Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.12.2005, Az. VII ZR 71/04

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 49

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/04 Verkündet am: 22. Dezember 2005 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein BGB § 254 Abs. 2 Satz 1 Db Der Besteller verstößt nicht gegen seine Obliegenheit, den Unternehmer auf die Ge-fahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, wenn er den Un-ternehmer, den er mit der Entfernung eines oberhalb einer abgehängten Decke an-gebrachten Betonstreifens beauftragt hat, nicht darauf hinweist, dass das Lostreten und damit verbundene ungesicherte und unkontrollierte Herabfallen von [X.] nicht nur zur Beschädigung einzelner Deckenplatten, sondern zum Absturz der ge-samten, nach den anerkannten Regeln der Technik als Einheit konstruierten Decke führen kann. [X.], Urteil vom 22. Dezember 2005 - [X.]/04 - [X.] [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. Dezember 2005 durch [X.], [X.] Kuffer, Prof. Dr. [X.], [X.] und die Richterin [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Streithelfer 1 - 3 der Klägerin wird das Urteil des 22. Zivilsenats des [X.] vom 27. Februar 2004 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist. Die Berufung der [X.] gegen das [X.] des Land-gerichts [X.] vom 30. Juli 2002 wird insgesamt zurückgewie-sen. Es wird festgestellt, dass die [X.] wie Gesamtschuldner ver-pflichtet sind, der Klägerin allen weiteren Schaden zu ersetzen, der ihr durch das Herabstürzen der Decke im Badezentrum [X.]-Bockum am 18. August 2000 entstanden ist. Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren bleibt dem Schlussurteil des [X.] vorbehalten. Von Rechts wegen
- 3 - Tatbestand: 1 Die Klägerin verlangt von den [X.] Schadensersatz nach dem Ab-sturz einer abgehängten Decke. Die Klägerin ließ die Schwimmhalle eines von ihr betriebenen Schwimm-bades umfassend sanieren. Mit den Architektenleistungen hatte sie ihre [X.] zu 1 und 2, die in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts [X.] sind (Streithelferin zu 3), beauftragt. Im Zuge der Sanierungsarbeiten war im Jahre 1998 unter der eigentlichen Hallendecke eine abgehängte Decke (im Folgenden: Decke) mit einer Fläche von über 3.000 m² eingebaut worden. Diese war als Einheit ausgebildet und nicht in mehrere Segmente unterteilt. Nach ihrem Einbau wurde die Glasfassade der Schwimmhalle erneuert. Mit die-ser Arbeit wurde die Beklagte zu 1, deren persönlich haftender Gesellschafter der Beklagte zu 2 ist (im Folgenden nur noch: Beklagte) beauftragt. Oberhalb der Decke befand sich ein über die gesamte [X.] verlaufender ca. 80 cm breiter Rabitzstreifen, der ursprünglich zu einer [X.] gehört hatte. Da er nicht mehr benötigt wurde, beauftragte die Klägerin die [X.], ihn zu entfernen. Als Werklohn hierfür wurden 6.681,60 DM (3.416,25 •) netto vereinbart. Am 18. August 2000 durchtrennte ein erst wenige Wochen bei der [X.] tätiger Auszubildender entsprechend einer Weisung des Baulei-ters der [X.] die Haken und Drähte, mit denen der noch vorhandene Teil des [X.] befestigt war, und trat anschließend den Streifen mit dem Fuß los. Da die Decke ca. 5 bis 10 cm in den Bereich des [X.] hin-einragte, schlug ein größeres Stück des Streifens auf sie auf. Sie brach auf ih-rer gesamten Fläche aus den Halterungen und fiel auf den Boden der Schwimmhalle. 2 - 4 - 3 Die Klägerin begehrt Schadensersatz in Höhe von 873.001,81 • zuzüg-lich Zinsen und die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr allen wei-teren Schaden zu ersetzen. Das [X.] hat durch [X.] den [X.] dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Auf die Berufung der [X.] hat das Berufungsgericht auch das Verfahren über den [X.] an sich gezogen. Ausgehend von einem Mitverschulden der Kläge-rin in Höhe von 60 % hat es den [X.] dem Grunde nach zu 40 % für berechtigt erklärt, festgestellt, dass die Beklagte weitere Schäden der Klägerin in Höhe von 40 % zu ersetzen habe, und im Übrigen die Berufung zurück- und die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revi-sion der Klägerin, mit der sie die volle Haftung der [X.] erreichen will. Entscheidungsgründe: Die Revision ist begründet. 4 Die Beurteilung richtet sich nach den bis zum 31. Dezember 2001 gel-tenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB). 5 I. Das Berufungsgericht bejaht eine Schadensersatzpflicht der [X.] aus positiver Vertragsverletzung. Ihre Mitarbeiter hätten als ihre Erfüllungsgehil-fen den Absturz der Decke schuldhaft verursacht. Ein der Klägerin [X.] - 5 - nendes Verschulden ihrer Streithelfer 1 und 2 bei der Konstruktion der Decke habe nicht vorgelegen, diese entspreche den anerkannten Regeln der Technik. 7 Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Rechtsfehler zeigt die Revisionserwiderung nicht auf. II. 1. Das Berufungsgericht ist weiter der Ansicht, die Klägerin habe gegen ihre Obliegenheit nach § 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 1 BGB verstoßen, die Beklagte auf die Gefahr eines besonders großen Schadens hinzuweisen. Diese Gefahr habe sich daraus ergeben, dass die Decke nicht in mehrere Segmente unter-gliedert gewesen sei. Bei der Entfernung des [X.] habe daher das Risiko bestanden, dass das Herabfallen einzelner Teile zum Absturz der ge-samten Decke habe führen können. Die Klägerin habe Anlass zu der Befürch-tung gehabt, die Beklagte werde ohne einen solchen Hinweis nicht die nach Sachlage gebotene Sorgfalt an den Tag legen. Denn für die Beklagte voraus-sehbar sei allein das Risiko der Beschädigung einzelner Deckenplatten gewe-sen. Ihr Verhalten habe sich daher noch im Bereich desjenigen Risikos befun-den, das sie billigerweise unter Inkaufnahme eines von ihr zu ersetzenden [X.] Schadens habe eingehen dürfen. Die Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile führe dazu, dass die Beklagte zu 40 % den entstandenen Schaden zu ersetzen habe. 8 2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht Stand. Die Klägerin hat nicht gegen ihre Warnobliegenheit nach § 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 1 BGB versto-ßen. 9 - 6 - 10 a) Die in dieser Vorschrift normierte Obliegenheit des Geschädigten, den Schädiger auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, hat den Zweck, dem Schädiger Gelegenheit zu geben, Gegenmaß-nahmen gegen den drohenden Schaden zu ergreifen ([X.], Urteile vom 20. Januar 2005 - [X.], NJW-RR 2005, 1277, und vom 26. Mai 1988 - [X.], NJW 1989, 290). Der Geschädigte verletzt dann diese Obliegen-heit, wenn er unter Verstoß gegen Treu und Glauben diejenigen Maßnahmen unterlässt, die ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Mensch nach Lage der Dinge ergreifen würde, um Schaden von sich abzuwenden ([X.], Urteil vom 26. Mai 1988 - [X.], aaO). b) Danach liegt eine Obliegenheitsverletzung der Klägerin nicht vor. Sie musste die Beklagte nicht darauf hinweisen, dass die Decke als Einheit kon-struiert und nicht in mehrere Segmente aufgeteilt war, so dass beim Herabfallen einzelner Teile des [X.] der Absturz der gesamten Decke drohte. 11 Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte habe das Risiko der [X.] einzelner Platten in Kauf nehmen dürfen, die Klägerin habe somit Anlass gehabt, die Beklagte auf die Gefahr eines weit höheren Schadens hin-zuweisen, damit diese auch weitaus höhere Sorgfaltsanstrengungen an den Tag lege, geht fehl. Unabhängig von der Konstruktion der Decke war die [X.] bei der Entfernung des [X.] zur Einhaltung der gebotenen Sorgfalt verpflichtet. Sie hatte von vornherein alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um eine auch nur geringe Beschädigung der Decke zu vermeiden. Das Lostreten der Teile durch einen völlig unerfahrenen Auszubildenden und der damit verbundene ungesicherte und unkontrollierte Absturz dieser Teile des [X.] musste nicht nur zwangsläufig zu einer Beschädigung führen, da der Rabitzstreifen 5 bis 10 cm in den Bereich der Decke hineinragte. [X.] - 7 - mehr musste die Beklagte ohne weiteres damit rechnen, dass ein derartiges fachwidriges Verhalten eine nicht mehr beherrschbare Gefahr für die ganze [X.] mit sich bringen konnte. Dies gilt auch und gerade dann, wenn die Beklagte keine näheren Kenntnisse über die Konstruktion der Decke mit oder ohne Seg-mentierung hatte. Auf der anderen Seite musste die Klägerin mit einer solch groben Vorgehensweise und den damit verbundenen Risiken für die gesamte, den anerkannten Regeln der Technik entsprechende Deckenkonstruktion bis hin zu deren Absturz nicht rechnen. Sie musste die Beklagte daher nicht auf einen insoweit drohenden besonders großen Schaden hinweisen. Dass der eingetretene Schaden den mit der [X.] vereinbarten Werklohn um ein Vielfaches übersteigt, ändert an dieser Beurteilung nichts. 3. Die Schadensersatzpflicht der [X.] ist somit nicht gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB eingeschränkt. Die Beklagte muss in vollem Umfang für den Schaden aufkommen. Dementsprechend war ihre Berufung gegen das landge-richtliche Urteil insgesamt zurückzuweisen und ihre uneingeschränkte 13 - 8 - Einstandspflicht hinsichtlich etwaiger weiterer Schäden festzustellen. Das [X.] wird nunmehr über die Höhe des eingeklagten Schadens zu befin-den haben. Dressler Kuffer [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: LG [X.], Entscheidung vom 30.07.2002 - 4 O 31/02 - [X.], Entscheidung vom 27.02.2004 - I/22 U 158/02 -

Meta

VII ZR 71/04

22.12.2005

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.12.2005, Az. VII ZR 71/04 (REWIS RS 2005, 49)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 49

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