Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.12.2022, Az. 6 StR 403/22

6. Strafsenat | REWIS RS 2022, 7998

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Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. Mai 2022

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Vergewaltigung in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Körperverletzung, der Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige, der [X.] von Betäubungsmitteln an Minderjährige in zwei Fällen, des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und der Abgabe von Betäubungsmitteln in zwei Fällen schuldig ist;

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Körperverletzung, unter Einbeziehung der mit Urteil des [X.] vom 4. Dezember 2019 verhängten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Außerdem hat es gegen ihn wegen „unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren als Person über 21 Jahre“ in drei Fällen sowie wegen „unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln“, auf eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten erkannt. Zudem hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 60 Euro angeordnet.

2

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die [X.] der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

3

1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte in den beiden unter [X.] der Urteilsgründe genannten Fällen nicht wegen Abgabe, sondern wegen Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln an Minderjährige strafbar gemacht. Eine Abgabe von Betäubungsmitteln im Sinne des § [X.] Abs. 1 Nr. 1 BtMG ist jede Gewahrsamsübertragung an eine andere Person zur freien Verfügung. An einer solchen fehlt es, wenn das Betäubungsmittel – wie hier – zum sofortigen Gebrauch an Ort und Stelle hingegeben wird; in dieser Konstellation liegt vielmehr die Tatbestandsvariante des Überlassens zum unmittelbaren Verbrauch (§ [X.] Abs. 1 Nr. 1 BtMG) vor (vgl. [X.], Beschlüsse vom 24. März 2022 – 6 StR 14/22; vom 23. März 2021 − 3 StR 19/21, [X.], 301; [X.] BtMG/[X.], 16. Edition, § [X.] Rn. 5.2; [X.]. [X.], 2964, 2967).

4

2. In den Fällen [X.] und f der Urteilsgründe tragen die Feststellungen die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen Abgabe von Betäubungsmitteln neben dem jeweiligen Schuldspruch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht. Danach verkaufte der Angeklagte „vier Pappen LSD“ für insgesamt 60 Euro und gab weiteren Personen aus demselben Vorrat stammende Betäubungsmittel, weil sie diese für ihn weiterverkaufen sollten. In solchen Fällen tritt die Abgabe der Betäubungsmittel nach dem Wortlaut des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG („ohne Handel zu treiben“) im Wege der Subsidiarität hinter das Handeltreiben zurück (im Ergebnis ebenso [X.]/[X.]/[X.], BtMG, 10. Aufl., § 29 Rn. 533).

5

3. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend (§ 354 Abs. 1 StPO analog). § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Es ist angesichts des unveränderten Strafrahmens und der weiteren Umstände auszuschließen, dass das [X.] bei zutreffender rechtlicher Würdigung auf geringere Einzelstrafen erkannt hätte.

6

4. Hingegen hält die Gesamtstrafenbildung revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand. Die [X.] ist zwar im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass das rechtskräftige Urteil des [X.] vom 4. Dezember 2019 Zäsurwirkung haben könnte mit der Folge, dass zwei Gesamtfreiheitsstrafen zu bilden wären. Die Zäsurwirkung einer früheren Verurteilung entfällt jedoch, wenn die dort verhängte Strafe erledigt ist (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Januar 2017 – 3 [X.], [X.], 169; [X.]/[X.]/[X.], Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1247 mwN). Ob dies bei der mit Urteil des [X.] festgesetzten Geldstrafe der Fall ist, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Die allgemeine Feststellung, dass der Angeklagte noch Schulden durch Geldstrafen habe, genügt nicht, weil solche wiederholt gegen den Angeklagten verhängt worden waren. Es ist daher nicht auszuschließen, dass sich die Geldstrafe erledigt hat, mit der Folge, dass dann aus den Einzelstrafen nur noch eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden gewesen wäre.

Feilcke     

  

Tiemann     

  

Fritsche

  

von Schmettau     

  

Arnoldi     

  

Meta

6 StR 403/22

14.12.2022

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Göttingen, 23. Mai 2022, Az: 2 KLs 15/20

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.12.2022, Az. 6 StR 403/22 (REWIS RS 2022, 7998)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7998

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