X.] die Gesamtwirkung der aus den Silben "De"
und "tox"
gebildeten Bezeich-nung "Detox"
in den Blick genommen und daher
keine
zergliedernde Wertung oder Analyse vorgenommen. Nicht erfahrungswidrig
ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, der Name "Detox"
sei auf den ersten Blick für einen Kräuter-tee wegen
seiner Künstlichkeit ungewöhnlich und veranlasse den durchschnitt-lichen Verbraucher dazu, ihn genauer zu betrachten und seine Bedeutung zu hinterfragen.

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6
-
bb) Das Berufungsgericht hat
nachvollziehbar dargelegt
und näher [X.], dass die mögliche Verbindung des Begriffs "Detox"
mit einem "[X.]"
nicht aus dem Begriffsverständnis im Sinne einer Entschlackung oder Entgiftung herausführt
und
das Verständnis des Verbrauchers nicht auf
ein modisches Lifestyle-Produkt verengt ist. Soweit es in diesem Zusammenhang angenommen hat, auch diejenigen
Verbraucher, die mit dem Begriff "Detox"
einen "Wellness-Trend"
assoziierten, stellten eine Verbindung mit einer [X.] oder entgiftenden Wirkung her, ist es nicht von einer gespaltenen Verkehrsauffassung ausgegangen. Im Hinblick auf die Annahme einer solchen Wirkung kann die Bezeichnung "Detox"

anders als die Revision meint

nicht als "wolkiges Lifestyle-Wort"
angesehen werden, das nicht über eine allgemeine werbliche Anpreisung hinausgeht.
cc) Der Umstand, dass das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung die Ergebnisse einer "Google"-Recherche verwendet und ausgewertet hat, ist nicht zu beanstanden, weil sich im Streitfall daraus Rückschlüsse auf das maßgebli-che Verkehrsverständnis herleiten ließen. Dass die Treffer keinen Tee, sondern Kuren oder Diäten betrafen, war wegen des jeweils gegebenen Zusammen-hangs zwischen dem Begriff "Detox"
und einer Entgiftung unerheblich.
dd) Das Berufungsgericht hat seine Sachkunde hinreichend dargelegt. Danach konnte es die maßgebliche Verkehrsauffassung auch ohne Einholung einer Verkehrsbefragung ermitteln.
d)
Das Berufungsgericht hat im Übrigen
auch insoweit in Übereinstim-mung mit dem [X.] ([X.] 2016, 641 juris Rn.
31 bis 36) und dem [X.] ([X.] 2016, 948 Rn.
91 bis 94)
ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Produktbezeichnung "Detox"
für den von der Beklagten vertriebenen Tee nicht nur
einen Verweis auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheits-bezogene Wohlbefinden im Sinne von Art.
10 Abs.
3 der Verordnung
([X.]) 11
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13
14
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7
-
Nr.
1924/2006 enthielt, sondern eine spezielle gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art.
10 Abs.
1 dieser Verordnung darstellte.
Für die Abgrenzung zwischen speziellen und nicht spezifischen gesund-heitsbezogenen Angaben kommt es darauf an, ob mit der Angabe ein unmittel-barer [X.] zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und einer Funktion des menschli-chen Organismus hergestellt wird, dessen wissenschaftliche Absicherung (vgl. Art.
6 Abs.
1 der Verordnung
[[X.]]
Nr.
1924/2006)
in einem Zulassungsverfah-ren nach Art.
13 Abs.
3 dieser Verordnung (für Angaben nach Art.
13 Abs.
1 der Verordnung) oder nach Art.
15 bis 17 der Verordnung (für Angaben nach Art.
14 Abs.
1 der Verordnung) überprüft werden kann ([X.], [X.], 1200 Rn.
24
[X.], [X.]). Die Angabe "(zur) Entgiftung"
enthält -
nicht anders als etwa auch die Aussagen
"Zur unterstützenden Vorbeugung gegen Wassereinlagerungen"
(vgl. [X.], Urteil vom 17.
Januar 2013
I
ZR
5/12, GRUR 2013, 958 Rn.
13 = [X.], 1179
Vitalpilze) und "Zur Unterstüt-zung der Konzentrationsfähigkeit"
(vgl. [X.], Urteil vom 10.
Dezember 2015

I
ZR
222/13, [X.], 412 Rn.
26 = [X.], 471
Lernstark)
-
eine Aussage über spezielle physiologische Wirkungen, die als solche messbar und damit hinreichend spezifisch und wissenschaftlich nachweisbar ist. Dem steht nicht entgegen, dass Essen und Trinken generell stets ernährungsphysiologi-sche Vorgänge auslösen und dass schon das Trinken größerer Mengen Was-ser oder Kräutertee an sich entschlackend oder entwässernd wirkt. Dieser [X.] ändert nichts daran, dass dem streitgegenständlichen Produkt mit der Bezeichnung "Detox"
aus der Sicht der angesprochenen Konsumenten eine ganz spezielle Wirkung auf den menschlichen Organismus zugeschrieben wird.
15
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8
-
II[X.]
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei [X.] ab Zustellung dieses Beschlusses.
[X.] Streitwert der Revision: 50.000

Büscher
Schaffert
Kirchhoff

Koch
Feddersen
Hinweis:

Das Revisionsverfahren ist durch Zurückweisungsbeschluss vom 13.
Juni 2017 erledigt worden.
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.06.2015 -
11 O 30/14 -

OLG [X.], Entscheidung vom 10.03.2016 -
13 [X.] -

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Meta

I ZR 71/16

29.03.2017

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.03.2017, Az. I ZR 71/16 (REWIS RS 2017, 13215)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 13215

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